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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.06.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950628023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895062802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895062802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-06
- Tag1895-06-28
- Monat1895-06
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Durch die Pa st bezogen für Deutschland »nd Oesterreich: vierteljährlich ^l 6.—. Directe tägliche Kreuzbandieudung ins Ausland: monatlich ^ti 7,50, Dir Morgen-AuSgab« erscheint täglich mit Ans» nahm« nach Sonn- und Festtagen '/,? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentag- 5 Uhr. Nedaciion «n- Ervedition: Iatzannekgasse 8. Die Expedition ist Wochentag- «nunterbroche» geässnrt von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr- Filialen: Ltl« Me««'» Lortim. (Alfred Hahn). llniverfitätsstraßr 1, Louis Lösche. Aathorinensir. 14, pari, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe ttWScrIageblait Anzeiger. Drgan für Politik, Localgeschichte, Kandels- «nd Geschäftsverkehr. Mnzeigen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redarttonsslrich (4ge- spalten) 50^. vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis- vrrzeichnitz. Tabellarischer und Mernjap nach höhereui Tarif. Vrlra'Beilagen (gefalzt), nur mit dkl Morgen»Ausgabe. ohne Postbrfördernng 60.—, mit Postbefördcrung ^tl 70.-». ^nnahmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Ubr. Morgr n.Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an die Ox-edition zu richten. Druck und Verlag von S. Polz kn Leipzig. Freitag den 28. Juni 1895. 89. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. Juni. Die vor, während und nach der Kieler Feier von einem großen, ja dem größten Theile der französischen Presse veröffentlichten deutschfeindlichen und kriegslustigen Kundgebungen können weder überraschen, noch unsere Genug- thuung über den Gesammtverlauf der großartigen Feier wesentlich beeinträchtigen. Mit um so größerer Rübe und Objectivität kann man die Antheilnahme der französischen SoctalNemokratte an diesen Kundgebungen nnd die Beweise der Verlegenheit verfolgen, in welche diese Antbeilnabmc die „deutschen" Genossen versetzt hat. Die Presse der Letzteren macht unausgesetzt Versuche. die gehässigen und kriegslüsternen Auslassungen der französischen Gesinnungsverwandten abzu schwächen nnd ihre Bedeutung zu verkleinern. Daö beweist, daß jene Ausbrüche des Chauvinismus auf die nicht mit Augen, Ohren und Hirn im Banne der Herren Singer nnd Bebel stehenden Parteigenossen Eindruck gemacht haben, wahrscheinlich tieferen, als die immer wiederkchrenden und immer dieselben bleibenden Be schwichtigungswendungen des „Vorwärts" hervorzubringen vermögen. Das Blatt kommt heute nochmals auf die Sache zurück und entschuldigt sich abermals damit, daß Milleranv, der Kammerredner für die Aufrechthallung der elsaß-lothringischen Frage, noch vor wenigen Jahren der bürgerlichen Demokratie angehört und sich nicht zur klaren Erkenntniß des SocialiS- mus hindurchgearbeitet habe. Wenn das wahr wäre, so hätte man ihm gewiß keine führende Stellung in der französischen Socialbemokratie angewiesen. Die deutschen Socialdemokraten lassen jetzt einen Schriftsteller zum Reichstag candidiren, der auch vor wenigen Jahren „bürgerlicher Demokrat" gewesen ist. Wenn der Mann, falls er gewählt wird, sich beigehen ließe, in der deutschen Volksvertretung den Franzosen