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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.06.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950605027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895060502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895060502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-06
- Tag1895-06-05
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Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniff. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. vxtra »Beilage» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Pvslbefördenmg 60.—, mit Postbesürderuug 70.-». Äilnal,meschlnß für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. ^-271. Mittwoch Juni 1895. yr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 89. JahrganK Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. Juni. Der Mangel an einem klar erkennbaren „Kurse", der seit der Ernennung des Fürsten Hohenlohe zum Reichs kanzler und preußischen Ministerpräsidenten fast ebenso un liebsam zu Tage getreten ist, wie während der Reichskanzler- schast des Grafen Caprivi, bildet in der parlamentslosen Zeit begreiflicherweise ein ständiges Thema in dem größten Theile der Presse. Bei der Erörterung desselben wird indeß zumeist vergessen, daß der Reickskanzler als solcher, wenn er nicht ein Bismarck ist, recht wenig Einfluß aus den Curs der Neichspolitik bat. Fürst Bismarck selbst hat das verspürt, als er eine Zeit lang nicht preußischer Ministerpräsident war. Nicht einmal selbstständige Anträge im Bunbesrathe einzubringen, ist dem Reichskanzler durch die Reichsverfassung gestattet. Solche Anträge können nur von den Einzelstaaten ausgehen. Ist der Reichskanzler zugleich preußischer Ministerpräsident und seiner preußischen Ministercollegen sicher, so kommt sein Wille durch die preußischen Anträge und darüber hinaus so weit zur Geltung, als er die Zustimmung der übrigen Bundesstaaten zu ge Winnen weiß^ Fürst Bismarck ließ nicht selten von den nicht preußischen Staaten beim Bundesrathe Anträge einbringen, für die er bei seinen preußischen College» nicht die gewünschte Sympathie fand. Das konnte aber nur ein Bismarck, dem die größten nationalen Verdienste und die engsten persön tichen Beziehungen zu den leitenden Ministern der Einzel staaten eine Position gaben, die voraussichtlich keiner seiner Nachfolger erreicht. Ist ein solcher kein Mann von großer Initiative, so wird auch der Reichswagen sich langsam be wegen und durch parlamentarische Wirrnisse leicht aus der sicheren.Richtung kommen, sofern nicht in den Einzelstaaten ein kräftiger Geist sich regt und einigermaßen den Mangel an Entschlossenheit ersetzt, der dem Inhaber des obersten Reichsamtes und des preußischen Ministerpräsi- denteustuhleS anhaftet. Darf also mit Recht über den Mangel an einem klar erkennbaren Curse der inneren Reichs politik geklagt werden, so liegt dock die Schuld dieses Mangels nicht allein beim Reichskanzler und preußischen Minister präsidenten, sondern auch bei den Negierungen der übrigen Staaten, besonders der Mittelstaaten. Die „Münchener Neuest. Nachr." sind daher vollauf berechtigt zu folgender Ausführung: „In der Führung der Rcichspolitik, in den wichtigsten Fragen ist neben de» eigentlichen höchsten Reichsbkamtcn immer nur von Len preußischen Ministern die Rede, »ur diese treten handelnd auf der politischen Reichsbühne auf; hat denn die Regierung des zweitgrößten deutschen Staates, Bayerns, dabei gar nichts mit zureden? Cs ist eine hohe Seltenheit, wenn einmal ein bayerischer Minister im Reichstag Las Wort