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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.07.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950711012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895071101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895071101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-07
- Tag1895-07-11
- Monat1895-07
- Jahr1895
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Größere Schriften laut unserem Preis, verzeichniß. Tabellarischer »ud Zifferosatz »ach höherem Tarif. Extra "Beilagen (gesalzt), n»r mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderimg ^4 SO.—, mit Postbesörderimg A 70.--. Annahmeschluß für Anzeige«: (nur Wochentag«) Abend-AuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ei»» halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig. 332. Amtliche Bekanntmachungen. Aufruf. -n der Seit vom 4. bis 7. Juni d. I. ist der «bvr- Smltnx«», 1» tzvetrttenibers; in Folge von den größten Verwüstungen ausgesetzt gewesen. Ans weite Streiken haben die Hoch wasser -er Eyach- und Schmiecha-Vächc furchtbare Ver heerungen angerichtet. Tie Wasser haben nicht nur 4V Opfer an Menschen gefordert und gegen 200 Gebäude in de» 7 Ge meinden des Bezirk» theil« fortgcschwemmt und zerstört» thcil» schwer beschädigt, sondern auch die Hoffnung auf eine ergiebige Ernte, welche die Schäden de» Futteruothjahres 18SS ausgleichen sollte, zerstört. Tte Grütze de» Unglücks ist derart, datz die Einwohner der betroffene» Gegend mit aus öffentliche Unterstützung angewiesen sind, wen» sie der drohendsten Roth nur eintger- matzen entrissen werden sollen. Einer Bitte des Vezirks-Hilss-Eoniitsa in Balingen ent sprechend, haben wir unsere Rathhaus, I. Obergeschoß, zur Aunahmc von Beiträgen angewiesen und bitten hiermit um milde Beiträge für die Nothletdenden, uns der festen Hoffnung tzingcbcnd, datz auch hier» wie in früheren Fällen, der immer hilfsbereite Sinn unserer Bürgerschaft sich gern bethätigen wird. Leipzig, am 0. Juli 18S5. Her «1«r bitackt I etpuig;. Or. Georgi. Schlichter. Donnerstag den 11. Juli 1895. 88. JchMG Bekanntmachung. Die ASPHaltiruug der Wächter-Stratze, von der Simson bis znr Ferdinand Rhode-Straße, einschließlich der Kreuzung mit der Letzteren soll an einen Unternehmer verdungen werden. Die Bedingungen und Unterlagen für die>e Arbeit liegen in unserer Tiefbau-Verwaltung, Rathhaus 8. Obergeschoß, Zimmer Nr. 23 aus und können dort eingesehen oder gegen Entrichtung von 50 /H, die auch in Briefmarken eingesrndet werden können, ent nommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Asphaltirung der Wächter-Stratze" versehen in dem oben bezeichnet«» Geschäftszimmer btS zum 20. dS. MtS. 5 Uhr Nachm, einzureichen. Der Rath behält sich das Recht vor, sämmtliche Angebote ab zulehnen. * **) Leipzig, 10. Juli 18S6. TeS RatheS der Stadt Leipzig Io. 3358. Etratzenbaudeputatton. Bekanntmachung. Die Asphaltirung der Wilhelm Scyfferth-Stratze» von der Beethoven- bis zur Wächter-Slraße, soll an einen Unternehmer ver> düngen werden. Die Bedingungen und Unterlagen für diese Arbeit liegen in unserer Tiefbau - Verwaltung, Rarhhaus 2. Obergeschoß, Zimmer Nr. 23 aus und können dort eingesehen oder gegen Entrichtung von 50 /H, die auch in Briefmarken eingesendet werden können, entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Asphaltirung der Wilhelm Sehfferth-Stratze" versehen in dem obenbezeichneten