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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.07.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-07-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950702023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895070202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895070202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-07
- Tag1895-07-02
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4702 krankten zu einer städtische Angelegenheiten betreffenden Zusammenkunft nach seiner Wohnung geladen. Die Ge ladenen erschienen auch sämmtlich, mit ihnen der Schuldirektor vr. Las falle, welcher ersucht worden war, der Sitzung beizuwobnen. Mit Letzterem bestand die Versammlung au« 12 Personen. Die Besprechung galt der Verhinderung de« Eingehea« der Obertertia in der dortigen Rectorat-schule und der Rückgängigmachung eine- früheren, hierauf bezüglichen Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung. DaS Ergeboiß der von Herrn Oomeu geleiteten Verhandlung, in der nur vr. Lassalle das Wort zur Darlegung der Verhältnisse ergriff, war dir Unterzeichnung einer entsprechenden Eingabe an den Bürgermeister. Auf Grund diese- Thatbestandes wurde gegen Herrn Oomen als Leiter und Herrn vr. Lafsalle als Redner in einer vorher nicht polizeilich augemeldeten und politische Gegenstände erörternden öffentlichen Versammlung die Anklage wearn Uebertretuna deS Verein-gesetzt- erhoben, worauf auch Beide vom Schöffengericht zu je 15 Strafe verurtheilt, von der Strafkammer zu Eleve aber unter der Begründung freigrsprocheu wurden, daß eine derartig« Zu sammenkunft von l 2 Personen noch nicht als eine „Bersammluug" im Sinne des Gesetze- gelten könne. Zu einer solchen würde eine größere Anzahl von Personen gehören. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob aber da- Kammergericht die Vorentscheidung auf und verwie- die Sache zur anderweiteu Feststellung und Entscheidung au dir Strafkammer zu Düffel dorf. Wenn der Vorderrichter der Ansicht sei, daß 12 Per sonen noch keine Versammlung bilden und daß hierzu eine größere Anzahl erforderlich sei, so befinde er sich im Gegen satz zu einer Entscheidung de« Reichsgericht«, wonach nur „eine nicht allzu kleine Zahl" zur Feststellung jene« BegriffS erforderlich sei. * Berlin, 1. Juli. Einem Briefe eine« seit längerer Zeit in Japan lebenden Deutschen entnimmt die „Allg. Ztg." die folgenden Ausführungen über die für Deutschland durch da- Eingreifen in den chinesisch-japanischen Eon- flict geschaffene Lage: .Wenn mau von der, hoffentlich nur vorübergehenden, Schädigung unserer Haudel-interefsen in Japan absieht, die in Folge von Deutschland- politischem Eingreifen eintreteo könnte, so dürfte im Allgemeinen und namentlich im Hinblick auf die Zukunft die gegenwärtige energische Haltung Deutschland« gegenüber der japanisch-chinesische» Verwickelung doch dazu bei tragen, unser Ansehen hier in erheblichem Maße zu er höhen. Deutschland hat Japan während der letzten 20 Jahre eigentlich nur Dienste erwiesen und seinerseits dafür keine greifbaren Beweise der Dankbarkeit erhalten. ES macht im Gegentheil den Eindruck, al« ob Japan un« seit Langem trotz aller Achtung für die deutschen Einrichtungen, namentlich für da- deutsche Militair und die deutsche Wissenschaft, als quautit- ukgligeuble angesehen habe. Man hat sich hier daran ge wöhnt, Deutschland mehr im Lichte einer großen europäischen Landmacht zu betrachten, welche in Ostasien zwar erhebliche HandelSintereffen zu schützen habe, al- politischer Factor aber bei Regelung ostasiatischer Verhältnisse kaum in Rechnung zu riehen sei. Man erkennt e« hier zwar mit Dank au, daß Deutschland während der Dauer de- Kriege- eine europäische Coalition verhindert habe, ist aber geneigt, diese Haltung