ergreift, und es ist seit langen Jahren nicht bekannt geworden, daß überhaupt in einer wichtigeren RcichSsrage die bayerische Regierung einen aus jchlaggebenden oder auch nur bemerkenswerthen Einfluß ge nonnnen hätte. Schließlich kommen wir doch gar zu weit in der politischen Abdieation und im gemächlichen Geschehenlasse» Die Umsturzvorlage, die wichtigste Frage der ganzen vorigen Reichs tagssession, die das deutsche Volk in der Tiefe aufgerüttelt und aus geregt hat, brachte plötzlich und unerwartet der preußische Kriegs minister im Reichstag zu Falle; Bayern und die anderen deutschen Staaten scheinen über ihre Meinung betreffs der so total ver änderten Coimnissionsbeschlüsse weder vorher befragt worden zu sein, noch das Bedürfnis; gehabt zu haben, eine Stellung dazu zu nehmen. Wir wolle» im Interesse des Reichs nicht hoffen, daß all gemeine deutsche Angelegenheiten vom Reichstag mehr in die Einzellandtage verlegt werden. Haben wir aber keine energische, cviisequente Reichspolilik, und spielen die Vertreter Bayerns, Württembergs und andere stets in Berlin eine so passive Rolle, so wird eine solche Verschiebung kommen müssen. Stach der bedenklich beschwichtigenden und dilatorischen Haltung, welche leider der Reichskanzler betreffs der bi metalli frischen Agitation eingenommen, ist jetzt in der württembergischen Kammer die dortige Regierung zur Sache befragt worden und wird, wie es heißt, eine unzweideutige Erklärung zu Gunsten der Ausrechterhaltung unserer guten Goldwährung abgeben. Bayern müßte eventuell für sich diesem Beispiel folgen. Auch über die Umsturzvorlage ist in verschiedenen Landtagen interpellirt worden. Wir meinen, daß solches, am Ende nöthig werdendes Separat- Vorgehen in deutschen Einzelstaaten das Rückgrat und das Ansehen der Reichsregierung nicht stärken kann. Wohl aber sollten die mittelstaatlichen Regierungen, und vornehmlich die bayerische, ihren berechtigten Einfluß mehr, als das bisher geschehen zu sein scheint, an richtiger Stelle in Berlin, im Bnndesrath und im Reichstag, geltend machen." Fürst Bismarck hat Aehnliches wiederholt gesagt und die mittelstaatlichen Regierungen wiederholt ermahnt, ihren be rechtigten Einfluß mehr, als es bisher geschehen, im Bundes rathe und im Reichstage geltend zu machen. Von den Er der Entwurf des «sub-ZonntvS "Reinsten Steuerzahler zwei Abtbc,langen, "«mUch Re ^ ^ «unter fünf Gulven), welche der E Arbeiter, welche gemeinde angeglicdert werben u . wesentliche eine Curie für sich, d.e fünfte, b.ld n. ^ eme Verschlechterung deS ursprungUcken En w ' w.rd durch den nen^n Modus d- es werden zusammengekvppelt würfelung von und im Reichstage geltend zu olgen dieser Mahnung ist freilich noch nicht viel zu spüren Charakter nicht vorgebeugt — es nerven gewesen. Lassen es aber die Einzellandtaae an Druck nicht ^ ländliche -Zwergbesitz, das Zwergcaprta, de - shlen, so wird an, Ende doch ein klarer Curs der inneren ' ^ ° - - -- r..- r-°bn Be„e, Reichspolitik erkennbar werden. Die Vorstöße und Erfolge des Bischofs Hasfner in der hessischen Ersten Kammer lasten die sächsischen Ge sinnungsgenossen des streitbaren Kirchenfürsten nicht schlafen. Sie erwarten vom Bischof vr. Wahl ein gleiches Vorgehen und hoffen auf gleiche Erfolge. Dies ergiebt sich aus folgender Zuschrift, die der ultramontanen „Köln. Volksztg." aus Sachsen zugeht: „Die von Bischof Hasfner in der hessischen Ersten Kammer jüngst gehaltene Rede mit ihrem Proteste gegen die Beeinträchtigung der freien Bewegung der katholischen Kirche auch auf dem Ordensgebiete hat auch hier unter den ihrer Kirche treu anhängenden sächsischen