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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.07.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-07-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950716020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895071602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895071602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-07
- Tag1895-07-16
- Monat1895-07
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ErtraeBkilagru (gesalzr), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördenmg 60.—» mit Poslbesörderung ->l 70.--. —— Annahmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morge n - Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» stud stets an die Expedtkio» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 341. Dienstag den 16. Juli 1895. MM -ck— Politische Tazesschau. * Leipzig, 16. Juli. „DeS Menschen Herz an sonn'gen Glückrstagen Wird sauft und mild, so daß eö Milde übt, Daß denen selbst das strenge Recht vergiebt, Die schwere Schuld auf dem Gewissen tragen." Dieser Anfang eines alten Sonetts kommt uns in den Sinn, indem wir in der „Nat.rlib. Corr." an der Spitze einer Betrachtung über den Segen, den der von Frankreich vor sSi»f,t»Vzwat,;tg Jahren dem deutschen Bolle auf- gezwungetie Krieg dein letzteren gebrächt hat, die Satze lesen: „Was liegt Saran, daß ein Liebknecht lauter denn je zuvor durch die Welt trompetet, es sei eine BiSmarck'jche Depeschen- sälschung, die den Krieg hcraufbrschworen hättet Fast möchten wir den armseligen Menschen bemitleiden, der überhaupt nichts mehr von dem empfinden kann, was rineili Volke das Herz bewegt und die Gefühle erhebt!" In diesen Sätzen kommt dasselbe weiche Gefühl zum Aus druck, das den alten Dichter in beglückter Stunde bewegte. Aber wohl niemals bat dieses Gefühl weniger Berechtigung zur Aeußerung und Bethätigung gehabt, als jetzt den frivolen Geschichtsfälschern und Hetzern gegenüber, die dem deutschen Volke wieder zu rauben suchen, was es in blutigen Schlachten auf französischem Boden errungen. Zm Grunde ist ja jeder Verbrecher, der sein Gewissen belastet und sich herausstellt auS dem Kreise Derer, die mit freier Seele eignen und fremden Glückes sich freuen, zu bemit leiden. Aber wenn diefcs Mitleid so weit gehen dürfte, der strafenden Gerechtigkeit in den Arm zu fallen oder das Verbrechen auch nur zu verkleinern und als unschädlich zu bezeichnen, so würde die ehrliche und schuldlose Welt dem Verbrecherthum wehrlos ausgeliefert werden. Wir würden eS daher auf daS Tiefste beklagen, wenn.durch zahl reiche Blätter in diesen Tagen die empfindsam weichliche Phrase liefe: „Was liegt daran, daß ein Liebknecht lauter denn je zuvor durch die Welt trompetet, eS sei eine Bismarck'sche Depeschenfälschung'» die den Krieg beraufbeschworen hätte!" Es wäre eine ernstliche Gefahr, die heraufbeschworen würde, wenn auch nur rin Theil des nichtsocialdemokratischen Volkes die Empörung, dir das vatcrlandsfeindliche Gebühren des Inspirators de« „Vor wärts" in jeder männlichen Brust Hervorrufen muß, zum schwächlichen Mitleid abdämpfte. Dieses Blatt und seine Hintermänner, haben sie etwa Mitleid mit denen, die sie systematisch mit wilder Hetzerei deS heiligsten Gefühls berauben, Mitleid mit dem Vaterlande, dessen rachelustigcn Feind sie zu noch heißerem Rachedurst anstacheln? Können wir mit schlappem Mitleid die Gefahren abwehren, die ein Rasender innerhalb und außerhalb unsrer Grenzen heraufbeschwört? „WaS liegt