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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.07.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950713026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895071302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895071302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-07
- Tag1895-07-13
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Juli, an dem in Berlin jene berühmte Depesche Uber die Emser Vorgänge entstand, die den französischen Geschichtsfälschern und ihren socialdemo kratischen Freunden in Deutschland den Porwand für die Behauptung abgab, nicht Frankreich, sondern Bismarck sei der eigentliche Urheber des Krieges von l870/71 gewesen, drängt jedem deutschen Patrioten, dem die Erhaltung deS in diesem blutigen Kriege Errungenen am Herren liegt, eine nichts weniger als erfreuliche Betrachtung auf. Wenn in Frankreich nichts geschieht, um jenen Geschichtsfälschern entgegenzutreten und ihnen das verruchte Handwerk zu legen, so ist das begreif lich. Selbst derjenige Tbeil des französischen Volkes, der den Ausbruch eines Dienen Krieges fürchtet, empfindet ein gewisses Behagen am Spielen mit dem Feuer und einen gewissen Trost in dem Gedanken, daß Frankreich seine furchtbare Demüthignng nicht selbst verschuldet habe. Aber daß auch bei uns diese Lüge einem großen Theile der Jugend ein gepflanzt und daß durch diese Lüge in dem revanchelustigen Nachbar der Rachedurst verschärft werden darf: das ist eine Thatsache, die ebenso unbegreiflich erscheint, wie so manches Andere, was wir 25 Jahre nach der Erhebung Deutsch lands zu gemeinsamer Abwehr einer frevelhaften Heraus forderung erleben müssen. Als „grober Unfug" wird so manches angesehen und bestraft, was harmlos ist im Vergleich zu der dreisten Wiederholung einer Lüge, die nicht nur Kaiser Wilhelm I. im Grabe beschimpft, sondern auch der Bemühung der deutschen Regierungen um die Erhaltung des Weltfriedens direct entgegen wirkt. Von der nationalgesinnten Presse allein ist die Ausrottung vieler Lüge nicht zu erwarten, denn diese wird geglaubt, weil den Personen geglaubt wird, die sie verbreiten. Die Bekämpfung der Lüge wird also erst wirksam, wenn sie zugleich ein Kampf gegen die Verbreiter ist. Und in solchem Kampfe ist ein einziges unbedachtes Wort der Entrüstung um so gefährlicher, je weniger in solchem Falle dem Beleidiger der Schutz des t;. 193 deS R. - Str. - G- zngebilligt wird. Wenn sie ihre eigenen Interessen wahrt, so wahrt die Presse „berechtigte Interessen"; allgemeine zu wahren, wird nicht als ihr Beruf erachtet. Es kann daher gar leicht sich ereignen, daß eine Zeitung verurtheilt wird, weil sie von patriotischem Zorne sich zu einem scharfen Ausfälle gegen den Verbreiter einer den Frieden und die Sicherheit des Vaterlandes gefährdenden Lüge sich verleiten läßt, während der Verbreiter dieser Lüge straflos ausgeht und hierdurch ein neues Düngemittel für seine Unheilssaat gewinnt. Dieser Zustand, in dem die staatlichen Organe in schweigender Unthätigkeit einer Schürung der Revanchegelüste unserer Feinde zusehen und den entrüsteten Gegnern der Schürer dieser Revanchegelüste durch die Rechtsprechung die Arme gelähmt sind, muß die ernstesten Sorgen heraufbeschwören. Entsteht zwischen Frankreich und Deutschland eine neue Spannung, in der die Frage von Recht und Unrecht für das Laienurtheil nicht so leicht zu lösen