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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.06.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950612024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895061202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895061202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-06
- Tag1895-06-12
- Monat1895-06
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Freilich wird diese Interpellation, deren Wortlaut der Telegraph bereits gemeldet bat, erst nach Erledigung des StcmpelsteuergesetzeS, also erst nach der Feier am Nordostsee-Canal, zur Verhandlung kommen, bis dahin aber werden die betheiligten preußischen Minister ausreichende Zeit haben, um sich zu erkundigen, wie es möglich war, daß solche Ungeheuerlichkeiten so lange Zeit Vorkommen und trotz der von Mellage bei der Staats anwaltschaft erhobenen Anklage sich erhalten konnten. In zwischen wird die ultramontane Presse ihre Bemühungen sortsetzen, die geistlichen Behörden von aller Verant wortlichkeit für die Vorgänge zu entlasten. Es läßt sich jedoch schon jetzt erkennen, daß die klerikalen Blätter an einen Erfolg dieser Bemühungen selbst nicht recht glauben; sie würden sonst nicht versuchen, den Eindruck abzuschwächen, den die Enthüllungen des Processes hervorgerufen haben. So reden Liese Blätter von maßlosen Uebertreibungen in den Organen anderer Parteien, sind aber nicht im Stande, einen Zeitungsartikel auzusühren, ver an Wirksamkeit an die in dem Plaivoyer des Rechtsanwalts Lenzmann gegebene nackte Aufzählung der krankenpflegerischen Leistungen der Aachener Älexianerbrüder — vom Anbinden an einen Baum bis zum Tanz um de» geheizten eiserner» Ofen — heranreicht. Die „Kölnische Volkszeitung" findet, „über die so zahlreichen, oft so rohen und durch nichts gerechtfertigten Solvatenmiß- handlungen" sei niemals auch nur entfernt so viel Em pörung bekundet worden, als über die Vorkommnisse in Mariaberg. Mit dieser Behauptung thut das Blatt sogar ver befreundeten Presse Unrecht, die über Soldaten- mißhandlungen, manchmal sogar über gar nicht verübte, eine grenzenlose Entrüstung zu zeigen und aus jedem Falle dieser Art eine gegen den „Militarismus" gerichtete Nutzanwendung zu ziehen gewobnt ist. Im klebrigen paßt das Beispiel nicht. Wir wollen die Frage beiseite lassen, ob in einem nach vielen Hunderttausendeil zählenden Heere und angesichts der mili tairischen Nvthwendigkeit, auch den Vorgesetzten niedrigsten Ranges mit einer starken Autorität zu bekleiden, das Vor kommen von Ausschreitungen bei der körperlichen Ausbildung ge sund er junger Männer, nicht etwa „gerechtfertigter", aber doch verständlicher sei, als fortgesetzte Mißhandlungen von Kranken in einer Anstatt, der sie iheils zur Heilung, theils zur Wartung, immer aber, um der Barmherzigkeit theilhaftig zu werden, übergeben worden sind. Aber ein Unterschied besteht jeden falls zunächst darin, daß im Heere den Vorgesetzten von geringerer Einsicht in das Wesen und den Zweck ihrer Be- russthätigkeit Gebildete übergeordnet sind, vie Mißhandlungen zu verhüten trachten und, wenn solche vorgekommen sind, eine Ahndung herbeiführen, während in Mariaberg die Leitung in den Händen gänzlich urtheilsloser Personen liegt Sodann schenkt die oberste Militairverwaltung Aus schreitungen, auch wenn nichts von ihnen in die Oeffentlichkeit gedrungen ist, ihre Aufmerksamkeit — wir erinnern an