daran!" Selbst die demokratische „Frkf. Ztg.", die zu den wärmsten Anwälten der Nachbarnation und den verbissensten Gegnern des Fürsten Bismarck in Deutschland gehört und nicht einmal seine Redaction der Einser Depesche correct findet, hat darauf eine männlichdeutsche Antwort. Sichtlich empört über die ruchlose Hetzerei deS „Vorwärts" leitet sie einen Artikel über den 15. Juli 1870 folgender maßen ein: „Es sind heute fünfundzwanzig Jahre, daß der französische Minislerrath unter dein Vorsitz des Kaisers Napoleon 111. die Kriegserklärung an Preußen beschlossen hat. Frankreich hat damit vor der Geschichte die amtliche Verantwortlichkeit für den Krieg von 1870 und seine Folgen übernommen. DaS ist unumstößlich und wird von den Franzosen selbst anerkannt. Dagegen hat es von Seite der Franzosen nicht an zahlreichen Versuchen gefehlt, sich wenigstens von der moralischen Verantwortlichkeit zu entlasten, indem sie ----- 89. Jahrgang. sich als die Ueberrumpelten, durch List und Betrug zur Kriegs, krklärung Gebrachte» hinstellten. Es liegt auf der Hand, daß eine olche Darstellung Nicht blos unwahr, sondern auch sehr schab- lich ist. Sie will Recht und Unrecht verschieben, den Schuldigen entlasten, den provocirtcti Sieger allein belasten. Damit Wird dem unterlegenen Herausforderer die reinigende und bessernde Wirkung der Ereignisse genommen: er halt sich für den un- schuldig Verfolgten, der nichts Gescheidteres thun kann, als auf die Wiedervergeltung des erlittenen Unrechts in jeder Weise hinzuwirken." Das ist die rechte Antwort auf das „Was liegt daran" Der „Vorwärts" stachelt die Franzosen zur „Wieder- vergeltung" an und zwar zur „Wiedervergestuna" an einem Gegner, den derselbe „Vorwärts" durch Verhetzung seiner Genossen um Tausende von Streitern zu schwächen versucht! DaS liegt daran! Uno darüber sollen wir nnS mit weichherzigem Mitleid hinwegsetzen? Aber eS liegt noch viel mehr daran. Das Rechtsbewußtsein im deutschen Volke wird schon bedenklich genug dadurch erschüttert, daß es für allen möglichen „Unfug" Strafen giebt, nur nicht für Menschen, die systematisch durch Lüge und Verhetzung daS Vaterland gefährden. Nur dadurch rann unser erschüttertes Bewußtsein wieder gekrästigt werden, daß wenigstens die nationalgesinnte Presse — obgleich ihr ein solches Amt ab gesprochen wird — zum Richter sich aufwirft und die Schuldigen dem wohlverdienten Abscheu preisgiebt. Und auch dieser Abscheu, der endlich auch die Gesetzgebung und Rechtsprechung beeinflussen muß, soll zum schwächlichen Mitleid abgedämpft werden, daS alle Rechtsbegrisfe verwirrt und ertödlet? Jedes Wort des frivolen Heyartikel« des „Vorwärts" war ein Hohn auf die deutsche Strafgesetzgebung und Rechtsprechung — und solchen Holm tust einem „Was liegt daran"! und dem Gefühl des Mit leide»« zu beantworten, vcrbieteU uns unsere Pflicht- und Rechtsbegrisfe. Hoffentlich hat daS deutsche Volk, daS vor fünfundzwanzig fahren für den äußeren Feind, der seinen Rachedurst mit Hilfe eines Rechtsbruchs zu stillen suchte, die rechte Antwort fand, auch die rechte Antwort für den ge fährlicheren inneren Feind» der seinen wilden Haß gegen unsere staatliche und gesellschaftliche Ordnung durch Auf stachelung der französischen Revanchegelüste und Hohn auf bas Recht schäm- und erbarmungslos sättigt. In Arantretch ist die parlamentarische Session nuUmehr geschloffen. DaS Cabinet Ribot, dem nach seiner Bildung kein allzu günstiges Horoskop gestellt wurde, ist auf seinem Posten verblieben, obgleich, insbesondere von radikaler