ist, so kann aus der frevel haften Verhetzung, welche die socialdeinokratischen Blätter in Deutschland mit der „Fälschung" der Einser Depesche treiben dürfen, eine Gefahr entstehen, welche die Früchte des blutigen Ringens von 1870/71 ernstlich inFrage stellt. Dieser Umstand ist wichtig genug, um die berufenen Kreise in Deutschland zu ernster Prüfung der Frage zu veranlassen, wo der Fehler liegt, der einen solchen Zustand herbciführte. Ein Fehler wenigstens muß vorliegen; vielleicht ist mehr als einer vor handen. Einen Versuch zur Beseitigung erst zu machen, wenn Sonnabend den 13. Juli 1895. 8S. Jahrgang. die Folgeerscheinungen noch greller zu Tage getreten sein werden, würde eine nicht zu verzeihende Leichtherzigkeit sein. Aus dem Großherzogthum Baden bat der Telegraph von einem Acte der Genoffenschaftsbildnng in landwtrlh schaftlichcn Preisen gemeldet, dem wir ungleich praktischeren Werth beizumessen geneigt sind, als dem ganzen kostspieligen Lärm um den Antrag Kanitz. Die Landwirthe im Kreise Eppingen haben „unter fördernder Mitwirkung der Regierung" die erste badische Getreide-Absa tz-Genossenschaft be gründet. Das ist schon insofern erfreulich, als gerade der Eppinger Bezirk einen der beiden Badenser gestellt hat, die noch vor einem halben Iabr im deutschen Landwirthschaflsrath für den Antrag Kanitz gestimmt haben. Die Gründung der Absatz- Genossenschaft läßt den Schluß zu, daß man, unbeschadet aller etwa fortbestehenden Neigungen uud grundsätzlichen An sichten über die Einsuhrverstaatlichung und die vierzigjährigen Durchschnittspreise, wenigstens praktisch genug war, daS Unerreichbare nicht weiter zu verfolgen, sondern das Erreich bare jetzt mit fester Hand zu erfassen. Zwei Monate früher wäre die Gründung der Genossenschaft noch mehr st piopo8 gewesen, denn damals hatten wir um 10 höhere Preise für Weizen und Roggen als beute. Ja, die Sep tembertermine notirten damals um 12 bis 14 .^1 höher als gegenwärtig, und nichts stand im Wege, daß auch die Bauern damals bereits „lieferbar September" ihr zur Zeit reifendes Korn verkauften. Es war nur erforderlich, daß sie in einer Genossenschaft die Production eines größeren Bezirks zusammcnsaßten und auch sonst die Lieferungsbedingungen des Großmarktes zu erfüllen sich in Stand setzten. Wenn es für den Augenblick zu spät ist, den Nutzen der Maipreise nock festzuhalten, so ist es doch nicht zu spät, des Vor- theils jeder künftigen Aufwärtsbewegung der Großmarkt preise sich zu versichern. Namentlich aber bietet die Genossenschaft dem Einzelnen jede wünschenSwerthe Gewähr dagegen, daß gerade er die ganze Ungunst gesunkener Preise über sich ergehen lassen muß; die Genossenschaft schützt ihn gegen die Zwangslage, in solchen Augenblicken verkaufen zu muffen. Wie die Marktverhältnisse neuerdings sich gestaltet haben, kann in dieser Beziehung eine Genossenschaft nach Art der im Kreise Eppingen jetzt begründeten sofort ihre guten Dienste leisten. Die rückläufige Bewegung der Getreidepreise, die an den großen Märkten während der letzten Wochen beobachtet wurde, ist kaum von dauernder Bedeutung. Alle neueren Berichte bestätigen vielmehr, daß die überseeischen Kornkammern für 1894/95 nicht entfernt wieder so viel nach Europa werden ab- führen können, wie es für 1893/94 möglich war. Das land wirthschaftliche Centralbureau in Washington stellt soeben fest, daß die Weizenernte nach dem Stande vom 1. Juli in