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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.07.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950704016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895070401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895070401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-07
- Tag1895-07-04
- Monat1895-07
- Jahr1895
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Bezug-Preis U per Hanptexpedtttou oder den im Stadt bezirk imd de» Vororte» «richteten «»«- aabeslellen ab geholt: vierteljährlich^! LLL »et tweimaliaer täglicher Zostellung in» Laut -ckl 5.50. Durch dt« Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich » 6.—. Direkte täglich« Dreu-bandiendung in» Ausland: mvnallich 7^0. Die Morgen-Ansgabe erscheint täglich mit Aus nahme nach Sonn- und Festtagen '/,7 Uhr, die Abenv-Ausgab« wochentags 5 Uhr. Le-artion vnL Lrpe-Mo»: -atzanaesgafie 8. Die Expedition ist Wochentag» «»unterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: VU» «e»M's T-rtim. <m»re» da.»), Universitätsstraße 1, vonis LSsche. Kathartnenstr. 14, part. und Aönigsplatz?. Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Arizeigen'Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactioasstrich (4 a». spalten) 50>^, vor den Familirnnachrichtea (6 gespalten) 40^. Arößere Schriften laut unserem Preis, verzeichutß. Tabellarischer und Ziffernjag> »ach höherem Tarif. Extra »Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderimg 60.—, mit Postbrsörderung ^l 70-v Annahmeschluk für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. vet den Filiale» und Annahmestelle» je «in« halbe Stund« früher. Anzeigen sind stets an dt« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^ 320. Donnerstag den 4. Juli 1895. 8S. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Lekanntmachung- Das 8b. Stück des diesjährigen RrichsgesetzblatteS ist bei unS »tn- gegangen und wird bis zum 28. PS. MtS. auf dem Rathhaus- soalr zur Einsichtnahme öffentlich aushängen. Dasselbe enthält: Nr. 2848. Bekanntmachung, betreffend die Unfallversicherung»- Pflicht der Besatzung von Hochseefischereidampfern. Bom 14. Juni 1895. Nr. L84S. Bekanntmachung, betreffend die Anzeigepslicht für die Schweineiruche, dir Schweinepest und den Siothlaus der Schweine. Vom 86. Juni 1895. Leipzig, den 1. Juli 1895. Der Rath der Etadt Leipzig. vr. Georgi. Irrumbirgel. Bekanntmachung. Die öffentlich ausgejchrirbeurn AsphatllrungSarbeiten in der Reichs», in der Hospital», in der Nürnberger und in der Halleschea Striche, sowie aus dem Ptancnsche» Platze und im ThomaSgätzchen hier sind vergeben worden. Die unberücksichtigt gebliebenen Bewerber werden aus ihren be züglichen Angeboten hierdurch entlassen. Leipzig, am 87. Juni 1895. I» Der Rath der Stadt Leipzig. 974 vr. Georgi.Etz. Bekanntmachung. Die öffentlich ausgeschriebenen PflostcrungSarbeiten in der Nonnenstriche in Leipzig - Plagwitz, sowie die Pflasterung der Hospitalstrabe hier, vom Gerichtswege bi« zur Reitzenhain»! Strotze, sind vergeben worden. Die unberücksichtigt gebliebenen Bewerber werdea aus ihren bez. Angeboten hierdurch entlassen. Leipzig, am 87. Juni 1895. 2938 Der Rath der Etadt Leipzig. 