Seite, mehrfache Versuche gemacht wurden, eS zu stürzen. Die Tbeilnahme französischer Kriegsschiffe an den Kieler Festlich keiten war der hauptsächliche Vorwand für einen parlamen tarischen Ansturm, der vom Conseilpräsidenten Ribot und dem Minister des Auswärtigen Hanotaux mit dem Schlagworte der französisch-russischen Allianz zurückgewiesen wurde, das jedoch von russischer Seite bisher keineswegs ratiflcirt worden ist. An positiven Ergebnissen ist die nunmehr beendete parlamen tarische Session in Frankreich sehr dürftig; auch ist eS bis jetzt keineswegs gelungen, daS Deficit im Staatshaushalte endgiltic zu beseitigen, wie sich denn die Kammermehrheit unter Anderem beharrlich gegen die Einführung der Einkommensteuer sträubt. Au) handelspolitischem Gebiete verdient da« mit der Schweiz abgeschlossene Abkommen hervorgehoben zu werden Hatten der Führer der extremen Schutzzöllner, MSline, und dessen Anbang auch vor wenigen Monaten erklärt, daß an dem ursprünglich ablehenenden Standpuncte festgehalten werden müßte, so wurden sie durch den Rückgang der französischen Ausfuhr nach der Nachbarrepublik aufs Empfind- itchste all ab8uräum geführt. Freilich wurden auch in dem nunmehr vereinbarten Abkommen die französischen Interessen im Vergleiche mit denjenigen der Schweiz dermaßen in den Vordergrund gerückt, daß innerhalb der eidgenössischen Be völkerung selbst eine gewisse Opposition gegen die Einzelheiten des Vertrags sich geltend macht. Sehr bemerkt wird die Aeußerung deS italienischen Ministers des Auswärtigen Baron Blanc, welche derselbe in der Sonnabendsitzung der Kammer in Bezug auf König Mcncltk vor« Abessinien anläßlich der Interpellation Tosani über die angebliche Verhaftung deS italienischen Ingenieurs Capricci durch den König gethan hat. Der Minister sagte bekanntlich: Man könne nach dem internationalen Recht Bertheidigungsmaß- regettt gegen einen rebellischen Schützling nicht als einen Krieg bezeichnen; eS könnten vorübergehende Feindsetigkeiten vorhanden ein, aber König Mene lit sei kraft der europäischen und italie nischen Abmachungen thatfächlich rin Schützling Italiens. Italien habe in Abessinien seine Fahne anfgepflanzt und sie nicht zurückgezogen. Was die italienischen Abmachungen betrifft, so meint Baron Blanc den Vertrag von Utschalli vom 2. Mai 1889, dessen Artikel 17 lautet: „S. Majestät der König der Könige von Aethiopien willigt ein, sich der Regierung Sr. Majestät des Königs von Italien für alle Unterhandlungen mit anderen Mächten und Regierungen zu bedienen." Von italienischer Seite wurde dem Ausdrucke „willigt ein" alsbald die Bedeutung einer Verpflichtung beigelegt. Sobald Menelik davon Kenntniß erhielt, erhob er unter französischem Einfluß Einsprache und ließ darauf binweisen, daß der betreffende Ausdruck im amharischen Texte nichts Anderes bedeute, als daß er berechtigt sei, sich der Vermittelung der italienischen Regierung zu bedienen, hingegen nie daran gedacht habe, seine volle Souverainetät und Selbstständigkeit aufzugeben. Trotzdem blieb der Vertrag bestehen und der Negus fügte sich scheinbar; bis zum Jahre 1893 dauerte das Verhältniß zwischen Abessinien und Italien ruhig fort. Nachdem aber Menelik im Jahre 1893 die von Italien erhaltene Anleihe von 6 Millonen Franken bezahlt hatte, kündigte er den Vertrag in aller Form auf. Deutschland, England, Oesterreich stellten sich damals auf die Seite Italiens, welches meinte, daß der auf „unbegrenzte Zeit", d. h. auf immer, geschloffene Vertrag von Utschalli nur nach gemeinsamem Einvernehmen