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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.06.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189506101
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- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18950610
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18950610
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-06
- Tag1895-06-10
- Monat1895-06
- Jahr1895
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.06.1895
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4140 und der ehemalige Vertreter der Türlei in Rom Turchan Pascha zum Außenminister ernannt. Aller Wahrschein lichkeit nach soll mit diesem Wechsel die ablehnende Haltung der Pforte in der Frage der armenischen Controle in Etwas abgeschwächt werden, indem der Sultan zum Aus druck zu bringen wünscht, daß er zwar eine Einmischung Fremder in die inneren Angelegenheiten des Reiches nach wie vor nicht dulde, daß er aber zu weitgehenden und zwar nicht bloß auf Armenien beschränkten Reformen bereit sei. Said Pascha gilt nämlich als ein Mann entschiedener Re formen im Innern, auf welche er sein Hauptaugenmerk ge richtet und die er auch unter den schwierigsten Verhältnissen durchzuführen verstanden bat. Er hat keine ausgeprägte Phy siognomie bezüglich der äußeren Politik gezeigt, obschon zuweilen das Gegentheil behauptet wurde, und man darf vermutheu, daß er seine Thätigkeit vorwiegend der inneren Verwaltung zu wenden und alle jene Reformen, die er schon während seiner früheren RegierungSthätigkeit auf dem Gebiete des Finanz wesens und der Rechtspflege eingeführt hatte, jetzt weiter ausbilden werde. Dadurch, daß Said Pascha die besondere Gunst deS Sultans genießt, war es ihm möglich, im modernen Sinne Verbesserungen auf verschiedenen Gebieten, besonders aus dem der Justiz, durchzuführen und zum Beispiele die Institution der Staatsanwaltschaft für die Türkei ins Leben zu rufen. Tbatsächlich hat der Sultan bereits einen Anlauf zu einer Reformation genommen. Wie uns heute gemeldet wird, sollen auf seinen Befehl Specialcommissionen unter Zuziehung von Armeeofsicieren gebildet werden, welche eingehende Studien über die in den verschiedenen Therlen des türkischen Reiches wohnenden Stämme zu pflegen habe». Diese Studien sollen die Stämme, ihre Scheidung nach Land und Familien und die Bezeichnung der von ihnen bewohnten Landstrecken umfassen. Ueber die Tragweite der ins Auge gefaßten Reformen braucht man sich freilich keinen allzugroßen Illusionen hinzugeben, man weiß ja, was bei derartigen Versuchen am Goldnen Horn heraus- zukommen pflegt. In erster Linie scheint der Schritt deS Sultans nur Len Zweck zu haben, durch scheinbares Ent gegenkommen die Aktion der Mächte zu paralysiren. Deutsches Reich. * Berlin, 9. Juni. DaS Oberkommando der Marine hat folgende amtliche Hafenordnung für Kiel während der Feierlichkeiten zur Eröffnung deS Nord-Ostsee- Eanals erlassen: Wenn fremde Kriegsschiffe erwartet werden, geht der Aviso „Pfeil" mit denjenigen Seeofficieren nach dem Stollergrund, welche bestimmt sind, die fremden Kriegsschiffe in den Hafen zu bringen. Bei Ankunft der fremden Kriegs schiffe begeben sich die für sie commandirten Seeofficiere an Bord derselben und begrüßen sie im Namen des comman- direnden Admirals. Daß sie gleichzeitig den Dienst des ComplimentirosficierS versehen, ist den fremden Admiralen beziehungsweise Eommandanten auszusprechen. Sie haben die Admirale und Eommandanten darauf aufmerksam zu machen, daß die Landesflagge der Beste Friedrichsort zu salutiren ist. Die Avisos der fremden Geschwader, welche am 20. Juni Nachmittags von Brunsbüttel durch den Canal nach Kiel kommen, sind gleichfalls von bestimmten See officieren auf ihre Ankerplätze zu bringen. Die Salute werden nach den Bestimmungen des Flaggen- und Salut reglements