den de kannten Beseht des Prinzen Georg von Sachsen, der eine Reibe außerhalb des Heeres unbekannt gebliebener Soldatenmißhandlungen aufzählte. Die geistliche Ober behörde hat aber selbst dann unterlassen, der Praxis der Alexianer nachzufvrschen, als sie durch die Schrift Mellage's aufmerksam auf dieselbe gemacht worden war. Nun be hauptet allerdings die „Kölnische Volkszeitung", diese Behörde labe mit der Mariaberger Krankenanstalt nicht das Mindeste u schaffen: „Der geistlichen Behörde unterstehen die Alexianer- >rüder lediglich persönlich in ihrer religiösen Eigenschaft, be stglich der Führung ihres gemeinsamen Lebens, die Haltung der Gelübde rc. Dagegen untersteht die Krankenanstalt Maria berg nicht der geistlichen Behörde, sondern der königl. Regierung u Aachen, welche ihr nach Unterwerfung unter die geforderten ü'ormativbestimmungen die Concession ertheilt hat und wieder entziehen kann; nur ihr steht die Revision der Sanitätsver- hältniffe, der Behandlung der Kranken, überhaupt der ge- ammten Anstaltsführung zu." Wir nehmen von dieser Auffassung des Verhältnisses, aus der für die Negierung viel weitergehende Aufsichtsrechte herzuleiten sind, als ihr von den Leitern des AlcxianerklosterS zugestanden worden sind, mit Genug- thuung Kenntniß, bezweifeln aber, daß daS klerikale Kölnische Blatt diese Auffassung auch in Fällen bekunden werde, wo es sich nicht darum handelt, sich aus einer augenblicklichen Verlegen heit herauszuwinden. Die geistliche Behörde in Köln wird jedenfalls dieses gänzlich unvermittelte Nebeneinander von Kloster und Krankenanstalt und diese Zweitheilung der nicht kranken Insassen in Bruder und Krankenanstaltsbeamte nicht anerkennen. Im anderen Falle würde sie jedes geistliche Interesse an der Pflege von Kranken negiren, wovon bekanntlich seitens der Kirche das Gezentheil geschieht. Uebrigens erhellt aus der Auslassung der „Kölnischen Volközeitung" selbst, daß sie mit der scharfen Trennung zwischen Kirche und Staat in ihren angeführten Schlußworten zu weit geht. Wenn der Erzbischof geistliche Krankenwärter in ihrer religiösen Eigenschaft und hinsichtlich der Führung ihres gemeinsamen Lebens zu überwachen hat, so ist damit einfach gesagt, daß ihm die Beaufsichtigung ihres ganzen sittlich- religiösen Wandels obliegt, denn das Leben von Kloster brüdern spielt sich nv'- in der Klostergemeinschaft ab. Zu den obersten sittlich-religiösen Pflichten für geistliche Kranken pfleger gehört aber ohne Zweifel die gewissenhafte Erfüllung der durch den Zutritt zur Klostergemeinschaft und aus religiösen Beweggründen übernommenen Berufs- pflicht. In Mariaberg ist die Zulassung zur Krankenpflege von der Zugehörigkeit zu der der geistlichen Behörde unter stehenden Alexianergenossenschaft bedingt. Daraus ergiebt sich die Verantwortlichkeit für das Krankenwärterpersonal, und um dessen Beschaffenheit und Thaten handelt es sich in dem Theile der öffentlichen Erörterung des Aachener Falles, welcher der „Kölnischen Volkszeitung" mißfallt. Idols im Namen Frankreichs, das die „elsaß-lothrin-1 und Atua-Leute von dem deutschen Kriegsschiffe „Bussard" gische Frage in ihrem ganzen Umfang bestehen" lasse, ein > und dem englischen „Curacoa" vor Saluasata zur Unter em als Redner folgendes ehemaliges Mitglied der boulan-! werfung und zur Ablieferung von etwa 100 Gewehren ge- gistischen Kriegspartei erreicht ihn nicht an nationaler Eifer-1 bracht. De^ Krieg unter den