998 vr. Georgi. Etz. 1°. c-.: Bekanntmachung. Die öffentlich ausgeschriebenen K»tzwrgrcgellltigsarbeiten in der Süd-Striche hier sind vergeben worben. Die unberücksichtigt gebliebenen Bewerber werden auS ihre« be züglichen Angeboten hierdurch entlassen. Leipzig, am 28. Juni 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Etz. , 3048 ^'1038 Bekanntmachung. Die Herstellung von -ieSsutzwegcn für die Anlage von Schrebergärten aus den Porcellen Nr. 706 und 707 an der Ariefen- Ttratze in Leipzig-Lindenan soll an ei»en Unternehmer verdungen werden. Die Bedingungen für diese Arbeiten liegen in unserer Tiefbau Verwaltung, Ralhhaus, 2. Lbergeschotz, Zimmer Nr. 23, au» und können daselbst eingrseben oder gegen Entrichtung von 50 die auch in Briefmarken eingrsendet werden können, entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Alesfutzwege in Leipzig-Lindenan" versehen in dem obenbezeichneten Geschäftszimmer btS ZUM 10. dieses Monats 5 Uhr Nachmittag» einzureichtn. Der Rath behält sich das Recht vor, sämmtliche Angebote ab zulehnen. Leipzig, den 2. Juli 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. Id. 2920. vr. Georgi. Etz. Bekanntmachung. Wir bringen hiermit zur öffentlichen llkenntnitz, daß wir vom heutigen Tage ab Herrn Referendar Karl Rndolf Oueck als Raths-Referendar angestrllt und in Pflicht genommen haben Leipzig, de» 1. Juli 1895. 2544 Der Rath der Stadt Leipzig. I». 888. vr. Georgi. Größe! Bekanntmachung. Mit Zustimmung der Herren Stadtverordneten haben wir br- chlossen, die Fluchilinien der für daS Areal zwischen Wurzener. Bernhard-, Roßbach- und Bortenstratze in Aussicht genommenen, die beiden letztgenannten Straßen miteinander verbindenden Straße X in Leipzig-Neusellerdauien und Leipzig-Sellerhouien, owie die Fluchtlinien der Garienstroße in L-ivzig-Sellerhausen bei der Einmündung der Straße -4 nach Maßgabe deS Planes I> v 7320 KUX 7130 ^ 'hm "EV ang,tuscht sind, festzulegen. Dieser Plan liegt bei unserer Tieibau-Berwaltung (Ratdhans, 8 Stockwerk, Zimmer Nr. 23) vier Wochen lang, vom Abläufe des Tages nach der Ausgabe der diese Bekanntmachung enthaltenden Amtsblätter an gerechnet» zu Jedermanns Einsicht aus Widersprüche gegen den Plan sind innerhalb dieier Frist schriftlich bei unS anzubringen. Nach Ablauf der Frist eilig«brachte Wider- pruckie werden als versäumt betrachtet und haben keinen Anspruch auf Berücksichtigung. Leipzig, den 28. Juni 1895. . 2342 Der Rath der Stadt Leipzig. 788. vr. Georgi. Bts. Erweiterung des Fernsprechverkehrs nach Bayern. Zwischen Leipzig und de» Städten Helmbrecht- und Münch berg ist der Sprechverkehr eröffnet. Die Gebühr für »in gewöhnliches Gespräch bi» zur Dauer von drei Minuten beträgt zwei Mark. Leipzig, 1. Juti 1895. Der Kaiserliche Vber-Postdireetor, Geheime Ober-Postrath. Walter. Ausschreibung. Für den Neubau einer Schule in Grotzzschocher sollen nach, stehende Arbeiten vergeben werdea: Tischlerarbeiten, Lchlosferarb iteu. Maler» und Lackirerarpeiten» Bedachung arbeite«, Klenipnc, arbeiten, Stückarbeiten, 9) viltzabtettunasarbeite«, 10) tzementarbeiten. Di» Auschiagssoriiiulare nebst Bedingungen könne» aus diesigem Gemeindeamte gegen Zahlung von l,50 zu l—5. und I ^4 zu 6—lO entnommen werden. Die Angebote sind bis rum ! 