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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.06.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950618015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895061801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895061801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-06
- Tag1895-06-18
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Größere Schriften laut unserem Pret«. verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsap »ach höherem Tarif. Extra »Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbeförderlMg 60.—, mit Postbesörderuag 70.-". Annahmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentag«) Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Margen-Auszabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle« je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^- 292. Dienstag den 18. Juni 1895, 89. JahrganK Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Unter Bezugnahme auf 8. 1, Absatz 1 der Marktordnung für dir Stadt Leipzig vom 22. April 1801 bringen wir hiermit zur öffentlichen Kenntniß, daß wir auch im laufenden Jahre die Ab haltung eine« besonderen Blumenmarktes am Johannisfeste und an dem diesem Feste vorangehenden Tage, also Sonntag, den 23., und Montag, den 24. Juni, und zwar Sonntag von 11 Uhr Vormittag« bis 9 Uhr Abends, Montag bis 9 Uhr Abends, ge statten wollen. Die Verkäufer, welche denselben beziehen wollen, haben zur Auf stellung ihrer Maaren den Johannisplatz und den vor den Fried höfen Leipzigs gelegenen öffentlichen Verkehrsraum zu benutzen, und zwar wird einem jeden Thrtlnehmer ein besonderer Platz angewiesen werden. Behufs Anweisung der Plätze haben sich die betreffenden Ver- käuser bis Sonnabend, den 22. Juni, Mittags 12 Uhr, bei unserem Marktinspector Herrn Rentsch, Naschmarkt 1, III, zu melden. Wegen der Markthalle, die für den Blumenhandel aus- nahmsweise Sonntag, den 23. Juni, von Vormittags 11 Uhr bis Abends 9 Uhr geöffnet sein wird, wird auf die deshalb zu erlassende besondere Bekanntmachung verwiesen. Sollten indessen Verkäufer, die einen Monatsstand in der Markthalle innehaben, den Wunsch hegen, auch auf dein offenen Johannismarkte einen Stand zu erhalten, so wird ihnen ein solcher unentgeltlich überwiesen werden. Von Verkäufern, die nicht Inhaber eines Monatsstandes in der Markthalle sind, wird ein Standgeld von 30 pro Tag und Quadratmeter erhoben werden. Wer ohne Ueberweisung eines besonderen Standes am Johannis feste auf öffentlichem Vcrkehrsraume feilhalten sollte, wird nach 8 32 unserer Marktordnung weggewiesen und zur Verantwortung gezogen werden. Im klebrigen machen wir noch bekannt, bah der ver kauf von Blumen, Kränzen, Blumengewtnvcn und Pflanzen am Sonntag, den 22. Juni auch in den übrigen im Stadt bezirke belesenen BerkaufSstätten lediglich nur in den Stunden von 11 Uhr Bormittags bis S Uhr Abends, keinesfalls fonach vor beendetem vormittags gottcsdienste, stattfinden darf. Leipzig, am 14. Juni 1895. Ter Rath der Stadt Leipzig. IX. 3041. vr. Georgi. Maneck. Bekanntmachung. Die Herren Chemiker vr. Gustav Adolf Strnve und Johannes Julius Conrad Christian BehrenS in Leipzig beabsichtigen, auf dem in L.