Samoaner» galt als^beendet. Die Solidarität und Weltbürgerlichkeit des „internationalen Proletariats" und seiner Führer erfährt regelmäßig eine indiscrete Beleuchtung, sobald ein franzö sischer Socialistenführer auf das Verhältniß Frankreichs zu Deutschland und Rußland zu sprechen kommt. Als auf dem letzten internationalen Socialistencongreß von deutscher Seite abfällige Bemerkungen über Rußland und die russisch- französische Freundschaft sielen, machte sich auf den Bänken der Franzosen „Unruhe" bemerkbar und nach ver Beendigung des Congresses, nachdem die französischen Führer wieder nach Hause zurückgekehrt waren, betonten ihre Preßorgane nachdrücklich ihr Franzoscnthum und zwar mit einer unver- hülltcn Sprache gegen die deutschen „Genossen". Die Agitatoren in Deutschland hatten damals Mühe, den sorglich genährten, nun aber stark erschütterten Glauben, ihr Haß gegen den nationalen und patriotischen Gedanken sei vorbildlich für die ausländischen Socialistenführer geworden, bei den Anhängern wieder herzustellen. Und nun kommt Herr Millerand mit seiner Interpellation wegen der Entsendung französischer Kriegsschiffe nach Kiek und seiner chauvinistischen Begründung Er spricht unter gänzlicher Nichtbeachtung deS internationalen sucht, und ein „BourgeoiS"-Minister muß die patriotischen Besorgnisse der „Genossen" der Herren Singer und Lieb knecht beschwichtigen! Der „Vorwärts" wird geraume Zeit -rauchen, bis er diese fatale Rede in eine Philippika gegen den Krieg und einen Aufruf zum Niederreißen der „Schranken, durch die das internationale Ausbeuterthum die proletarischen Brüder trennt", umglossirt haben wird. Kaum ist der Kampf in Belgien um daS Stimmrecht be endet und noch bewegt die Congofrage daS Land, da bricht chon wieder ein neuer Kampf aus: der Schul kampf. Als 1870 die Liberalen an das Ruder kamen, setzten sie ihre ganze Kraft zur Hebung des Volksschulwesens ein; in allen Gemeinden wurden, oft zwangsweise, öffentliche neutrale Schulen er richtet. Die Klerikalen erklärten aus Andrängen der Bischöfe diese» Staatsschulen den Krieg, suchten ihren Besuch zu »indern und errichteten überall mit den reichen Mitteln der Kirche freie, von dem KleruS geleitete Schulen. Dieser Schulkrieg dauerte bis 1884, wo die Klerikalen wieder ans Ruder kamen, ein neues klerikales Schulgesetz zu Gunsten der freien Schulen erließen und die volle Schulfreiheit der Gemeinden verkündeten. Zugleich wurden zahlreiche öffentliche Schulen geschlossen und Tausende von Lehrern entlassen. Seitdem verfolgt die klerikale Partei nur ein Ziel: Verdrängung deS Staates auS der Schule! Gleichberechtigung der freien und staatlichen Schulen und Verdrängung des vom Staate geleiteten Schulwesens durch das von der Kirche geleitete freie Schulwesen. Der neue fanatisch-klerikale Unterrichtsminister Schollaert erklärt ganz ungenirt, daß er jetzt dieses Ziel verwirklichen und zu diesem Zwecke am 12. d. Mts. (also heute) ein streng katholisches Schulgesetz in der Kammer einbringen wird. „Als Unterrichtsminister, so sprach Herr Schollaert kürzlich in Löwen, gehören mein Herz und meine Seele dem freien Unterrichte. Die liberale Presse sagt, daß ich den Bischöfen nichts verweigern werde; es würbe in der Tbat schwer sein, irgend etwas ihnen zu verweigern, denn ihnen verdankt das Land seine Größe und wird es seine Zukunft verdanken. Fort mit den slattgesundeuen unseligen Streitigkeiten. Halten wir unsere