Geschäftszimmer biS zum 20. dS. MtS. 5 Uhr Nachm, einzureichen. Der Rath behalt sich das Recht vor, sämmtliche Angebote ab> zulehnen. Leipzig, den 10. Juli 1895. Des Rathe» der Stadt Leipzig Io. 3856. Dtratzenbaudeputation. Bekanntmachung. Wegen Herstrllnng der Wasserleitungs-Anlagen wird die Marienstratze in ihrer Ausdehnung von der Straße „an der Milchinsel" bis zum Marienplatz vom 12. diese» Monats an auf die Dauer der Arbritru für den durchgehenden Fährverkehr gesperrt. Leipzig, am 10. Juli 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. IX- 3732. Or. Georgi Stahl. Bekanntmachung. In Gemäßheit der 88. 2 und 7 des Regulativs für Gasrohr leitungeu und Gasbeleuchtungsanlagen in Privatgrnndstücken vom 2. März 1863 machen wir hierdurch bekannt, daß der Schlossermeister Herr Ernst Müller, Reichsstraße Nr. 84 zur Uebernahme solcher Arbeiten bei uns sich angemeldet und den Besitz der hierzu erforderlichen Vorrichtungen nachgewiesen hat. Leipzig, de» 10. Juli 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. X. 3878. Or. Georgi. Wetzner. Stockhoh-Verkauf. Im Buraauer Revier sollen ca. 250 klar gemachte Wurzelhausen ü Hausen 3 aus freier Hand abgegeben werden. Käufer wollen sich deshalb an den Revierverwalter Herrn Oberförster Dietze in ForsthauS Burgaue bet Leutzsch wenden. Anfuhre und Abtragen de- HolzeS kann aus Koste» der Käufer besorgt werden. Leipzig, am 8. Juli 1895. De» Rath« Asrstdeputation. Aufgebot. Der Gutsbesitzer Edmund Eberhardt in Rödelwitz hat das Aus- gebot von drei Stück ihm abhanden gekommener Stammaktien der Saalrisenbahn-Gesellschaft über Einhundert Tholer Preuß. Eour Nr. 00024, 00025, 00026 und der Fritz Matthias, wohnhaft zu Leipzig, Blücherstratze Nr. Ll. da» Aufgebot der ihm am 6. Marz 1895 verloren gegangenen StammprioritätS-Actie der Saaletsenbahn Nr. 11195 beantragt. Die Inhaber dieser Urkunden werden aufgesordert, spätesten» in dem auf S-nnatend, dem 14. Januar 18»», vormittag» 10 Uhr vor dem Unterzeichneten Gerichte anberaumten Airfgebot-termin« ihre Recht» anzumelden und die Urkunden vorzulegen, widrigenfalls di« Kraftlosrrklärung der Urkunden erfolgen wird. J«aa, den 17. Juni 1895. Da« »rotzher,-glich Sächsische Amtsgericht 1. Veröffentlicht in Gemäßheit der 8». 842, 187 der L.-P.^O. Jena, am 17. Juni 1895. Die GertchtSschretteret de« «rotzh. S. Amtsgericht». Die Wahrheitsliebe -es „vorwärts"/) Von Hans Blum. I. Franz Mehring urtheilt in seinem Werke „Die deutsche Socialdemokratie'"'*) über Herrn Wilhelm Liebknecht folgender maßen : „Er ist wohl ein Fanatiker, aber von einem Politiker hat er nicht einmal soviel, um ein guter Agitator zu sein (S. 89). Wo es seine Sache gilt, da mag man in Deutschland den Man» suchen, der mit derselben Gleichgiltigkeit die giftigsten Waffen führt (S. 90). Das gewerbsmäßige Ausrotten des Glaubens an die sittlichen Grundlagen von Gesellschaft und Staat, das Fälschen und Unter, drücken geschichtlicher Thatsachen, namentlich das grundsätzliche Schmähen des Vaterlandes, seiner höchsten Güter und thenerslen Ueberlieferungen, alles dies ist erst von Liebknecht in rin weit ver zweigtes System gebracht worden. (S- 92).'' So urtbeilte Franz Mehring vor sechszehn Jahren. Heute steht er selbst der socialdemokratischen Partei und ihren Leitern ziemlich nahe. Aber mir ist nicht bekannt geworden, daß er sein Urtheil über Herrn Liebknecht seit 1879 irgendwie geändert hätte. Jedenfalls paßt jedes seiner eben