-Plagwih an der Jahnstratze Nr. 35 (Nr. 175 s, Abth. -l. des Brandkatasters, Nr. 3?0 des Flurbuchs und Fol. 695 des Grund- buchsZ gelegenen, Herrn Max Friedrich gehörigen Grundstücke «ine chemische Fabrik zu errichten und darin basisch-kohlensaure Magnesia, gebrannte Magnesia und Ehlormagnesinm, sowie das dabei als Nebenprodukt entstehende Natriumsulfat her zustellen. Es wird dies mit dem Bemerken bekannt gemacht, daß etwaige gegen die beabsichtigte Anlage zu erhebende Einwendungen, welche nicht auf privatrechtlichen Titeln beruhen, bei deren Verlust binnen 14 Tagen bei uns anzubringcn, alle übrigen Einwendungen aber, ohne daß von deren Erledigung die Genehmigung der Anlage ab hängig gemacht wird, zur richterlichen Entscheidung zu ver, weisen sind. Leipzig, am 15. Juni 1695. Der Rath der Stadt Leipzig. VI. 2311. vr. Georgi. Kastelt. Bekanntmachung. Die am 4. April dss. Js. zu Leipzig verstorbene Rentnerin Fräulein Emilie Louise Leitzier hat in ihrem letzten Willen der unter städtischer Verwaltung stehenden Louisenstiftung ein ver- mächtnitz von 1000 auSgesetzt. Wir haben das Bermächtniß angenommen und rufen der edlen Wohlthäterin für die bewiesene werkthätige Menschenliebe unseren wärmsten Dank nach. Leipzig, am 13. Juni 1895. 2^2. Der Rath der Stadt Leipzig. Id. 880. vr. Georgi. vr. Just Bekanntmachung. Die öffentlich ausgeschriebenen Fußwegregelunqsarbeiten in der Albert- und in der Halleschen Straße sowie im ThomaSgätzchen hier sind vergeben worden. Die unberücksichtigt gebliebenen Bewerber werden daher aus ihren bez. Angeboten hierdurch entlassen. Leipzig, am 10. Juni 1895. 2560 Der Rath der Stadt Leipzig. le. 845' vr. Georgi. Etz. Die städtische Sparkasse beleiht Werthpapiere unter günstigen Bedingungen. Leipzig, den 1. Februar 1895. Die Svarcaffen-Deputation. Versteigerung. Mittwoch, den 19. Juni 1895, Vormittag- 11 Uhr soll im Grundstücke Arndtstrabe 33, hier, ein Aatz» enthaltend circa 62» Liter Rothwein, meistbietend gegen Baarzahlung ver, steigert werden. Leipzig, am 17. Juni 1895. Der Gerichtsvollzieher des Königl. Amtsgerichts das. Wachs, Actuar. Was lehrt uns das Kloster Mariaberg? Rückblicke auf de« Proeeh Mellage und Genossen. IV. Pflichtgetreue Aerzte. ?. Leipzig, 17. Juni. Zu den eigentlichen Angeklagten geboren im Proceß Mellage und Genossen neben den frommen Brüdern von Mariaberg die Aerzte, welche mit dem Kloster in Beziehungen standen und ihren Beruf so eigen thümlich auffaßten, daß sie die Kranken nach der von den Schuhmachern, Schneidern, Fabrikarbeitern ,c. im Bruderkleide gestellten Diagnose behandeln ließen. Mit Recht ist von Seiten deS Sachverständigen den Anstalt« ärzten Pflichtverletzung vorgeworfen worden, mit Recht muß aber auch betont werden, daß auch der BezirkSphysicus Geh. Med.-Rath. vr. Kribben, nicht von dem Borwurf der Leicht Herzigkeit freizusprechen ist. weil auch er von dem Nimbus der 'atholischen Brüderschaft so befangen war, daß er Alles, waS ein Schuhmacher Overbeck und ein Schneider Bruder Heinrich bekundeten, für baare Münze nahm. Wenn vr. Kribben ch mit ForbeS so beschäftigte, wie es nach unseren Begriffen von einem KreiSphysicus verlangt werden kann, so mußte er nach längerem Verlauf der Verhandlungen mit Forbes als Bezirksarzt merken, daß er eS nicht mit einem Irrsinnigen zu tbun hatte. Wir werden gleich sehen, wie vr. Kribben seine Pflicht erfüllt zu baden glaubte. Im Jahre 189 l wird er nach seiner eigenen Sachdarstellung plötzlich von den Alexianer- »rüdern in das Kloster Mariaberg zu einem angeblich Tob- 'üchtigen gerufen. ES ist dies Forbes. Der Mann ist urchtbar erregt und riecht nach Spirituosen. Er führt wirre Redensarten, schimpft auf seinen Bischof, auf die Königin von England und sagt, er sei ein freier Engländer und lasse sich hier nicht einsperren. Jeder schlichte Laie würde daraus zunächst entnehmen, daß