Winterweizen noch um 5,3 Procent schlechter gerathen sei, als schon vorher angenommen war, sie wird nur noch auf 65,8 Proc. geschätzt gegen 84,4 im Durchschnitt der vorigen drei Jahre! Auch hat die starke Zufuhr der letzten Wochen, welche den im Mai so viel höberen Preis wieder um 10—12 herab drückte, eine stark bemerkbare Lücke in die jenseitig sicht baren Vorräthe gerissen. Diese werden für die erste Iuli- wocke nur noch auf 57,70 Millionen Busbelö geschätzt, gegen 72,71 in derselben Wocke deS vorigen Jahres. Hiernach er- giebt sich bereits, daß der jüngst beobachtete Preisdruck nichts weiter gewesen sein kann, als eine leicht erklärliche vorüber gehende Wirkung der stärkeren Zufuhr, die ihrerseits in den höheren Marktpreisen des April und Mai ihre Erklärung findet Aufgabe einer gut geleiteten Getreide-Absatz-Genosscnschafl soll und kann es aber sein, derartige Preisbewegungen auf ihren Charakter und ihre Ursachen hin zu untersuchen und demgemäß den Genossenschafter vor den mißlichen Augen blickswirkungen dieser Preisschwankungen zu bewahren. Wird gar, wie jetzt in Preußen, die Thätigkeit solcher Genossen schaften noch dadurch von Staatswegen gefördert, daß man den Mitgliedern billigsten Personalcredit vermitteln kann, damit sie nicht gerade in der unbequemsten Stunde ihre Feldfrucht verkaufen müssen, so ist denn doch für den Land- wirth ein weithin reichender Schutz und Beistand geleistet. Für reactionaire Zwecke Derer, die unter dem Vorwand einer Organisation der landwirthschaftlichen Interessen nur Politik treiben wollen, hat aber der Staat nicht zu sorgen. Mit argwöhnischen Blicken sieht man in Frankreich auf das Vorgehen Deutschlands in Marokko und ereifert sich darüber, daß wir uns selbst Recht verschaffen, wo man unS keins geben kann. Die französische „Agence Havas" kleidete die Nachricht von dem Vorgehen des Grafen Talten- bach in folgendes Telegramm vom 10. Juli: „Ein deutsches Geschwader, welches hier cingelaufen ist, über- bringt ein Ultimatum mit der Forderung, für die Ermordung eines deutschen Staatsangehörigen Genugthuung zu leisten. Gerücht- weise verlautet, daß im Falle der Verweigerung dieser Genugthuung Rabat oder Casablanca besetzt werden solle." Diese kurze, den Thatsachen leider nicht ganz entsprechende Meldung bat das „Journal des Debats" so aufgeregt, daß es sich zu einem Leitartikel aufschwingt, in dem die folgende Stelle verkommt: „Wenn dies Einschreiten Erfolg hat, wird nur ein bedauerlicher Pröcedenzfall geschaffen, durch den die Beziehungen zu Marokko künftig erschwert würden. Würde aber der deutsche Gesandte Ge walt anwenden, so wäre dies bedauerlich für alle Staaten, die an der Ausrechterhaltung des marokkanischen stutus gu» interessirt sind, besonders das durch Algier benachbarte Frankreich, das mit Unruhe dem deiitschen Vorgehen entgegensehen muß." Die Auffassung, daß, weil eine Anzahl Mächte an dem Bestände eines Raubstaates ein Interesse haben, Deutschland nichts thun dürfe, um sich Genugthuung von der halbwilden Gesellschaft zu verschaffen, ist echt französisch, aber Deutsch land wird trotzdem ruhig den Weg weltergehen, auf den es die zu schlichtende Angelegenheit und der völkerrechtliche Brauch weisen. Darum bat aber die Auslassung des „Journal des Dvbats" doch eine symptomatische Bedeutung. Es ist offenbar der gallische Hochmuthskitzel, welcher sich wieder regt, nachdem Frankreich alle seine Mittel angespannt, um