zuzurufen, Elsaß- Lothringen müsse deutsch bleiben, würde man das auch seiner Vergangenheit zu Gute halten? Gewiß nicht. Jede Ketzerei wird in der Socialdemokratie sofort geahndet, wie die Bei spiele Stegemüller'S, Nüdt'S, der soeben parteiofficiell als „Schurke" etiquettirt worden ist, und vieler Anderer zeigen. Nun steht im „Vorwärts" freilich Folgendes: „Die focialistische Presse Frankreicks hat einstimmig, zum Theil ausdrücklich die Haltung Millerand'S mißbilligend, die focialistische internationale Auffassung durchaus correct ver treten, so daß dieser Mißklang sich in Harmonie aufgelöst hat." Einstimmig, zum Tbeil ausdrücklich! Wie die Zei tungen, denen doch Mienenspiel und Gesten nicht zu Gebote stehen, ihre Mißbilligung kunvgeben konnten, ohne sie au»zu< sprechen, istunserem rückständigen Bourgeoisverstand unerfindlich Der „Vorwärts" wird alt, sonst hätte er nicht mit dieser kapitalen zukunftsstaatlichen Wendung eingeräumt, daß nicht einmal die gesammte focialistische Presse Frankreichs die Komödie einer „Mißbilligung" aufgeführt habe. Wäre dies aber geschehen, so würde es nichts bedeuten gegenüber der That fache, daß Parteileitung und Fraction stillschweigend ihr Ein verständniß mit der Rede Millerand'S zu erkennen gegeben haben. Unter den französischen Socialisten besteht allerdings Harmonie, aber der Deutschenhaß giebt ihren Grundton an und nickt die „durchaus correct internationale Auffassung", die den Frau zosen etwas Unfaßbares ist. wenn sie es auch von ihrem praktischen nationalen Standpunkte recht gern sehen, daß die „deutschen" Genoffen ihnen internationale Gesinnung andichten Die Absicht, bei der Organisation des Handwerks die Ein > heitlichkeit der Reichsgesetzgebung mittels der Reichs gesetzgebung zu durchbrechen, besteht in der That. Unserem (s. Polit. TageSschau vom 25. d. M.) und anderer Blatter Protest gegen diesen — noch dazu von der Vormacht Preußen ausgebenden! — Versuch einer particularistischen Neaction setzt die „Deutsche Tageszeitung", anscheinend in der Meinung, die laut gewordenen Bedenken zu beschwichtigen, genauere Angaben über den Plan —wir wissen nicht, ob des preußischen Staatsministeriums oder nur deS Handelsministers — entgegen. Das Blatt, welches wir in diesem Falle für gut unterrichtet zu halten einige Ursache haben, schreibt: „Es ist ein Reichs- gesetz geplant, das eine Handwerkerorganisation aus Ober- und Unterbau vorsieht. Den ersteren sollen die Handwerker- kammern, den Unterbau „ZwangSoraanisalionen" Hilden. Sollte sich eine Einigung darüber, daß diese Zwangsorga nisationen die Innungen sein sollen, nicht berbeiführen lasten, so würde sich das ReichSaesetz auf den Oberbau be schränken. Dann würde der Landesgesetzgebung die Construction des Unterbaues mit der Bedingung, daß es eben eine Zwangsorganisation sein müsse, überlasten werden". So angefaßt, wäre die Sache noch schlimmer, als nach der ersten Darstellung. Auch hiernach würde eS sich um einen Mißbrauch deS Art. 4 der ReichSverfassung, welcher die Regelung deS Gewerbebetriebe- der Gesetzgebung des Reiches unterstellt, zur Einschränkung der Competenz eben dieser Gesetzgebung bandeln, und hinzuträte noch die weitere un annehmbare Neuerung, daß den Einzelstaaten vom Reiche die Anwendung eines PrincipS aufgegeben würde, vor dessen Durch führung die Neichsgesetzgebung als solchezurückschreckt. Man kann den .Livang" sehr lose und sehr scharf gestalten, je nachdem man die Befugnisse der partikulargesetzlich zu schaffenden Zwangsorganisationen gegenüber ihren Mitgliedern eng oder