angeführten Worte auf den Geist — nein, Geist wäre zuviel gesagt — auf Haltung und Inhalt des unter der Oberleitung des Herrn Liebknecht erscheinenden „Centralorgans der socialdemokratischen Partei Deutschlands", des „Vorwärts". Ich war daher auch durchaus nicht überrascht, daß ich, nachdem meine Artikel: „Entbüllungen über die Be ziehungen de« Generals Boulanger zu deutschen Social dem okraten" in der „Magdeburgischen Zeitung" vom 22. und 23. Januar d. I. (S. die Nummern 41 und 43 deS „Leipz. Tagebl." vom 23. und 24. Januar d. I.) erschienen und durch einen großen Theil der vater ländischen Presse gegangen waren, vom „Vorwärts" mit einer Fluth von Schmähungen bedacht wurde. Aber mit persönlichen Verleumdungen hat sich der „Vor wärts" diesmal nicht begnügt. In zwei Leitartikeln vom 26. und 27. Januar d. I. unter dem Titel „Ein Gesellschafts retter" und „Wie Hans Blum citirt" hat er in seiner Weise meine „Enthüllungen" auch inhaltlich und tatsächlich als werthlos binzustellen gesucht, indem er die Legende aufbringt, die amtlichen Urkunden, auf denen meine „Enthüllungen" beruhen, seien von mir „gefälscht", die entscheidenden Stellen „unterschlagen" und das Uebrige von mir frei erfunden worden. Diese ungeheuerlichen Anschuldigungen erfordern, nicht um meiner Person, sondern um der in Rede stehenden Sacke willen, Widerlegung vor der Oesfentlichkeit. Zunächst reibt sich der „Vorwärts" an der Ueberschrift meiner Aufsätze „Enthüllungen". Ich hatte, um meinen Lesern die Controle meiner Citate aus den amtlichen Urkunden des Boulanger - ProcesseS zu erleichtern — welche Beziehungen deS französischen Revanche-Generals zu deutschen Socialdemokraten enthüllen —, auf das politische Jahrbuch von AndrS Daniel (Jahrgang 1889) verwiesen, in dessen Anhang diese Urkunden wörtlich abgedruckt sind. Ich hätte für die Zuverlässigkeit dieses Jahrbuchs hinzufügen können, daß der Name Daniel fingirt und der Verfasser des Werkes einer der namhaftesten fran zösischen Staatsmänner und jetziger französischer Minister ist. Aber mein erster Artikel in der „Magdeb. Zta." sagte deut- lich, daß ich den Daniel nur citire, weil „jedermann sich dier die von mir in Uebersetzung mitgetheilten französischen Urkunden im Wortlaut leicht verschaffen könne", waS mit den ursprünglichen Drucken, namentlich mit dem Manifest Boulanger'S vom 5. August 1889 — einer der wichtigsten Urkunden in der ganzen Sache — durchaus nicht so leicht ist. WaS macht nun der „Vorwärts" auS meiner Bezugnahme auf Daniel? Er sagt: ich hätte die von mir dem Daniel entnommenen Thatsachen erst im Daniel, und erst „sechst- halb Jahre" nach dessen Erscheinen „entdeckt", erst scchöt- halb Jahre, nachdem sie durch den Boulanger-Proceß enthüllt wurden. Dabei weiß aber der „Vorwärts" sehr wohl, daß ich dieselben Thatsachen bereits in meinem 1891 erschienenen Werke „Die Lügen unserer Socialdemokratie" berührt habe, also sie doch wohl damals schon entdeckt haben mußte. Alle von mir angeführten Urkunden und Thatsachen sind seit 5i/, Jahren bekannt — gewiß, aber die Schlüsse, die zwingenden Schlüffe, die ich auö der Gegenüberstellung und der Verbindung dieser Thatsachen und Urkunden ge zogen habe, die sind neu, das sind „Entbüllungen" oder — nach dem „Vorwärts" — „Entdeckungen" — so neu, daß sie für das Begriffsvermögen deS „Vorwärts" noch heute unfaßbar, unentdeckt sind. Der „Vorwärts" behauptet dann weiter (Nr. 22 d. I.): ich („der GesellschastSretter") hätte