Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.06.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950629029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895062902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895062902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-06
- Tag1895-06-29
- Monat1895-06
- Jahr1895
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
2 '? 4 "? .0.1 103.50 105,— !°°r^ 103.10 108,»0 103.10 ull^ 125,— 54.— 71.— »00.— 183^0 183.— 166,— 104.— 395,- 203,— 135. — 325,— 155.— 136, — 300,— 154.— 348, - 130,— 86.75 77.75 23.— 101.50 97^i5 .1^25 L. n 8 na l)d. »t «d. k. so i« k. S. lv. «v »d. »I» «v. >r.) >r.) k. k. ,d. -k. -k 4 i» vk" io b» loa. o. kouä». ic> s. ro s. io s. 15 s — d»6. 15 6. » 6. ;o 8. 15 8. w 8. — 8. — 8. — b-6. k»»ktk»r. den. 8. »0 8. 70 8. 70 8. 50 6. 50 8. — 6. — 8. — 8. — L. 50 6. — 8. 50 8. w 8. 50.25K.2S. 15 6. 70 8. 50 8. ul 733,75 67.34 403,— 36.371, rssu 83,30 26,35 11. vsr dsots reksrrsokt, L.kzsdeii «ix «rkoit. iusuuetleu Sb 71,50 I 142,50 ts 103.50 e. 88.30 kr 54^50 .0. 73,50 rv. 43,80 ?r. 81,50 ?r. 83,60 4. 119,80 81,30 103,— 74,60 Ud 138,30 289,50 366,50 k» 159,82 Lk 135,35 14375 M 151,10 Kr. 202,82 173.— .rt. 81.— r.) 87.— ü.) 172,35 V. 13350 qk 350,60 127,50 313,— tu. 86.— HI. 172,50 136,30 e. 218,75 316,85 rr 319,40 - 87.75 100,40 SI 280,75 r. 148,— 158,10 ?r 70.50 1S5.75 » 173.35 154.35 156,30 108,40 104.50 105.50 S«»»«r. >I»«u v«r t 134.-21. Lsptswksr vezugs^Srei- d» tz« tzauptexpeditton oder den kt Stadt bezirk und den Vororten errichteten Au», oabrstelle» ab geholt: vierteljährlich ^l4L0. bet »weimaltger täglicher Zustellung in« Hau» ^s ückü. Durch dt« Post bezogen für Deutschland »ad Oesterreich: virrtel>adrlich 6.—. Directe tägliche tkreuzbaudsrudung tu- Ausland: monatlich ?.bO. DieMorgeu-Vusgab« erscheint tkglichmit Au«, nahm« «gch Sonn- und Festtag», '/,? Uhr. die Abäid-Lusgabe Wochentag» S Uhr. Redaktion «nd Lrpeditio«: AuhanneSgaffe S. Di«Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffuel von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: vtt» AE»'» Sortim. («lfreb HtchuX Univrrsitätsstratze 1, Louis Lösche. Nathartnenstr. 14, part. und KonlgSplatz 7. Abend-Ausgabe amiger Tagebllw Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- und GeMtsmlehr. ^313. Sonnabend den 29. Juni 1895. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. Juni. Unter der Uebrrsckrift „LandeSfeindltche Abgeordnete" kommen die „Hamb. Nachr." auf den dieser Tage von uns besprochenen „Fall" deS Reichstagsabgeordneten für Metz, vr. Haa«, zurück, der bekanntlich seinen Sobn auf der französischen Mititair-Akademie untergebracht hat, während er selbst im Reichstage Kenntniß von Dingen erlangen kann, die für einen französischen Officier von Wichtigkeit werden können. Die „Hamb. Nachr." stimmen der Ansicht zu, daß der Fall auf eine Lücke des Rechts Hinweise, die auögefüllt werden sollte, und stellen die Frage zur Erwägung, ob eS nickt in Anbetracht der Sicherheit de« Reichs nothwendig sei, dem Reichstage die gesetzliche Be- fußniß zur Ausschließung einzelner Mitglieder für gewisse Fälle zu ertheilen. Indeß meint daS Blatt, der Zweck einer solchen gesetzlichen Befugniß sei vielleicht auch jetzt und zwar auf folgendem Wege zu erreichen: „Nach Art. 27 der Verfassung regelt der Reichstag selbst seine Disciplin, prüft die Legitimation seiner Mitglieder und ent heidct darüber. Eine juristische Frage ist es, ob diese Disciplind S Reichstages die Möglichkeit der Excludirung einzelner Mitglieder des Hauses in sich schließt, wenn die Legitimation, die ihrer Zulassung zu Grunde lag, nicht mehr besteht, sm> e-.n