dem Umstande zuzuschreiben, daß wir nicht in der Lage seien, genügende materielle Machtmittel in den ostasiatischeu Gewässern zu entwickeln. Es wird den Japanern eine heil same Lehre und Deutschland- politischem Ansehen nur förderlich sein, wenn wir jetzt den Beweis liefern, daß die vielleicht geringere Anzahl der Kriegsschiffe, über welche wir hier verfügen, Deutschland durchaus nicht hindert, gerade auf Grund seiner großen europäischen Stellung auch in diesen Gegenden ei» gewichtige- Wort mit- zusprechen, und daß unser moralischer Einfluß, wenn nöthig, sehr stark in- Gewicht fallen kann. Die Geschichte unserer Beziehungen zu Japan während de- letzte» vierteliahrhundert« muß den Japanern ein hinreichender Brwei« dafür sein, daß die deutsche Politik diesem Lande gegenüber eine freund schaftliche und wohlwollende, vor Allem die Entwicklung unserer wirthschaftlichen Beziehungen verfolgende ist. Su« diesem Grunde werden auch die leitenden Kreise hier in dem Zusammengehen Deutschland- mit Rußland und Frank reich in der gegenwärtigen Krisis nicht eine Wendung unserer Politik, sondern vielmehr einen Warnruf erblicken, durch welchen ihnen vor Augen geführt wird, daß wir in den großen Welt angelegenheiten nicht nur zu Rathe gezogen werden, sondern daß unsere Unterstützung von den übrigen, hier an sich politisch näher interessirten Mächten ihrem vollen Werthe nach ge würdigt wird. Die Japaner werden, kurz gesagt, in Zukunft vor uns mehr Respect haben. Andererseits nuiß die« Land un- auch gerade in dem gegenwärtigen Moment dafür von Neuem zu Dank verpflichtet sein', daß wir ihm den Rückzug erleichtert haben. Denn ohne Deutsch land- Unterstützung de- russichen Verlangen«, seine Hände vom asiatischen Festlande wegzuhalten, hätte sich Japan Ruß land allein gegenüber befunden, und der Nationalsiolz wäre tief verletzt worden, wenn e- angesichts eine- mächtigen russi schen Geschwaders zur Nachgiebigkeit gezwungen worden Ware. Daß Deutschland ohne Entfaltung materieller Machtmittel vornehmlich durch seinen moralischen Einfluß zu einer, wie zu hoffen ist, friedlichen Lösung der Territorialfrage beiaetrageu hat, sollte und wird auch vielleicht Balsam auf die Wunden sein. Denu die Unterstützung, die Rußland durch Frankreich hier zu Thril wird, ist eben, wie mir scheint, doch auch eine auf materiellen Mitteln basirrude, daher da- Nationalgefühl irritirende. Schließlich wird sich Japan nicht verhehlen, daß seine jetzige Position eine selbstverschuldete ist, indem e« die rechtzeitigen und uniateressirten Rathschläge, welche ihm vor Beginn der Frieden-Verhandlungen von befreuodeter deutscher Seite zu Theil geworden sein sollen, unbeachtet ließ, und daß e« un« somit da- volle Recht gab, unsererseits unser» all gemeinem Interessen entsprechend Stellung zu nehmen." — In der „N. A. Z." lesen wir: „Die Beerdigung der Opfer de« Unglück- auf der Oberspree fand gestern Vormittag statt, und zwar für Aowal-ki und dessen beide Verwandt« auf dem evangelischen Friedhof zu Köpenick, für di» Uebrige» in Wilhelm-berg. An der Feier in Köpenick betheiligte» sich ungelähr 600 Personen, darunter der Ruderverein „Bor- wärt-, dessen weiblich» Mitglieder in Kostüm erschienen, dir Lnrurrschast der Handwerker, der Arbeiter-Radfahrrrverei» und die Arbeiter-Bildung-schnle. deren Mitglied Kowal-ki war. Die vorwiegend rothrn Kranzschleifen mußten ans Anordnung der Polizei entfernt werden; auch Grabreden dursten nicht gehalten werden. — Einen ähnlichen Verlauf, jedoch unter geringerer Betheiliguag nahm dt» Feier in Wilhelm-berg." Socialdemokratische weibliche Sport-beflissene im Nym- phengewande auf dem Friedhofe — diese Erscheinung ist ein charakteristischer Beitrag zur zukunft-staatlichen Ethik. — Die „Kreuzzeitung" schrieb über den Proceß Mellagr und den Fall de Jonge: „Leider können