er es mit einem Betrunkenen ; u thun hat, denn wer wüßte nickt, was für wirres Geschwätz, was für widerliche Schimpfereien auf Gott und alle Welt von den Lippen Trunkener strömen. Jeder Laie würde sich gesagt haben, den Mann mußt du in nüchternen! Zustande beobachten. Erst muß der Spiritus verflogen sein. Wir wollen sehen, was dann bleibt. Nicht so der Herr Geheime Medicinalrath! Nachdem er Forbes gesehen und ihm von den frommcnBrüdernmitgetheilt worden, daß Forbes 'chon seit vielen Jahren dem Trünke ergeben sei und daß ein Bischof dies geschrieben habe, „erklärt er den Mann ür geistesgestört". Vr.Kribben ist entweder das größte Genie aller lebenden und gelebt habenden Psychiatriker, oder hat im Vertrauen auf die Bruderschaft sich sein Amt so er , sänaniß, sondern eine Irrenanstalt, da können Sie nicht ohne aus I !>,. SbiuUi-m- mu«k sich^oikselbeii üi-rwüij-, SL-dSSS-«-«^ Gregoriusorden, und vr. ^ ^ Capell- beregnenden öncheln um den V!und, - Ln is- na» ftm» m t» Mam- Autodidact. Cr ist ein sogenannter , .in W», über d,° Mariaberg verübt, Man muß dem in mann Aui bat Jabrc ist er Anstaltsarzt Obhut sind die Greuelthaten ja zum Theil von ihm gutgehe,ßen worden. ^ Verthcidiger Niemeyer beipflichten, wenn er sag . Herr vr. Capellmann. der 30 Jahr lang Allstaltsarzt gewesen ist von den unerhörten Vorgängen im Alcxianerklofter wirklich ,.in-Lnn.nitz g-h-d. »-,.-««« i»«.' ; -l» wenn er sie geduldet hätte". Und zum The,l hat er sie geduldet. Er hat die Execution des sogenannten »^uch badcs" zugelassen. Er bat nichts dagegen getha-v daß, die wie Capellmann, gesallen lassen. Was soll man von einem Arzte sagen, der einem Kranken, wie Rheindorf, verweigert, ,u einem Speeialarzt zu gehen, weil die Myrrhentinctur Chantraine'S nicht anschlägt, der denselben Rheindorf für am Aikobolgenuß erkrankt" erklärt, weil eS ihm der fromme Bruder Heinrich gesagt hat, der die Einführung der „Douche" seinem College» pflichtwidrig verschweigt, die Eintragungen in daS Krankenjournal verbummelt, von dem Epileptiker Launer annimmt, daß er an eingebildeten Schmerzen leide, weil cs ihm von einem Bruder mitgetheilt wird", während die Sachverständigen feststellcii, daß Schmerzen vorhanden sind, die eine genaue, ärzliche Pflege erheischen? Man kann nur sagen, daß durch ihn der ärztliche Stand schwer diS- crevitirt worden ist. Solchen Aerzten gegenüber konnte Bruder Heinrich, der wegen Memeidsverdachtes schon hinter Schloß und Riegel sitzt, allerdings daS kühne Wort aussprechen: „Hier in der Anstalt haben weder die Aerzte noch der Generalvicar etwas zu sagen, sondern lediglich die Brüder. Diese sind klüger wie die „Döktrrsch". Wer einmal hier ist, der kommt gegen den Wille» der Brüder nicht mebr imiiicnschliche Behandlung durch die „Touche" ein Ende fand, Derselbe Bruder Heinrich äußerte ein anderes eicht gemacht, daß ihm der Vorwurf der Pflichtverkennung nicht erspart bleiben kann Man bedenke, die ganze Beobachtung des Herrn Vr. Kribben wäbrte nach seinen eigenen Aus agcn fünfzehn Minuten! Der Brief, auf den die Arüver sich bezogen, ist von ihm nicht einmal gelesen worden. Tie bloße Mittheilung von Anstaltsbrüdern, ehemaligen Handwerkern, läßt er sich als Bezirksphysikus zur Grundlage dienen, um einen Mann für verrückt zu erklären Sehr richtig wendete ihm der Verlheidiger Rechtsanwalt Lenzmann ein: „Sie haben also die Ansicht, daß Sie, wenn Sie einen Mann fünfzehn Minuten beobachten, der eine Ihnen unverständliche Sprache spricht, nach Alkohol riecht und sehr erregt ist, in der Lage sind, ihn für