durch ihr Verhalten ver wirkt ist, ähnlich wie das Mandat bei Berurtheilung wegen gemeiner Verbrechen erlischt. Ganz unabhängig von dieser Rechtsfrage würde ein Votum des Reichstages ans Ausschließung jedenfalls Gesetzeskraft erlangen, wenn ihm der Bundesrath bei- stimmte. Nach Art. 5 der Reichsverfassung läge dann die Uebereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen vor, wie sie zu Arten der Gesetzgebung erforderlich und ausreichend ist. Eine solche Uebereinstimmung wird niemals erreichbar sein, wenn es sich um frivole Gründe handelt, um einen Mißbrauch der Majorität." Zweifellos würde Herr vr. Haas sein ReichstagSmandat verlieren, wenn Reichstag und BundeSrath seine Ausschließung beschlössen. Aber im jetzigen Reichstage würde ein solcher Beschluß schwerlich gefaßt werden. Nicht nur P o l en und Welfen, sondern auch ihr großer Protector,daö Cent rum, würden gegen einen hierauf bezüglichen Antrag stimmen; ebenso die Social demokratie und wahrscheinlich auch die bürgerliche Demo kratie. Dieselben Fractionen und Gruppen würden freilich auch gegen einen Gesetzentwurf stimmen, der dem Reichstage überhaupt die gesetzliche Befugniß zur Ausschließung einzelner Mitglieder für gewisse Fälle ertheilen wollte. Durch ein solches Gesetz würden ja die Rechte der Wähler beeinträchtigt, und dieses Recht ist ffir sehr viele deutsche Reichstagsabgeordnete wichtiger, als die Sicherheit des Reiches. Man wird also weder mit Hilfe der jetzigen Machtbefugnisse des Reichstags Herrn vr. Haas loSwerden, noch auch mit dem jetzigen Reichstage eine gesetzliche Erweiterung dieser Befugnisse bcrbeiführen können. Gerade deshalb aber sollte man den Versuch machen, den Vater des hoffnungsvollen französischen Ofsicieraspiranten an der Möglichkeit einer indirecten Begünstigung unserer westlichen Nachbarn zu bindern. Schlägt der Versuch fehl, so wachsen wenigstens die Chancen, daß wir bei den nächsten Neuwahlen die jetzige Reichstagsmehrheit in eine Minderheit sich verwandeln sehen. In der „Germania" verzeichnet ein „gewissenhafter" Chronist von der Verhandlung der Mariaberger Inter pellation im preußischen Abgeordnetenhause das Folgende: „Bezüglich der Thatsachen, um die es in Mariaberg sich handelte, bekamen die Centrumsredner am Dienstag ganz und gar die Oberhand, Herr Spahn z. B., der die famose UrtheilS- begründung zerpflückte, wurde Anfangs häufig, allmählich immer weniger unterbrochen." Diese Application des „Hui tacet, eonsentire vickotur" ist neu. Herr Spahn, der sich einer außer ordentlich undeutlichen Sprechweise befleißigte, ist, abgesehen von den ZustimmungSrufen seiner Parteigenossen, Hauptsache lich durch Aufforderungen zum Lautersprechen unterbrochen worden. DaS gab man späterhin auf, weil daS HauS sich überzeugt hatte, daß es nichts verliere, wenn eS die Tropfen dieser Beredtsamkeit in den Sand rinnen ließe. Hätte übrigens Herr Spahn die Geschichte von dem un widerstehlichen Drang eines Mariaberger Insasien zu dem heißen Ofen und die Ansicht, der Bruder Heinrich sei ein Opfer des CulturkampfeS, gegen das Ende seiner Rede bin vorgetragen, so wäre er, dessen darf sich die „Germania" versichert hatten, auch dort noch durch die Heiterkeit des gesammten Hause« gebührend belohnt worden. Herr vr. Porsch behielt ja allerdings insofern die „Oberhand", als er sich mit Erfolg der Aufforderung widersetzte, die Irrenanstalten namhaft zu machen, in denen es nach seiner Behauptung ebenso zugeht, wie im Aachener Alcxianerkloster. Er hatte allerdings dabei den niederschmetternden Grund des Zeitmangels auf seiner Seite. Wenn das „famose" Urtheil schon durch Herrn Spahn zerpflückt war, warum hat denn