abgeändert, nicht aber einseitig aufgehoben werden könne. Offenbar sind Frankreich und Rußland dieser Ansicht nlcht, denn ErstcreS bat bis in die jüngste Vergangenheit am Hofe des NeguS weiter gegen Italien gehetzt, und Letzteres hat durch verschiedene „wiffeuschaftliche" Expeditionen ver sucht, in Abessinien festen Fuß und Einfluß zu gewinnen. Erst jetzt wieder wird eine derartige Expedition aus gerüstet und kann sicher sein, daß sie dort mit offenen Armen ausgenommen wird, denn nach dem glänzenden Empfang, welchen die gegenwärtig in Petersburg weilende abessinische Gesandtschaft am Hose des Zaren gefunden hat, fehlt nichts mehr zu einer russisch - abessinischen enteilte eoi-äiale. In Rom scheint man gewillt, die Rechts frage ruhen zu lassen, von dem Vertrage von Utschalli bis aus Weiteres nicht mehr zu reden, hingegen weder in Paris, noch in Petersburg die Verstimmung über die Gegner schaft zu verbergen und in Abessinien keine thatsäch liche Beeinträchtigung erworbener Rechte Und wichtiget Interessen zu dulden. In diesem Sinne ist auch die oben erwähnte Aeußerung Baron Blanc'S auszusassen Uebrlgens darf nicht vergessen werden, daß die Italiener selbst schon vorher den Vertrag verletzt haben. Als RaS Mangascha, dessen Erhebung sicher auf eine Unterstützung Menelik'S zurückzuführen war, geschlagen worden war, wurde seine Provinz Tiare in die italienische Colonie Eritrea eiu- >czogen und mehrere wichtige Puncte in derselben besetzt. Dadurch war es ausgesprochen, daß Italien sich nicht mehr an den Vertrag von Utschalli halte, nach dessen Be timmungen Tigre außerhalb des italienischen Besitzes bleiben olltr. Fürst Ferdinand von Vulgär tc» und seine Höflinge arbeiten mit Hochdruck auf Prestige in Petersburg und, WaS als neueste Wendung in den bulgarisch-russischen Beziehungen wtrachtet werden muß, Nicht ohne einen gewissen Erfolg, wenn dieser auch noch weit von dem Ziel aller Wünsäie Herdinand's, der Anerkennung durch den Zaren entfernt ist. Zweifellos hat die Anwesenheit der bulgarischen Deputation unter der Führung des Metropoliten Clement und deS Sobranjevorsitzenden Todorow in Petersburg dort wieder lebhafte, noch im Steigen begriffene Sympathien für Bulgarien erweckt, man interessirt sich wieder für daS Ländche», daS man bis dahin vollständig „ignorirt" hatte, und während die Deputation heute einer Einladung deS Oberprocurators Pobje- donoßjew, morgen einer solchen nach Peterhof folgt und am Donnerstag beim Stadthaupt speist, treten die russischen Blatter geräuschvoll für eine „Versöhnung" mit Bulgarien ein. Sogar der einflußreiche „Grashdanin", der die Ankunft der bulga rischen Deputation in der russischen Hauptstadt nicht besonders ympathisch begrüßte, wünscht, daß Rußland Bulgarien ver zeihe, doch nur dann, wenn dieses sich „gesenkten Hauptes der Gnade Rußlands auSliefere und dessen Richterspruch erwarte." Man könne sich kaum eiwaS Unvernünftigeres verstellen, als die selbstständigen slawischen Staaten, wie z. B. Bulgarien, Serbien, Rumänien; dieselben seien nur Zweige eines großen BaumeS» welche zufällig und unnatürlich von ihrer Haupt wurzel seitwärts geschoben wurden. Es werde aber un vermeidlich der Tag kommen, an welchem alle diese Königreiche und Fürstenthümer in der russischen Nation aufgehen. Die Geschichte der slawischen Stämme zu machen, sei nur Rußland berufen, nicht aber die Brüderchen vom Balkan, und wenn der historische Augenblick cintteten würde, dann würde sich alles Schwache und Ab normale in den mächtigen und harmonischen Strom