weit faßt, in dem einen Bundesstaat kann er zu einer Farce werden, während er in einem anderen den Gewerbetreibenden weitgehende BetriebSbeschränkungen und empfindliche Geld opfer aufzuerlegrn vermag. Jedenfalls wird die Verschieden heit eine große werden, und diese Gewißheit kann auch allein die Mutter deS sublimen Gedankens sein, den BundeSrath bei der Beantwortung der Kernfrage der Organisation zu umgeben und ein Reichßgesetz, betr. die Uebertragung der materiellen Ordnung deS Handwerks an die Einzelsiaaten, zu schaffen. Die „Deutsche Tageszeitung tritt der auf die erste Nachricht von den Absichten ver Negierung gestützten Austastung entgegen, als ob ein Reichs gesetz in Aussicht stehe, vaS eventuell nur für einen Theil deS Reichs Giltigkeit haben solle, und sie thut dies, wie aus ihrer späteren Mittbeilung hervorgeht, mit vollem Recht. Nicht für einen Theil soll ein ReichSgesetz gegeben werden, sondern das geplante Gesetz würde bestimmen, daß alle Theile stck ein Gesetz selbst zu geben haben, mit anderen Worten, daß dir Reichsgesetzgebung iu re abdizirt. Für eine solche Jubiläumsfeier der Versailler Verträge danken wir. In Paris ist seit einigen Tagen ein Arbeitercongreß versammelt, auf dem 130 politische Gruppen oder Arbeiter- syndicate vertreten sind, am zahlreichsten die Eisenbahn- und Metallarbeiter. Das dem französischen Senate vorliegende Gesetz, welches den Arbeitern der Eisenbahnen, der Arsenale und Waffenfabriken das Streiken untersagen will, wurde heftig angegriffen, hauptsächlich von dem Schriftführer des S^nvicats der Eisenbahnarbeiter, Gu6rard, welcher sehr ge mächlich von seinem gut bezahlten Amte und Hetzereien lebt. Dieser, dem bisher ein Generalstreik unpraktisch er schienen war, empfiehlt denselben jetzt, allerdings noch in den engen, nationalen Grenzen; denn ein Zusammengehen mit den deutschen, österreichischen und anderen Arbeitern will ibm nicht einleuchten, weil deren Organisirung erst im Keime liege. „Wir sind jetzt unser 72 0Ü0 syndicirte Eisenbahn- arveiter", sagt er, „und haben eine große Gewalt in unseren Händen. Bo» einem kleinen StationSchef hängt es ab, Storungen auf einem von ver Sickerung de- Berkebr zu den,men. Es ,st Unjinn, zvOO Mann Dienstes durch die Truppen zu sp -^-'technischen Sektionen, kennen die Bahnmanvver und d > > auch dann auf die man zählt, vermöchten 11 000 Mann noch, wenn sie gut unterrichtet „„d Angestellte zu nimmermehr 100 000 streckende Arb-.ter ^ ersetzen. DaS eigentlich» Heer b ^ 000 üm noch unstatthafter. ES giebt m » Fabnen stehende Schienenwege und 300 000 unter Bahnstrecken auf- Soldaten. Wollte man diese ^ng« drn Bah stellen, so käme -m Mann «uf 00 w, D ^ g ^ Guörard meint, unter solchen un'ltanven wa v sonderbar, wenn nicht d,e Schienen It-lle»we„e zeiiiorc oo weggerissen würden. ^'^tlss^um"in fünf Minuten Freunde wie man es anstelle» muffe, um -n I I die Tbätigkeit von hundert Locomot.ven zu lahmen. Wen aber der Staat zum Aeußerst.n greifen »nd. wo » " ffell ch das Recht habe, daS E>s-nbabnpers°nal m°b sir-i w°l^. so würde daS eineu c»8us belli ausmack^n, und e n chreiten der anderen Mächte Ware wahrsche,nl,ch. Da k,e s einzige Mittel, einen Eisenbahnstre.k zu Verbindern, auf e solche« Hindrrniß stoße, so "üßte der Generalstre , f ein Jeder seine Pflicht thätr, nach dem Wunsche der Arde ter chaft ausf-ll-n Allerdings würde auch der Arbe.t-istand der großen Städte einigermaßen darunter leiden. Dasur hatt?der Redner den Trost, „wenn Brodniaugel e,ntrate so wüßten die Proletarier schon, wie Und die