gefeuert. So lange die Standarte des Kaisers weht, dürfen Salute nur aus besonderen Befehl gefeuert und erwidert werden. Am 19. Juni, Vormittags 10 Uhr, ver sammeln sich sämmtliche Admirale und Eommandanten der deutschen und der fremden Geschwader an Bord des Schul schiffes „Marö" und tauschen dort ihre Besuche gegenseitig aus. Damit gelten alle officiellen Besuche als erledigt. Jedem deutschen Schiffe werden für die Unterhaltung der Gäste ein oder mehrere fremde Schiffe zugetheilt. Die Eommandanten, Ofsiciere und Seecadetten machen auf den ihnen zugetheilten Schiffen bald nach deren Ankunft Besuch und stellen sich den Gästen zur Ertheilung aller wünschenswerthen Auskunft zur Verfügung. Bei den Festlich keiten nehmen sie sich ganz besonders dieser Gäste an. Während der ganzen Festlichkeiten hat das Schulschiff „Mars" die Flagge des commandirenden Admirals gesetzt; dasselbe hat in dem Falle, daß ein fremdes Schiff die Landesslagze erst innerhalb Friedrichsort salutirt, den Salut zu erwidern. Die Schiffe des deutschen ManövergeschwaderS haben spätestens am 10. Juni, Mittags 12 Uhr ihre Liegeplätze nach dem Plane einzunehmen. Dasselbe hat vom 20. biS 22. Juni für die fürstlichen Gäste 8 Dampfbeiboote zu stellen. Das Manövergeschwader hat sich so einzurichten, daß eS in der Zeit vom 17. bis 22. Juni keine Forderungen an Wasser, Kohlen oder sonstigen Requisiten an die Werft stellt. Das Schulschiff „Blücher" übernimmt für die Zeit vom 12. bis 30. Juni die Functionen des Wachtschiffes, welches die Centralstelle für den Verkehr aller fremden Schiffe mit der Werft und allen sonstigen Behörden ist. Für den täglichen Verkehr der Schiffe mit dem Lande werden sämmtlichen Fahrzeugen besondere Landeplätze zur Verfügung gestellt; und zwar: Die Hansabrücke' den italienischen Schiffen, die Gefionbrücke den englischen Schiffen, der Kai den dänischen, norwegischen, portugiesischen, russischen, schwedischen, spanischen, amerikanischen, französischen, niederländischen, österreichischen, rumänischen und türkischen Schiffen. Den beurlaubten Officieren ist eS unbenommen, an allen öffentlichen Landebrücken anzulegev, mit Ausnahme der Barbarossabrücke, welche zur ausschließlichen Verfügung des deutschen Kaisers und seiner fürstlichen Gäste bleibt. Einlaufende Schiffe haben sich an der Westseite, auslaufende an der Ostseite des freien Fahrwassers zu halten. Zur Auf rechterhaltung der polizeilichen Ordnung dienen Polizeiboote, welche vorne im Bug schwarzweiße Flaggen führen. Den Anordnungen dieser Boote ist unbedingt Folge zu leisten. Beurlaubungen von sämmtlichen im Kieler Hafen ver sammelten Schiffen von Mannschaften an Land während der Festtage können wegen der beschränkten Verhältnisse der Stadt Kiel und ihrer Hilfsmittel in nachstehender Reihenfolge und nur an den nachbezeichneten Tagen statt finden: Am 17. Juni: Dänemark, England, Norwegen, Schweden; am 18. Juni: Italien^ Niederlande, Portugal, Rußland; am 19. Juni: Vereinigte Staaten von Nord amerika, Frankreich, Oesterreich, Rumänien, Spanien und Türkei. Demnächst vom 20. Juni wie am 17. und so fort. Von den deutschen Schiffen sind nur Unterofficiere von guter Führung in beschränkter Anzahl zu beurlauben. Beurlaubungen über Nacht sind untersagt. Zur Aufrecht- erhaltung der Ruhe und Ordnung in den Straßen Kiels stellt die Commandantur die erforderliche Zahl von Patrouillen in Stärke von 5 Mann. Excedeuten sind so schnell als möglich an Bord ihrer Schiffe zu bringen. Eine SanitätS- wache wird mit dem erforderlichen Lazarethpersonal, sowie mit Verbandmaterial ausgestattet. In derselben ist auch ein Arzt zu stationiren. In dem Gebäude der Marine-Akademie befindet sich zur Benutzung für die fremden Schiffe und Nachten ein Post- und Telegraphenamt; zur Beförderung von Telegrammen werden dem Postamte einige Dampfpinaffen zur Verfügung gestellt. In sämmtlichen