verrückt zu erklären." Der BezirkSphystkuS bat es gar nicht für nvlhig erachtet, darüber Untersuchungen anzustellen, ob nicht die Nach wehen eines großen Rausches vorliegen, vbwohl er als Bezirksphysikus wie überhaupt als vernünftiger Mensch wußte» daß Trunkene, auch wenn der Rausch schon „halb verflogen" ist, erregt, ja noch tobsüchtig sind und dummes Zeug schwätzen. Seine fortwährende Ent schuldigung gipfelt in den Worten: „Nach den Mit theilungen der Brüder mußte ich daS annehmen!' Wahrlich, diese Entschuldigung ist eine schwere Selbstanklage, denn wenn ein wissenschaftlich gebildeter Arzt, der obendrein eine so hohe Vertrauensstellung einnimmt, daß er über den Geisteszustand der Menschen zu urtheilcn hat, sich auf das Urtheil von Gevatter Schneider und Handschuhmacher ver läßt, so ist daS eine schwere Pflichtverkennung, vr. Kribben hat es nicht für nothwendig gehalten, sich überhaupt noch einmal um den Mann zu kümmern, dem er die geistige Gesundheit in einer Viertelstunde abgesprochen, ohne einen anderen Arzt zu Rathe zu ziehen. Auf die Interpellation deS Vertheidigers spricht er das große Wort gelassen auS: „Dazu hatte ich keine Verpflichtung!" Nach dem Verfahren, das Herrn vr. Krippen beliebt hatte, lag nicht unr eine berufliche, sondern vor Allem eine moralische Verpflich tung zu dieser weiteren Beobachtung vor, zu einer Pflicht jener christlichen Nächstenliebe, in deren Dienst doch alle Aerzte gestellt sind. Der Proceß bat ja ergeben, daß an Fordes nicht Geistesgestörtheit, sondern lediglich die Folgen starker Trunkenheit bei jener Untersuchung sich bemerklich machten. Der Proceß hat aber auch ergeben, daß vr. Kribben Kenntniß davon erhalten hat, wie die frommen Brüder Forbes behandelten. Als dieser eines Abends nach Hause zu rückkehrt, wird er sofort vom Pförtner des Klosters ver gewaltigt. Dann kommen vier Brüder, fesseln ihn und sperren ,hn ohne Noth in diesem Zustand in eine Zelle. Am anderen Tage beschwerte sich Forbes bei vr. Cbantrain und Vr.Kribben über diese Vergewaltigungen undVr.Kribben glaubte darauf weiter nichts thun zu sollen, als den Vergewaltigten zu trösten und nach der beeidigten Aussage deS ForbeS ihn mit den Worten zu beschwichtigen: „Na, seien Sie nur ruhig, dann wird Ihnen nichts weiter passiren!" Jetzt weiß Herr vr. Kribben, WaS noch passirt ist und waS ver hindert werden konnte, wenn er damals Argwohn schöpfte und die Sache nicht so hingehen ließ. Aber dazu war er vielleicht auch nicht verpflichtet! Interessant ist auch sein Gutachten, daS er als Sachverständiger im Verlaufe des ProceffeS abgelegt hat. Nach demselben leidet FordeS an chronischem AlkoholiSmuS und Gedächtnißschwäche, letzteres weil er sich nach 3 Jahren und 3 Monaten nicht gleich auf die Zusammenkunft mit vr. Kribben erinnerte, die bekantlich fünfzehn Minuten dauerte und bei der er noch an den Folgen eines Rausches litt. Ein Alkoholiker ist aber nach vr. Kribben'S Meinung Jeder, der bei Tage zu trinken an fängt — der arme „Frühschoppen"! — und des Abends das Trinken sortsetzt. Auf Grund dieses Gutachtens müßten bei einer Volkszählung einmal die Alkoholiker in ihrer Zahl fest gestellt werden. Herr vr. Kribben würde sich über das Ergebniß freuen! DaS Resumö über die Beweisaufnahme hinsichtlich der Abhörung des Herrn vr. Kribben faßte Rechts anwalt vr. Niemeyer in die Worte zusammen: „Ich kann Herrn Geheimrath Kribben den Vorwurf nicht ersparen, daß er sich in fahrlässiger Weise der Beihilfe widerrechtlicher Freiheitsberaubung schuldig gemacht hat. Herr Geheimrath Kribben