ergießen. Wiederholt haben die bulgarischen Deputirten sich über den Zweck ihrer Reise ausgesprochen und unverkennbar durch- blicken lassen, daß sie um den Preis der Anerkennung des Fürsten bereit sind, Rußland jedes Opfer zu bringen und namentlich die dSte uoire Stambulow, dieses Haupt- binderniß, für eine bessere Gestaltung der Beziehungen beider Länder, völlig unschädlich zu machen. Daß Stambulow dem Gericht übergeben werde, ist Todorow, der sich aus führlich darüber aussprach, nickt zweifelhaft; für den Miß brauch der Gewalt müsse ein Exempel statuirt weiden; seit Stambulow's Beseitigung athme Bulgarien freier auf, dafür spreche die Ankunft der Deputation in Petersburg, der wieder ermöglichte Eingang der russischen Zeitungen in Bulgarien, die Wiederaufnahme der russischen Sprache mit den russischen Lehrbüchern in den bulgarischen Schulen, die „Freiheit bei den Wahlen", die Entlastung des Budgets um acht Millionen Francs und die Herabsetzung der Grundsteuern um 40 Proc. „Wie die Negierung, so ist auch die Volksvertretung erfüllt von deni Wunsch, die Wunden zu heilen, die das ack't jährige Regiment Stambulow's dem Lande zugesügt, sowobl in der Verwaltnüg, wie in den Beziehungen zu Rußland." — Den Eindruck, den die Deputation von Petersburg davon getragen, faßte Todorow dahin zusammen: „Aus unseren Unterredungen mit zahlreichen hochgestellten Persönlichkeiten haben wir die Ueberzeugung gewonnen, dag daö bulgarische Volk in den hiesigen höchsten Sphären viel Freunde hat. Das ermuthigt uns und läßt uns glauben, daß die Zeit 1j FrniHrtoii» Das verlorene Paradies. Roman von Anton Freiherr von Perfall. Nachdruck verboten. Vielgelästerter, vlelumwimmerter Herbst — der jedem Gries gram und Weltschmerzler zum Motto dienen muß, — grauer Entblätterer, nebelumwallter, feuchtkalter, schwermuths- ichwangerer Todesbote, — verzeih den kurzsichtigen, hinter kalten Mauern Verbannten, die Dir nie in das frische, männlich trotzige Antlitz geschaut und keine Ahnung haben, daß eS dasselbe ist, dessen wonniges Lächeln sie vor wenigen Monaten ent zückte. Die ernste Größe deS Vollbrachten verklärt Deine Züge, Du zerstörst nickt daS Werk Deiner Jugend, bändigst nur weise den unqezäymten Trieb und bereitest Dick vor zu dem gebeimnißvollen Schlummer, den sie Tod nennen, um pbönixgleich, ewig derselbe, von neuer Jugend schwellend, daraus zu erstehen. Die vielvrrschlungenen Thäler, die Schluchten und Halden erglühen in buntem Farbengrniisck», zwischen der Buchen flammenden, sich thürmrnden Kuppeln drängt sich der goldig llattrrnde Ahorn, wäbrend die beständigen treuen Fichten und Tannen den ernsten Grnndton angeben. — Kräftiger Wein- sernch steigt auf vom frisch gefallenen Laub und ein Farben spiel beginnt im Frühsonnenschein, da« jede« Pinsel« spottet! Hallen dann noch die Laute fröhlichen Gejaid« durch den Forst, daS Geklapper und Halloh der Treiber, der Anschlag der Hunde, der Klang des Hifthorn«, da« langsam vergrollende Knattern der Gewehre, dann rühren sich fröhliche» kräftige Stunden. Da« junge Mädchen, dicht an den hundertjährigen Buchen stamm sich drückend, den leuchtenden Blick auf die durchsichtige Dickung vor sich gerichtet, die Wangen vor Erwartung ge- rötdet, die zierliche Büchse schußbereit in den kleinen, aber trästigen Händen, genoß sichtlich mit allen Sinnen diese kräftige, würzig« Luft der Jagd, de« köstlichen Morgen«, jugendlichen Vollgefühl«! Die üppigen blonden Zöpfe unter dem grünen, verwetterten Hütchen batten sich gelockert und lagerten sich nun auf