Geschäftszimmern ist der Dienst derartig zu regeln, daß von Morgens 8 Uhr bis Abends 10 Uhr der dienstliche Verkehr gesichert ist. * Berlin, 9. Juni. Die Deutsche Colonialgesell schaft beschloß ihre diesjährige Hauptversammlung in Cassel, über deren Verlauf wir berichteten, mit einem Festmahl. Aus der Reihe der üblichen Reden, die auf diesem Festmahl gehalten wurden, verdient diejenige hervorgchoben zu werden, die Gouverneur v. Wissmann in Erwiderung auf eine Ansprache des Staatsministers a. D. v. Hofmann hielt. Er sagte über die Aufgaben, die er sich als Gouverneur von Deutsch-Ostafrika gestellt hat, nach der „Voss. Z." Folgendes: „Es ist jetzt das dritte Mal, daß ich vom deutschen Vaterlande Abschied nehme, und der Abschied wird mir diesmal nicht leicht. Ich habe für den Posten, den mir der Kaiser jetzt übertragen, eine fünfzehnjährige Schule durchgemacht; zunächst als Forscher in einer Zeit, als Deutschland noch nicht an coloniale Erwerbungen in Afrika dachte, dann im Dienste Deutschlands und als Soldat. Eine schwierige, vielseitige Thätigkeit erwartet mich nun abermals in Afrika, und ich glaube sogar, daß meine neue Thätigkeit schwieriger und verwickelter sein wird, als die frühere. Bisher besaß ich eine große Selbst ständigkeit in Afrika, eine Selbstständigkeit, wie sie viel leicht keinem Beamten gewährt worden ist und gewährt werden wird. Das danke ich dem weiten Blick und dem roßen Verständniß unseres früheren Reichskanzlers, des ürsten Bismarck. Nach meiner Ansicht war diese Selbst ständigkeit die erste Bedingung zum Erfolge. Freilich läßt sich das jetzt nicht mehr so durchführen. Aber wenn auch meine Aufgabe, mein Amt schwieriger sein wird, so gehe ich doch, nachdem ich mich in Europa habe erholen können, mit Vertrauen und festem Willen nach Afrika. Ich werde das Gute, das dort geschaffen ist, er halten, die gute Verwaltung und die gute Schutztruppe, aber vor Allem werde ich die intensive Inangriffnahme unserer wirthschaftlichen Entwickelung bethätigen. Ich will es hier aussprechen, daß ich jedem wirthschaftlichen Unternehmen Thür und Thor zu öffnen gewillt bin, jedem Unternehmen und jedem Capital. Vielleicht nur, daß die Fabrikanten von Papier und Tinte nicht ganz zufrieden mit mir sein werden. Die Hauptstütze aber sehe ich in der Colonialgesellschaft; sie kann mich draußen am besten unter stützen. In dieser Hoffnung, und daß sie mich selbst dann nicht fallen läßt, wenn es auch einmal beißen sollte, der Wissmann ist auch vom „Tropenkoller" erfaßt — die Ver bindungen mit Afrika sind weit und langwierig — bitte ich, mir Ihr volles Interesse zu erhalten." — Der Münchener „A. Z." wird von hier gemeldet: „Finanzminister Dr. Miquel hatte die Absicht, auf der Rückreise von Lübeck dem Fürsten Bismarck in FriedrichSruh einen Besuch abzustatten. Dadurch, baß plötzlich eine Staats- ministerialsitzung anberaumt wurde, an welcher Herr Miquel theilnehmen mußte, wurde er an der Ausführung seines Planes gehindert." (Für immer? Red.) — Gegenüber der Meldung, daß der CultuSminister vr. Bosse zurückzutreten beabsichtige, hört der „Schwäb. Merk.", daß an einen Wechsel gm CultuSministerium unter keinen Umständen gedacht wird. Im Staatsministerium herrsche Einmüthigkeit darüber, daß in absehbarer Zeit die Vorlegung eines VolksschulgesetzeS ausgeschlossen sei. — Minister Freiherr v. Berlepsch hat, wie die „Franks. Ztg." erfährt, die Entsendung von RegierungScommissaren nach Oesterreich zum Studium der Handwerkerfrage selbst angeregt. Die Nachricht, daß er eben dieser Maßnahme wegen, die darauf schließen lasse (?), daß die Entschiedenheit des Widerstandes gegen Zwangsinnung und Befähigungs nachweis inS Schwanken gerathen sei, jetzt ein Entlassungs gesuch eingereicht habe, erscheint daher recht unwahrscheinlich. — Dem Abgeordnetenhause ist jetzt der Gesetzentwurf über die Errichtung einer Creditanstalt zur