hat Herrn ForbeS für irrsinnig erklärt, weil er betrunken und erregt war und weil er nach Mittheilung seine« Bischofs erblich belastet und auch schon früher dem Trünke ergeben war. Und als der Herr Geheimrath gefragt wurde, wer ihm letzteres mitgetheilt hat, war die Antwort: Bruder Heinrich! Ja, wenn man alle Leute, die in der Trunkenheit erregt sind, für geisteskrank erklären wollte, dann hätte Herr Gchrimrath nachdem er Kenntniß von ihr erlangt. Er bat cS gut-> einer Zeugin: „Der Arzt bat einem Kranken andere aebeißen. daß Zwangsjacke und Zwangshandsckuhe als ^lras- verschrieben. Das ist Quatscherei. Wer hier ist, mittel benutzt wurden, während die Sachverständigen bekundet ^ essen, was hier gekocht ist. Wir Brüder sind klüger baben, daß die Jrrenpflege nur Zwangsmittel kennt, welche , ^ ^ Döklersch!" Wußte doch Bruder Heinrich, daß sich zum Schutze der Irren und ihrer Umgebung sich notvwenvig > ^ „Döklersch" nicht darum kümmern würden, ob ihre An- macken, und daß diese Zwangsmittel nur im Beiseln von Aerzten i^^gen auch befolgt seien, angewandt werden dürfen. Und doch überließen vr. Eapeu- Hur Entschuldigung d mann und vr. Chantrain diese Anwendung vollständig Leuten ^ vom Schlage eines Bruder Overbeck, Bruder Heinrich, Käuffchens ü. s. w. Die Art und Weise, wie die beiden An staltsärzte ihr Geld verdienten, muß denn doch eine sehr eicientbümlicbe genannt werden, vr. Capellmann laßt sich 3300 vr. Ckantraine 2600 bis 2700 ^ durchschnittlich im Jahre Tantieme bezahlen. Schon diese Art der Be- zahlung, nach welcher der Arzt ein Interesse daran hat daß möglichst wenig Jnternirte entlassen werden, ist ein Unfug, der nach dein Ausspruch der Sachverständigen in keiner anderen Anstalt zu finden ist. vr. Capellmann und vr. Chantraine mußten eine Bezahlung in dieser Form zurückweisen. Für " ^ ----- gethan, als ^ , der Aerzte ist angeführt worden, daß sie die Pflege der Kranken nicht pflichtgemäß hätten aus führen können, weil sie bei 660 Kranken und einem Besuche von l'/r Stunden täglich dazu gar nicht im Stande gewesen wären. Das ist keine Entschuldigung. Wenn sie wußten, daß sie die Pflicht, die ihnen oblag, nicht erfüllen konnten, so mußten sie als ehrliche Männer es ablehnen, diese Pflicht auf sich zu nehmen. Sie mußten unter allen Umständen daS Amt deS Anstaltsarztes auSschlagen, wenn sie wußten, daß sie eS bei den „eigenartigen Verhältnissen der Anstalt" nicht pflichtgemäß verwalten konnten. Indem sie das Amt antratrn, Übernahmen sie auch die vollen Verpflichtungen dieses Amtes, ... .. . . und eS giebt für ihre Handlungsweise nicht die geringste Ent dieses Geld aber haben die Aerzte nichts weiter gethan, ats l vr. Capellmann hat sein Amt freiwillig uieder- sich in einem Sprechzimmer täglich etwa v/s Stunde einzusinden I Leider zu spät. Er wurde sowieso in Zukunft keine und sich einen oder den anderen Kranken vorfuhren zu lassen, I GK„e ' ' ^ ^ ^ .. flNl* »aß sic die Kranken n»aufgesorQrt besucht und de obachtet Hätten. „In Mari ab erg", sagt daher Medicinab rath vr. Gerlach, „wurden die Verhältnisse geradezu auf den Kopf gestellt! Ich bin der Ansicht, daß die Aerzte der Kranken wegen da sind und nicht die Kranken der Aerzte wegen." Daß die Aerzte sich so gut wie gar nicht um die Kranken kümmerten, sondern dieselben in der Hand roher Patrone ihrem Schicksal überließen, war eine Gewissen losigkcit, eine Pflichtverkennung, die auch durch den Sach verständigen Sanitätsrach vr. Nipping gebührend gebrond markt worden ist. Die Aerzte wälzten alle Ver anlwortung auf die