2. Juli dsS. IS. an das Gemeinde- amt versiegelt mit der Aufschrift: „Tchiilnkubau Grotzzschocher" abzugeben und behält sich der Schulvorstand Auswahl unter den Bewerbern vor. Grotzzschocher, den 3. Juli 1895. Der Schulvorstand. Bekanntmachung. Für die 3. Sonitätsmache empfing der Samariter-Verein von Herrn König!. Friedensrichter veno» Auülmnno: »l 2 —. Sühne von H. in Sache» L. ". H., - 4.—. - - Fr-» N. in Sachen Sch. '/. Frau N., » lO —. » » G. in Sachen L. '/. G-, Sa. ->» 16.—. worüber hiermit dankend quittirt wird. Leipzig. 3. Juii l 95. Der Vorstand des Samarilcr-BcretnS. - Xotou 8ivbert, Schatzmeister. Der städtische Bagerhof in Leipzig lagert Waarcn aller Art zu billigen Tarifsätzen. Die Lager- scheine werden von den meisten Bankinstituten beltehen. Leipzig, den 26. April 1894. Die Deputation zum Lagerhofe. Vor 85 Jahren. 42. Ten heutigen 4. Juli glauben wir als den ersten Tag der Erinnerungen an daS Jabr >870 anseben zu sollen. Zwar batte Prinz Leopold von Hobenzollern-Sigmaringen schon Ende Juni sich zur Annahme der spanischen Krone bereit erklärt und die Nachricht von diesem Entschluß war am 3. Juli bei der französischen Regierung eingetrosfen, während die erste der zur Hcrbeizerrung dr» Krieges be stimmten ParlamentSreden des Herzogs von G'amont am 6. Juli gebalten wurde. Aber wie die spanische Tbronfrage nicht die Ursache des Krieges, so sind auch die französischen Machthaber nicht seine wirklichen Anstifter gewesen. Gramont allerdings drängte zum Bruch, er hat die Tbroncandidatur scham los und brutal zu einem Kriegsfall zurechtgeknetet und sein Amtsgenossc Ollivier hat ibm dabei hilfreich zur Seite gestanden. Aber sie haben damit nicht den Wunsch deS Kaisers Napoleon erfüllt, und namentlich Ollivier, der bisherige OpposilionS- mann, batte dem VolkSgeist näher gestanden als der kaiser lichen Politik. Die Geschichte bat die Stellung, welche Napoleon zu dem Plane eines FriedenSbruches eingenommen, mehr und mehr aufgebellt. Ter körperlich schwer leidende Mann wollte den Krieg persönlich nicht, er hat sich ihn in letzter Stunde ausbrängen lasten, weil er nur durch ihn seine »nd seines SohncS Herrschaft sichern zu können glaubte. Aber eben erst baben wir durch Sybel erfahren, wie, als eine dem Frieden günstige Wendung eingetreten zu sein schien, Napoleon dies freudestrahlend seinen Osficieren mit- geldeilt hat. Der Kaiser war vielleicht der einzige Franzose, der sich frei von Haß gegen Deutschland wußte und r unseres Vaterlandes nicht als «ine Benach- theiligung und Kränkung Frankreichs empfand. Wie die jüngsten Forschungen ergeben haben, ist auch die bisherige Annahme, daß die Kaiserin Eugenik die Urheberin des Krieges gewesen sei, hinfällig geworden. Sie wie ihr Ge mahl erlagen der Vorstellung, daß daS französische Volk ihre Herrschaft nur dann auf dem Throne dulden werke, wenn daS kaiserliche Heer Deutschland wieder auf den Stand der RbtinbunkSzeiten berabgetrückt hätte. Gramont und seine Helfershelfer baben in jenen schicksalsschwere» Tagen Lüge auf Lüge gehäuft, aber wenn sie dem Kaiserpaar die Franzosen als von .Kriegsburst erfüllt" schilderten, sind sie bei der Wahr- heit geblieben. DaS hat sich am 4. Juli 1870 gezeigt. Wie wollen die