das Centrum darauf gedrungen, baß der in Aussicht genommene Schluß der Debatte unterblieb, damit auch Herr Porsch sich an die Arbeit deS Zerpsiückens machen könne? Haben die Herren Spabn und Porsch .be züglich der Tbatsache, um die es sich in Mariaberg handelte", wirklich die Oberhand behalten, so gekört auch der dritte Redner aus dem Centrum, Herr Tauzenberg, zu den Unter legenen, denn dieser verurtbeilte die Vorkommnisse, die Herr Spahn und nach ibm vr. Porsch geleugnet oder beschönigt hatten. Die „Germania" hat die sünsundzwanzigjährige Erinnerung an dieSiegesbulletinsGambetta'SeinigeMonate zu früh aufgesrischt. Die preußische Regierung aber kann aus den „Feststellungen" der „Germania" entnehmen, wie vollständig berechtigt wir waren, unmittelbar nach der Besprechung der Interpellation darauf binzuweisen. daß nichts als Vertuschung der schlimmsten Mißstände in katholischen Anstalten zu erwarten sein würde, wenn der Staat und die Gerichte sich herbeiließen, mit den Augen der Gesinnungsgenossen der „Germania" zu sehen, und daß der Staat an den Rand des Verderbens kommen müßte, wenn er einen noch weiter reichenden Einfluß Denen gestattete, die das Schlechte nicht für doppelt verdammungs- werth halten, wenn es unter dem Deckmantel oder gar im Namen der katholischen Religion geschieht, sondern die daS Schlechte nicht sehen mögen und leugnen, sobald es von noch so unwürdigen Gliedern der römischen Kircke ausgeht. Mit Spannung sieht man in der ehemaligen öster reichischen Rechten der Entwicklung der Dinge in Böhmen, respective in der jungtschechischen Partei entgegen. ES ist keiu Gebeimniß, daß Herr vr. Herold nach Prag gereist ist, um daS Executiv-Comit6 der jungtschechischen Partei über die Lage und über die im reichsräthlichen Iungtschechen-Club nunmehr herrschende Stimmung zu informiren. Es ist selbstverständlich, daß die junglschechische Parteileitung zu der neuen politischen Constellation wird Stellung nehmen müssen, um vornehmlich den tschechischen Volks vertretern im Reichsrathe eine Direktive zu geben. Zur Stunde ist ein hierauf bezüglicher Beschluß des jungtschechischen Executiv-Comitös nickt bekannt geworden. Umsomehr mußte cs also in den gemäßigten Kreisen des reichsräthlichen jnng- tschcchischen Clubs überraschen, daß das Partei-Organ in die Competenz des Executiv-ComitöS eingreift und dem Club in Betreff des weiteren taktischen Vorgehens bereits eine Marsch route giebt, die bei der schärfsten Opposition beginnt und mit der „Zersetzung deS CisleithanismuS" enden soll. Diejenigen jungtschechischen Abgeordneten, die sich des Ernstes der Situation bewußt sind, versichern, sie würden sich dem erwähnten Dictate unter ^"Taktik falls die Radikalen m .hrer b'sb-r'gcn pom.i i fortfabren sollten, daraus die we, Ersetzen, eventuell daS beißt, sich nnt den Wab Mandate zurückgeben. aus den. Club au-treten oder 'hre. Mandate^^^^ ^ Sie weisen darauf bin, daß ietz - könnten, damit wo die tschechischen Parteien die Ein- I»°- i.7 d-n Lu->- tracht sich documentire. Denn daß von diestr Wahlkampagne in Böhmen LftA G-- Vorgeben der Jungt ckechen 'w Re.chöra ^ SLL" 7g-Lk"D,?