wir auch die Regierung nicht von dem Borwurf freifprechen, daß sie die betheiligten Beamten nicht mit gleichem Maße gemessen hat. Während gegen die durch den Alexianer-Proreß belasteten Mrdiciualbeamteu — mit Recht — energisch vorgegangen wird, ist seiner Zeit dem Kret-physicu- vr. Abraham Barr wegrn feine- vom Gericht al« leichtfertig bezeichnet»«! Verhalten» im Falle de Jonge nicht ein Haar gekrümmt." Dem aegenübrr bemerkt die „Berl. Corr.", daß der BezirkS- phhsikuS Geheime SanitätSrath vr. Barr, als aus Anlaß de» Falles de Jonge in den Gründen einer gerichtlichen Ent scheidung gewisse Vorwürfe gegen ihn erhoben waren, selbst den Antrag gestellt hat, die DiSciplinaruntersuchung gegen ihn einzuleitea. Dieser Antrag ist indessen abaelehnt, nachdem die Wissenschaftliche Deputation für da- Medicinal- wesen in einem eingehend motivirten Gutachten vom 13. De- cember 1893 sich dahin ausgesprochen hatte, daß I)r. Baer in dem Fall de Jonge correct und mit der nöthigen Vorsicht deu bestehenden Bestimmungen gemäß verfahren habe, und daß die entgegenstehende Auffassung auf irrthümlichen Vor- au-setzungen Uber mrdiciuisch-techuische Fragen beruhe. — Im Reichstage sind die nach den Stenogrammen auf- genommenen Protokolle der Reich St agS-Eom Mission zur Berathung de- Antrag- Kanitz nochmal- von den einzelnen Mitgliedern der Commission „revidirt" und nach Herstellung der Eorrectur sämmtlichrn Mitgliedern de- Reichs tag- übersandt worden. — Der preußische EultuSminister hat Erhebungen über die durchschnittliche Dauer de-philologischen Studium- für da- höhere Lehramt angeordnet, welche auf alle Candi- daten de- höheren Lehramt- ausgedehnt werden sollen, die in den drei Jahren 1. April 1892/93, 1. April 1893/94 und 1. April 1894/95 die AnstellungSfahigkeit erlangt haben. — Die Agrar-Commission de- Abgeordnetenhauses, welche den bekannten Antrag Ring einer eingehenden Erörterung unterzogen hat, faßte bekanntlich u. A. auch den Be schluß, die StaatSregieruna zu ersuchen, den am Vieh- Handel vorzugsweise betheiligten landwirthschaftlichen Interessenvertretungen eine Theilnahme an der Beauf sichtigung der Vieh- und Schlachthöfe, sowie der Bieh- märkte zu gewähren. Wie die ,B. P. N." hören, hat die StaatSrrgierung iu Aussicht geuommen, die Land- wirthschaft-kammern au der Aufsicht über die Vieh- und Schlachthöfe sowie über die Viehmärkte zu betheiligen. Auch die Frage der Einführung einer Prei-notirung auf den deutschen Viehmärkteu, welche e- dem Viehproducenten ermöglicht, sich über den Verkauf-Werth seine- Birhe« zu informiren, ist erneut iu Erwägung gezogen worden. — Die „Berl. Corr." berichtet: „Die Lage der Land- und Forstwirthschaft läßt e- wünschen-wrrth erscheinen, den Absatz de- im Inlands erzeugten Nutzholze- nach jeder Richtung zu fördern, zumal die außerordentlich starke Einfuhr fremder Nutzhölzer die Absatzfähigkeit der inländischen erheblich gefährdet. Der Minister de- Innern hat daher neuerding- die Regierungspräsidenten angewiesen, darauf zu halten, daß bei den im Geschäftsbereiche de- Ministerium- de- Innern vorkommendrn Staatsbauten uud Staats betrieben nur inländische- Holz verwendet werde, soweit nicht zwingende Gründe dir- verbieten." — Im „Reich-anzeiger" wird der Entwurf von Formu laren zu sechs Tabellen nebst einer Classification der Beruss- arten für die Zusammenstellung der beruf« statistischen Ergebnisse der am 14. Juni d. I. vorgenommenen Berufs und Gewerbezählung veröffentlicht. Die Aufstellung weiterer Entwürfe für die Bearbeitung der landwirtbschaft» lichen und der gewerblichen Berufsstatistik ist Vorbehalten. — Der „Voss. Z." wird mitgetheilt, daß Herr Regierungs präsident von Hartman» iu Aachen einen HauScaplan hält und seine Töchter bei Schulschwesteru unter richten läßt. Ja der Abendau-gabe der „Kreuz-Zta." vom Sonnabend »eichuet für deu Verlag der „Kreuz-Ztg." an Stelle de« Herrn v. Kroecher der neue Inhaber Graf Finkeusteia. Dieser Personenwechsel hat vielfach den Ein druck hervorgrrufeu, al- ob dadurch die kürzlich verbreitete Nachricht von dem demnächstigeu Rücktritt de- Frhr. von Hammerstein von der Rrdactioa de- Blatte« widerlegt sei, da Graf Finkrnsteiu iu politischer Hinsicht dem Frhrn. von Hammrrstein näher stehen dürfte als Herr von Kroecher. Wie jedoch ein Berliner Eorrespondeut de- „Hamburger Corr." erfahren haben will, wird der Au-tritt de- Frhrn. von Hammerstriu au- der Redaction al- entschieden bezeichnet. ' — Die bisherigen Mitglieder der Ansiedelung-commtsstou zu Posen: GeneralcommijsiouS.Präsident Beutner zu Brombera, Veueral-Landschaft-director v. Staudy zu Pose», Provinztal-Lano- schaft-director Albrecht auf Suzemin, Lande-^Oekonomierath Kenne mann auf Klenka, LandeS-Oekoaomirrath Müller auf Gurschno, General-Landschaft-rath Wehle auf vlugowo und Rittergutsbesitzer v. Krie« auf Smarzewo, sind wiederum auf die Dauer von drei Jahren, vom 1. Juli 1895 bi- dahin 1898, zu Mitglieder» dieser Kommission ernannt worden. — Da« Kommando der Gardr-Tavallerie-Division ist laut dem „Hambg. Corr." vom Kaiser dem Grafen Warten-lrbeu über tragen worden. — Der Gouverneur der vanqne Le France hat in einem Schreiben an den Präsidenten de- ReichSbaukdirectoriumS seinen verbindlichen Dank für deu guten Empfang der hierher zum Studium der Einrichtungen der Reichsbank entsandten Beamten und den Wunsch ausgesprochen, daß dieser Besuch die gegenseitigen Bande der Hochachtung zwischen den beiden großen Leatralbaaten noch verstärken möge. — Ja di» kolouialabtheilung de- AuSwärtiarn Amte- ist al- Hilfsarbeiter Konsul Biermanu a»S Apia berufen worden. — Der ReichStagSabgeordnrte von Kardorsf, der bekanntlich sein ReichStagSmandat niederlegte, wird voraussichtlich wieder ran- didiren. — In dem Befinden deS Prof. vr. von Gneist ist, wie die „Post" erfährt, keine Veränderung eingetrrten. * FriedrtchSruh, 1. Juli. Fürst Bi-marck hat am 28. Juni, wie die „Post" berichtet, die Begrüßung der beiden oberen Claffen de- Gymnasiums zu Seehausen in der Alt mark entgegengenommen und dabei über nervöse- GefichtS- reißen und Mattigkeit geklagt. Unter Anderem sagte er scherzend zu einem Schüler, der das Baufach als seinen zu künftigen Beruf angegeben hatte: „Vielleicht Canal bauen?" und fuhr dann ernsthaft fort: „Schöne Sache, wa- daS Baufach da geleistet hat, nirgend- in derWelt ist Arhn- licheS vorhanden." * Köln, 1. Juli. Wie die „Kölnische VolkSzeitung" meldet, wird dieConferenzderBischöfeder preußischen Monarchie, an der auch regelmäßig der Bischof von Mainz theilnimmt, in diesem Jahre später als gewöhnlich, nämlich am 20. August, beginnen. Den Vorsitz wird wieder der Cardinal-Erzbischof von Köln führen. * Coblenz, 1. Juli. Die Aerztekammer der Rhein provinz hat in Sachen derJrrenpflege folgende Erklärung angenommen: Die Aerztekammer der Rheinprovinz und der Hohenzollernschen Laude beklagt aufs Tiefste und verurtheilt aufs Entschiedenste die jüngst tu dem Processe iu Aachen festgestelltrn unglaublichen Vorgänge in der Behandlung und Pflege von Geisteskranken, wir sie in der dortigen Pflege-Anstalt der Alexianer-Krankenbrüder her vorgetreten sind, uud die in schroffem Gegensätze zu den An schauungen, Erfahrungen und Lehren der psychiatrischen Wissenschaft im letzten halben Jahrhundert stehen. Daß derartige Zustände über haupt möglich gewesen, liegt: 1) iu der Freigebung der Ausübung der Heilkunde durch die Reichsgewerbeordnung, infolge deren jeder Laie Kraule, also auch Geisteskranke, iu Behandlung nehmen kann; L) in der mangelhaften Fassung oder Auslegung des 8 30 der Reichsgewerbeordnung, nach welcher sich dieser Paragraph nur auf solche Privatkraokenanstalteu