Wiederkehr der Tage von 1870 und 71 in dankbarer Er innerung an unsere Helden und Todien, in stolzer Freude über die Siege und noch mehr über ihre berrlichen Früchte »nd nicht in Ueberbebung über die Besiegten begeben. Aber ^ heute, wo wir unS erinnern, wie das furchtbare Ringen ' und Blutvergießen entstanden ist, soll es nicht un gesagt bleibe», daß der Friedensbrecher daS fran zösische Volk gewesen ist und die Machthaber seine Werkzeuge. Am 4. Juli wurde in der Pariser Presse der Nus nach der Demütbigung Deutschlands aus Anlaß der spanischen KönigSwabl zum ersten Male laut. Aber all die Jabre vorher seit 1868 war jenes Berlangen in Frankreich lebendig und die Zeitungen boten nur das getreue Spiegel bild der Volksleidenschaften. Der Nus: „rsrauodo pour KuäovL" sagt Alles. Preußen batte ein Reich besiegt, mit dem sieben Jabre früher Frankreich im Kriege gelegen batte und mit dem eS weder Sympathien noch Interessen verbanden. Aber die Lorbeeren von Magenta und Svlfrrino batten aufgehört, die frischesten in Europa zu sein, und daS ging wider die „Ebre" der .großen Nation", welche die An erkennung ibreS Anspruchs auf kriegerischen Ruhm als ein Gesetz für die anderen Länder auffaßte. Doch war eS keineswegs die Eitelkeit allein» die den Krieg wollte. Deutschland war im Begriff, sich zu consolidiren, also einen Zustand zu ändern, der es Jahr hunderte lang zum Gegenstand der Ausbeutung in jeder Form für Frankreich gemacht batte. Dieser Zustand sollte erbalien bleiben und der Verlust deS linken Rbeinufers sollte seine Bestätigung und zugleich die Strafe für den Versuch einer selbstständigen Ordnung der deutschen Angelegen heiten durch Deutsche werden. DaS französische Volk wollte nickil dulden, daß Deuischland, politisch gesichert, seiner culturellen und wirtbschaftlicken Eniwickclung sich überlassen könne, und de-balb war der Krieg eine Existenzfrage für die Napoleonische Dynastie geworden. Auch Eugenie ist von der furchtbaren Beschuldigung, .ihren kleinen Krieg" gefordert zu haben, gereinigt, aber die französische Nation, die auf die Hobenzollersche Candidatur mit ihrem Kampf geschrei wie auf ein Stickwort hervorbrach, ist dieses unge heueren Frevels von der Geschickte überführt. Die Geschichte zeigt aber auch, daß der Ruf nach Rache für Sadowa nur die neuere AuSvrucksform für ein altes französische- Ge fühl war. Deutsche- Reich. v. Leipzig, 8. Juli. Wie rin sächsischer Prinz vor seinem Uebertritt über Rom urtbeilte. Im Jahrs 1689 war der fünfte Svbn des Herzogs Moritz zu Sachsen- Zeitz heimlich, 169t össenllich zum KatboliciSmuS übergetrrten. Er trat nach wenigen Jahien i» den geistlichen Stand. Als ein 30jäbriger erhielt er daS BiStbum Raab — vor diesem Bischof von Raab schwur Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen seinen evangelischen Glauben ab —, der 40jäbrige wurde Cardinal. Dieser Mann hat eifrig für die Kirche Roms Propaganda gemacht. Er ist tbälig ge wesen beim Uebertritt des Kurfürsten. Er veran- laßle seinen Bruder Moritz Wilhelm 17 l3 und seinen Neffen Moritz Adolf l7ltt, ihre evangelische Kirche zu verlassen. Die herzogliche Bibliothek zu Gotba bewahrt zwei interessante Briese deS genannten Moritz Wilhelm auf. Sie sind, der eine aus Rom, der