Förderung deS ge nossenschaftlichen PersonalcreditS zugegangen. — Die Alexianer (AlexiuSbrüder, auch Lollharden ge nannt) führen ihren Namen von dem Heiligen AlexiuS, der zur Zeit des Papstes Innocenz I. (402—417) in Rom gelebt haben soll. Die religiöse Genossenschaft ist um 1300 auS Anlaß einer Seuche in Antwerpen zum Zwecke der Kranken pflege und Leichenbestattung gebildet worden und verbreitete sich von dort in den Niederlanden und Deutschland. — Der Landtags- und ReichStaasabgeordnete Professor vr. Kro patsch eck, der ungefähr 12 Jahre zweiter Redacleur der „Kreuzzeitung" gewesen ist, erläßt im „Reichsboten" eine Erklärung, daß sein Verhältniß zur „Kreuzzeitung" seit dem 4. Juni gelöst ist. Da ist also die reinliche Scheidung von dem Frhr. v. Hammerstein noch früher eingetreten, als sie im Wege regelmäßiger Kündigung beabsichtigt war. — Dem „Vorwärts" wird „von sonst wohlinformirter Seite" mitgetheilt, daß Herr Schweinhagen, genannt Schwenn- hagen, nach Abbüßung seiner Strafe wieder in seine Stellung bei der nun gesäuberten „Kreuzzeitung" eintreten soll. — Herbert Spencer schreibt in seinen „Ceremonial JnstitutionS", alle Ehrenzeichen und Titel seien Ueberbleibsel der „militairischen Gesellschaft". Er will lieber die in der Entwicklung begriffene industrielle Gesellschaft vertreten. Spencer hat eS schon im Jahre 1883 abgelehnt, Mitglied der französischen Akademie zu werden. — Erzherzog Franz Salvator ist im Neuen Palais «in getroffen. — Erbprinz Friedrich von Mecklenburg.Strelitz traf hier ein. * Flensburg, 8. Juni. Einem gestern ausgebrochenen allgemeinen Maurerstreik haben sich heute sämmtliche Bauarbeiter angeschlossen. Elftere verlangen Accorvarbeit, obgleich die Meister 45 pro Stunde bieten; Letztere ver langen die Bewilligung der Forderung der Maurer. * FriedrichSruh, 9. Juni. Gestern Nachmittag traf der Kriegsminister General Bronsart von Schellendorf zum Besuche bei dem Fürsten Bismarck ein, übernachtete hier und kehrte heute Vormittag 9*/« Uhr nach Berlin zurück. — Der Centralausschuß des Bundes der Landwirthe, im Ganzen etwa 120 Herren und Damen, traf heute Mittag um 11»/r Uhr hier ein. Kurz nach 12 Uhr wurde derselbe im Parke vom Fürsten Bismarck empfangen. Der Vorsitzende v. Ploetz hielt eine Ansprache, die mit einem Hoch aus den Fürsten schloß. Der Fürst erwiderte in einer längeren Rede, in der er lebhaft auf die Nothwendigkeit hinwies, bei den Wahlen nur für Diejenigen zu stimmen, die entschlossen sind, für dieLand- wirthschaft einzutreten; die Ansprache klang in ein Hoch auf den Kaiser aus als den größten Grundbesitzer und den Schutz herrn der Landwirthschaft und der producirenden Stände. Nach dem Frühstück, zu dem eine Anzahl der Erschienenen geladen war, wurde um i/»5 Uhr Nachmittags mittels Sonder zugs die Rückfahrt angetreten. — Die Deputation der badischen Bürgermeister, welche den Ehrenbürgerbrief Lberbringt, wird Mittwoch Mittag empfangen werden. * Atel, 9. Juni. Der Kaiser hat auf ein von der in Köln tagenden Hauptversammlung der Deutschen Land- wirthschaftS-Gesellschaft eingegangenes Telegramm in huldvollster Weise erwidert. Heute Morgen hielt er Gottesdienst auf der Jacht „Hohenzollern". Nach mittags segelte er an Bord deS „Meteors" mit einer Flottille kleinerer Segler aus dem Hafen und traf um 3i/r Uhr das in dir Außenföhrde einlaufende Geschwader, welches salutirte und dann bei Holtenau vor Anker ging. Um 6>/r Uhr kehrte der „Meteor" in den inneren Hafen zurück; um 7 Uhr begab sich der Kaiser an Bord der „Hohen zollern". Um 10 Uhr fuhr er unter dem Salut der Flotte zur Iensen-Brücke und trat hier die Rückreise nach Berlin an. * Grande»;, 8. Juni. Am Ende des vorigen Monats hatte sich der „Ges." aus Neuenburg schreiben lassen, daß zum Empfang des Bischofs vr. Redner vom katholischen Kirchenvorstande an einer Ehrenpforte die polnische Inschrift „ZVitsw?" (Will