mich „besonderer, dem großen Publicum nicht zugänglicher Informationsquellen ge rühmt". Das soll geschehen sein in meinem 1891 erschienenen Werke „Die Lügen unserer Socialdemokratie" und in einem Flugblatt beim vorjährigen ReichStagSwahlkamps in Plauen (Sachsen). In keinem von beiden steht ein einziges Wort derartiger „Berühmung". Der „Vorwärts" hat diese Unwahrheit aus der blauen Luft gegriffen, um damit einen „kleinen Beitrag" zu meinem „Charakterbilde" zu —erdichten. Ehe wir nun — um mit Bismarck zu reden — „daö Reptil bis in seine Höhle verfolgen", erinnern wir uns ganz kurz an den Inhalt meiner Aufsätze in der „Magdeb. Z ", die der „Vorwärts" zunächst mit seinem ersten Artikel „Ein GesellschastSretter" abthun will. Ich führte damals auS: Nach der Anklageacte im Boulanger-Proceß habe Boulanger als französischer Kriegsminister zwei Fonds für geheime Ausgaben zu verwalten gehabt, den „Geheimsond" und den „Reservefond"; der letztere habe nur „für die gebieterischen Bedürfnisse der Vertheidigung im Augenblick de« Kriegs ausbruchs" angegriffen werden dürfen; Boulanger bade aber au» dem letzteren Fond 279 000 Francs für Privatzwecke entnommen und unterschlagen. Diesem im Wortlaut mit getheilten Inhalt der Anklageacte stellte sich dann die oben als „Manifest" bezeichnele Vertheidigungsschrift BoulangerS vom 5. August 1889 gegenüber. In dieser Schrift sagt der Angeklagte: er habe den geheimen Reservefond in der *) Die gesammte nationale Presse wird um Abdruck dieser Artikel ersucht. **) DI« deutsch« Socialdemokrotie, ihre Geschichte und thr» Lehre. 3. Auflage. Bremen, Schünrmann, 1879. S. 89—92. lh-I nur „silr di- -ng'-l Vertheidigung >m Augenblicke d.s drängenden E-». »ämÄ A»g.si»>- d-r -» «5- Lage vor und nach dem Schnadelesau, cv-p-r Kr?ege niemals näher g-w-sen sind ^ als d l - 2^ Gescbichtökundige wird Herrn Liebknechl und /Vorwärts» L frankirte Anfrage ger bekhr n daß dieser Sab Boulanger s ver damaligen von ivm v an die Schwelle deS Krieges getriebenen entspricht. Sodann widerlegt Boulanger die g 9 der Anklage, daß er „am Vorabend semes Abzuges a Kriegsministerium 30 OVO Frcs. miterschlagen habe durch -ine von, 3l. Mai 1887 dat.rte Ou.ttung (Cnd Mm ver ließ Boulanger das Kriegsministerium) emeS Herrn Mondion üb?r 32000 Frcs: „Für dle verschledenen Sendunge ^ die ick im Aufträge des Kriegsmmlsters nach Deutschland und B^i-n ausgeführt habe". Und Boulanger b-mer t dazu, Mondion sei sein „Agent gewesen; er hatte große D.ens - geleistet, über welche zu schweigen meine Pflicht ist - ferner war Boulanger beschuldigt, mehr als 30 000 FrcS. für seine Privatbetheilbgung am „Avenir National" aus dem Neserve- fond unterschlagen zu haben. Er weist auch d'ese» Antlag- punct mit Ausdrücken lebhafter Entrüstung zuruck, weil auch diese Gelder für die wirklichen Zwecke des Fonds — u. A- zur Anwerbung deutscher L>oclaldemokraten fu den Kriegsausbruch- verwendet worden seien. End lich belegte Boulanger noch etwa 6000 FrcS. Ausgaben ,^sur verschiedene Missionen an eine» vertrauten Agenten . Von jenen 32 000 Frcs., die er an Al. de Mondion gezahlt hatte, wies er überdies nach» daß er sie nicht aus dem Reservefond, sondern aus dem geheimen Fond des Kriegsministeriums ent- nommen hatte, über den er nicht einmal Rechenschaft zu geben brauckte. Alle diese Einwendungen ,n Boulanger s Vertheidigungsschrift erachtete der Staats gerichtshof als vollkommen zutreffend und er wiesen, denn im