Katholiken mächtigen Widerhall gefunden und den dringenden Wunsch einer Revision, wenn nicht gänzlicher Wieder- aufhebung unseres aus dem Jahre 1876 stammenden, nur die katholische Kirche angehenden Culturkampf- ge setz es von Neuem rege gemacht. Aus den nämlichen Gründen wie Bischof Hasfner hatte unser Landesbischos, Bischof vr. Wahl, auf dem Landtage von 1892 in der sächsischen Ersten Kammer an die Staatsregierung die vertrauensvolle Bitte gerichtet, in Erwägung zu ziehen, ob und in welcher Weise bei der nächsten Landtags-Session Las Oberaufsichtsgesetz über die katho lische Kirche von 1876 abgeschafft oder abgeändert werden körnte. Doch die Landtagsperiode 1893/94 ging vorüber, ohne daß der Bitte des Bischofs irgend näher getreten worden wäre, auch für den Ende dieses JahreszusaininentrctendenLanLtag verlautet noch nichts über die Absicht der Beseitigung wenigstens der drückendsten und verletzendsten Bestimmungen des Ausnahmegesetzes, welches, wie mit vollster Ueber- zeugung versichert werden kann, von der überwältigenden Mehrheit der protestantischen Bevölkerung nicht verstanden, oder, wenn verstanden, nicht als nöthig aiigesehen wird. Die Staats regierungen in Preußen und Hessen haben im Einverständnis; mit den Landesvertrctungeii die Culturkampsgesetze revidirt. Nur in Sachsen scheint man an der unseligen Nachbildung der preußischen Maigesetzgebung, mit deren Constituiruiig der discretionairen Gewalt der Staatsregierung über die katholische Kirche und deren Einrichtungen »och immer festhalten zu wollen. Schon die nächste Volkszählung wird ergeben, daß die Zahl der sächsischen Katholiken in Folge zahlreicher Einwanderung, namentlich aus Preußen, nahezu 200000 beträgt und in stetem Wachsen begriffen ist. In allen Gemeinden sind die Kirchen überfüllt, neue Kirchen sind im Bau begriffen, die An spräche an Kirche und Geistliche wachsen; was hat, fragen wir, die Staatsregierung für ein Interesse, an einem Gesetze sestzuhalten welches der nun über 20 Jahre zurückliegende Kampf einer Nachbar Negierung uns sächsischen Katholiken gebracht hat, und dessen Charakter als Ausnahmegesetz immer tiefer und schmerzlicher c Pfunden werden muß?" Das ist jedenfalls das Vorspiel einer Wiederholung des Antrags von 1892. Wie damals wird die überwältigende Mehrheit der protestantischen Bevölkerung zeigen, daß sie das Gesetz von 1876 versteht und als notbwendig erkennt; der Regierung aber hat Bischof Haffner auf das Klarste gezeigt wohin man gelangt, wenn man durch Zugeständnisse die Dankbarkeit des Ultramontanismus erkaufen zu können glaubt ft-'d-rn -»ch wUnd di° ,w-u- Hälft- u»ft-n C» d> Arbeiter? Viele Mill.on-n nähren s'ch auch m vesterE durch Lohn, von d escn ollen nun 600 000, in Zuiunsi mäkle» dürfen und über - 13 Mandate verfugen. AuS- AL,7 L Wah„°ch,. all. d» Intelligenz «„gehörigen Personen, sowie. I ist daher zu der «aMstsvlgerung verea-l.gl, daß die enausche tellung befinden und daher noch keine St , „naeböriaen! Flottenkundgebung vor Beirut keinerlei weitergehcnde Zwecke dc« mir die rwel Jahre einer Kraulen ff 8 Is'.it als di? mit Ken Nnenänne» »'NN Diekknk rn- Daß der österreichische Wahlreform-Entwurf, wie er aus den Verhandlungen des Sub-Coi»it6s hervorgegangen ist, auf den entschiedensten Widerspruch namentlich im deutsch liberalen Laaer stoßen würde, war vvrauszusehen und zwar, wie die „N. fr. Pr." ausführt, aus folgenden Gründen Während nach dem ursprünglichen Regierungsentwurf zu den bestehenden vier Curien, d. h. Interessengruppen, noch eine fünfte Curie geschaffen wurde, in welcher Alle wählen sollten die heute kein Wahlrecht