Versammlung der Salle du Commerce klatjch stürmisch Beifall. _ Der Zollkrieg zwischen Frankreich und der Schweiz, bei dem die französische Ausfuhr fast auf ein Drittel der frttbern Wcrtbsumme, auf etwa 90 Millionen Franken, herabgesunken war, scheint sein Ende zu finden. Herr Barröre, der Iran- zösische Botschafter, hat in Bern m,t dem Vertreter der Bundesregierung in Form eines BriefauStausches em Ab kommen geschloffen, dessen Hauptpunkte bereit- m,tgetbr.lt wurden. Es läuft zunächst auf daS gegenseitige Zu- aeständniß der Meistbegünstigung hinaus und räumt von Seiten der Schweiz den Normaltarif ein, wahrend Frank reich seinen Minimaltaris und über besten Grenzen hinaus Ermäßigungen für 30 Artikel gewährt, wöbe. Er zeugnisse der Landwirthschaft und der Baumwoll-Jndustrie ausgeschlossen sind. Man erinnert sich, daß nn Jahre 1833 bereit- ein vorläufiges Abkommen erzielt worden war, unter dem über^dir Greinen des französischen Minimaltaris« hinaus Zugeständnisse für die Schwei, auf 62 Artikel emgeraumt wurden. Diese Vereinbarung scheiterte in der Kammer, da die schutzzöllnerische Mehrheit nur für 20 Artikel die zu gestandenen Zollermäßigungen bestätigen wollte. Dieses Ergebniß hat, wie es scheint, als Grundlage be, den neuerlichen Verhandlungen gedient, so zwar, daß man die 20 früher bewilligten Ermäßigungen festgehalten und weitere zehn Artikel hinzugesügt bat. Bei den Ermäßigungen sind verschiedene thatsächliche Unbillig keiten, die auf eine Art Doppelbelastung hinausliefen, beseitigt und im Uebrigen besonders solche Artikel berück sichtigt, deren Entlastung nicht auch anderen Ländern, mit denen Frankreich durch die Meistbegünstigung gebunden ist, zu Gute kommen würde. Im Uebrigen ist das Abkommen auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und keiner Kündigungs frist unterworfen. Wie man sieht, bat man sich auf beiden Seiten auf daS unter de» heutigen Verhältnissen wahrschein lich Erreichbare beschränkt. Es wird gehofft, daß dieses bescheidene Abkommen in Anbetracht der Verluste, die daS französische Gesetz bereits durch de» Zollkrieg erlitten hat, ohne nennenSwercke Schwierigkeiten noch vor den Ferien vom Parlament genehmigt werde. Für die Regierung wäre daS immerhin ein, wenn auch nicht sehr großer, doch schätz- »arer Erfolg. Dir Wellen der russisch-französischen Anleihe für China schlagen auch nach Japan. Seit eS bekannt geworden ist, daß die Anleihe so gut wie gescheitert ist. daß China augen scheinlich selbst keine Neigung hat, seine Hände Rußland iegenüber zu binden, ist man ,n Japan etwas beunruhigt ind e« laufen Gerüchte um, nach welchen die Japaner die Grenzen der Halbinsel Liaotong befestigen. Sollten die Japaner sich dort häuslich einrickten, nachdem die Aussicht auf eine Entschädigung für die Rückgabe der Halbinsel an Cbina durch die Bedingungen für die russisch-französische Anleihe in weite Ferne gerückt ist? Die Klärung der Sachlage wird nicht mehr lange auf sich warten lasten können. — Inzwischen sorgt Japan dafür, daß seine Unzufriedenheit mit den Jnter- ventionsmächten bekannt wird. So lassen sich die „Times" einen Bericht über die Stimmung in Tokio schicken, nach welchem allerdings eine große Verstimmung auch gegen Deutschland dort Platzsgegriffen hat. DaS kann uns schließlich gleichgiltig sein, denn der Schritt Deutschlands war wol,l überlegt und von seinen Interessen dictirt. Auch muß man sich vergegenwärtigen, daß eS eine englische Zeitung ist, die sich über die Stimmung in Tokio schreiben läßt, die also jedenfalls daS Beste für sich