kommen) angebracht worden sei, was von der Polizei beanstandet wurde. Aus eine Beschwerde des Pfarrers vr. Muszynski beim Regierungs-Präsidenten von Marieuwerder hatte dieser der Polizei verwaltung den telegraphischen Bescheid ertheilt: „Die vom dortigen katholischen Kirchenvorstande angebrachte polnische Inschrift „VVitLw?" ist nicht zu beanstanden, falls daneben die entsprechende -rutsche Inschrift angebrach wird." Der Correspondent des „Gesell." hatte dazu noch bemerkt: „Diese Entscheidung wurde den Betheiligten zur Kenntniß gebracht, von einer zweisprachigen Inschrift wurde aber später nichts bemerkt, es blieb eben nur der polnische Will- und nicht dem edlen Drange, Dich über den Verlust Deiner Lebenshoffnungen zu trösten. Isis nicht so, habe ich recht gerathen ?" ValeSka schien verwirrt, sie erröthete und senkte den Blick, wohl fühlend, daß sie sich in einer falschen Lage dem verbitterten Mädchen gegenüber befand. Dennoch zögerte sie keinen Augenblick, die Wahrheit zu bekennen» und die Freundin ernst betrachtend, erwiderte sie trüben ToneS: „Erst seit gestern Abend weiß ich Alles durch Onkel Dietrich. Ich will Deine Offenbeit mit gleicher Offenheit erwidern. Ja, ich batte einen Zweck, als ich hierher kam, ich bringe Dir dies Päckchen Briefe, welche Du an Siegfried geschrieben, zum Austausch für die (einigen. Wenigstens bildete ich eS mir ein, daß Du lieber mit mir als mit Onkel Dietrich in dieser Sache verhandeln würdest — wenn ich mich geirrt, dann habe ich eben meinen Einfluß überschätzt." Klotilde war tödtlich erblaßt, alles Blut mußte ihr jäh zum Herzen geströmt sein, die Kehle war ihr wie zugeschnürt, und fast rauh stieß sie hervor: „Dein Bruder verlangt seine Briefe zurück? — Das ist eine neue Beleidigung, welche er mir zusügt. Kein Wunder, daß er mich so leicht aufgeben konnte, da er meinen Charakter so wenig kannte, um mir eine gemeine Handlung zuzutrauen." „Darin gehst Du zu weit", warf Valeska begütigend da zwischen, „das ist Siegfried sicher nicht eingefallen. Weit eher glaube ich, daß Onkel Dietrich ihm den Rath gegeben, so zu handeln. Bei Lösung eines solchen Verhältnisses ist eS, so viel ich weiß, Sitte, Briefe oder Ringe auszutauschen." Die junge Künstlerin schien den Worten ihrer Jugend freundin keine große Aufmerksamkeit zu schenken, vielleicht hatte sie dieselben kaum vernommen. Düsteren Blickes schritt sie einem Eckschranke zu, und den selben öffnend, entnahm sie ihm ein zierlich mit Perlmutter auSgelegteS Kästchen von Rosenbolz, das sie ValeSka hinreichte. „Da nimm. Der Herr Lieutenant wird seine Herzens- ergießungen vollzählig und wohlgeordnet da drinnen finden, wie er sich leicht überzeugen kann, wenn er die flammenden LiebeSversicherungen zu Fidibus dreht, um sich die Meer- fchaumpseife damit zu entzünden. So geht Alles in Rauch auf. Nein, nimm sie nicht heraus, bebalte auch das Kästchen, e- ist gleichfalls von ihm — gieb eS ibm wieder." „Ich Lanke Dir, Klotilde, für Deine Bereitwilligkeit, die mir —" „Sage es nur offen heraus — Du dankst mir, daß ich Dir Deine Mission so leicht gemacht, denn ganz wohl hast Du Dich doch nicht bei der ganzen Geschichte gefühlt, daS will ich zu Deiner Ebre annehmen." „Darin muß ich Dir Recht geben." „So lebe wohl." „Du schickst mich fort?" „Wenn Du mit uns frühstücken willst, bleibe bei mir, aber dann mußt Du Dick mit mir nach der Akademie begeben, ich will da Fritz Breitkopf ausrollen, ohne männliche Begleitung können wir kein Restaurant besuchen, trotz allen GeredeS über die Gleichberechtigung der Frauen." Fräulein v. Erbach hatte jedenfalls keine Lust, Fritz Breit kops in der Akademie mit „aufzurollen", denn sie erhob sich und reichte der Freundin die Hand zum Abschied. „Du willst also nicht mit uns frühstücken, schade; Breit- kcpf ist ein guter Junge und ein genialer Künstler. Viel leicht hätte er sich in Dich