Augen nach Rom gerichtet. Dort ist das Leven, die Wahrheit!" Damit beginnt ein neuer heißer <^chulkampf. Die liberale Partei, alle liberalen Gemeinden werden den Kampf zur Rettung der öffentlichen Schulen aufnehmen, auch wenn das Ministerium diesen die Staatszuschüsse kürzen wird. Hat doch schon der Gouverneur Brabants allen Gemeinden von 1896 ab eine erste zwanzigprocentige Kürzung der Staats Zuschüsse für die öffentlichen Schulen angekündigt. Das neue Schulgesetz vertheilt fortab die Staatszuschüsse unter alle Schulen nach der Zahl ihrer Elasten, sichert die Stellung der Lehrer aller Schulen und legt allen Schulen die neue Verpflichtung auf, den von den Pfarrern jeder Parochie zu ertheilenben Religionsunterricht einzuführen — also Klerikalisirung aller Schulen, breite Verwendung der StaatsAelder für alle freien Schulen, welche mit den öffent lichen «schulen gleichgestellt werden. Kein Wunder, wenn die katholische Partei das Gesetz mit Jubel begrüßt. Die „Rvforme" bezeichnet das Gesetz als die Gegenleistung für die dem Congo unternehmen zu bewilligenden Millionen, die nur durch die klerikale Rechte zu erhalten sind. Aus Samoa hat der Telegraph nach langer Pause wieder eine Meldung gebracht, die noch weiterer Aufklärung bedarf. Im September 1894 wurden die aufständischen Aana- Dann kam Mitte December 1894 aus Sydney die Nachricht, die Rebellen in Aana und Atua hätten die Behörden in Apia benachrichtigt, sie beabsichtigten die Feindseligkeiten zu erneuern und würden die von den Kriegsschiffen nn vorigen Herbst beschossenen Forts wieder besetzen. Vier zehn Tage später brachen ernstliche Unruhen in der Umgebung von Apia aus. Einige Farbige wurden ermordet, eine An zahl kam ins Gefängniß, und es verlautete nur noch, daß man nicht einmal den Versuch habe machen können, die Steuern einzuziehen. Die neueste Depesche aus San Fran cisco meldet nun, daß in dem Bezirk der Aufständischen — damit ist offenbar Atua im östlichen Theile der Insel Upolu gemeint — wieder ein Kampf stattgefunden habe, in welchem drei Menschen getödtet, viele verwundet wurden. Die Anhänger Malietoa's verringerten sich immer mehr, er thue auch keine Schritte, den Ausstand zu unter drücken. Diese unglaublichen Vorgänge ereignen sich in einem Gebiete, welches unter der Aufsicht dreier Großmächte steht. Diese können sich in keinem Puncte einigen, und seit Jahren folgt ein Blutvergießen nach dem andern. Die Uneinigkeit der BertragSmächte ermutbigt die Eingeborenen zu immer neue» Auflehnungen gegen die international ein gesetzte Obrigkeit; sie verhöbnen die Mückle förmlich. Eine treffende Bezeichnung dieses Verfahrens ist nur schwer aus zusprechen. Die Samoafrage ist, wie die „N. Pr. Ztg." zu treffend bemerkt, eine der deutlichsten Verurteilungen solcher internationaler Vereinbarungen über gemeinsame Aufsicht io einem fremden Lande. Deutsches Reich. -u. Leipzig» 11. Juni. Der Jahresbericht des Säch sischen Landesverbandes für Volksbildung enthält in der Einleitung eine Stelle, die wir wiedergeben, weil sie bestätigt, was wir oft erwähnt haben, nämlich das Vor dringen des Polenthums als Frucht eifriger, Gelbopfer nicht scheuender Arbeit. Es heißt in dem Berichte: „An Anerkennung von vielen Seiten hat es uns nicht gefehlt, aber es bleibt ein Wunsch übrig, der Wunsch nämlich, mehr Freunde an unserer Seite zu sehen, die, mit uns einig in der Werth« schätzung gemeinnützigen Wirkens, die Mittel gewähren