haben, kleine Steuerträger oder solche, die ohne Steuer einem Jntelligenzcensus entsprechen oder in einer Arbeiterkrankencaffe eingeschrieben sind — ein Plan, der wenigstens nur das eine gegen sich hatte, daß er einen Mischmasch der verschiedensten Berufe anrichtet — theilt notbwendig, daß die Sühne der begangenen Verbrechen mit größtmöglicher Pubkicität und in einem entsprechend impo santen Rahmen vor sich gebe. Wesentlich deshalb ist auch das ungemein starke britische Flottenausgebot erfolgt, das s. Z. wohl durch das Erscheinen der französischen und russischen Flagge vervollständigt werden wird. Es soll nicht nur unter dem Drucke dieser Aetivn in großem Stile gleich sam ein Exempel statuirl, sondern auch ein moralischer Eindruck von bleibender Nachhaltigkeit hervorgebracht werden, der den Orientalen mit nicht mißzuverstehender Deutlichkeit die Grenze zeigt, welche sie in Berührung mit officiellen europäischen Vertretern niemals überschreiten dürfen, wollen sie sick nicht einer sofortigen und schweren Ahndung aussetzen. Wie sehr verschiedenartig und vielleicht sogar direct entgegengesetzt die politischen Bestrebungen der im Orient interessirtcn Mächte sonst sein mögen, in dem einen Puncte, daß Leib und Leben des einzelnen Europäers vor dem Muthwillen und dem Fanatismus des Pöbels geschützt werden, sind sie solidarisch und müssen es sein. Für die augenblick liche Gestaltung der englischen Politik ist es beachtenSwerth, daß eben jetzt der Leiter derselben, Lord Nosebery, sich durch An tritt einer zehntägigenKreuzerfahrt jeder unmittelbaren contiuuir- kichen Einflußnahme auf dieselbe entzogen bat, was sicher nicht geschehen wäre, wenn der politische Welthorizont in irgend einem Puncte bedrohliche Wetterzeichcn aufwiese. Man ist daher zu der Schlußfolgerung berechtigt, daß die englische ländlichen Arbeiter, da nur die zwei Jahre Arbeiter Berücksichtigung finden, die -inoetraaen die bisher in den Krankencassen nicht .eingetragen waren. Man fasse nur die L-tzt-re,, mS Aug . welche Ungleichheit auf derselben s°E" ^use. Man stelle sich z. B. zwei Bruder, Bauersohne vor eine arbeitet auf dem Felde, der aiidere in der Brauerei des Gutsherrn, also in fabrikmäßigem Betriebe 4 , kein Stimmrecht, der letztere,,t Wähler. Treibt n^n, frag die N. fr. Pr." auf diese Weise nicht die ländlichen Arbeiter m Massen in die Arme der Socialbemokratie, fft das nicht eme neue Berlockung für die jungen Bauernsohne, ihr Gluck in der Stadt zu versuchen? Schließlich aber, w.e sollen die l3 Mandate der registrirten 600 000 Arbeiter über das anze große Reich verteilt werden? Es mußten da doch 'omplexe von Tausenden von Quadratme.len geschaffen werden, aus welche nur ein Abgeordneter siele, Wahlkreise, in denen nie eine richtige Wählerversammlung zu Stande käme. Die Wiener liberale Presse nennt diesen Wah gesetz- entwurs eine politische, sociale und logische Unmöglichkeit und die Vermuthung liegt sehr vahe, biß schon nn Ausschuß eine Ablehnung erfolgt; im Plenum aber, wo die Abänderung des Staatsgrundgesetzes über d,e Reichs Vertretung einer Zweidrittel - Majorität bedarf, ist aus diese nicht zu rechnen. Man fft einig darüber, daß, falls nicht früher schon eine parlamentarische Krise auSbricht, für welche so viel Zündstoff aufgehäuft ist, das Cabmet Windischgrätz an der Wahlreform Schifsbruch leiden w,rd. Das Gesetz trägt in allen seinen Hauptzügen da« Gepräge des Grafen Hohenwart, ihn trifft daher die Verantwortung, wenn eS scheitert und wenn zugleich die Coalition in die Brüche geht. Letztere kam zu Stande, als der klerikale Graf versicherte, er werde die