sich vonNeuem kampf bereit zu machen, und welcher durch das Gefühl der russischen Freundschaft noch verstärkt wird. Man kann sich nicht ent halten, irgend einen Anlaß hervorzuzerren, um Deutsch land zu zeigen, daß man selbst vor ihm jetzt keine Furcht mehr hege und daß man sich nicht mehr genire, ihm Mahnungen oder gar nur leicht verhüllte Drohungen zugehen zu lassen. Es ist dies sehr bezeichnend sowohl für Deutschland wie für Frankreich; die Wiedererstarkung des Ersteren hat der Welt einen Frieden gegeben, der jetzt ein Vierteljabrhundert gedauert hat, die Wiedererstarkung Frankreichs dagegen kündigt sich alsbald in Nörge leien und in der künstlichen Schaffung „gespannter Lagen" und dergleichen an. Beunruhigt wird die Welt nicht dadurch, daß Deutschland in einer bestimmten, allgemein bekannten Sache und auf dem hergebrachten Wege fein gutes Recht gegen die marokkanische Regierung verfolgt, obgleich Algerien Marokko benachbart ist, sondern vielmehr dadurch, daß auf diesem Planeten überhaupt neben Frankreich noch ebenbürtige selbstständige Mächte vorhanden sind und sich zu rühren wagen, daß Gott die Erde nicht einfach französisch geschaffen hat. In Sack und Asche thut die bulgarische Abordnung in Petersburg im Namen des gesummten Volkes Buße dafür, daß dieses sich zehn Jahre lang der väterlichen Hand deS Zaren entzogen, daß es seine Selbstständigkeit und Freiheit gewahrt hat. Am Sarge Alexander's III., des Kaisers, der Bulgarien und seinen ersten Fürsten mit unauslöschlichem Hasse verfolgte, legten die Abgesandten einen goldenen Lorbeerkranz nieder, und Metropolit Clement, der alle Verschwörer, hielt ein feierliches Requiem in der §apelle ab, er sprach im Namen seiner Nation. Ein un würdigeres Schauspiel hat es nie gegeben, als dieses Winseln zu den Füßen eines autokratischen Zaren. Es scheint, als ob das bulgarische Volk durch den nicht anerkannten Fürsten Ferdinand zu lauter ehrlosen Wichten und Memmen ge worden wäre, zu einer Gesellschaft von Vaterlandsverräthern, wie sie in solcher Anzahl selten selbst ein Höflings volk aufzuweisen hatte. Stefan Stambulow war ein ganzer Mann und trotz des letzten schmachvollen Jahres bulgarischer Geschichte hegen wir die Zuversicht, daß er nicht der einzige Mann in Bulgarien sein wird, dem die Schamröthe ins Gesicht steigt, wenn am Mittwoch die bulgarische Abordnung vor NicolauS II. das Knie beugt. Der Alleinherrscher hat die „Gnade" gehabt, eine Audienz zuzusagen, und mit Inbrunst wird Ferdinand der Coburger in Karlsbad die Drahtnachricht ans bochfürstliche Herz gedrückt haben, die ihm endlich die Hoffnung auf Anerkennung, auf Aus söhnung eröffnet. Uud er ordnete sofort die Abhaltung von Requiems in Bulgarien an und das „llo^imliu pumiluj" ertönte nie mit mehr Reckt in der Sofianer Kathedrale als an diesem Tage, denn da mußte man sagen: „Herr erbarme dich!" des armen Volkes, das von der Höhe seiner selbst ständigen politischen Entwicklung Dank einem unfähigen Fürsten und einer gewissenlosen Regierung wieder zu russischen Leibeigenen erniedrigt werden soll. Nicht minder widerspruchsvoll, als die auS Sofia kom menden, Makedonien betreffenden Nachrichten, lauten die Berichte auS Konstantinopel über die Haltung, welche die Pforte den makedonischen Vorgängen gegenüber beobachtet, ober einzunehmen gedenkt. Die officiösen Berichte aus Sofia lassen das sichtliche Bestreben erkennen, Besorgnisse, die an die macedonische