Zn einer umfassenderen, ausgedehnteren Thätigkeit. Ja, wenn wir überall, wo es sich um Unterstützung der Bibliotheken, um Förderung der Vorträge, um Schriflenverbreitung handelt, das Zehnfache aus« wenden könnten, so würde ein mächtiger Strom von Belehrung und Segen, von Bildung und Glück hinausslieffen in jene Schichten und Kreise, denen vor Allem unsere Arbeit zu gelten hat. Daß wir mir unserer Thätigkeit dem Vaterlande, dem engen und weiten, nützen und desto mehr nützen können, je ausgebreiteter unsere Wirksamkeit wird, das mögen andere Leute uns lehren aus einem Gebiete, das unser Programm immer zuerst nennt, aus dem Gebiete der Bolksbibliotheken. Die groben Erfolge, die die Polen in Posen und Westpreuffen errungen haben, sind zurück zuführen aus die Thätigkeit der national-polnischen Vereine, ganz besonders aus die Thätigkeit des Polnischen Volksbibliothek- Pereins. Dieser Verein hat namentlich auf die untersten Volks schichten geradezu mächtig eingcwirkt; die Gutsbesitzer, die Rechtsanwälte, die Aerzte, die Geistlichen wetteifern in der Förderung. Dem Vereine war es möglich, weit über 1000 polnische Bibliotheken in Len kleinen Orten auszuslellen, und jedes Jahr bring! nahe an 100 neue Bibliotheken. Bald wird es kein polnisches Torf in Posen und Westpreuffen mehr geben, dem die Volksbibliothek fehlt. Wie würden wir das deutsch-nationale Bewuffticin kräftigen, wenn wir durch gute Volksbibliotheken deutsch-nationale Gesinnung bis in die kleinsten Ortschaften tragen könnten! Und wenn es auch in unserem sächsischen Vaterlande besser steht als anderwärts, so ist noch lange 5s Feirilletsn» Haus Hardenberg. Roman von Ernst von Waldow. (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. Frau Goldstücker ist eine vortreffliche alte Frau und ich werde ihr Vorschlägen, eine Partie nach dem Grunewald zu machen. Für diesen schwärmt sie, und unsere Sorge soll es sein, baß die Damen sich gut unterhalten. Soltendorff, Sie kommen doch auch mit?" „Ich bin erstens kein Spielverderber und dann wird es mich auch freuen, Fräulein v. Erbach auf Fanchon's Rücken zu erblicken. Das Pferd ist wie geschaffen für eine so schöne Reiterin." „Beim Abendessen besprechen wir die Einzelheiten unserer Partie, jetzt aber bin ich der Ansicht, daß es Zeit ist, an culinarische Genüsse zu denken, auch unser Gast dürste Hunger verspüren." „Damit haben Sie das Richtige getroffen, Herr Baron", versetzte Hardenberg lächelnd, „ich werde Ihrem Souper alle Ehre machen." Die Herren verließen die Loge und schritten die teppich belegte Treppe hinab. „Onkel Dietrich hat wieder einmal schärfer gesehen", dachte Siegfried bei sich, „dieser Breslauer Bankier mil dem großen Air ist factisch in ValeSka verliebt. Ich sollte mich eigentlich darüber freuen, aber weiß der Teufel, die Geschichte will mir nicht gefallen und Wilhelmine urtheilt sicherlich ebenso." Unten angelangt, passirte man eben an dem Gange vorbei, der zu den Ställen und der Manöge führte, als der schwere rothe Vorhang zur Seite geschoben ward und die hohe, schlanke Gestalt eines Mannes sichtbar ward, der die OfficierS uniform trug. „Erbach!" rief eine klangvolle Stimme. Siegfried wendete den Kopf. „Du bist eS, Victor — wo kommst Du her?" „Aus dem geweihten Raume der Kunst." Jetzt war auch Soltendorff stehen geblieben, seine Stirn verdüsterte sich, er war eifersüchtig. „Es ist zum Todtlachen", fuhr der Hinzugetretene fort, „wenn Ihr