der grünen Lodenjacke, welche dolmanartig über die Schulter der schönen Gestalt hing. Der Trieb bewegte sich gerade ans sie zn, link« und recht« ielen Schüsse, feine Rauchschwaden schwebten zwischen den Buchenstämmen. Ihre Erregung wuchs sichtlich, oft athmete sie hoch auf, den Kopf etwas nach rückwärts beugend. So oft ein neuer Schuß siel, stampfte sie mit dem rothen Iuchten- stiefel, der bis zur halben wohlgeformten Wade reichte, aus dem Boden. Sir war mit ganzer Seele bei der Sache, offen bar ebenso weit entfernt von jeder weiblichen Koketterie oder EmancipationSsucht als von dem sentimentalen Gefühle, dadurch ihre Weiblichkeit zu verletzen. Plötzlich spannten sich ihre jugendlichen Züge, die der Flaum der reifen Pfirsich bedeckte, ein grausamer Ernst lagerte sich darauf — vorsichtig hob sie die Büchse in Wangenyohe. — Zwischen dem Gestänge der Dickung trabte ein Fuchs — blieb stehen — sicherte — dann wieder vorwärts in ahnungs losem HundStrabe, gerade auf die Jägerin zu. Als der Schuß krachte, lag der Rothe schon am Boden, die Ruthe zum letzten Male schwenkend. Ein lautes Bravo erschallte durch den Buchenwald aus männlicher Kehle. Das Mädchen lauschte selbstzufrieden, während e« eine neue Patrone au« denf Gürtel nahm und in den Lauf steckte. — Dann begann der Conflict der Neugierde, da« erlegte Wild zu besehen, mit der strengen Vorschrift, den Stand vor Ende deS Triebe« nicht zu verlassen. Da« Mädchen stellte sich auf die Fußspitzen nnd lugte auf die Beute. Dann begann ein Höllenlärm im Bogen, die Hundemeute schien auf eiuen Punct concentrirt. DaS Helle Geläute schlug die Richtung zu dem Nachbar ein, letzt stürmte es krachend durch die Buchrnschonung — eine Rauchwolke stob empor — der Nachbar hatte geschossen — gefehlt Wohl! Der Lärm wandte sich. Ein Rudel Rehe polterte daher, angsterfüllt, die Hälse weit vorgestreckt — ein Muttrrthier stürzte vor die Jägerin — da« Kitz drückt sich angsterfüllt an dasselbe. Die Jägerin stand regungslos. Ihr Blick richtete sich lauernd nach rückwärts auf den Bock mit hohem, gebräuntem Gehörn, der sie hinter einem Bnchenstamm hervor sorgfältig musterte. Ein kläffender, die Fährte verfolgender DackShund machte der Spannung rin Ende, der Bock sprang seilwart«. Die Jägerin feuerte in rascher Wendung, daS Thier brach mit den hintern Läusen zusammen und müyte sich, schlecht getroffen, in quäl voller kreisförmiger Bewegung. Wieder ertönte da« männliche Bravo, aber dieSma lächelte da« Mädchen nicht: ratblo« starrte es auf den Todes kamps de« Tbierrt, ans da« Unglück, da« t« angerichtet — sprang hinzu und wandte da« Antlitz von dem brechenden Auge. „Georg, komm doch! DaS arme Thier!" rief eS dann in angstvoll flehenden Tönen. „Ist der Trieb ja noch nicht zu Ende! Nur liegen lassen! Kommt nicht mehr auf!" war die Antwort. „Abscheulich!" flüsterte das Mädchen fast weinerlich und hob das Gewehr zum Gnadenschuß. Da vernabm es Tritte hinter sich und setzte ab, sich wendend: Ein großer,' junger Mann, das Gewehr unter dem Arme, stand vor ihm. „Hast Du Deinen grausamen Bruder gehört?" fragte eS. „Warum grausam ? Das ist die Jagd, der Sport! Und Du liebst ihn ja so sehr, Kitty", erwiderte dieser, ohne Miene zu machen, den Wunsch deS Mädchens zu erfüllen. „Gewiß liebe ich ihn! Aber deshalb hin ich noch lange nicht gefühllos! Willst Du, oder willst Du nicht?" Kitty sprach diese Worte mit gereizter Energie. „Nicht mehr nöthig", erwiderte der junge Mann. „Daö arme Ding hat bereits ausgelitten." „DaS arme Ding!" Die junge Dame wandte