herauSsucht. Immerhin ver dient der Bericht abgedruckt zu werden. Er lautet: „Die ganze japanische Nation fürchtet, daß Japan jeden Augen- blick zum Spielball der europäischen Politik gemacht werden kann und es im Rathe deS Abendlandes nickt das Mindeste gelte,, wird, wenn es nicht die Waffen hat, seine Rechte geltend zu machen. Die amtliche Welt Japans wird Deutschland, Rußland und Frankreich ihre Einmischung niemals vergeben. Daß diese drei Mächte gemeinsam vergingen, war schlimm genug, daß aber ihre Einmischung zu einer Zeit erfolgte, um Japan auf daS Höchste Verlegenheiten und Erniedrigung zu bereiten, war unendlich schlimmer. Man mag sagen, was man will, Japan wurde über das Bestehen dieser Dreierverbindung in Unwissenheit erhalten, bis der Mikado de» Frieden-Vertrag unterzeichnet hatte. Deutschland bemüht sich schon officiüs, zu beweisen, daß es Japan rechtzeitig gewarnt hat. Es ist wahr, daß Deutschland Anfang März gewarnt hat, es ist aber zugleich wahr, daß die Warnung so nbgesaßt war, daß in Japan Niemand glauben konnte, daß Deutschland sich daran be- theiligen würde, auf Japan Zwang auszuüben, und es ist schließlich wahr, daß erst nach der Ratification des Frieden-Vertrages Deutsch land, Frankreich und Rußland Andeutungen mochten, daß sie gemein sam« Sach« machen wollten. Rußland brachte die Slaatsmämier Tokios geradezu zu dem Glauben, daß es nichts gegen die Annexion chinesischen Gebietes einwenden würde, so lange die Unabhängigkeit Korea- gewahrt würde, und Frankreich ließ überhaupt nichts ver lauten. Die Japaner mögen zu weit gehen, wenn sie meinen, daß in Zukunst von den drei Mächten keine Freundschaft in irgend einer ernsten Krisis zu erwarten ist. Aber die Anschauung ist in Japan allgemein verbreitet." Deutsche- Reich. 0. R. Berlin, 27. Juni. Der Kreuzer „Kaiserin Augusts", der Panzer „Hagen" und das Schulschiff „Slosch" werden bekanntlich in den nächsten Tagen, wahr scheinlich schon am Sonnabend, nach Marokko abgehen. (Nach dem „Berl. T." werden die drei Schisse den Nvrd- Ostsee-Canal passiren. Red.) „Kaiserin Augusts" ist einer von den drei Kreuzern 2. Elaste, welche die deutsche Marine besitzt, er hat einen Besatzungsetat von 418 Mann, 12 000 indicirte Pferdekräfte und ein Deplacement von 6052 Tonnen. Commandant ist Capitain zur See Lavaud, erster Officier Capitainlieutenant L. Schwarzkopf. „Hagen" 1S1 FruiUetsir. Haus Hardenberg. Roman von Ernst von Waldow. Nachdruck verlöten. (Fortsetzung.) Dieser Schmuck mochte ja ziemlich viel gekostet haben, aber wenn man derlei verkauft, erhält man blutwenig. Darüber konnte ihm übrigens ValeSka Auskunft geben, wenn er wie zufällia eine diesbezügliche Frage an sie richtete. Für den Moment war nichts weiter zu thun, als die aufgeregte Kleine zu beruhigen und ihr zu versprechen, Alles in Erwägung zu ziehen. DaS that er denn auch, und da eS ihm nicht an schönen Worten und glühenden LiebeSversicherungen fehlte, gelang ihm seine Absicht. Es wurde noch verabredet, daß Viktor das Hardenberg'sche HauS seltener besuchen solle, um keinerlei Verdacht zu er regen. Dagegen gelobte Renate, darüber nachzusinnen, wie man sich manchmal verstohlen sehen und sprechen könne. Endlich schieden sie, da der alte Hermanns schon zweimal an der Thür erschienen war und gefragt hatte, ob daS Fraulein keine Befehle für ihn habe. Renate war wieder ruhig und gefaßt; als Viktor sich entfernt, wartete sie noch eine Weile, schien dann ärgerlich darüber, daß weder ibre Stiefmutter, noch die Strehlens ge kommen seien, ganz wider die Abrede, besuchte