Interessen seiner Gegner berück sichtigen. Man sieht, wie er Wort gehalten hat! Bezüglich der englischen Flottendemonstration vor Beirut wird man zwei Dinge wohl auseinanderhalten müssen: die Erlangung der Genugthuung für das inDjeddah Vor- acfallcne und die allgemeine Lage der Orientpolitik, soweit England dabei in Betracht kommt. Unzweifelhaft ist es so wohl eine Forderung der Gerechtigkeit, als der Klugheit, daß Ausschreitungen des muselmanischen Fanatismus gegen Europäer in keinem Fall ungesühnt bleiben, am aller wenigsten, wenn sie gegen ofsicielle Vertreter europäischer Mächte sich kehren. Den Europäern würde der Aufenthalt im Orient einfach unmöglich gemacht werden, wenn die Urheber der Frcvelthaten von Djeddah nicht nach der vollen Strenge des Gesetzes bestraft würden. Dafür zu sorgen, daß dies ge schieht, ist Sache der Pforte, und es sind ja auch bezügliche Maß regeln in der Ausführung begriffen. Ferner aber erscheint es im Auge hat, als die mit den Vorgängen von Djeddah Zu sammenhängen, und daß sie insbesondere sich von allen Ten denzen und Acten sorglichst fern halten wird, welche auch nur den leisesten Verdacht erwecken könnten, als sei es etwa auf eine Forcirung des von seiner Lösung anscheinend wieder weit entfernten armenischen oder sonsteines der zahlreichen secnndären Probleme der Orientfrage abgeseben. Schon ein Blick auf die zweifelhafte parlamentarische Fundirung des Ministeriums Rosebery muß davon abhalten, ihm in diesem Augenblick weitergehende politische Spekulationen zu unter stellen. Deutsches Reich. Berlin, 4. Juni. In Eimsbüttel bei Hamburg ist gestern (wie schon kurz gemeldet. Red.) der LandtagS- abzeordnete Otto Hermann OttenS gestorben, wenige Monate vor einem Doppeljubiläum, das bereits im Kreise seiner Freunde mehrfach besprochen worden war. Er stand im Begriff, sein siebzigstes Lebensjahr und zugleich das fünfund zwanzigste Jahr seiner parlamentarischen Laufbahn zu vollenden. Oltens war geboren am 2l. September 1825 und wurde ins preußische Abgeordnetenhaus gewählt szuerst am 16. November 1870 und seither immer wieder im 12. schleswig-holsteinischen Landtagswahlkreis Norderdith marschen. In der denkwürdigen Zeit von 1860—1866 hatte er der holsteinischen Ständeversammlung angchört. Daö preußische Landesparlament verliert in ihm wiederum einen Zeugen der Werdezeit des Reiches und der größten Ent wickelungsepoche des preußischen Staates; die Heimathprovinz chleSwig-Holstein einen getreuen Repräsentanten der klugen und überlegten Art, wie der Beharrlichkeit der niedersächsisch friesischen Bevölkerung im westlichen Holstein; die national liberale Partei einen stets zuverlässigen Berather und einen in aller förderlichen Arbeit überaus nützlichen Mitarbeiter. Seit 1893 gehörte Oltens auch dem Centralvorstand der Partei und im Abgeordnetenhause dem Fractionsvorstand als Mitglied an. * Berlin, 4. Juni. Im Herbst 1889, ein Jahr nach dem Tode des Kaisers Friedrich, erschien Gustav Frey- tag's Broschüre: „Der Kronprinz und die deutsche Kaiserkrone", die großes Aufsehen erregte. Auf die Bitte eines Mitarbeiters der „N. Fr. Pr.", dem Blatte vor dem Erscheinen des Werkchenö ein Capitel zur Verfügung zu stellen, antwortete Frcytag: „Wiesbaden, 3. October 1889. Lieber, verehrter Herr und Freund! Wenn ich Aushängebogen der angekündigten Broschüre versenden dürfte — ich habe selbst noch keinen — so wäre Ihre Zeitung die erste, welche daraus Anspruch hätte. Denn ich fühle vor diesem Thema Ihnen gegen Feuilleton. Die Erbin von Abbot-Lastle. Lös Original-Roman von F. Klinck-Lütetsburg. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Ich kann mir wirklich keinen reckten Begriff mehr von dieser Mrs. Strathey machen. Nach Deiner Beschreibung machte ich mir ein anderes Bild von ihr. Wie kann sie etwas derartiges schreiben?" „Das ist es, Harry. Wie muß man über mich urtheilen, daß Harriet so schreiben konnte. Es ist zu entsetzlich. Selbst sie!" Sie schluchzte jetzt herzbrechend und Lord Ruthbert hatte Mühe, sie zu berulsigen. Gerade weil Harriet den Brief ge schrieben, machte er einen so liefen Eindruck auf Mary. ES gelang ilnn zwar, der jungen Frau mit milden, tröstlichen Worte» die Möglichkeit nahe zu legen, daß MrS. Strathey, durch Will Gullbam aus irgend einem, nur diesem Verleumder bekannten Grunde, gelauscht und zum Schreiben dieses Briefes veranlaßt worden sei, aber seine eigene niedergedrückte Stimmung erfuhr dadurch keine Verbesserung. Er hatte er kennen gelernt, daß cs ihm nie gelingen werde, Maxy glücklich zu machen, so lange nicht der dunkle Schatten hinwegge- nomnien sein würde, welcher ihr Gemüth verfinsterte. Zum ersten Male fand er kein Wort mehr, welches die Hoffnung ausgcdrückt batte, das; die Stunde kommen werde wo sie in seiner Liebe Ersatz für Alles habe. Nachdem er sich überzeugt, daß Mary s Zustand vorläufig wenigstens sich gebessert habe, sprach er die Absicht aus, noch einen Ritt ins Freie zu machen. Es litt ihn nicht mehr daheim. Sie redete ihm freundlich zu, ihm versichernd, daß nur Aifftregung und ein Uebcrmaß von Freude sie krank gemacht habe. Hier werde sie bald wieder ganz gesund werden. Es gelang ihr nicht die Miene ihres Gatten zu erhellen — er hatte keine Hoffnung mehr. Er wollte nicht nur einen Ritt machen, sondern zu Doctor Donald, um mit demselben wegen des Briefes Rücksprache zu nehmen. Derselbe hatte sich immer sehr besorgt um Mary s Gesundheit gezeigt, und eS würde sehr förderlich sein, wenn er den wahren Grund kannte, der so schädigend auf die junge Frau gewirkt. Er hoffte ihn im Hause zu finden. Doctor Donald langte gerade mit Lord Ruthbert zugleich im Hofe seines kleinen Hauses an. Er hatte noch einen Krankenbesuch gemacht und befürchtete beim Anblick des Nach bars bereits eine Verschlimmerung des Zustandes seiner Patientin. Aber mit wenigen Worten setzte Lord Rntbbcrt ihm den Zweck seines Kommens auseinander. Doctor Donalv dachte, daß er sehr zu beklagen sei. Das letzte Jahr mit seinen Sorgen und Mühen hatte keineswegs wohlthätig aus das Aenßere dieses kräftigen, gesunden Mannes gewirkt, er blickte zudem sehr finster in die Welt hinaus. Doctor Donald laS wiederholt den Brief, er fand aber nichts Rechtes zu sagen. Er wußte nicht viel von der Schreiberin, aber sie war entschieden eine wunderliche Person, selbst wenn man, wie Lord Ruthbert meinte, einen besonders starken Ein fluß diese« Will Gullbam in Erwägung ziehen wollte. Auf der einen Seite die Ueberzeuguna, daß eine einstige zärtlich geliebte Freundin einen gemeinen Mord begangen haben könne verbunden mit einem, in diesem Falle allerdings sehr begreif lichen, Abscheu, auf der anderen ein großes Verlangen sie noch glücklich zu sehen, welche Hoffnung sie in einer Verbindung der Freundin mit Will Gullham verwirklicht sehen wollte. Er laS den Brief wieder und wieder, konnte aber nur mit dem Kopfe schütteln. Daß dieses nichtswürdige Mach werk einen so tiefen Eindruck auf Lady Ruthbert gemacht, erschien ihm in Erwägung aller für sie vorangegangenen Auf regungen sehr erklärlich, die Wirkung hatte kaum eine andere sein können. „Wissen Sie, Lord Ruthbert, wenn ich Untersuchungsrichter gewesen wäre, ich würde ohne Frage diesen Gullham ver dächtigt