Bewegung geknüpft werden, als übertrieben darzustellen und darzuthun, daß die bulgarische Regierung daraus bedacht sei, die Bewegung, soweit eS sich um eine Unterstützung derselben von Bulgarien aus handelt,einzudämmen. Diesen Meldungen stehen aber fortgesetzt solche gegenüber, die den Ernst der bulgarischen Regierung, der macedonischen Be wegung entgegenzutreten, sehr fraglich erscheinen lassen. Was die Haltung der Pforte anlangt, so wäre sie nach einer Lesart geneigt, den Bulgaren die gewünschte Errichtung der neuen bulgarischen BiSthümer in Macedonien zuzugestcben, während nach der anderen LeSart ein solcher Entschluß der Pforte kaum zu erwarten sei und demnach die An kündigung dieses Zugeständnisses nur den Zweck gehabt hätte, die Bulgaren in eine günstigere Stimmung zu versetzen, die aber sofort in ihr Gegentheil verwandelt werden würde, wenn es sich Herausstellen sollte, daß eine Aussicht auf Erfüllung der erwähnten bulgarischen Wünsche nicht vorhanden sei. „Es scheint sich" — so schreibt man der „Kreuzzeitung" — „in den türkischen maßgebenden Kreisen die schon seit Langem bestehende Doppelströmung immer mehr geltend zu macken, unv es ist daher sehr fraglich, ob, selbst wenn jene den Sieg davontragen sollten, welche Zugeständnisse an die Bulgaren bezüglich der BiSthümer in Macedonien befürworten, ein solcher Beschluß wirklich zur Aus führung gelangen werde. Vor Allem sind die Dinge in Macedonien selbst fo weit gediehen, daß es hießet das Schlimme durch Schlimmeres zu ersetzen, wenn die Zugeständ nisse an die Bulgaren nicht auch durch solche an die Serben und Griechen ausgewogen werden würden. Selbst wenn, was noch zweifelhaft ist, durch daS Zugeständnis; der FeiriHetsii. Haus Hardenberg. 32j Roman von Ernst von Waldow. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) DaS junge Mädchen horchte auf. Anfangs hatte sie nur in der Manier verwöhnter kranker Kinder ihren Wunsch, ihre Bitte vorgebracht, in der festen Ueberzeugung, daß sie Gewährung finden würde. Jetzt aber beunruhigte sie dieses „es muß sein", und sie fragte, die Blicke der großen Augen forschend auf die Stief mutter heftend: „Du kommst doch aber bald wieder, Mama?" ValeSka nickte stumm. Eine Lüge wollte sie nicht und die Wahrheit konnte sie diesem Kinde nicht sagen. DaS war Renate noch verdächtiger, dann aber kam ihr ein Einfall: „Du triffst wohl mit Onkel Siegfried in Erbach zu sammen." „Ja, Kind, ich hoffe eS." Valeska athmete erleichtert auf und erzählte dann ihrer Stieftochter von Erbach und ihrer Iugendieit dort. Renate bückte sich tiefer auf die Stickerei, welche sie in Händen hielt: „Da war Wohl auch Lieutenant Saalfeldt und seine Schwester, Du nanntest ihn ja immer Deinen Jugendfreund." „Nein, erst in Berlin lernten wir sie kennen, weil wir in einem Hause mit ihnen zusammen wohnten." „Der Lieutenant hat sich ja laug« nicht sehen lassen", be merkte Renate. „Er ist verreist." „Wohin denn?" „Das weiß ich nicht, Kind, er sandte eine AbschiedSkarte — dat ist aber schon lange her, damals warst Du noch sehr krank." „Und er hatte da« Herz, mich zu verlaffen", dachte Renate bei sich. Thränen traten ihr in dir Augen und tropften langsam herab. „Was ist Dir?" fragte BaleSkä, die e« bemerkte, besorgt. „Nicht- — gar nichts. Es stimmte mich nur so traurig, daß Du mich verlassen willst." „Mein armer Liebling!" seufzte Valeska, die Stieftochter an sich ziehend, um sie durch