Fanchon im Stall und fuhr nach BreSlau zurück. Hermanns hielt das Zusammentreffen des Lieutenants mit der Tochter seines Ge bieters zuletzt wirklich nur für ein ganz zufällige- und batte eS bald vergessen. Ueber Renate aber war ein ganz eigener Geist gekommen. Selbst dem Vater gegenüber war sie fremd und wortkarg, was dieser dem Verbote zuschrieb, an den Tanzstunden theil- zunehmen. Dagegen schloß sie sich noch inniger an Tante Aurelie an, erkundigte sich viel nach dem Ergehen de» Cousins Adalbert und nach der Ursache, dir ihn von der Hcimatb fern hielt, ja sie ging so weit, da« Studium der englischen Sprache wieder aufznnehmen, nur zum Zwecke, dem guten Adalbert einen englischen Brief schreiben zu können. Selbstverstänvlich war Frau Aurelie sehr erfreut über diese Zeichen wachsender Theilnahme, ließ sich aber weiter nichts merken, und nur gegen Hardenberg sprach sie ihre Genugthuung auS. Sie selbst bätte es Wohl gern gesehen, wenn ihr Goldsohn, den sie über Alle- liebte, wie anfangs bestimmt gewesen, im Spätsommer heim gekommen wäre. Aber der junge Mann wußte so triftige Gründe für sein längeres Fernbleiben von Hause anznführen, daß die Eltern ihn gewähren ließen und ohne Widerrede die gewünschten Summen naH London sandten, die dazu dienen sollten, eS dem Sohne möglich zu machen, die bedeutendsten industriellen Etablissements von Alt-England zu besuchen und nützliche Kenntnisse einzuheimsen. Viktor Saalfeldt machte ziemlich selten von Hardenberg'S Erlaubniß Gebrauch, sich als Gast deS Hause- anzusehen. Wenn er aber kam, war er so freundlich und liebenswürdig wie stet-, daß man annehmen mußte, lediglich Privatange legenheiten beschäftigten ihn und hielten ihn fern. Eines Abends erschien er, als Valcska und ihr Gatte eben im Begrifft standen, sich in eine größere Gesellschaft zu begeben, die bei dem Großhändler Reinsberg stattsand. Die junge Frau sah strahlend schön aus in ihrer Robe auS nilgrünem Sammt, geschmückt mit dem Brautgeschmeide. Viktor schien sich an den Perlen und Brillanten gar nicht satt sehen zu können und ließ sich über den Werth der Steine und deren Schleifart unterrichten. „Ich habe nicht gedacht", sagte ValeSka, „daß Sie ein so passionirter Liebhaber von Juwelen sind, da muß ich Ihnen einmal den Familienschmnck der Hardenberg zeigen, in diesem giebt eü wirklich rare Stücke." „Darf ich darum bitten? Sie würden mir wirklich eine große Freude machen, denn ich bin ein Narr für derlei glitzerndes ZeuA." „Warten Sie, Lieutenant Saalfeldt, ich kann Ihren Wunsch sogleich erfüllen, weil ich ohnedem den Schrank verschließen muß, aus dem ich meinen Schmuck entnommen. Mein Gatte läßt wie gewöhnlich wieder auf sich warten und so verplaudern wir die Zeit am besten." „Gnädige Frau, Sie sind wahrlich zu liebenswürdig!" „Ick kannte diese Liebhaberei früher nicht an Ihnen", sprach ValeSka, der Tbür ihre« ToilettenzimmerS zuschreitend. — Bald kehrte sie mit einer schweren Caffette wieder, di« Viktor ihr galant abnahm — ihm war dabei zu Muthe, als trüge er schon sein Eigentbum. Er setzte den Kasten auf den Tisch und ValeSka öffnete ihn mit einem kleinen, seltsam geformten stählernen Schlüssel. Welch ein Glanz funkelte ihnen da entgegen! Ganz überrascht trat Viktor zurück, indem er rief: „Aber daS ist ja ein Vermögen, was in diesem Kasten steckt!" „Sicherlich repräsentirt dieser Schmuck eine hohe Summe." „Wie hoch ungefähr?" „Das kann ich nicht so genau bestimmen, da bei vielen Stücken, wo die Fassung veraltet ist, nur der Werth der Steine und Perlen in Betracht