Brüder ab, deren Bildungsgrad ihnen doch nur zu bekannt war. Sehr treffend sagt Vr. Ripping: „Ich bin der Meinung, die Aerzte sind nicht blos dazu da, um Zähne auszureißen und Geschwüre aufzustechen, es wäre ihre Pflicht gewesen, den Geisteszustand der Kranken zu beobachten, und diese Aufgabe, die nur von Aerzten aus geübt werden kann, nicht den Brüdern zu überlassen, die von Psychiatrie keine Ahnung haben." Hätten die Anstaltsärzte ihre Pflicht erfüllt, die rohen Ausschreitungen hätten ihnen nicht verborgen bleiben können. Wenn sich Capellmann hin sichtlich der mangelnden Beobachtung des Forbes damit ent schuldigt, daß Forbes sich nicht habe sprechen lassen, so hat man für eine solche Entschuldigung angesichts der Beweis aufnahme nur ein Lächeln, denn ernstliche Versuche sind eben niemals gemacht worven. Der Herr Sanitätsrath ließ sich dadurch abscbrecken, daß ForbeS ihm einmal die Thür vor der Nase zuschlug. Forbes hatte wenig Vertrauen zu ihm, das giebt Capellmann selbst zu, und nach dem,waSForbes erlebte, konnte auch sein Vertrauen nur schwach sein. vr. Capellmann ergab sich voll- ständig den Brüdern. Was sie ihm sagten,war ihm ein Evangelium. Die geistliche Behörde beeinflußte seine Entschließungen. Dem Pfarrer Rheindorf, der sich nach frischer Luft sehnte und sie bei seinem Zustande brauchte, antwortet er: „Die bischöfliche Behörde will eS nicht haben!" Um den Brüdern alle Scherereien zu ersparen, vergeht er sich gegen die preußische Circularversügung vom 17. Juni 1874, bez. 19. Januar 1888 und läßt freiwillige Peiisionaire aufnehmen, ohne daß ein ärztliches Attest vorliegt. Befragt, wer ihm daö Recht zu solchem Verfahren ertheilt habe, erwidert er: „Die Er laub n iß gab uns die seit Jahrhunderten bestehende Gewohnheit!" vr. Capellmann, der Mann, der von „nichtswürdigen Irren" und „Kerlen" spricht, hat auch nicht auf die Führung von Acten gedrungen: unter seiner und deS vr. Chantraine ärztlicher Pflege war eS sogar möglich, daß über die Untersuchung des Forbes überhaupt keine Niederschrift bewirkt wurde. Eine Besichtigung der Leichen hielten die Aerzte für überflüssig. Befragt, warum er die Lerche deS Korber, der verstarb, nachdem ihm tags zuvor ein Wärter ein Bein gestellt und ihn zu Fall gebracht hatte nicht besichtigt habe, antwortet vr. Chantraine kaltblütig- „Dazu hatte ich keine Veranlassung!" Wie leichtfertig vr. Capellmann bei der Ausnahme Irrer zu Werke ging, davon zieht der Fall Kaspar Kleinschmidt, ^ Fall.Feldmann in Düsseldorf erinnert, ein Beispiel. Den Bäcker Kleinschmidt hat Capellmann einfach in die Irren- stat.on ausgenommen, weil ihm dessen Frau mitgetheilt 'pk Mann am Derfolgungswahnsinn leide. Obwohl der KreiSphysikuS vr. Baum in dem Zeugniß über Kleinschmidt ausdrücklich vermerkt, daß er die Geisteskrank heit noch nicht seststellen könne, verlangt Capellmann kein weiteres motwirteS Attest, wie das Gesetz eS vorschreibt sondern laßt den „Kerl" interniren. Als ihm Kleinschmidt ""art, seine Einlieferung sei auf Betreiben seiner Frau von polizelcommissar Z. angeordnet worden, von dem er den Verdacht hege, daß er mit seiner Frau ein unerlaubtes Verbaltniß unterhalte, und ,hn bittet, ihn doch wieder hinaus- zulaffen, bat er keine Veranlassung, diese Angaben zu trocken: „Hier ist kein Ge. Gelegenheit mehr gehabt haben, die Mediciy^rn den Dienst der ultramontanen Brüder zu stellen. Die Aei^r'^r. Kribben, Capellmann und Chantraine sind, wie die „Berliner Neuesten Nachrichten" saßen, für die ganze Folgezeit ärztlichen Wirkens moralisch und