andere auS Genf, an den Hofprediger Hl. Michael Christian Ludwig in Zeitz gerichtet und zeigen, wie Moritz Wilhelm vor seinem Uebertritt von Rom gedacht hat. Wir tbeüen den «rstereu vollständig mit. Er lautet: Mein Herr Hoffpredigrr Deßelben beyde schreiben habe ich wohl erhalten, bedcmcke mich vor die darin »ntdalinrn gute wündsche der Große Gott so mich (Ibm jey darvor ewig lob gesagci) bißbero an leib und Seel gesund eihatten, wird de« lieben Her,» Hoffprediger« wündsche nach auch ferner ob mir walten, Es ist nicht ohne mann hat allhier Gutes und böjes zu ieh> n, und z» erlernen, mann sihet überauß kluge und geichilie ieutr, auch überauß 'ckiönrKirchen, ingleichen viel Geistliche und propdane Antiquilä en, Largege» nimmt mann auch gleich wahr die vielen laster und Aberglanden, io nicht genunglam zu deichrciben. Doch wird mann, wann da« wadre zu den Foblen und Menschenioyungen gehalten wild, in ieinem Gewitzen mehr bestärket als periurbieret, wündsche hinwiederumb den H Hoffprediger von dem Allerhöchsten Ein Besuch in -er freien Irrencolonie Gheel in Belgien. Bon Theodor Hermann Lange. Nachdruck verboten. Durch den bekannten Aachener Proceß ist neuerdings die öffentliche Meinung wieder in erhöhtem Maße auf die Irren- Pflege hingelenkt worden. Im Allgemeinen hält man noch heute an dem System der Eiusperrung und Jsolirung geistes gestörter Personen fest. Indessen giebt es schon seit vielen Jahrhunderten in Gbeel in Belgien eine große Irren- ansiedlung, in der sich neuerdings durchschnittlich 1600 bi- 1700 Irre beiderlei Geschlechts befinden und in der man weder Einsperrung noch Zwangsjacke, Gummizrllen u. s. w. kennt. Ti« Irren leben alS freie Pensionaire bei den Ein wohnern und beschästiaen sich — jedoch höchstens 6 Stunden — täglich mit leichten Feld- und Gartenarbeiten, sind Hand werkern bei deren Thätigkeit behilflich, angeln, fischen, treiben Reit- und Rudersport, musiciren u. s. w. Die geisteskranken Frauen, welche sich weniger auf der Straße rcigen, helfen ihren Pflegerinnen in der Küche und HauSwirth'chast, waschen, nähen, stricken, fertigen Spitzen an, beaufsichtigen die kleinen Kinder rc. Obwohl die Geisteskranken sich meist frei, unbeaufsichtigt und ganz nach Belieben in den Straßen, auf den Feldern, Wiesen und in den angrenzenden Hainen bewegen können, so hört man nickt- von Ausschreitungen. Innerhalb der letzten 40 Jabre haben Irre nur zweimal Excesse sich zu Schulden kommen lassen. Ta- »ine Mal ver wundete beim Getrridemäbrn im Jabre 1878 «in Irrer «in junge- Mädchen, mit dem er zusammen auf dem Felde arbeitete, indem er der jungen Bäuerin eine leichte Verletzung mit einer Sens« beibrachte, und in den sechziger Jahren schlug rin Irrer mit einem Instrumente auf eine alte Frau ein, glücklicher Weise ohne ibr sonderliche Verletzungen beiznbringen. Seit 1849 bat in Gi>e?I kein 1 > re, Brand»» ltting verübt oder einen Mord begangen. Sittlichkeitsverbrechen an Frauen und Mädchen sind in Gheel nur ganz vereinzelt und seit 18 Jahren überhaupt nicht meyr verübt worden. Ebenso sind in der Jrrencoloni« Gbeel Selbstmorde selten. Bor etwa 20 Jahren ertränkte sich ein junge-, geistesgestörtes Mädchen in einem Canal und vor etwa 40 Jahren hingen sich zwei Irre in Gheel auf. Dabei darf man nickt ver gessen, daß die Jrrencoloni« Gbeel schon >840 über 800 Kopse. 