Gegensatz zur Anklageschrift, die dem General Boulanger eine Unterschlagung von 279000 FrcS. aus dem Reservefond beimaß, er achtete das Urtheil ihn nur in Höbe von 242700 Francs überführt. Der Unterschied der Summe besteht genau in den 6000 FrcS. an einen „vertrauten Agenten" und den „ehr als 30 000 Frcs., die Boulanger hauptsächlich „zur Anwerbung deutscher Socialdemokraten" auS- gegeben hatte. Diese Ausgaben hielt der fran zösische Staatsgerichtshof für vollständig er wiesen und gerechtfertigt. DaS waren die Ergebnisse meiner Darlegung in der „Magdeb. Z.". Was sagt nun der „Vorwärts" dazu? Er stellt sich zunächst empört, daß ich der Vertheidigungsschrift eines so schwindelhaften Menschen wie Boulanger — den übrigens die deutsche Socialdemokratie erst dann «»griff, als er sicb unfähig gezeigt batte, den Krieg gegen Deutschland zu entzünden — irgend welchen Glauben schenke. WaS eS mit den Notblügen von Angeklagten auf sich hat — namentlich von socialdemokratischen Angeklagten und ihren Eideshelfern — das habe ich in einer mehr als dreißigjährigen juristischen Praxis reichlich schätzen lernen. Aber der „Vorwärts" unterschlägt seinen Lesern wissentlich Wider die Wahrbeit die Thatsache, daß ich an diese Verthei- digungsbehelfe BoulangerS nur glaube, weil der fran zösische StaatSgerichlshof auch daran geglaubt, sie für bewiesen erachtet bat. Der „Vorwärts" „unterschlägt" seinen Lesern wissentlich wider die Wahrheit die Thatsache, daß das Urtheil angenommen und fest gestellt hat, Boulanger habe 36 300 Francs weniger unterschlagen, als die Anklageacte ihm beimaß, und daß der Gerichtshof in seinem Urtheil daher die Angaben, welcke Boulanger über die Verwendung dieser 36 300 Francs macht, als bewiesen und gerechtfertigt erachtet. Durch eine so geflissent liche Fälschung geschichtlicher Thatsachen wagt der „Vorwärts" seine Leser, zum Zwecke der Verleumdung seiner Gegner, zu täuschen. Erinnern wir uns nun noch einmal der Angaben, welche Boulanger über die Verwendung jener 36 300 Frs. in seiner Vertheidigungsschrift vom 5. August 1889 gemacht hat. Die 6000 Frs. an einen „vertrauten Agenten" können hier außer Betracht bleiben, da der nähere Zweck ihrer Verwendung nickt aufgeklärt ist. Bezüglich der 30 300 FrS. aber sagt Boulanger das Folgende. Die Anklageacte hatte ihn beschuldigt: „Er ließ sich mit dem „Avenir National" in eine HandelS- speculation auf ClichsS ein, die sich durch einen starken Verlust auf über 30 000 Francs belief." Darauf entgegnet Boulanger (Daniel S. 285) — ich wiederhole wörtlich die Uebersetzung dieses CitatS, die ich in meinem ersten Artikel in der „Magde burgischen Zeitung" gab, da der „Vorwärts" die Richtigkeit der selben an einer Stelle anzweifelt —: „Ich komme jetzt zu dem, was Sie die Affaire des „Avenir National nennen. Ja, ich habe allerdings aus den geheimen Fonds eine ziemlich bedeutende Summe für die Zeitung „Avenir National" entnommen und ausgegeben zu einem besiimmtrn und absolut vatnot,schrn Zweck. Ich nehme laut und nachdrücklich die Berank- Wörtlichkeit dafür m Anspruch und mache mir einen Ruhm daraus. Was ich damit beabsichtigte, wissen nur einiae meiner alten Mitarbeiter und ich bin sicher, daß sie es Ihnen nicht haben. . . Ich wollte ein Organ zu meiner Verthei- " klch es mir — unter demDeckmantel (Couvert) 1 ^ne mächtige Beihilfe ge- verkehren-^ ^ «halten und mit ihnen zu „Ich wollte aber vor Allem — Sie nöthiaen mich rn »»?