sich rasch zu dem verendeten Thier unv beugte sich über dasselbe, daS geperlte, starke Gehörn prüfend. „Ein Capitalbock! Du bist mir Wohl neidisch, aber ich lasse mir die Freude nicht verderben. Sieh nur die Stangen! Eine Abnormität. Georg hat ihn gefehlt — jawohl! Gott, wird Papa eine Freude Habens Nein, da« Glück, daS Glück! Ein so dummes Mädel einen solchen Bock schießen!" Die junge Dame hatte sich auf den Boden gekniet, be trachtete das gefallene Wild und prüfte das Geweih mit kindlicher Freude. Keine Spur mehr von Mitleid oder Reue, der Bock war ja jetzt verendet und schreckte sie nicht mehr mit sxlnen TodeSkrämpsen. „Na, freust Du Dich denn gar nickt ein wenig mit? Thu doch wenigsten« so!" wandte sie sich an den jungen Mann, der sie aufmerksam beobachtete. „O, dieser Iagdneid der Männer!" „Ich — und Iagdneid k DaS ist ja die reinste Schmeichelei au« Deinem Munde." „Ja, da« ist wahr, Du bist ja ein schrecklick langweiliger Jäger! — Ich mein», wenn ich mich freue, solltest Du eS auch . . „Tbue ich auch immer, Kitty, immer! Nur wundere ich mick, daß Du Dich so freuen kannst Über diese« Häufchen Unglück", erwiderte der junge Mann „Natürlich, jetzt kommt die Moralpauke! Für ein Mädchen paßt die Jagd nicht. Das soll immer mit niedergeschlagenen Augen und gefalteten Händen umhergeben und zusammen schrecken. wenn eine Flinte knallt. Blut soll sie gar nickt sehen können, ohne in Ohnmacht zn fallen. — Aber ick bin einmal anders — warum denn nicht auch das einmal? Mich freuen alle die Sachen, das Reiten, Fahren. Jagen, Pferde, Hunde. — Deshalb kann man doch mädchenhaft denken und fühlen- Glaubst Du das nicht?" ' Es lag ein Vorwurf in dieser Frage. „Ich weiß, daß Du so denkst und fühlst — und eben darum — doch, es ist wirklich lächerlich, Dir vor einem ge schossenen Capitalbock eine Vorlesung halten zu wollen, anstatt Dir, wie eS sich von einem Cavalier ziemt, den Bruch auf den Hut zu stecken." Der junge Mann brach einen herabbängenden Buchen- zweig. „Ich werde wohl nie mehr dazu Gelegenheit haben!" Dann schnitt er ihn mit dem Messer zurecht und steckte ihn auf das Hütchen der Dame neben den Adlerflaum. Einen Augenblick schwiegen Beide. — Kiltv beugte ganz demüthig daS Köpfchen und ließ sich schmücken, dann hob sie e« und reichte dem jungen Manne die Hand. „Ich danke Dir, Franz! So oft ich da« Geweih ansebr, werde ich an Dich denken! — Also wirklich übermorgen schon — in die häßliche Grube? Ob, mich schaudrrtS, wenn ich daran denke, hier in dem göttlichen Licht . . ." „Mich gar nicht. Ich liebe sogar die häßliche Grube." „Ab, höre doch nur auf, ich weiß schon! Die Arbeit liebst Du, daS SchaffenI" erwiderte daS Mädchen mit spöttisch bombastischer Betonung. „Und Alle«, was dieser Welt nicht angebört, verachtest Du — und doch bist Du auch nicht für sie geschaffen, sondern für die unsrige, für die Welt der Lebensfreude, des Vergnügen«! Und ich Haffe da« Geschick, das eS anders gewollt! — Jawohl, lache nur! Ick Haffe auch diese Welt der Arbeit, die Dich wieder verschlingt auf ein Jahr, — die keine Freude kennt, kein frohes Lachen ..." Kitty iprath mit leidenschaftlicher Wärme. „Ob, da irrst Du Dich aber doch, — Du kennst sie gar nicht. Ich wette, Du bist noch nicht einmal in Schwarzacker eingesahren", erwiderte der junge Mann. „Denke auch gar nicht daran! Ich mache immer einen Umweg, um diesen schwarzen, bleichen Männern nicht zu be gegnen, «ntgegnrte Kitty. „Wenn ick Dich aber bitten würde — zum Abschied» —»
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