1850 über 900, 1860 über 1000 Köpf« zähl!«. Seit 1870 ist die Ziffer niemals unter 1250, seit l880 niemals unter 1300 Kopfe und seit l8S0 niemals unter lbOO herunter- aegangen. Seit einigen Jahren beziffert sich, wie gesagt, die Zahl der Kranken in Gbeel auf >600—1700, die tdrilweise in der annähernd 7000 Einwohner zählenden Stadt, theil- weise in 22 Dörfern und Dörfchen unteraebrackt werden, welche die Umgegend von Gbeel bilden. Diese 22 Dörfer n,»gerechnet, zählt der Bezirk Gbeel etwa 12 000 Einwohner. Nach Gheeler Muster sind allerdings in diesem Jahrhundert in anderen Ländern einige ähnliche Irrenanstalten ins Lebe» gerufen worden, in denen aber im Vergleich mit Gheel die Zahl der Irren nur eine gering; ist. Ich habe bei meinen Reise» durch Belgien Gheel öfter besucht, mich auch dort wiederholt einige Tage aufgebalten und mich viel mit den Einwohnern, den Irren und den Aerztrn von Gbeel unterhalten. Gbeel liegt an der Eisen bahnlinie M.-Gladbach - Antwerpen (Grand Central-Beige) und zwar noch etwa 47 üw von Antwerpen entfernt. Gbeel und seine Umgebung bilden eine reizende Oase in jener tbeil- weise wenig fruchtbaren und einförmigen Gegend. Bei Gbeel breiten sich neben woblgepflegten Feldern und Wiesen große Obst- und Gemüsegärten au«. Canäle und Teiche ziehen sich zwischen den Wirsen und Gärten bin und kleine Garten und Haine grenzen an die Wiesen und Felder. Weiße Häuser fronten heben sich freundlich von dem grünen Waldessaum ab und aus den Triften weiden stattliche Viebberrden. Die Gegend bei Gbeel trägt einen außerordentlich idyllischen Charakter zur Schau und erinnert vielfach an die landschaft lichen Schönheiten deS östlichen Holstein, wo wir auch die drei wonnevollen W: Wald, Wirse, Wasser, in anmutbiger Verdiukuun stnd-n D>e Industrie mit ihren qualmenden Schloten, den rauchgeschwärzten, lärmvollen Fabriken und rem hastigen, lauten Verkehr fehlt in der Gheeler Gegend vollständig. Bei den Bauern und Gärtnern, bei den Handwerkern und kleinen Beamten sind die Irren untergebracht, niemals jedoch mehr als zwei in einer Familie. Durch die Beherbergung und Veipflegung der Irren erzielen viele Familien im Gheeler Bezirk mch einen kleinen Nebenverdienst. Denn einmal zahlt der Staat bez. die betreffende Gemeinde die PensivnSgelder für die unbemittelten Geisteskranken, während für Kranke auS wobldabenden Familien diese letzteren aufzukommen haben. Die Jrrencolonie Gbeel ist allen Ursprungs. Schon im Mittelalter pilgerten Tausende von Familien mit ihren geistes gestörten Angehörigen nach dem berühmten Wallfahrtsort Gbeel, »in daselbst durch die Fü>bitte der in Gbeel verehrten heilige» Tyinpbne Rettung für die Kranken zu erflehen. Häufig bliebe» die Kranken gleich wochenlang in Gheel, wo sich mit ihrer Wartung und Pflege geschulte Perionen befaßten. Be reit- seit dem l7. Jabrbundrrt ist da- beutige System im Großen und Ganzen in Gbeel üblich. Die Geisteskranken werden, sobald sie nach Gbeel gebracht worden sind, nickt ein- gesperrt. sondern in Pension gegeben, nachdem sie allerdings zuvor im Hospital einige Zeit von den Aerzten beobachtet worden sind. Z» irgend einer