haben." Lord Ruthbert seufzte. „Er war ein Mann, dessen man sich einer solchen Thal Wohl hätte versehen können, aber warum sollte man ihn ver dächtigen? Er hat durch den Tod des Oheims eher Schaden als Nutzen gehabt, Sie wissen, Edgar SaunderS war Uni versalerbe." „Die Angelegenheit würde beispielsweise schon ein ganz anderes Licht erhalten, wenn das, was von einem zweiten Testament gemunkelt worden ist, auf Wahrheit beruht hätte." „Dieses zweite Testament ist eben nickt aufgefunden worden", sagte Lord Ruthbert mit einem tiefen Seufzer, indem er daran dachte, was Mary ihm gesagt. „Aber auch in einem solchen Falle würde eS sich nicht einmal erklären lassen. Meine Gattin sagte ausdrücklich, daß Graf SaunderS entschlossen gewesen sei, Will (Äullham sein ganzes Baarverrnögen zu vermachen. Er war ganz arm. und konnte sich glücklich schätze» etwas zu bekommen. Eie müssen selbst zugeben, daß es ganz undenkbar ist, baß Gullham seinen Oheim vergiftet haben wurde, da er sich dadurch nm Alles bringen mußte." „Auch wenn wirklich ein zweites Testament vorhanden war?" „Ist es vorhanden gewesen, Doctor? Das Gericht müßte davon in Kenntniß gesetzt worden sein. Meine Gattin be hauptet eS mit großer Bestimmtheit, aber — was wußte sie von Testamenten? Sie ist durch irgend etwas getäuscht worben." ' ^ dargelegt hat. ins Auge fassen. 'Haben ( irgend welchen Grund, den Schreiber oder den Ar dieser n.chtSwürdigen Epistel nicht für einen ganz v° Schurken zu halten? Angenommen, das zweite Test, da gewesen. Will Gullham hat ohne Zweifel darum ^ der alte SaunderS beiden Neffen gerecht zu werden, er will dem Ei Besitzung und dem Anderen das baare Geld gebe Gullbam hat für weitaus vernünftiger gehalten, Besitzung und Geld allein zu bekommen. Ich erinnere mich, daß Sie selbst mir eines Tages von der Geldgier dieses Menschen ge sprochen haben, die ihn schon in der Jugendzeit zu einem unerträglichen Gesellschafter machte. Er hat diese Theilung hindern wollen." „Diese Puncte sind auch vom Rechtsanwalt Primrose, ja, selbst von den Richtern erwogen worden. Aber — Sie wissen, lieber Doctor, Mary Coimor war Angeklagte, man legte ihren Aussagen nicht den allergeringsten Werth bei, man hielt eS sogar überflüssig Nachforschungen darüber anziistellen, ob dieselben nur eine Möglichkeit für sich haben könnten. Daher kommt cö auch, daß man sich weigert, das Versabren wieder aufzunehiilen. Man will eben in Mary nur die An geklagte und nicht die Zeugin sehen." , Dagegen ließ sich nicht auskommen, wir Doctor Donald seufzend zngestand, und es war somit auch keine Aussicht vor banden die Ursache hinweg zu räumen, welche Lady Ruthbert hinderte, zur Gesundheit zurückzukehren. „Ich würde aber doch mit dem Briefe einmal zu RecktS- anwalt^Primrose gehen", meinte er zuletzt in einem verdrieß lichen Tone. „Cs muß doch irgend einen Weg geben, um sich uff.d seine Angehörigen vor derartigen Schurkereien zu schützen. Sie müsse» sich mit dieser sauberen MrS. Strathey in Ver bindung setzen. Aber das Alles weiß Mr. Primrose besser als ich. Gehen Sie zu ihm. Ich meine, cS muß etwas ge- schrhen. In dieser ganzen Sache scheinen mir Gewalten thätig, wie ich sie kennen zu lernen noch nicht Gelegenheit hatte, und die mir vollkommen unbegreiflich sind, weil sie gegen eine der liebenswürdigsten, edelherzigsten, überhaupt eine der besten Frauen gerichtet sind." Neunzehntes Capitel. Mr. Primrose durchkreuzte mit raschen Schritten sein großes, geräumiges Arbeitszimmer von einem Ende zum anderen, unbekümmert um Lord Ruthbert, welcher vor Verwunderung
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