sanfte Liebkosungen zu trösten. XIV. Mit ängstlicher Vorsicht hatten die Ehegatten eS vermieden, daß sich im Hause vorzeitige Gerüchte über ihre bevorstehende Trennung verbreiteten, aber sie hatten es doch nicht völlig hindern können, daß die Dienstleute ihre Bemerkungen über die Winterreise der jungen Frau machten. Auch speiste Va leska immer noch mit ihrer Stieftochter in deren Zimmer zusammen, obschon Doctor Friedebach eS seiner Patientin ge stattet, sich an den gemeinsamen Mahlzeiten zu betheiligen. Valeska hatte mit Hilfe Luise's ihre Koffer gepackt, denn am nächsten Tage sollte der Hauptmann eintreffen. All die kostbaren Sammet- und Seidenroben, der Schmuck und die echten Spitzen — Geschenke, womit Hardenberg seine junge Frau in verschwenderischer Weise übersckütiet hatte — sollten Zurückbleiben. ValeSka wollte nichts mitnehmen von den Liebesgaben deS Mannes, der sie so schwer, so tödtlich be leidigt hatte. DaS Schlimmste stand ihr noch bevor: die Trennung vom Gatten und Tochter und die Mittheilung von allem Ge schehenen an Onkel Dietrich. Der alte Herr war ja noch völlig ahnungslos, da sie in ihren Briefen an ihn keinerlei Anspielung gemacht — solche Dinge kann man ja auch nicht schreiben. Was aber auch in Valeska'S Seele vor sich gehen mochte, äußerlich war sie gefaßt und ruhig und schickte sich an, nachdem sie mit Renate gespeist, einige Abschiedsbesuche zu machen. Vor Allem wollte sie zu Clementine v. Strehlen gehen, die sie seit vielen Wochen, schon der Ansteckungsgefahr wegen, nicht gesehen hatte. Aurelie Winterfeld und Tante Rosamunde sollten mit Abschiedskarten abgefunden werden — zu waS sollte sie den Triumph dieser gehässigen und klatschsüchtigen Weiber noch dadurch erhöhen, daß sie ihnen Gelegenheit gab, in ihr blasses Gesicht, in ihre traurigen Augen zu sehen. Kaum hatte Valeska da» Haus verlaffen, so ließ Renate die alte Friederike rufen, und als diese erschien, fragte st« ge spannt: „Wird sie kommen, Friederike?" „Da« schon, Fräulein, aber ich Hab s nicht gern gethan." „Wo denkst Du nur hin, der Vater ist um diese Zeit in seinem BÜreau, er kann sie gar nicht eintreten sehen, und hierher in mein Zimmer pflegt er nicht zu kommen." „Er hatS halt verboten und wird seine Gründe dazu haben, denn die Martha Winterfeld oder eigentlich ihr Vagabund von Sohn sind doch einzig und allein schuld daran, daß die arme junge Frau aus dem Hause muß, noch dazu bei so einer Hundekälte." „Aber es ist ja ihr eigener Wille, daß sie nach Erbach mit dem Onkel Dietrich reist, was hatten denn auch die Winterfeld's damit zu thun." „Da ließe sich viel darüber sagen, aber was ein braver Dienstbote ist, der soll Alles sehen können und nichts weiter sagen. Mir ist nur jetzt der Mund übcrgelaufen, weil ich die gepackten Koffer habe stehen sehen, und Luise läßt auch die Flügel hängen, und es hätte nicht viel gefehlt, da hätten wir beide geflennt wie die Kinder. Na, mögen die Anderen — ich meine die Frau Aurelie und Tante Rosamunde und der Herr —, mögen sie denken und sagen, was sie wollen, jetzt glaube ich kein Wort mehr davon und an der Sache mit dem Lieutenant ist auch nichts." „Mit welchem Lieutenant denn?" fragte Renate erbangend. „Nun, mit dem Herrn Saalfeldt, der so oft auf Visite in« HauS kam." „Und mein Vater konnte das glauben — ?" „Natürlich — das ist eben das Schlimme." „Aber das ist ja reiner Wahnsinn!" „Nu freilich — und wenn ich davon gesprochen