«"*m°"'"^"*hüllungtn — unter meiner Hand LtiUe aewUien^ den Socialdcmokraten eines 2 ^ ^ ^"bindunaen unterhielten, so daß konnte an dem Tage, der ------- --i. °° Diese Stelle erklärt der „Vorwärts" für absichtlich falsch übersetzt, da sie französisch heiße: ,,^o voulki» surtout.... Lvmr sou, Ik mkm ckos «sn8 k^ant avec Ie3 socialmte, " I"^,6es rslatioiw ckont ss eomMis mc- «erv r I« zour oi> I» guerro ssrait ti I» vstlls ck'Selkter m»l, »«ulsmsut os iour-Iä» Der wärt." übersetzt da«: „Ich wollte vor Allem^ meiner Hand Leute haben, die zu den Tocialisten eine« gewissen Lanke« Beziehungen hätten, deren (nämlich Be- Ziehungen) ich mich zu bedienen gedachte am Tage rc." Der .Vorwärts" sagt: Durch meine Uebersetzung sei „die an gebliche Absicht viel concreter, greifbarer dargestellt, als Boulanger gethan hat", und seien „die Beziehungen, deren Boulanger sich zu bedienen gedachte, zu leiblichen Socialdemokraten verdichtet" worden, „auf deren Dienste Boulanger zählen konnte". Mir scheint dieser Tadel ebenso sinnig, als wenn ich dem „Vorwärts" sagen wollte, er über setze falsch, wenn er „Is zvur oü lu gusrrs ssrrckt L 1a veille ä'öelrrter" in den Worten wiedergiebt „am Lage, wo der Krieg auf dem Puncte wäre, auSzubrechen" — denn veille beiße Vorabend. Die „Absicht" Boulanger'S ist in beiden Ueber- setzungen ganz gleich „concret, greifbar" — sie kann durch keine Deutele, abgeschwächt werden. Denn sie ist als eine sehr ernste, ja als eine verwirklichte Absicht (wie unten näher dargelegt wird) zur Genüge durch die von Boulanger in Gedankenstriche gestellten Worte bezeichnet: „Sie zwingen mich zu bedeutsamen Enthüllungen". Die Enthüllung einer bloßen „Absicht" — noch dazu einer aufgegcbenen, nicht verwirklichten, hätte iu keiner Weise zu den „Bravos rvvslatiolw", „bedeutsamen Enthüllungen" gezählt werden können. Zudem giebt meine vom „Vorwärts" getadelte Uebersetzung den Sinn deS französischen Texte rn in de st ens so treu wieder wie die des „Vorwärts". Boulanger wollte „vor Allem, surtout", „unter seiner Hand" (d. b. in seiner vollen Gewalt) „Leute haben, die mit den Socialdemokraten eines gewissen Landes", d. h. mit deutschen Socialdemokraten — wie der „Vorwärts" nicht bestreitet — Beziehungen hätten, deren sich Boulanger sicher bedienen konnte („ckont je comptni8 me seivir, auf deren Dienste ich zählen konnte") — die Uebersetzung des „Vorwärts": „deren ich mich zu be dienen gedachte" ist dagegen eine wohlbedachte Falsch übersetzung und Ab schwäch ung deS französischen Originals. Die Gewißheit Boulanger'S, daß ihm diese Dienste zur Verfügung standen, unter allen Umständen und auch in der kritischsten Lage Deutschland-, daS erhellt deutlich auö dem auch im Original unterstrichenen Zusatz: am Tage vor dem Kriegsausbruch, aber erst an diesem Tage." Diese Dienste aber konnten schlechterdings nicht von „Be ziehungen". sondern einzig und allein von Menschen geleistet werden, von den Menschen, mit denen Boulanger jene „Verbindungen" anknüpfen wollte, von deutschen Socialdemokraten. So erweist sich denn meine Ueber- setzung dem Sinn des französischen Satzes sogar ent sprechender, als die deS „Vorwärts", ganz abgesehen von dessen plumper, absichtlicher Falsch Übersetzung des Wortes cowpter mit „gedenken". „Spiegelberg, SpiegelbergI" ruft der „Vorwärts", nachdem er mir, der ich schon als Knabe Fran zösisch gesprochen, eine Lection im Französischen ertheill hat. — „Spicgelberg?!" „eowpwr-gedenken" — auf wen