verliebt, er schwärmt für regel mäßige Gesichter und findet mich sicherlich abscheulich. — Aber halte das, wie Du willst." „Ich bin nickt Herrin meiner Zeit", wendete BaleSka ein, die damit die Frage zu umgehen trachtete: ob eS schicklich sei für zwei junge Damen, in einem Restaurant in Begleitung eines Herrn zu frühstücken. Was sie wenigstens anging, würde sie keine Macht der Welt zu einem so unpassenden Schritte verleitet haben. Der Abschied der Jugendfreundinnen war ein kühler. Klotilde begleitete ihren Gast bis zur Thür, als aber Valeska die Schwelle überschritten, und die Pforte sich hinter ihr ge schlossen hatte, da schob sie hastig den Riegel vor und wankte zu dem Sessel hin, an dessen Lehne sie sich krampfhaft anklammerte. Es war die höchste Zeit, halb ohnmächtig sank sie in die Polster, die Augen schließend. DaS so lange und gewaltsam zurückgedrängte Gefühl übermannte sie, und die Hände auf das wild klopfende Herz pressend, brach sie in lautes, schmerz liches Weinen auS. IV. Wolfgang Hardenberg hatte mit dem Hauptmann v. Er bach und Baron Soltendorff bei Hiller gefrühstückt, nachdem er den Tattersall besucht und dort vor» Soltendorff einen prächtigen Goldfuchs gekauft batte. Am Brandenburger Thore angelangt, trennten sich die Herren, wobei Erbach dem Landsmann fast freundschaftlich die Hand schüttelte und die Hoffnung aussprach, ibn Abends im CircuS Renz zu sehen. Äucki Soltendorff wollte mit von der Partie sein, der Breslauer Kaufherr, welcher ein feiner Pferdekenner schien, und den etwa» hoch gegriffenen Preis für den Goldfuchs be zahlt hatte, ohne zu feilschen, gefiel dem Aristokraten und er verstand eS, seiner Sympathie in anmuthender Weise Aus druck zu geben. Thatsacke war, daß Hardenberg sich lange nicht so Wohl gefühlt. Vielleicht hatten dazu auch die treff lich zubereiteten Speisen und feurigen Weine daS Ihrige bei getragen. Anstatt, wie er anfänglich gewollt, in die Wilhelm straße einznbiegen, ries er eine offene Droschke an, welche eben vorbeigefahren kam, und beschloß, eine Spazierfahrt durch den Thiergarten zu machen. Der sonnige Apriltag hatte ein zahlreiches Publicum inS Freie gelockt, das sich an dem knospenden Grün von Baum und Strauch, dem saftigen Rasen und dem Hauche der balsamischen Luft erfreuen und erquicken wollte. Ernste Ge sichter hellten sich auf, und Lippen, die daS Lachen längst ver lernt, wölbten sich mindestens zu einem wehmüthigen Lächeln. Frühlingsahnen schwellte die Brust. Auch Hardenberg ver mochte sich diesem Zauber nicht ganz zu entziehen. Er gebot dem Rosselenker, in eine weniger besuchte Allee einzubiegen, zündete eine Cigarre an und lehnte sich in eine Ecke deS Wagens zurück, während der alte Schimmel, dem der schöne Frühlingstag auch Lust gemacht, sich lebhafter fort zubewegen, daS Gefährt die Kreuz und Quer durch die Alleen des ParkeS zog. WaS wohl der alte Cassirer und die „jungen Leute" daheim im Bankhause gesagt hätten, wenn sie ihren Cbef so gesehen! Hardenberg mußte unwillkürlich bei dem Ge danken lächeln. Im Geschäft ging Alles am Schnürchen, er liebte die Pünktlichkeit und trieb diese Neigung bis zur Pedanterie. Der Tag war ernster Arbeit geweiht und erst am Abend hatte der fleißige Arbeiter gewissermaßen daS Recht erkauft, sich eine Erholung zu vergönnen. Wenn er in seinem Privatcabinet in ernste Beratbungen vertieft ge wesen oder in der Schreibstube dem Geräusch der über daS Papier gleitenden Federn gelauscht, während er an den Pulten der jungen Leute vorbeischritt, hatte nie «in Früb- lingSahnen seine Brust geschwellt, und hätte gleich die wärmste Aprilsonne zum Fensier hineingeschaut. „Aber eS ist eben etwas Andere», wenn man sich auf Reisen befindet. Die selbstgezogenen und fest bewachten Grenzen erweitern sich — eS ist ein Ausnahmezustand —" so schloß der Kauf herr seine Betrachtung, und nachdem er die auSgerauchte Cigarre