habe, was ich nicht hätte sollen, so ist das deshalb geschehen, weil ich dachte, daß Sie, Fräulein Renatchen, vielleicht ein gutes Wort für die Stiefmutter beim Papa einlegen sollten — sie HatS wohl verdient um Sie in der Krankheit, und wenn ich noch daran denke, wie sie dort am Bette niedergekniet ist und die Hände gefaltet und gebetet hat: Gott möge sie statt ihrer sterben lassen — und daS mit einer Stimme, daß mirS kalt über den Rücken gelaufen ist. Und eS war ihr Ernst damit, heiliger Ernst, das können Sie mir glauben. Seitdem habe ich sie lieb bekommen, die Stiefmutter, und ließe mich in Stücke für sie hauen. Aber jetzt muß ich hinunter gehen, die Frau Martha abfangcn, über daS Andere sprechen wir noch." Renate blieb allein zurück, wortlos, starr blickte sie vor sich nieder, als hätte sich da plötzlich auf dem blumigen Teppich ein Abgrund vor ihr geöffnet. So hatte sie noch nicht genug gebüßt durch ihre schweren Körper- und Seelenleiden? — Die böse Saat, welche sie aesät, war aufaeaangen und die arme, unschuldige Mutter sollte nun da« Opfer werden! Darum blickte ihr Vater so trübe, waren Glück und Froh sinn auS dem Hause geflohen. Gleich einer Verbrecherin mußte die Herrin in die Verbannung ziehen — deshalb hatte Valeska mit so tief trauriger Stimme neulich geantwortet: „ES muß sein!" „Nein — nein, eS darf nicht sein!" Wenn nur erst Martha käme — sie hatte dieselbe schon längst zu sprechen verlangt, in der Hoffnung, mindestens eine Kunde von dem Geliebten zu erhalten, darum hatte sie Friederike beauftragt, Frau Winterfeld herbeizuholen da die Stiefmutter ihr gesagt, daß sie vor Abend nicht heimkommen werde. Jetzt wartete Renate in fieberhafter Spannung auf das Erscheinen der alten Frau, denn ihr ahme, daß da »och ein Geheimniß verborgen sein müsse, sonst hätte ja Friederike nicht sagen können: Frau Martha und deren Sohn trügen die Schuld an der bevorstehenden Scheidung ihrer Eltern. Aber was konnte es sein — sie vermochte cs nicht zu errathen. Da ward die Thür geöffnet, Frau Winterseld trippelte herein, blaß, trüben Auges, sich ängstlich umschauend. Sie brach sogleich in Thränen aus, als sie daS junge Mädchen erblickte. Die arme Frau weinte jetzt bei dem geringsten Anlaß — daS Kreuz, welches sie zu tragen hatte, war ja auch gar schwer. Renate, voll Ungeduld, begann mit ihren Fragen, denen aber Martha geschickt auszuweichen verstand. Da ergriff Renate erregt ibre Hand: „Frau Martha, wenn Sie mich wirklich so lieb haben, wie sie versicherten — und sie weinten ja vorhin vor Mit gefühl, als Sie mich so blaß und hager fanden —, also wenn Sie mir helfen wollen, ein gutes Werk zu thun müssen Sie mir Alle« sage», was Sie von dem Einbruch, dem Lieutenant Saalfeldt und dem bösen Gerede über meine Stief mutter wissen. „Aber ich darf ja nicht, Renatchen, ich habe es Ihrem Papa in die Hand gelobt, daß ich über Alle» schweigen will." „Sie habe» nur kein Vertrauen zu mir, mein Vater wird nie erfahren, daß Sie mir etwas gesagt. Hören Sie mich doch, ich will diese Sachen ja nicht auS müßiger Neugierde wissen, sondern um ein Unglück zu verhüten, denn — um ganz offen gegen Sie zu sein — ich vertraue Ihnen an, daß meine Eltern «ine Scheidung vorbereiten und meine Stief mutter schon morgen unser Hau« verlassen will, eS ist also keine Zeit mehr zu verlieren." „Großer Gott!" rief Frau Martha bewegt, „also da»
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