paßt „Spiegetberg?" „Doch das ist nur ein harmloses Vorspiel der Meister leistung", fährt der „Vorwärts" fort, nämlich meiner „Meister leistung". Diese Meisterleistung soll in einer doppelten Leistung bestehen, nämlich erstens darin, daß ich „der Stelle, die S. 285 des Daniel steht" (der oben wiedergegebenen) „plötzlich um 29 Seiten des Originals zurück springend eine S. 256 des Daniel befindliche Stelle folgen lasse, die in gar keinem oder höchstens dem denkbar entfern testen Zusammenhang steht und auch nicht ein Wort ent hält, das auf die deutsche Socialdemokratie irgend Bezug hätte." Wie steht eS in Wahrheit mit dieser Anschuldigung? Die Stelle in meinem Artikel, welche sich an das oben wiederholte Citat aus Daniel S. 285 anschließt, steht auf S. 285 letzte zwei Zeilen u. S. 286 erste sieben Zeilen — und nicht 29 Seiten früher, — wie der „Vorwärts" behauptet. — Diese Stelle steht auch im engsten Zusammenhänge mit der oben citirten Stelle von S. 285 des Daniel und enthält auch sehr viel mehr als „ein Wort, das auf die deutsche Social- demokratie Bezug hat." Denn unmittelbar an die Worte: „auf deren Dienste zählen konnte am Tage vor dem Aus bruch des Krieges, aber erst an diesem Tage" schließt sich der Satz (S. 285 letzte 2 Zeilen): „Aus diesem Grunde wollte ich in diesem Blatte Leute haben, die an dersocial- demokrati scheu Bewegung Th eil genommen hatten." Ja, noch mehr! In meinem ersten Artikel steht bei diesem Satz in Klammer: „S. 285." Der „Vorwärts" wußte also, daß dieser wichtige Satz auf S. 285 und nicht 29 Seiten früher stehe. Dann fährt Boulanger (auf S. 286 des Daniel) fort: „Zu einem derartigen Zwecke brauchte ich nicht blos eine mir ergebene Zeitung, sondern eine Zeitung, welche gewissermaßen das Eigentbum des KriegsministerS sein mußte.... Ich werde nicht mehr sagen, und die Infamie Ihres Vorgehens war nothig, um mich zu derartigen Enthüllungen zu nöthigen." Hinter diesem Citat steht nun allerdings in der „Magdeburgiscken Zeitung" der Druckfehler: S. 256 statt 286. Aber der „Vorwärts" wußte, daß das nur ein Druckfehler sei — für den ich obendrein nichts konnte, da mir die Correcturen nicht eingesandt wurdet, —, der „Vorwärts" wußte, daß die von ihm, indem er plötzlich um 29 Seiten des Originals zurücksprang, nach S. 256 zurückverlegten Zeilen thatsäcblich auf S. 285/86 des Daniel standen, denn er zählt diese 9 Druckzeilen des Originals in dem folgenden Absatz seine- Artikel« selbst ab! Er wußte also auch, daß diese 9 Zeilen im innigsten Zusammenhang mit den vorherigen standen. Er wirft mir also wider bessere- Wissen vor, daß ich plötzlich auf eine um 29 Seiten zurückliegende Stelle „zurückgesprungen" sei. „Spieaelberg" reicht nicht mehr zur Bezeichnung eines solchen Verfahren-, Selbst „Schusterte" ist noch zu edel. Aber «ine Gestalt der „Räuber" ist einer solchen „Meister leistung" ebenbürtig, der Mensch, der sich „nie mit Kleinig- keiten abgegeben". Nun schreitet der „Vorwärts", mit der lieben-würdigen Versicherung, daß ich „einen sehr guten Grund" für mein „Zurückspringen" um 29 Seiten gehabt hatte, zur Enthüllung meiner zweiten Meistrrleistung. Ich hätte nämlich die Stelle m Boulanger'S Vertheidigungsschrift „unterschlagen", die sich an jene von mir in vollster Ausdehnung übersetzten v Druck zeilen auf S. 285/86 de« Daniel anschließt. Diese von mir „unterschlagene" Stelle aber soll nach der Logik de-
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