bezieht, welche gewerbsmäßig betrieben werden, also nicht auf solch«, welch« lediglich den Charakter von WohlthätigkritSanstallen an sich tragen; hierbei giebt die Erhebung von Wegegeldern der Anstalt nur Dann den Charakter eine- ge- werblichen Unternehmen», wenn damit die Erzielung von lieber- schlissen bezweckt wird, was insbesondere bei Beurtheiluna der Kranken- u. s. w. Anstalten der Orden, Congregationen, Wohl« thätigkeitsvereinigunge» u. s. w. zu berücksichtigen ist; 3) in dem Fehlen der gesetzlichen Bestimmung, daß alle Irren- onstalten unter der verantwortlichen Leitung psychiatrisch gebildeter Aerzte stehen müssen. In dieser Beziehung macht die Aerztekammer die in der Sitzung de- Verein» deutscher Irrenärzte vom 25. Mai 1893 in Frankfurt a. M. gefaßten Beschlüsse zu den ihrigen ... Die Aerztekammer verlangt ferner, daß dem dirigirenden Arzte auch die Verantwortung für die hygirinijchen Einrichtungen der An- statt und für dir Verpflegung der Kranken obliegt, und daß ihm die nach Zahl und Beschaffenheit der Geisteskranken nothwendigen ärzt- lichen Hilfskräfte zur Seite gestellt werden. Dir Aerztekammer verlangt eine andere Auslegung bezw. Aen- derung des 8. 30 der Reichsgewerbeordnung, so daß Irrenanstalten nur zu erlauben sind, wenn die vollständige Leitung der Anstalt in deu Händen eines psychiatrisch vorgebildeten ArzteS ruht; sie ver langt vor Allem durch die gesetzliche Herbeiführung der Medicinal« reform die Aenderung der 88- 6 nnd 29 der Reichsgewerbeordnung, so daß die Ausübung der Heilkunde nur den approbirtrn Medi- cinalpersonru zustcht. Die Aerztekammer spricht die sichere Hoffnung an», daß die Staatsbehörde da- ihr zustehende Aufsichtsrecht über die Irren- «statte« t» zweckentsprechender Form regelt nnd an-übk, «ch zwar »nter Zuziehung psychiatrisch vorgebildetrr Aerzte. Die Aerztekammer hegt zu der Provtnzialverwaltnna da- V»v- tränen, daß sie nunmehr auch für die Aufnahme der Pstegekraukea durch dt« Errichtung eigener Anstalten Sorge trage» wird. * Mü«che«, 1. Juli. Bayerische Blätter berichte»: Di« Schulden König Ludwig« Ü. werden iu der Weife tilgt, daß der 4 231 044 betragenden Eivilliste König tta« jährlich bi- zum Jahre 1894 1 080 000 entuommea wurden. Bon diesem Zeitpunkte au rrducirt sich die jährlich abzuführende Summ« auf etwa 700 000 -ck! bis rum Jahre 1904, wo die sämmtlichrn Schulden getilgt sind. Der Eivil liste jährlich mehr al- 1 090 000 -K zu entnehmen, «rwie- sich al- unthunlich, da immerhin noch erhebliche Au-aaben zu decken sind, und auch die unter Ludwig II. aufgeorauchteu Reserven neu angesammelt werden sollen. Dieselbe» belaufro sich für da- Rechnungsjahr auf rund 40 000 5 Oesterreich Ungar«. * Wien, 1. Juli. Die Kaiserin ist heute früh in Bartfeld riugrtroffen. * Prag, 1. Juli. Bei dem gestrigen Sokolfeste erschien eine französische Turner-Abordnung, deren Sprecher, Professor Bourcart, eine bronzene Statu« der Jungfrau von Orleans al- Ehrengeschenk überbrachte. An dem Festzug durften sich die französischen Turner laut behördlicher Ver fügung nicht betheiligea. Sie waren sonst Gegenstand be geisterter Ehrungen uud wurden nach einem Festmahle von den Prager Gemeinderäthen auf deu Schulter» berumgetragen. Außer den Franzose» wurde noch eine Abordnung de- Sokolverein« in Cilli besonder« gefeiert. Frankreich. * Varl», 1. Juli. Der tunesisch-italienische Meist begünstigung-Vertrag, der im September 1896 ab- läuft, gilt weitere 28 Jahre, wenn er nicht eiu Jahr vorher gekündigt wird. Gegenwärtig ist unter den Vertretern der südlichen Departements eine Bewegung im Gange, um die Regierung zur Kündigung de- Vertrage- zu bestimmen, der den Italienern dieselben Rechte in Tunesien eiuräumt, wie den französischen Kaufleuten und Siedlern. — Die japa nische Regierung verlieh deu Generalen Chanoine, De«- charmes, Bruuet