wissenschaftlich als vernichtet zu be trachten. Mag auch das „System" im Kloster Marlaberg ihrem Einschreiten Hindernisse in den Weg gelegt haben, da der Arzt weniger daS entscheidende Wort batte. alS der Obere der Brüder, unfaßlich bleibt es doch, wie der „Hamburger Correspondent" hervorhebt, wie Capellmann und Chantraine es mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten, eine so traurige Rolle Jahre und Jahre lang zu spielen. nur Deutsches Reich. v. Leipzig, 17. Juni. Ein Anarchistenproceß be schäftigte heute den 3. Strafsenat deS Reichsgerichte-. Vom Landgerichte Halle a. S. sind am 19. April nach zweitägiger Verhandlung zehn Angeklagte wegen Vergehens gegen K. 129 Str.-G.-B. (Theilnahme an einer geheimen Verbindung) verur- theilt worden, der Hauptangeklagte Schuhmacher Mar Metzner zu 5 Monaten Gesängniß, ^ie anderen zu Strafen von 4 Monaten bis zu einer Woch^. Acht weitere An geklagte sind freigesprochen worden. Die meisten der An geklagten waren Mitglieder deS anarchistisch-communistischen Clubs von Halle, der seit einigen Jahren bestand und von Metzner geleitet wurde. Die Statuten desselben wurden von der Polizei nicht beanstandet, auch fand diese keinen Anlaß, bei den Vereinsversammlungen, die sie über wachte, einzuschreiten. Es fanden aber aelegentlich öffent liche Versammlungen statt, die von eiNi.... Nicht - Mit- gliede einberufen wurden und in welchen ziemlich un verhohlen der Ansicht Ausdruck gegeben wurde, daß eine Besserung der jetzigen Verhältnisse nur durch gewaltsame Mittel herbeigeführt werden könne. Das Gericht bat nun angenommen, daß diese Versammlungen von dem Club inscenirt seien, daß der Club seine wahren Ziele verborgen habe und den Umsturz der bestehenden Ordnung durch un gesetzliche Mittel bezwecke. — ()'egen daS Urtheil hatten die Verurteilten Revision eingelk ^1. Die Angeklagten Metzner und Emmerich waren persönlich vor dem Reichsgerichte er schienen und suchten ihre Unschuld darzuthun. Sie seien nur für das verantwortlich, was der Club als solcher gethan, nicht aber für das, was in öffentlichen Volksversammlungen geschehen sei. — Der Reichsanwalt verwies jedoch darauf, daß die Volksversammlungen nach den Feststellungen, die un anfechtbar seien, als zur Thätiakeit des Clubs gehörend an- zusehen seien. Das Urtheil enthalte keinerlei RechtSirrthum und die Revision erweise sich als unbegründet. Das Reichs gericht erkannte sodann auf Verwerfung der Revision. Berlin, 17.Juni. Wenn es wahr ist, daß scandalöse Processe Symptome deS Niederganges deS öffentlichen Lebens bilden, so läßt die soeben vor einer Berliner Straf kammer gegen den Stadtverordneten Riemer und einen Redacteur des „Berliner Tageblattes" durchgrführte Strafoerhandluna keinen sonderlich günstigen Schluß auf den Charakter der Zeit zu. Eine freisinnige Communalgröße vierten Ranges hatte in öffentlicher Sitzung der Stadt verordneten den Lehrer eines städtischen Gymnasiums mangel- bafter Erfüllung der Berufspflichten und antisemitischer Agitation in der Schule bezichtigt und die von ihm be haupteten „Thatsachen" waren von dem genannten Blatte in der bekannten Weise, welche Antisemiten züchtigen soll, aber Antisemiten züchtet, auSgebeutet worden. Von beiden Seiten war zugleich die Lehranstalt selbst al- emr Brutstätte des Antisemitismus angegriffen worden. Die Beschuldigungen waren zum Theil von der Art, daß ihre gerichtliche Widerlegung nicht ohne di« Vernehmung von Schülernde- betreffenden Gymnasium« bewirkt werden konnte.
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