Beschäftigung werden die Kranken nickt gezwungen. aber die meisten erbitten sich sehr bald rinr solche. Sonst können sie in und vor der Stadt spazieren geben, Felder, Wiesen undHaine — anfangs allerdings nur in Begleitung — durchstreifen, müssen sich aber zu de» Mahl zeiten wieder regelmäßig in ihren Wohnungen einsinken. Enttveichungen der Irren sind selten, höchsten- 6—9 daS Jahr. Dir Kranken leben sich grwöbnlich sehr bald ein, werden mit ihren Pflegern und deren Kindern sehr vertraut und befreundet, zirben vor ihren Fenstern oder in den Gärte» Blumen, treiben Geflügelzucht und macken in ihrem Aeußern einen leidlich guten Eindruck. Auf der Straße erkennt man die Irren, besonder- jene, welche noch nicht lange in Gbeel sind und nur herumschlendern und nicht arbeiten, le ckt an ihrem etwa- scheuen Wesen. Beobachtet man die Unglück lichen bei ibrer Tbätigkeit auf den Feldern und in den Gärien. sv k ,„ii m.ii, sie schwer ode, a.i, nicht von den geistig gesunden Personen unterscheiden. Die Kranken, welche schon länger in Gbeel sind, geben allein in diepkirche, zu Processionen, zu Eoncerten, häufig auch zu Vergnügungen, aus Kirmessen, in die WirthShäuser u. s. w. Indessen kommt es doch hin und wieder vor, daß sie dann in den Restaurationen sich vollständig betrinken. Uebriaen- können die Irren in Gbeel ederzeit unbehindert die Besuche ihrer Verwandten oder onstiger Personen empfangen, wie auch Jedermann Zutritt in Gbeel bat. Kranken, die sich einige Jabre gut in Gbeel geführt haben, wird sogar bisweilen eine Reise in ihre Hei- math, natürlich nur in Begleitung, gestattet. Wird ein Kranker plötzlich tobsüchtig oder gemeingesäbrlich, so kann er aller dings eingeschlossen werden. Solche Kranke werden dann sofort in eine andere Anstalt gebracht. Natürlich werben die Irren in Gbeel nur in solche Familien gegeben, welche Gewähr für eine moralische Pflege und Behandlung der Irren biete». ES sind die- durchweg Familien, in denen sich die Jrrenpflege von Geschlecht zu Geschlecht vererbt. Niemals fällt e» in Gbeel Kinvern oder Erwachsenen ein, Irre zu verhöhnen oder zu necken. Die ärzlliche Aussicht in Gbeel ist gut und gewissenhaft. Tie Kranken in Gbeel kommen in erster Linie au- der weiteren Umgegend, dann aber au- allen belgischen Irren häusern. Tobsüchtige, wilde, gewaltthätige und verbrecherische Kranke werden nicht nach Gheel gebracht. Aber daS ganze Heer der Kranken, die vvn Tiefst»», Schwermut!», fixen Ideen, Verfolgung-- und Größenwahnsinn befallen sind, kommt nach Gbeel nnd die Zahl der Heilungen ist eine ver- bLltnißmäßig große. Be, meiner letzten Anwesenheit in Gheel sagte mir ein Irrenarzt: „Die Freiheit, welche die Kranken genießen, der Aufenthalt in der Familie, der fortwährende und unbehinderte Verkehr mit geistig gesunden Personen, die ländliche Stille und Ruhe ihnen Wunder bei der Heilung unserer Kranken. Bor vergitterten Fenstern, vor geschloffenen Thürea, engen Höfen und Gärten haben die Irren Widerwillen und Angst, und darum sind HeilungSproceffe hinter den hoben Mauern der gewöhnlichen Irrenhäuser so selten. Hier bei «n< in Gbeel ist da- Gegentbeil der Fall und daher rühren unser« überraschend großen Erfolae.lt
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