hinauSaeworfen, setzte er nachdenklich hinzu: „Vielleicht ist eS gut für mich, daß ich einmal wieder auS der geschäftlichen Tretmühle berauskomme, eS will mir manchmal selbst scheinen, daß ich zum Zahlenmenschen werde und vor der Zeit altere." konunrnSgruß." — Hetzt wird dem Blatt folgende Bertchttanbg durch den Bürgermeister Holtz auS Reuenburg zngesandt: „Dieses ist unrichtig. Die polnische Inschrift wurde auf meine Beranlafsung durch die Unterbeamten heruntergenommen und, als dir Betheiligten sie später wieder anbringrn wollten, polizeilich beschlagnahmt. Zum Einzüge deS Herrn Bischof» war daher an der ersten Ehren pforte. welche am Morgen mit der Inschrift geschmückt war, keine Inschrift, also auch kein polnischer Willkommeusgruß." * Gnefen, 8. Juni. Wie dem „Ges." gemeldet wird, hat die Polizei von den Veranstaltern deS demnächst stattfindenden polnischen Provinzial-SängerfesteS eine Ver deutschung fämmtlicher zum Bortrage kommenden Lieder eingefordert. * Posen, 8. Juni. Die Reichst»gSersatzwahl im Kreise Bomst-Meseritz findet am 5. Juli statt. * VreSlau, 8. Juni. Der preußische LandwirthschaftS« minister hat den BezirkSregierungen Breslau, Liegnitz und Oppeln ansehnliche Geldbeträge als Beihilfen für neuzu begründende ländliche Spar- und DarlehnScassea überwiesen. (Köln. Z.) * Reifte, 8. Juni. Nach der „Neisser Zeitung" hat der Abgeordnete v. Kardorff das Reichstagsmandat OelS- Wartenberg niedergelegt, nachdem die WahlprüfungS-Com- mission des Reichstags es beanstandet hat. * Gotha, 8. Juni. Der Landtag hat die Anträge, be treffend den Schutz der freien Industrie gegen die Arbeiten der Strafanstalten, angenommen. — In Folge des Be schlusses des Gothaischen Landtages, die StaatSreglerung solle sich mit den Mitgliedern des SparcassenvereinS (Sparkasse für das Herzogthum Gotha) rum Zweck der Verstaat lichung der Sparkasse ins Einvernehmen setzen, wurde in der letzten Sitzung des Stadtraths der Antrag einstimmig angenommen, die Sparcafse in städtische Verwaltung zu nehmen. * lkaftel, 8. Juni. Wegen Beleidigung de» commandirenden Generals Erbprinzen von Sachsen-Meiningen, begangen in der Presse durch eine Kritik der Winterübungen der Garnison Cassels, ist der Redakteur John vom socialisti- schen Volksblatte zu hundert Mark Geldstrafe verurtheilt worden. (Post.) * Bonn, 8. Juni. Die Beerdigung des verstorbenen Polizei- Präsidenten von Berlin Frhrn. v. Richthofen fand heute Nach mittag 5 Uhr von der Capelle der Universitäts-Klinik ans statt. Als Vertreter des Kaisers war der Oberpräsident der Rheinprovinz Nasse anwesend. Dem Sargen folgten die beiden Brüder de» Ber- ewigten, sowie die Abordnungen aus Berlin und Potsdam. Den Lorbeerkranz des Kaisers trug ein Wachtmeister; Namens des Ber liner Magistrats legte Oberbürgermeister Spiritus-Bonn einen Kranz am Grabe nieder. * Kreuznach» 9. Juni. Bon Köln kommend, traf heute Nach, mittag der Landwirthschastsminister Freiherr von Hammerstein in Oberstein ein. Von hier aus wird die Bereisung des Hunsrücks und der Eisel erfolgen. * Etratzburg, 9. Juni. Heute Mittag fand vor dem kaiserlichen Palast die Weihe der vom Kaiser dem hiesigen Kriegerverein verliehenen Fahne statt. Viele höhere Officiere und Beamte wohnten der Feier bei. In einer Stärke von 3000 Mann waren 82 auswärtige Kriegervereine auS den Reichslanden, der Pfalz, Baden, Württemberg, Preußen und Hessen erschienen. Nach dem Weiheact erfolgte die Ueber- reichung der von der Kaiserin und der Kaiserin Friedrich, dem Prinrregenten von Bayern, den Königen von Sachsen und von Württemberg, den Großherzögen von Weimar, von Baden, von Hessen und von Oldenburg, sowie den Herzögen von Meiningen und von Altenburg gespendeten Fahnenbänder. * Stuttgart, 8. Juni. Dem „Schwäbischen Merkur" zu folge reist der König in Begleitung des Generaladjutanten Falkenstein und des Flügeladjutanten Schott am 18. Juni