wüßtet, welch kostbares Cadeau ich eben der Latour gemacht habe!" Soltendorff war ganz Ohr. „Nun, was denn, erzähle doch", drängte Siegfried. „Ein Beilchenbouquet für ganze zwei Groschen! Ich hatte der holden Fanchon nämlich für heute Abend Blumen ver sprochen und war nicht wenig in die Enge getrieben, da Liebermann und Hasselburg mich im viugt-uu völlig ans geschält hatten. Tiefsinnig spazierte ich die Linden lang, da fällt mein Blick auf ein frisches kleines Bauermädel, das in einem Körbchen Veilchensträuße seilbietet. Der Herr verläßt die Seinen nicht, denke ich, kaufe den ganzen Rest für zwei Groschen und gehe damit in die Luisenstraße in den Blumenladen. Das blonde Lottchen ist so liebenswürdig, mir die Sträußchen kunstvoll zusammenzubringen und in ein Spitzen- Papier zu stecken, und ich babe wirklich die Courage gehabt, der Latour die Blumen unter dem Titel von Parmaveilchen zu überreichen, dir ich extra für sie bätte kommen kaffen." „Und das glaubte sie?" fragte Soltendorff. „O, die Gläubigkeit der Frauen ist ihre beste Eigenschaft." Die vollen rotben Lippen deS schönen Mannes verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln, dann sagte er zu dem Baron gewendet: „Soltendorff, die Latour ist übrigens auf Sie sehr übel zu sprechen, seit sie erfahren hat, daß Sie Fanchon ver kauft haben. Ein Pferd, daS den Namen der Göttlichen trägt, darf man entweder nie von sich kaffen, oder es ihr zu Füßen legen." „Ja, wenn es ein hölzernes Pferdchen für zwei Groschen wäre", meinte Soltendorff achselzuckend. Der Hauptmann und Hardenberg waren in einiger Ent fernung stehen geblieben. Siegfried bemerkte es und sagte schnell: „Beeilen wir uns, wir haben einen Gast — jenen Herrn dort, und dürfen ihn nicht warten lassen. Willst Du aber mit unS zu Abend speisen, Viktor, so schließe Dich an." „Von Herzen gern, wenn einer von Euch mir 20 Mark leihen oder für mich zahlen will, denn ich bin völlig blank." „Das glauben wir Dir", warf Siegfried leicht hin und Soltendorff setzte hinzu: „Kein Wunder, die Parmaveilchen — Saalfeldt hat sich für die Latour ruinirt!" V. Die Partie nach dem Grunewald war ausgeführt, nach dem es dem Hauptmann Erbach wirklich gelungen war, die Bedenken der Frau Goldstücker niederzuschlagen und sie zur Theilnahme an dem Frühlingsausfluge zu bewegen. Er war damit um so leichter zu Stande gekommen, als Wolfgang Hardenberg die Einladung batte ergehen lasten, denn er war cS, der mit feinem Tacte dies ländliche Fest veranstaltet hatte, um sich für die ihm erwiesenen Freundlich keiten zu revanchiren — so wenigstens äußerte er sich gegen Erbach und Soltendorff. Die Anordnungen waren auf das Beste getroffen worden und selbst Siegfried hatte nichts auSzusetzen gefunden. Der junge Officier hatte sich nämlich von Onkel Dietrich bestimmen lasten, die Einladung anzunehmen. Er füblte ja selbst, daß er Baleska Dank schulde für ihre Vermittelung, und so war ihm Gelegenheit zu einer Aussöhnung geboten, die auch ihm längst ein Herzensbedürfniß geworden war, wenn er sich dies auch nicht eingestehen wollte. Der Hauptmann war die Seele des Festes, er hatte Hardenberg, welcher als Fremder seines Beistandes dringend bedurfte, treulich zur Seite gestanden und in seiner ge schmeidigen Weise sich den Ansichten und Anschauungen des Kaufherrn so anbequemt, daß letzterer unwillkürch zu der Ueberzeugung kommen mußte: Dietrich Erbach fühle und denke wie er. Wirklich