kommt, aber ich glaube einmal von meinem Manne gehört zu haben, daß der ge sammte Familienschmnck-auf 80 000 Thaler geschätzt wird, dazu gehören aber noch andere Kleinodien ans der Hinter- lastenschaft von Hardenberg'S erster Frau, welche in dieser Cagettc nicht enthalten sind." „Achtzigtausend Thaler", murmelte Viktor in den Bart; er hörte kaum noch auf Baleska'S erläuternden Worte, die ihn auf die großen, birnenförmigen Perlen und zwei Brillank- sierne m Süberfassung aufmerksam machte: „Achttiatausend Thaler!" " ' „D» bin ich. Bally. verzeihe, daß ich Dich warten ließ", ward hinter den Beiden die Stimme Hardenberg'S laut. Er war unbemerkt eingetreten und rief jetzt erstaunt: „Ah.auch Sie hier, Lieutenant Saalfeldt. und mit Toiletten- sachen beschäftigt?" Fast betreten erwiderte Viktor: „Ich bin ein großer Liebhaber von Juwelen, und die gnädige Frau batte deshalb die Güte, mir diese herrliche Sammlung schöner Perlen und wafferhrller Brillanten zu zeigen, die ich aufrichtig bewundert habe." " „Ja, es sind schöne Stücke darunter, unsere Altvordern werthvolles Geschmeide da« sich fort- «o » iu ^schlecht, und jeder neue Zweig vom nie etwa«""" ^ "äußert ward War.?Ä.'^ murmelte der Lieutenant. Hardenberg'S w?,./77w.^uh-, -b»'»,pü Viktor «rhob sich hastig. Sra» Sie werden mir nicht da« Unrecht LÄb« LL »ch mi, Luise, die vertraute Dienerin ValeSka'S, war in das Zimmer getreten, auf dem Arme einen weißen sortie äc> dal tragend, ValeSka bemerkte eS und rief dem Mädchen zu: „Helfen Sie mir erst, Luise, diese Caffette wieder an Ort und Stelle zu bringen." Hardenberg, der sich vorher doch gewundert hatte, wie seine Frau dazu gekommen war, dem Lieutenant den Familien schmuck zu zeigen, bemerkte jetzt, zu Viktor gewendet: „Ich hatte den Schmuck sonst immer unten in meinem Geldschrank verwahrt, zumal wenn ick von daheim abwesend war, doch seit wieder eme Frau i»S HauS gekommen ist, hat sie die Sorge mir abgenommeu. Freilich, sicherer wäre er wohl unten." Viktor lächelte gezwungen. „Sie haben ja gewiß lauter ehrliche Leute in Ihrem Dienste, bewährte Domestiken." „Das hoffe ich. Die Schlösser an dem Schranke im Toilettenzimmer sind auch ganz vorzüglich, ein feuerfester Geldschrank bietet aber immer größere «Sicherheit. Ich weiß nicht, wie es kam, aber als ich da» Mädchen die Caffette sorttragen sab, kam mir plötzlich das Bedenken, ob sie hier oben auch gut verwahrt sei." „Man bat zuweilen solche Einfälle", meinte Viktor mit verlegenem Lächeln. ValeSka'S Eintritt unterbrach daS Gespräch. Hardenberg blickte seine Frau bewundernd an und sagte langsam: „So möchte ich Dich gemalt haben!" Die junge Frau lachte fröblich. „Ei sieb, Du bist viel galanter als Lieutenant Saalfeldt, denn er bewunderte vorder nur meinen Schmuck, während Du meiner Toilette Deinen Beifall zollst." „Nicht doch — Dir, nicht Deinem Anzuge gilt meine Bewunderung." „Und da behauptet man noch, daß die Ehemänner auf hören, Schmeichler zu sein?" Wie strahlend schön war sie in dem Weißen Umhanz von weichem Plüsch mit schimmernder Perlenfranse, die schlanke junonische Gestalt umwallt von den weichen Falten kostbarer Stoffe, mit den Brillanlstrrnen im lichten Lockenhaar, den großen, leuchtenden Augen, die noch feuriger strahlten als die todten Steine, und den lächelnden rothen Lippen. Hardenberg vermochte die Blicke heute gar nicht von seiner jungen Frau zu wenden, ahnte ihm vielleicht, daß er ValeSka so strahlend heiter, so sckön und lächelnd nie mehr sehen sollte?
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