zur Eröffnung drS Nordostsee-CanalS nach Kiel. MitRück- sicht auf den Stand der Landtagsarbeiten nehmen der Ministerpräsident Mittnacht und der Finanzminister Riecke nicht an den Kieler Festlichkeiten theil, dagegen wird sich der Kriegsminister Schott v. Schottenstein nach Kiel begeben. Frankreich. * Paris, 9. Juni. Die Deputirtenkammer schloß gestern nach einwöchiger Berathung die Generaldebatte über die Reform der Getränkebesteuerung. * Paris, 9. Juni. Präsident Felix Faure wohnte heute Nachmittag den bei schönstem Wetter verlaufenen Rennen von Longchamps bei und wurde von der überaus zahlreichen Menge lebhaft begrüßt. Belgien. * Brüssel, 9. Juni. Das „Journal de Bruxelles" ver öffentlicht unter Vorbehalt die Nachricht, der Papst prüfe eingehend die politische Lage Belgiens behufs Aufrecht erhaltung der Eintracht unter den Katholiken Belgiens. Unter anderm lasse er sämmtliche seit einem Jahre in den von DaenS inspirirten Zeitungen veröffentlichten Artikel sammeln und übersetzen. (Fortsetzung in der 1. Beilage.) Dann verdüsterte sich seine Stirn merklich. Unwillkürlich wurde er daran gemahnt, was Denn eigentlich der Grund gewesen, daß sein Leben so kalt, so abgemessen, so freudlos sich gestaltet. Der Tod seiner Gattin, die ihm in der Blüthe ihrer Jugend entrissen worden, hatte das Haus verödet, denn die Miethlinge, welche die Pflichten der Mutter, der HauSherrin mit mehr und minderem Erfolge zu erfüllen bemüht gewesen, hatten ihm die Geschiedene doch nie vergessen machen können. Ach, welche Qual war es zuweilen für den Geschäfts mann gewesen, der ermüdet und abgespannt am häuslichen Herde der Ruhe pflegen wollte, die Klagen der Heran wachsenden Tochter über Wirthschasterin und Gouvernante mit anzuhören, und dann wieder den Auseinandersetzungen der letzteren Beiden lauschen zu müssen. Die guten Rath schläge und die Einmischung der Schwägerin, zu der er gezwungen seine Zuflucht genommen, verbesserten selten die Lage der Sache, und schließlich endeten derlei peinliche Scenen damit, daß Frau Winterfeld bei ihm das ganze Dienstpersonal, mit Ausnabme der alten Kinderfrau, entlassen hatte und daß die Erzieherin sich verabschiedet, um einer neuen Platz zu macken, welche bald Gustchen und Renate noch weniger sympathisch war als ihre Vorgängerin. Warum hatte er diesem häuslichen Elend nicht kurz ein Ende gemacht dadurch, Laß er zu einer zweiten Ehe geschritten? Wollte er Friederike keine Nachfolgerin geben — batte er die Gattin überhaupt so geliebt, um vor dem Gedanken an eine zweite Ehe zurückzuschäuern? Hardenberg blickte gedankenvoll vor sich hin, dann rief er dem Kutscher zu, er möge hier halten und ihn erwarten. Auf dem unebenen Pfade hatten sich die Stöße deS Wagen» doch zu unliebsam fühlbar gemacht. Der alte Kasten saß jeden falls nicht gut in den Federn. Mit jugendlicher Leichtigkeit öffnete der Kaufherr den Schlag und sprang hinab, ohne das Trittbrettzu benutzen. In vollen Zügen athmete er die erfrischende Waldluft ein, die heute selten rein und staubfrei war, und schritt langsam durch die schattige Allee, einer etwas abgelegenen steinernen Bank zu, sich darauf niederlaffend. Wahre Sonntag-stille umgab ihn. kein menschliche» Wesen schien in der Nähe, nur die Vögel zwitscherten lustig, von Zweig zu Zweig hüpfend, die Käser summten und der Wind rauschte über feinem Haupte. Wie gut ließ r« sich hier träumen. (Fortsetzung folgt.) direkt auS de in srdrm Maas - Plüsch« und Vei ^«8 Einzeln 3 aus Deutschlar Adressen-Aufg VI, Prachtvolle stelluna, nach MKpI u« r. »»Nil fümeriegrschäj Hauptdepöt: kAruu küunreu, »irr« SLoxsQ cksr i küuürell riet diodr nln die Friede, veied« und vsUceu > Lrlole »sin. Lar klar». Am F. H. Privatiers 1) B. ! C. Frankel 2) R. H. ! Schröder, Kinder hie 4) M. Lerx Uhrmacher! macher in hier hintei in L.-Reut Tochter. 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