und Jourdau die zweite Elaste de- Heiligen Schatzordens. Diese Osficiere waren vor dreißig Jahren al- LieutenantS und Hauptleute die erste» europäischen Lehrer de- japanischen Heere-, und die Regierung hat sich ihrer nach den Siegen dankbar erinnert. — Der Herzog von Nemours schreibt dem „Figaro", er habe sich bei der Hochreit der Prinzessin von Orleans mit dem Herzog von Aosta nicht vertreten lassen. Sein Brief beweist, daß er mit der Verbindung zwischen seiner Großnichte und dem Savoyer Prinzen nicht einverstanden ist. — Der „TempS" bestreitet in bestimmtester Weise, daß in Madagaskar eine Compagnie in der Stärke von 200 Mann vernichtet worden sei. ES sei kein Vorfall dieser Art vorgekommen. * Pari-, 1. Juli. Deputirteokammer. Bei der Be rathung des Gesetzentwurfes, betreffend die Reform der Grbäude- steuer, wurde ein Gesetzentwurf Vaillant's (Soc.), dahingehend, daS Branntweinmonopol einzuführen, mit 342 gegen 188 Stimmen abgelehut. Ministerpräsident Ribot hatte diesen Antrag bekämpft. Italien« , * Ro«, 1. Juli. Deputirtenkammer. Der Justizmlnistrr erwidert auf die Interpellation der Deputirten Jmbriani und Demicolo über den Proceß Giolitti und erklärt, daß die richter liche Behörde nach dem vom Cassationshof gefällten Rechtsspruche nichts mehr zu thun habe. Der öffentliche Ankläger habe kein strafrechtliches Verfahren mehr einzuleiten uud die Regierung habe der Kammer keinerlei Vorschläge mehr zu machen. Sodann be- ginnt die Debatte über das Budget des Kriegsniinisterium». Der KriegSminister erklärt, keine Convention uiit den Mächten verpflichte Italien gegenwärtig, die Anzahl seiner ArmeecorpS aufrecht zu hatten. Der Minister kündigt eine Reducirung der Dienst zeit bei der CäDallerie an, auch aus dem Grunde, weil dadurch die Recrutirung erleichtert werden wird. Spanien. * Madrid, 1. Juli. Der Ministerpräsident Ca nova- del Castillo verlas heute iu der Kammer das Decket, durch welches die Tagung geschlossen wird. Großbritannien. * London, 1. Juli. Ein von den radicalen Mit gliedern deS Parlaments /veröffentlichtes Wahl manifest sagt» daß der Wille deS Volkes von einer frechen Opposition und von unverantwortlichen erblichen Gesetz gebern vergewaltigt worden sei. ES fordert Diätenzahlung an die Miwlieder des Parlaments und Aufhebung der gesetz gebenden Machtstellung de- Oberhauses. Norwegen. * Ehrtstiania, 1. Juli. Nach lebhafter Debatte, in welcher der Führer der Linken Ullmann daS vorliegende große HeereS- orbinarium empfahl, nahm das Storthing mit 7? gegen 36 Stimmen die Bewilligung von 557 000 Kronen zum An käufe der neuen Gewehre und von 782 000 Kronen zum An kauf von Handwaffenmunition an. Benehmen de- Gaste-, der zum Schreibtische schritt und wie vernichtet auf einen Stuhl sank. Die ganze Schwere seiner Lage schien ihn plötzlich wie eine Last uiederzudrücken. Er, ein Erbach, gleich einem Verbrecher flüchtig durch da- Land ziehend, ,n einer Verkleidung, um dem wachsamen Aime der Polizeizu entgehen — wäre eS denn da nicht doch besser, sich dem Militairgericht zu stellen? Siegfried kämpfte einen harten Kampf. Aber wenn AllrS so kam, wie Soltendorff vorhin gesagt, dann würde er infam easfirt, au- den Reihen der Kameraden auSgrstoßen werden — deu Rock mußte er daun doch lassen und hatte vielleicht noch eine entehrende Festung-strafe zu bestehe». Da» beste wäre wohl, sich eine Kugel vor den Kopf zu schießen — freilich dazu war immer noch Zeit, wenn da« Schlimmste emtrat. Maschinenmäßig schrieb er, und al- dann Soltendorff wieder hereinkam, bat er diesen, einige kleine Angelegenheiten für ihn zu ordnen und seine Sachen iu Obhut zu oeymen, was dieser auch versprach. „Und jetzt begeben Sie sich in mein Schlafzimmer und treffen Sie eine Auswahl unter den Anzügen, welche Johann dort aufgehauft. Machen Sie Toilette, ohne sich zu