Ä-äl-IS häufen deshalb ihre ander» denkenden Clubgcnoffen m't heftigen Vorwürfen. Die beiden FracNonen gerietben 'n einer Clubsitzung hart aneinander. Der verlaus der Debatte war ein überaus bewegter. Welche Gruppe m.t .h^ schauungeu obsiegte, w.rd sich bereu« m der Genera^ über das Budget zeigen. Von dem 'n n junatschecbischen Reven nun werden gebalten werden, wnd es auch abbängen, welche Stellung der Hohenwart- und der Polen-Club den Iungtschechen gegenüber entnehmen Der fanatische Colonienhaß der Socialdemo kratie ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in Belgien vorhanden, wo er sich in der Sitzung der Urten kan, mer am Donnerstag in lärmendster Weise kundgab Das Motiv läuft bei den deutschen sowohl, als bei den belgischen Genossen so ziemlich auf Eins hinaus. Der Besitz von Cvlonien ist, wie eine mehrtausendjahrige geschichtliche Er fahrung lebrt, stets ein sehr nachhaltig wirkendes Bindennttet staatlicher und gesellschaftlicher Organisationen gewesen. Jedes kräftig und normal veranlagte Volk spürt den Drang in sich, Pflanzschulen hinauszusenden, damit seine nationale Eigenart nicht innerhalb der von den Vätern ererbten Gebietsgrenzen stagnire, sondern frische Anregungen gebe, wie empfange. Die Socialdemokratie, der jedes starke nationale Staatswesen ein Gräuel ist, bandelt somit von ihrem Stanpuncte nur folge richtig, wenn sie eine Politik colonialer Action in Bausch und Bogen verdammt. Da nun, namentlich unter den obwaltenden Zeitumständen, coloniale Unternehmungen immerhin eine etwas weit auSschanende Sache sind, so findet eine demagogische Popularitätshascherei, dieser eigentliche Lebensnerv der Umsturzparteien, brr ihrer „überzeugnngstreuen" Opposition gegen das Colonialwesen in der Regel ihre reichlich lohnende Rechnung. Bei mis in Deutschland giebt es noch heutigen TageS, nachdem bald ein Vierteljahrhundert seit Begründung des Reiches verflossen ist, doch immer nur verhältnißmäßig wenige An gelegenheiten, von denen das Interesse der ganzen Nation gleichmäßig in Anspruch genommen wird. Eine solche Angelegenheit könnte und sollte von Rechts- und Ver nunftswegen auch die Colonialpolitik sein, denn damit, daß Deutschland seine Macht und seine Flagge auch in fremden Zonen entfaltet, könnte jeder Deutsche, ohne Unterschied der Religion oder Partei, einverstanden sein. Aber jedes Moment, das festigend und kräftigend auf den nationalen Gedanken wirkt, ruft so ipso den Zorn der Ge nossen wach. Deshalb bewilligen sie der Colonialpolitik „keinen MnzeigeN'Prel- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4ge- spalten) KO-H, vor den Famitieniiachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem PreiS- derzeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Ertr«?-Btilaarn (gefalzt), nur mit der Morgen-Alitgabe, ohne Postbefördernng 60.—, mit Postbesörderung 70.-». Ännalimeschluß für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-AuSgabr: Vormittags 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Del den Filialen und Annahmestellen je eine kalbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Vrprditkn zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 89. IchrgcmK Mann und keinen Groschen". Für die belgischen Social demokraten kommt noch ein anderer Gesichtspunkt in Betracht. In Belgien ist die coloniale Action das eigene persönlichste Werk Köniß Leopold'S, der seine Tbatkraft und sein Privat vermögen in die Gründung des Congostaates gesteckt bat. Indem die belgischen Genossen gegen die Bestrebungen auf Erhaltung des Congobesitzeö für den belgischen Staat Front machen, führen sie zugleich einen directen Stoß gegen das Königthum, mit dem es ja bekanntlich für „Zielbewußte" keiner lei Pactiren giebt. Nebenbei leistet die belgische Social- demokratie, die ja nur die Schleppenträ^erin der französischen Revolutionöpropaganda ist, ihren französischen Freunden einen Dienst, wenn sie der Sanirung des Congostaates Hindernisse bereitet, da bekanntlich Frankreich ein Vorkaufsrecht auf den Congo bat, das aber erst in Kraft treten kann, wenn Belgien den Congo im Stiche läßt. Daß auch die deutschen Genossen" die Geschäfte der französischen Umsturzverschwörer