empfand auch Hardenberg große Sympathie für den liebenswürdigen alten Herrn, dessen beste Eigen schaft in seinen Augen freilich die war, daß er der Oheim der schönen ValeSka war. Der Hauptmann wiederum füblte sich zu Hardenberg hingezogen, weil er in diesem schon den künftigen Verwandten sah. Den tiefsten Eindruck hatten die frohen Stunden in BaleSka's Gemiith hinterlassen. Die Versöhnung mit dem Bruder, das Wiedersehen deS lang Entbehrten gaben dem Feste eine höhere Weihe. Nachdem das junge Mädchen in dem Goldstücker'schen Hause sich ge wöhnt hatte, so Vieles zu entbehren, das ihr früher zur lieben Gewohnheit geworden, genoß sie in um so volleren Zügen daS ihr Geboienc. Eine festliche Stimmung überkam sie, als sie an Harden bergs Seite auf nissigem Waldpfade dahinritt. Fanchon schien ganz stolz auf d,e schöne Last zu sein und ging zierlich im Schritt, den feinen Kopf erhoben, von Zeit zu Zeit die goldblonde Mähne schüttelnd. Hardenberg war ein stattlicher Reiter. Wie ein echter blaublütizer Cavalier saß er im Sattel, den feurigen Rappe» zu ruhiger Gangart zwingend, um kein Wort zu verlieren, das von den Lippen seiner schönen Begleiterin fiel, die ihm wie die Prinzessin im Märchen erschien. Es gab doch noch einen Waldeszauber, oder hatte der Lenz mit seinen Knospen und Blütben auch in den Herzen der Beiden den Keim der Liebe gezeitigt? Gut, daß die hausbackenen Bemerkungen der Frau Goldstücker und die übermüthigc Lustigkeit Victor Saalseldt's das Paar aus seiner gehobenen Stimmung in die Prosa zurückfallen ließ, Valeska's „Entrücktheit" und das nachdenkliche, zerstreute Wesen des Festgebers hätten Anlaß zu Bemerkungen gegeben — und noch war ja nichts entschieden, wie Onkel Dietrich bei sich bemerkte. Dem frohen Tage im Grunewald folgten andere. Harden berg bätte nach Erledigung seiner Geschäfte nach Breslau zuruckkehren sollen, wo er gewiß mit Ungeduld erwartet wurde, wie er selbst sich sagen mußte. Trotz dessen blieb er in Berlin, täglich neue Vorwände für die verzögerte Abreise erfindend. Täglich besuchte er das Goldstücker'sche Haus, und täglich wurden Spazierfahrten oder Ausritte veranstaltet, welche daS gleichmäßig schöne Frühlingswetter begünstigte. Der kleine Commerzienratb schwamm in einem Meer von Entzücken; war er cs ja gewesen, der von allem Anfänge an, ehe der Geschäftsfreund noch das junge Mädchen in seinem Hause gesehen, an eine Verbindung der Beiden gedacht hatte, um dafür von der Gattin, welche sich dock so viel auf ihre Wellerfahrung einbildete, in schnöder Weise verspottet zu werden. Aber auch Frau Ferdinande, die sich lange gegen diese Wahrnehmung gesträubt, mußte dem LicbeSwcrbe» Harden- berg's gegenüber eingestehen, daß dieser es auf eine Verbindung mit der Gouvernante abgesehen habe. Durch den Hauptmann völlig gewonnen, der in verblümten Worten um ihre Mit wirkung in der heiklen Sache gebeten — die nur „edle Frauen" zum glücklichen Ende zu führen verständen — hatte sie sich zuletzt mit Feuereifer inö Gefecht gestürzt, und da Hardenberg'« ablehnendes Wese» ihr wenig Zuversicht, eine Einwirkung betreffend, einflößte, bemächtigte sie sich Valeska's, um dieser daS Glück einer Ehe mit Wolfgang Hardenberg, Firma Hardenberg L Söhne, so recht klar und anschaulich zu machen. Es war wirklich jammerschade, daß die schüchtern sich entfaltende Liebesblüthe einer so rauhen Berührung ausgesetzt
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