über eilen, und nehmen Sie meinen Havelock, denn e« ist recht kalt,^zumal für die Nachtfahrt. Wir trinken dann noch eine Taffe Thee oder ein GlaS Punsch, wa- Ihnen lieber ist, nehmen einen Wagen und fahren nach dem Niedrrschlestsch-Märkischen Bahnhose. Ich begleite Sie natürlich, denn ich habe nicht eher Ruhe, bi- ich Sie im Coupöe sitzen und abdampfen sehe, da- Berliner Pflaster ist jetzt zu heiß für Sie." z VI. Im „Goldene» Bechers" vor dem Oderthor ging e« gar hoch her. Karl Winterfeld hatte seinen Geburt-tag, wie er erzählt, und zur Feier diese- wichtigen Tage- hielt er die Stammgäste Aaron Mendel« frei. Tode Meudel hatte schon die fünfte Flasche von seinem Echten gebracht und der Uagarwein be geisterte die ehrenwerthe Versammlung, und zumal Wilhelm Raabe svrach einen Toast in Knittelversen. Er fühlte > sich heute ganz „entrs non»", wie er al« Deutsch-Amerikaner sich au-drückte, und hatte schon zweimal den Anlauf genommen, eine Rede in socialdemokratischem Sinne zu halten, die Kameraden aber hatten ihn lärmend unterbrochen und «iu hagerer Schneider meint»: da- seien Dinge, die man bei Wasser und Brod und nicht bei Ungar wein besprechen müßte, sonst käme ein Unsinn heraus, wenn man von den reichen Prassern und Blutsaugern redete, die bei Wein uud Braten schwelgten, während der Arme Hunger- Pfoten saugen müsse. Der Apostel der Weltverbefsrrungslehre blickte ganz ver dutzt drein und schluckte die Pille mit dem Inhalt seine« Glase« zugleich hinab. . ,Dade Mendel", schrie Karl, „schnell noch eine von der selben Marke, wir müssen da- halbe Dutzenv voll machen." Der Alte schlurrte hinaus und brachte bald darauf die gewünschte Flasche, vie er mit dem Zipfel seine- fettglänzenden gelben Schlafrocks von Staub und Spinneweben reinigte. Karl gab sich nicht erst die Mühe, deu Kork au- der Flasche zu ziehen, mit der Schneide seine« großen Messer- Hieb er geschickt den Hals der Flasche ab, der in einem Bogen bi« zum Schenktische und Mutter Mendel an den Kopf flog. Obgleich der Schlag durch die gefütterte seidene Haube gemildert ward, welche die streng gläubige Jüdin über ihr Haar gezogen trug, dasselbe so völlig verdeckend, begann die zungenfertige Matrone doch eine wahre Sündfluth von Schimpfrrden über den Attentäter au-zugießen, deren Kraft stellen durch Beifallsgeschrei und Gelächter der Stammgäste begleitet wurde. Es war rin Heidenlärm und so fidel war e« lange nicht im goldenen Becher! zugegauaeu, wie der Deutsch-Amerikaner bemerkte, dem seine JohanneS-Miene ganz «tbhanden gekommen war, weil da- sonst glatt in der Mitte gescheitelte Haar sich verschoben batte und verwirrt über da- aufgedunsene, geröthete Gesicht hing. „Ruhe — sllsutiuw!" rief da die tönende Stimme de- Festaeber«. Karl Winterfeld hatte sich erhoben, schlug an sein Glas und begann: „Freunde uud Genoffen, e- war eine Abschied-feier, die wir soeben hier abgehalten haben. Morgen schon bin ich auf dem Wege nach Hamburg, um mich für drüben ein- zuschiffen. Mich leidet« nicht mehr iu dem alten Europa, wo Alle faul und versumpft ist. Vor Jahren träumt« ich davon, mit meinen Gesinnungsgenossen hier reinen Tisch zu machen und ein wenig au-zusegeu. Aber die Polizei hat nn« die Besen au« der Hand genommen und bald hätten wir hinter Kerkrrmaurru al- Märtyrer der Menschheit den Lohn für unser« edlen Bestrebungen empfangen. Di« Mitwelt hatte un- vielleicht sogar mit Undank gelohnt, und wenn auch die Nachwelt un- zu deu Sternen erhoben und Denkmäler gesetzt haben würde, so frage ich Euch, al- vernünftig denkende Staatsbürger: wa- hatte un- da- schließlich genützt?" „Wahr — sehr wahr!" „Er hat Recht!" „Karl, Du bist ein Hauptkerl!" ^kin feiner Kopf!" So tönte e« in der Runde. Der Redner verneigte sich dankend und fuhr fort: „Also ist r- bester, da- alte Europa seinem Schicksal zu überlassen, denn