besorgen, ist bekannt. Im französischen Ministerium kriselt es seit einigen Tagen. Man spricht davon, daß Nibot entweder stürzen oder sich wenigstens eines seiner Collegen entledigen müsse. Die Regierung bat nämlich eine Nachtragsforderung rcn 2!) Millionen emgereicht, und diese wird vom Kainnierausschiiß theilweise angefochten. Die Ministerialbeamten buldigen der üblen Sitte, sich an die Vorschriften des Budgets nicht zu halten, sondern die auSgesetzten Crcditc beliebig zn überschreiten. In allen RessortS gebt das so zu, am ärgsten aber in den Ministerien der Cvlonien, des Kriegs und des Auswärtigen. Der Kriegs minister allein schon ist mit einer Nachtragssorderung von mehr als 9 Millionen gekommen. Ihm nimmt man daS nickt so übel, weil man gewöhnt ist, für das Heer ungezählte Millionen auSruwerfen. Auch mehreren anderen Ministern läßt man die Unart ihrer Untergebenen hingeben. Nur der Colonialminister Chanteur PS soll es büßen, vielleicht weil er der Harmloseste und Einfältigste von Allen ist. Die jüngste Debatte brachte noch keine Entscheidung über sein Schicksal. Die Kammer trennte diejenigen Nachtragsforderungen, welche vom Ausschuß nicht an gefochten werden, von denjenigen, deren Verwerfung vom Ausschuß gewünscht wird. Sie bewilligte die ersteren, nach dem der Ministerpräsident Ribot daS Fmanzgebahren seiner Beamten ausdrücklich getadelt und für die Zukunft Besserung versprochen hatte. Dem Votum der Vorlage fügte die Kammer auf Antrag deS konservativen Oppositionellen Bozerian eine Resolution bei, dahin lautend, daß ein competentes Gericht eingesetzt werden müsse, um die Minister, welche das Budget überschreiten, zum Ersatz der unbefugt veraus gabten Summen HU verurtheilen. Ribot widersetzte sich dieser Resolution nicht, er bemerkte nur, daß die Frage der ministeriellen Civilverantwortlichkeit seit 71 Jahren auf dem Tapet sei und sich bis jetzt als unlösbar erwiesen habe, der Bozerian'sche Znsatzantrag werde daher nicht viel nützen. Die Hauptdebatte um die Nachtragsfordernngen, die der Ausschuß anficht, wurde vertagt. Die Mehrzahl der Minister scheint noch immer gewillt zu sein, ihren Colonial- collegen preiszuzeben, um sich selbst zu retten. Auch die Kammer dürfte hiermit einverstanden sein, da sie vor den Ferien keine allgemeine Krisis mehr wünscht. Die Neqierungs- majorität bedeutet den: Ministerium: Aergcrt Dick Dein Colonialminister, so reiß ihn auS; es ist besser, daß ein Glied des Ministeriums verloren gebe, als daß das Ganze verderbe. Die Amputation scheint also beschlossene Sache zn sein. Frei lich ist sie nicht ohne Gefahr und zur Stunde weiß man noch nicht, ob daS Ministerium sie übersteht. Feirilletsir 20j ». »,U»U>pk«r 4.8.-r>>«t- L»«e»rä«u Haus Hardenberg. Roman von Ernst von Waldow. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Da wurde Siegfried aus seinem Nachgrübelu aufgeschreckt. Eine Thür am Ende deS Corridors ward geöffnet, und in ihrem Rahmen erschien die herkulische Gestalt deS Obristen v. d. Golze. Als er des jungen OfficierS ansichtig wurde, verfinsterten sich seine heiteren GesichtSrüge und er erwiderte ziemlich ge messen Siegfried'« militairischen Gruß. „Ich wollte den Damen meine Aufwartung macken, war aber so unglücklich, dieselben nicht daheim zu finden —", sagte Siegfried stehen bleibend. „Hm, meine Frau ist mit Minchen nach Berlin gefahren", gab der Obrist trocken zurück. „Darf ich bitten mich den Damen gehorsamst empfehlen zu wollen. Herr Obrist" — fuhr Siegfried, sich verneigend, fort und that einen Schritt der Treppe zu, da der alte Herr nicht Miene machte, ihn zum Eintreten auszufordern. Doch der Obrist, der stumm, mit nachdenklicher Miene den jungen Officier betrachtet, schien sich plötzlich eine« anderen besonnen zu haben, denn ins Zimmer zurücktretend, sagte er in etwa« brummigem Tone: „Kommen Sie doch einen Augenblick zu mir herein, Lieutenant Erbach, ich habe Ihnen etwa- zu sagen." „Pu Befehl, Herr Obrist." D,e Thür schloß sich hinter den Briden, sie waren allein in dem mittelgroßen, mit Waffenphramiven geschmückten Gemache, welches daS Aussehen eine« kleinen Arsenal» hatte. Da der Graf seinem Gaste keinen Stuhl anbot, blieb Siegfried in der Nähe der Thür stehen und unwillkürlich in stramm militairischer Haltung. Der alte Herr musterte ihn scharf au- seinen großen grauen Augen, dann sprach er langsam: „Es ist mir unangenehm, daß ich einem Officier meines Regiment» die Verwarnung geben soll, keine Ehrenschulden zu machen, im Falle die» aber dennoch geschehen wäre, sie pünktlich zu zahlen. ' Obrist", »Herr stammelte Siegfried, seine Wangen waren aschfahl geworden, er zitterte heftig. Mit gewaltsamer An strengung beherrschte er sich indessen so weit, um fortfahren zu können. „Darf ich mir die Frage erlauben, wer dem Herrn Obristen den Anlaß zu der für mich bestimmten Lehre oder — Verwarnung — gegeben hat?" „WaS wollen Sie damit sagen?" „Ich möchte nur einfach fragen, durch wen der Herr Obrist erfahren bat, daß ich dem Kammerherrn v. d. Golze zweitausend Thaler schulde, die er mir im Spiel abge- wounen?" „Hm — darüber habe ich Ihnen Wohl keine Rechenschaft zu geben, Lieutenant Erbach." „In dem Falle bleibt mir nichts übrig, als dem Kammer herrn v. d. Golze dieselbe Frage vorzuleaen." „Ich kann nicht umhin, Ihnen den Nath zu geben, lieber Ihre Ehrenschuld zu zahlen, als Händel zu suchen. Die Ge schichte wird dadurch nicht aus der Welt geschafft, und mein Neffe, der Kammerberr, würde vollständig in seinem Rechte sein, wenn auch er Ihnen eine Antwort auf Ihre Frage verweigerte." Siegfried lachte kurz und rauh. „Das wird der Herr Kammerber wohl bleiben lassen, wenn er vor der Mündung meiner Pistole steht." „Herr, sind Sie denn ganz deS Teufels!" brauste der Obrist zornig ans. „Ich werde Ihnen drei Tage Stuben arrest zuertheilen, da haben Sie Zeit, über Ihre Lage ver nünftig nachzudenken." „Gestatten mir der Herr Obrist noch eine Bemerkung." „Reden Sie, in drei Teufels Namen, aber machen Sie 's kurz." „Als vor zwei Tagen der Zahlungstermin gekommen war und ich trotz übermenschlicher Anstrengungen nicht in der Lage war, meinen Ehrenschein einzulösen, entschuldigte ich mich deshalb bei dem Kammerherrn und bat ibn um noch eine kurze Frist. Er zuckte nur die Achseln und erwiderte: „Mir ist die Sache nicht eilig" — da« mußte ich denn doch in gutem Glauben für eine Prolongation, die ich erbeten, nebmen und habe daS Recht, deS Kammerherrn Vorgehen als feig und ehrlos zn bezeichnen." „Herr, hüten Sie Ihre Zunge, Sie sprechen von meinem Neffen in solchen Ausdrücken, hier in meinem Hause!" „Dessen Gast ich bin — da« bitte ich nicht zu vergessen, wir sind hier nicht im Dienst, Herr Obrist." Der alte Herr biß sich auf den langen grauen Schnurr bart, ihm war nicht ganz wohl bei alle dem zu Muthe. Nachdenklich hatte er den Blick auf die Quadrate des Teppichs geheftet, als er wieder aufblickte, siel die Thür ins Schloß. Lieutenant Erbach hatte sich ohne Gruß entfernt. IV. Siegfried hätte nicht zu sagen vermocht, wie er aus dem Golze'schcn Hause heraus und auf die Straße gekommen war, er flog die Treppe nur so hinab und eilte seiner Woh nung zu, nur getrieben von dem einen brennenden Verlangen: Rache zu nebmen an dem Verräther, den Räuber seines Glücks zu strafen. Er riß di- Uhr berauS: in zehn Minuten ging ein Local zug nach