der Boden unsere- Vaterlandes ist noch nicht reif für die Saat der Freiheit, sie verkümmert hier, während sie drüben schon glänzend aufgegangen. De-Halb haben wir — mein Freund William Raven und ich — beschlossen, zunächst nach Chicago zu gehen, daselbst einen neuen Verein zu gründen und unsere ersprießliche Thätigkeit wieder auf- zuuehmen. Wer Lust hat, un- zu folgen, der möge e« thun; Tade Mendel, der un- seine- Unaarwein- wegen in gutem Gedächtnisse bleiben wird, soll pünktlich Nachrichten von un- bekommen und dieselben weiter verbreiten. Lebt wohl, Freunde, und vielleicht auf Wiedersehen!" Alle drängten sich um den Sprecher, Händedrücke, Um armungen wurden ausgetauscht, man schrie und fragte, es war e,n Durcheinander, in dem keiner sein eigene- Wort mehr verstand. Der Deutsch-Amerikaner, welcher schon während Karl- Rede unruhig auf feinem Schemel hin und her gerückt war — denn e« ging ,hm an- Herz, daß ein Anderer hier sprechen und so viel Beifall ernten sollte —» stand jetzt mit offenem Munde da und blickte deu Freund stumm und fragend an. Karl, der e« bemerkte, schob schnell seinen Arm unter den de« Gefährten, wobei er ihm lrifr zuraunte: „Schasskopf, mach doch nicht ein so dumme- Gesicht!" „Aber so sage mir doch —" „Halt- Maul, nachher werde ich Dir Alle- erklären." Damit verabschiedete er sich von den Übrigen Stamm gästen und von Tade Mendel und zog den schwankenden Wilhelm mit sich fort. „Der hat schon jetzt die Seekrankheit", meinte lächelnd der hagere Schneider. Tate Mendel aber flüsterte seiner noch immer still ent rüsteten Ehehälfte fchmunzelad zu: „Da- ist eiu schlauer Kunde, der Winterfeld, ich glaub« von der ganzen Geschichte mit dem alten Europa und dem freien Amerika kein Sterben-wort. Der geriebene Halunke wird irgendwo einen Hauptcoup au-führen und sich dann mit dem Rebbe« davon machen, aber sicherlich um eine andere Ecke und nicht dorthin, wo er gesagt. Hast Du nicht da- dumme Gesicht de- Raabe gesehen? Der hat noch nicht- gewußt und wird jetzt erst den anzeu Schwindel erfahren und wahrscheinlich auch rem- allen — na, mir soll'« recht sein, warum war er nicht zu- rieden mit dem ehrlichen Verdienst, deu er bei mir hatte." Mendel Aaron'S Bermuthung war eine richtige gewesen, al- Karl und Wilhelm im Freien waren und sich Erster» überzeugt hatte, daß Niemand ihnen folge, sagte er: „Machen wir einen Spaziergang, und wenn Du ganz nüchtern geworden bist, dann sage ich Dir Alle-." Als Beide auf dem Lehmdamme angekomme» waren, einer Liebling-Promenade Karl«, hatte die kalte Decemberluft die Weindünste bereit« zerstreut, und der Deutsch-Amerikauer war wieder befähigt, mit voller Aufmerksamkeit de» Worten seine- Freundes zu lauscheu, daun sagt« er: »Ah, jetzt habe ich begriffen, da- war nur so 'ne Er findung, um ihnen Sand in die Äugen zu streuen, e« bleibt doch dabei, daß wir nach Galizien gehen, da habe ich Ge schäftsverbindungen." „Auf Dich wird keincr Verdacht haben, ich bin weit mehr gefährdet, aber bei meiner Schlauheit wird e« ihnen doch nicht so leicht gelingen, mich zu kriegen. Morgen gehen wir lo»l" „Aber morgen ist Freitag!" „Du Narr, wenn Du Dir Deine schlesischen Ammen märchen noch beute conservirt hast, dann war'« nicht der Mühe Werth, 'rüber zu gehen und Kosmopolit »« werden. Freitag oder Sonnabend, mir gleich, ich bin Philosoph. Die Umstände können übrigen- dem Unternehme» gar nicht günstiger sein, und länger dürfte ich ohnehin nicht zögern, denn mir scheint, daß mein Lieutenant auch au-rücken will. Zudem reist Hardenberg, mein lieber Vetter, noch in aller Eile vor Weihnachten nach Tiefeusee bei Neiße. Der alte Anselm ist auch «och immer bettlägerig nnd de-halb schläft er nicht wie sonst in einer zu «beuer Erd« gelegenen Kammer." rSortsetz«, folgt.)
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