Berlin, er batte nicht mehr die Zeit/ sich hinauf in seine Wohnung zu begeben, glücklicherweise sah er seinen Burschen breit in der HauStbür sieben und rief ihn an. „Karl, bringe mir den Mantel auf den Bahnhof nach aber laufe, was Du kannst, ich eile voran, der Zug geht in zehn Minuten ab." „Zu Befebl. Herr Lieutenant." Siegfried saß schon im Coup6e und blickte ungeduldig rum Wagenfenster hinaus, als Karl erschien, den Mantel a»f dem Arme tragend, ganz außer Athen,. „Verzeihe» der Herr Lieutenant, daß ich warten ließ, aber ich konnte den Revolver nickt gleich finden, und hier ist auck der Hausschlüssel zu des Herrn Lieutenants Absteiae- quartirr m Berlin." ^ „ES ist gut, Du kannst gehen." , Siegfried batte die Sachen in Empfang genommen und sich »n seine Ecke zurückgelebnt. ^aS Zeichen zur Abfahrt wurde gegeben, der Zug setzte sich ,n Bewegung. ^ * !° °st und lange in Erbach weilte, hatte er den, Neffen seine Wohnung in der PotS- dameritraße überlassen, und dieser benutzte sie auch stets "ms ja ziemlich oft geschah' Da er in solchen Fallen stets erst spät in der Nackt pslegte, si'brte er immer seinen Revolver ?-i sich. Die Gegend in der Nahe LeS botanischen Garten« war ""s'ch" zu nennen. ab!r doch u" kor gerückter Stunde ziemlich einsam, ein Umstand, der e« einem berumlungernden Strolch« immerhin möglich machte eine» Angriff zu planen, wenn er sich einem einielnen Naebiwanvi gegenüber sah. T.shalb ha,'t.Vr?di!"^ Revolver bereit zu machen, wenn sein Herr nach Berlin fuhr, und der wohlgcschulte Diener war auch heute dieses Befehls eingedenk gewesen. Auf dem Potsdamer Babnhos angelangt, begab sich Sieg fried zn Fuß in die Stadt. Seine Aufregung hatte sich nicht gelegt, im Gegentheil, während er so auf seinen Sitz festgebamit in dein Coupöc gesessen, in Gedanken mit den Erlebnissen der letzten Stunde beschäftigt, war es ihm, als würde der Zorn ihn ersticken und es ihm nie gelingen, sein Ziel zu erreichen, den Verräther zu züchtigen. Wie langsam die Locomotive dahinkroch! Er hätte ihre Dampfkraft verzehnfachen mögen. Endlich kamen sie in Berlin an. Und wenn der Kammerherr nicht hier oder mindestens nicht in seiner Wohnung wäre? Nun, er würde doch einmal hcimkehren und er wollte ihn erwarten, er sollte ihm nicht entgehen, der heimtückische Schurke! Wenn der junge Officier geglaubt, durch den Gang in frischer Luft sein erregte« Blut zu beruhigen, dann irrte er, denn er eilte viel zu schnell durch die belebten Straßen, ohne den ihm begegnenden Leuten einen Blick zu schenken. An der Ecke der Friedrich- und Leipzigerstraße mußte er einen Augenblick stehen bleiben, weil eine Wagenreihe die Passage versperrte. ES war ein Leichenzuz. Siegfried starrte dem schwarzbebangencn Leichenwagen nach, sein Gesicht batte dabei einen seltsamen Ausdruck, es lag etwas düster Brütendes in dem Blick, und die Lippen waren fest zusanimengepreßt. Durch den langsam sich fortbewegenden Leichenzug auf gehalten, hatten einige elegante Miethwagen nothgedrungen in demselben langsamen Tempo hinterher fahren müssen. In einem offenen Wagen saßen zwei Damen auj dem Rücksitz, während aus dem Vordersitz eine Anzahl zierlich verschnürter CartonS und Päckchen lag. „Sieh doch, Mama", sprach die Jüngere, sich zu ihrer Begleiterin wentend, „ist das nickt Siegfried?" „In der That", meinte Gräfin Charlotte, „er ist r», aber wie sieht er auS! Wenn er nicht krank ist, muß ihm etwas sehr Unangenehmes zugestoßen sein." „Er bat unö nickt bemerkt, und daS ist mir lieb", er widerte Wilhelmine kühl, „was übrigen« den Grund seiner Verstimmung betrifft, so glaubt ich denselben zu kennen."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite