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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.07.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-07-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950717021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895071702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895071702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-07
- Tag1895-07-17
- Monat1895-07
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NKIr. l»0 - 25 - rLlr. vk. ckdr. o. itbr. s. kr 'käbr. !k.L«Lll! 13S.— 7- 4 »1, 4 3-^ 4 !A? 101.— 105.— 102.2S 104 SO 102.10 104.S0 103,— kt. n. 8. d.Lvin. /4ot.-8p. ?r . L. X <to. S r-Lrsllll -. u. 6K. -.ir-k'. kii»n«o >l«vu« l.-L.-k'. Lct. 6. 1'. Llv. kreuso u OK. LiLtitb. L»K1» lisdsll. 8oidr.) ,xänr> tuu.-?. vt.-8 i.u.V . V.k. a-L. tsiuL 55.— 71.— ISS.- 140.2S 170.S0 105.— 203.— 125.— 335,50 138.50 1V7.— SS.— 65.— 76.— iR- SS.— 130,— 12 — N»S. IS b-s. >2 6. ut?omki. >S.S0 6. >4.35 S. 5.75 6. 1.26 6. 5,35 6. B,— 6. 3.— 6. 1.80 6. 3.75 6. 3.70 O. 3.— 6. 4.50 6. 3.75 6. 3.80 6. 1.— 6. ilckLsIUdur. siksn. 1.50 L 1.50 6. 1.50 6. !.75 O. 1.50 6. !.50 d»L >,40 6. .25 6. .25 6. .25 O. ,25 6. .25 6. 50 6. 25 6. — 6- 60 6. SO br(j. SO 6. 70 6. SS 6. 8. 6our» 53.50 kr SS.— 6. 10.50 L 52.— 6. 55.50 (1. 78.50 U. ;?.75 S. 15.— 6. 17 6. jg>50 ». 15,— ü. Z.-^8: 5,— 6. 2180 6. 1.— 6. a 8tüolc. 70,— 18S.V0 104.— VS75 55.— 70.60 40.25 62.50 84,— 10S — 120.40 21.70 10L.70 7680 126.40 801.50 268,— 11S.50 161.60 141.75 151.75 114,80 204,25 175.50 88^50 ISO. 165.50 122.10 241,— "0,50 Bezugs.Preis k> der Hauptexpeditton oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich.64.^0, bei zweimaliger täglicher Zustellung i»S Hau« -etz 5.50. Durch die Post bezöge» für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l 6.—. Direkt» täglich« Kreuzbandsendung in« Ausland: monatlich 7-üO Die Morgen-NuSgabr erscheint täglich mit Au«, nahm» nach Sonn» und Festtagen '/,? Uhr, di» Abend-Ausgabe Wochentag« 5 Uhr. Nrdaction und Expedition: J»hanne«,asse 8. Die Erpeditlon ist Wochentag« un untrrbroche, geöffnet von früh 8 dt« Abend« ? Uhr. Filialen: Ltt» Sle««'« Sortim. (Alfred Hahn). UntversitätSstraße I, LouiS Lösche. Aatharinenstr. 14, pari, und KönIgSplatz 7. Abend-Aufgabe. tlpmer und TlUtbiaü Anzeiger. Organ für Politik. Localgeschichte. Handels- «n^eschastsverkehr. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4ge- spalten) bO^L, vor den Familirnnachrichtea (L gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Zifsernsatz nach höherem Tarif. (krtra-vrilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne sßostbefördrriwg -St 60.—, nnt Postbesörderuog ^ 70.-». Ännahmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentag«) Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an dir Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. F-343. Mittwoch den 17. Juli 1895 8S. Jahrgang. Der Mordanschlag auf Stambulow. —<» Ueber das ruchlose Attentat aufStambulow herrscht überall, wo man de» Gang der Dinge in Bulgarien während deS letzten Jahres theils mit wachsender Besorgniß für die nationale Selbstständigkeit des begabten Volkes, tbeils mit Ekel vor der schweijwedelnden Gesinnungslosigkeit seiner jetzigen „Führer" verfolgt hat, nur eine Stimme der Ent rüstung und Empörung. Der Mann, der Bulgarien« Frei heit gerettet, der für sie gekämpft und geblutet, der Mann, der mit einer Thatkraft und Hingebung sonder gleichen den Thron des Coburger Schattenfürsten gestützt und sein Land in der Achtung der europäische» Mächte höher ge hoben, als es je zuvor gestanden, liegt, von der Hand elender Meuchelmörder zerfleischt, als bejammernswerther Krüppel auf dem Schmerzenslager, das ihm vielleicht zum Todten- bett wird! Mag Stambulow auch immer ein über die Interessen Einzelner rücksichtslos hinwegschreitendes Re giment geführt, mag er zuweilen die Politik der eisernen Hand au^u fühlbar gemacht haben und selbst vor Gewalt mitteln nicht zurückgeschreckt sein, er that es doch nur aus Liebe zu seinem Volke, das er groß und unabhängig machen wollte, und im Kampfe mit mächtigen Einflüssen von außen, denen gegenüber ei» anderes Regiment schlechterdings un möglich war, und deshalb hat er «in solches LooS nicht verdient. Wer die Urheber des Mordanschlags gewesen, ist noch nicht bekannt geworden und wird vielleicht immer im Dunkeln bleiben. Die Anschuldigungen der Freunde Stambulow's richten fick, namentlich gegen die Nachlässigkeit der Polizei, die von dem Attentate schon vorher Kunde gehabt haben soll, ja es werden Stimmen laut, welche die Polizei beschuldigen, den Mordplan unterstützt zu haben. Ausfallen muß es allerdings, daß, während Stambulow bis zum Montag von Polizei organen streng überwacht wurde und nur in Begleitung solcher ausgehen durfte, diese Begleitung am Montag, dem Tage des Attentates, fehlte, und befremdlich ist es, daß die Gensdarmen, welche etwa fünfzig Schritte vom Orte des Ueberfalles standen, nicht rechtzeitig zugesprungen sind, um Stambulow den Mördern zu entreißen und diese zu verhaften; statt dessen wurde der Diener Stambulow's, der selbst verwundet worden war, die Mörder verfolgte und seinen Revolver gegen sie abfeuerte, an der Verfolgung gehindert und verhaftet. Seine Abführung geschah in brutaler Weise. Aber eS giebt noch mehr dunkle Puncte in diesem blutigen Drama. So ist eS nicht Brauch von Mördern, die einen wohlvorbedilchten Streich führen, ihre Waffen, wie berichtet wurde, halbdutzend weise an der Mordstelle liegen zu lassen. Von den Be sitzern der dort Vorgefundenen Dolche und Revolver ist Stambulow schwerlich getroffen werden, sie sind ohne Zweifel nur dazu bestimmt, von der rechten Spur abrulenkeu. Man will eS so hinstellen, als seien Türken die Thäter gewesen, daher auch der türkische Handschar (Jatagan), der in Bul garien beute gänzlich unbekannt ist, daher das vor Kurzem von Sofia aus verbreitete Gerücht, Stambulow sei der eigent liche Urheber der macedonischen Bewegung und deshalb gegenwärtig in der Türkei der bestgehaßte Mann! Nach Allem scheint Privatrache völlig ausgeschlossen. Man bat es wohl zweifellos mit einem politischen Morde zu thun, und wenn man der gegenwärtigen Regierung auch keine direkten Beziehungen zu den Mördern Nachweisen kann, so ist sie doch ebenso wie Prinz Ferdinand moralisch für das Entsetzliche, waS geschehen ist, verantwortlich zu machen. Beide haben Stambulow durch die Behandlung, welche sie ihm seit seinem Sturze zu Theil werden ließen, durch seine fortgesetzte unerhörte politische Miß handlung für vogelfrei erklärt und jedem Mordbuben preisgegeben, der sich um Bulgarien „verdient" machen wollte; sie habe» Stambulow vor Bulgarien wie ein Opserthier aus- gestattet, ihn aller denkbaren Verbrechen beschuldigt, als den Verderber des Landes gebrandmarkt und der Rache der Nation bezeichnet. Waö Wunder, daß sich endlich ein Mörder fand! Aber die Früchte ihrer Politik, wenigstens die von ihnen er hofften, werden sie schwerlich ernten. WaS haben sie erreicht mit ihrer Speichelleckerei an den Stufen deS Zaren- throneS'? Es cursirt in diplomatischen Kreisen die gut be- laubigtr Nachricht, daß Rußland geneigt sei, als Zeichen deS „Entgegenkommens" der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Bulgarien durch Entsendung eines — nicht ossiciellen — sondern ofsiciösen diplomatischen Agenten nach Sofia Rechnung zu tragen. Auch die übrigen europäischen Mächte sind in Sofia durch einen solchen officivsen Agenten ver treten, der, eine Art Nothbriicke zwischen Bulgarien und den Mächten, geschaffen wurde, um über die Thatsache hinwcg- zuhelfen, daß das Land von einem nicht anerkannten Fürsten regiert wird. Der Agent verkehrt nur mit der Regierung. Der Fürst ist für ihn Luft. Da« also wagt man in Peters burg Bulgarien zu bieten! Jene erkennt man — vorläufig — an, dagegen hat eS sein Bewenden bei der Nichtanerkennung des Fürsten, den man noch dazu einer ofsiciösen Aufsicht durch einen russischen, nicht verantwortlichen, weil nur „ofsiciösen" Agenten unterstellt, der naturgemäß der Krystallisationspunct für alle gegen den Fürsten und den jetzigen Zustand ge richteten Bestrebungen werden würde. Damit hätte man denn in Bulgarien wieder jene russische Neben- und Gcgenregie- rung mit der wohlverstanvcnen Aufgabe, baS Land aufzu wühlen, bis es für die letzten russischen Absichten reif ist. Um diese Errungenschaft mußte Stambulow geopfert werden! Doch wir lassen nun die bis heute Mittag über den Mord anschlag vorliegenden Nachrichten folgen, deren Kritik nach dem eben Gesagten sich von selbst ergiebt: * London, 16. Juli, Abends 7 Uhr. Heute Abend liegt hier ein ausführlicher Drahtbericht über den Angriff auf Stam bulow vor. Stambulow hatte eben den Unionclub mit Petkow verlaßen, als plötzlich drei Männer seinen Wagen überfielen und den Kutscher zwangen, anzuhalten. Stambulow's Diener feuerte mit einem Revolver auf die Angreifer, ohne zu treffen. Stambulow stieg aus, aber er hatte kaum den Fuß auf die Straße ge setzt, als ein Messerstoß ihm eine Hand fast vom Arme trennte. Er machte einen Fluchtversuch, wurde aber von den Angreifern eingeholt. Einer versetzte ihm einen Messerstich in den Kopf, ein Anderer streckte ihn durch einen Revolverschuß nieder. Alsdann stürzte» sich die Angreifer auf ihn und fügten ihm einen Messerstich nach dem andern zu. Petkow, der ihn zu ver> theidigen versuchte, erhielt einen heftigen Faustschlag ins Gesicht, das bald von Blut überströntte. Stambulow wurde sodann von einer Menschenmenge umringt, die durch die Revolver schlisse herbeigelockt war; auch Gendarmen erschienen, aber die Angreifer waren entflohen. Als Stambulow nach seinem Wagen gebracht wurde, fuhr seine Schwester, die Generalin Mutkurw, vorüber. Sie brach in Thränen aus, als sie seinen Zu stand sah. Stambulow wurde nach seiner Behausung gebracht und auf ein Sopha gelegt. Die herbLigerufenen Aerzte entschieden, daß die Amputation einer Hand sofort erfolgen müßte und daß die der andern gleichfalls nothwendig werden könnte. Die Wunden sind so zahlreich und ernst, daß sein Zustand die ernstesten Besorg niffe einflößt. Petkow behauptet, er sah kurz vor dem An fall die Gendarmen in einiger schwinden. Alle drei Angreifer waren lunge Leut. * Losia, 16. Juli. Der ärztliche Kranlh-^ Nachmittags belagt. daß der Zustand Sta, welche das gebessert habe. Gegen eine °PP°sttwn°N ^ Sblu.t Attentat billigte, ist Anklage erhoben worden. Das Reg » Mic" drückt seine tiefe E»trüstu»g(!) über den schändliche-, -i » aus und verlangt die Bestrafung (I?) des Schuid.S-u- T - 'Agm batcanigue" meldet: Im Laufe des heu.ig-n V°rmM^ bntow ziemlich ruhig. Ueber die Mögtt-t>^ am Lebe» zu erhalte», sprachen sich die Aerzte zuruckha * »oüa 16 Juli. Wie versichert wird, hat Petkow, der wichtige Augenznige. erklärt, daß er keinen vondcu An^e.«N kenne. Bis Mittag wurden etwa 70Jndw,duen m H° ll-nonnmn. „ach dem Verhör aber größte,ithe.ls wieder entlaßen. Minister traten gestern Abend zu emer Verathung zu summen, welch- bis 2 Uhr Morgens dauerte und he»'- Vor mittag fortgesetzt wurde. In politischen Kr°.,en w.rd vers chert daß di« Regierung eine Ehre (I?) darein setze, die Urheber des Anschlags ausfindig zu mache», was großen Schwierigkeiten (. ) begegnen dürfte, da keiner von den Zeuge,, bestimmte -lngaben machte.-Tie „Agence balcanique" meldet weiter: Vier Männer, welche Stambnlow im Delirium als seine Mörder bezeichnete, wurden verhaftet, aber mit Ausnahme Tusektschicfs s wieder in Freiheit gesetzt, da sie ihr Alibi iiachzuweisen vermochte». Elu- Schwadron Eavallcrie wurde abgejandt. * Prag. 16. Juli. Die Gemahlin Stambulow's weilte während der letzten Tage hier in Prag. Sie wollte sich heute früh zur Cur nach Karlsbad begeben. In der Nacht empfing sie die Nachricht von dein Mordanfalle auf ihren Gatten. Sie trat sofort die Rückreise nach Sofia an. In ihrer Begleitung befand sich auch eine ihrer Töchter. * Karlsbad, 16. Juli. Der hier zur Cur weilende Fürst von Bulgarien erhielt die Nachricht vom Attentat aufStambulow gestern 11 Uhr Nachts durch ein chifirirtes Telegramm. Der Fürst richtete ein in den wärmsten (!) Ausdrücke» abgesaßtes Telegramm an die Gattin Stambulow's, i» welchem er tiefbewegt (!) über das Unglück seines langjährigen Mitarbeiters klagt. Gleichzeitig gab er strengen Auftrag, die Schuldigen mit dem Aufgeblot aller Energie zu er mitteln. Das Gerücht, der Fürst wolle jetzt nach Sofia reisen, ist unbegründet. * Berlin» 17. Juli. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg Ztg." schreibt: „Das tragische Geschick deS früheren bulgarischen Ministerpräsidenten Stefan Stambulow wird auch in Deutschland ein allgemein menschliches Bedauern Hervorrufen. Wie sehr auch über den Politiker Stambulow vom Parteistaudpuncte aus die Mei nungcn auseinandergehen mögen, so wenig wird das Urthei der Geschichte über den Patrioten zweifelhaft sein Bulgarien verliert in ihm einen seiner fähigsten Söhne, und es erscheint nicht ausgeschlossen, daß die Aufregung, die dieses Ereigniß im gegenwärtigen Augenblicke in Bulgarien Hervorrufen dürste, die ruhige Fortentwickelung des Landes im ungünstigen Sinne beeinflussen könnte." Politische Tagesschau. * Leipzig, 17. Juli. In die Kette von Agitationsmitteln, mit denen die Häupter der Locialvemokratic den „großen Kladderadatsch" vorbereiten, ist ein neues Glied eingefügt worden, um zu »er litte», daß, wenn die zur Revanche aufgestachelten Franzosen von außen und die fanatisirten „Genossen" von innen ich an die Arbeit machen, die dickköpfigen Bauern den )roceß des „Hineinwachsens" der jetzigen Staats- und Gesellschaftsordnung in den Zukunftsstaat stören. Zu diesem Zwecke hat die Agrarcommission der socialdemv- ratischen Partei, dem Beschlüsse des letzten Parteitags gemäß, das „ landwirthschastliche Programm" fertig ^stellt, ,„it dem nach einem Worte des ehrlich gebliebenen Fanatikers Bebel die Bauernfängerei im großen Stile betrieben werden soll. Die Socialdemokratie fordert in diesem Pro gramme Alles, waö nicht die deutschen Bauern, sondern Bauern jemals gefordert haben, — freilich aus Rücksicht auf die Landarbeiter auch Vieles, was den Bauern nicht gefallen änu, so z B. die Uebertragung der Einrichtung der Fab ri k- ii, spection auf den Landwirthschaftübetrieb und dieEinführung der Gewerbegerichte. VorAllem erkennt die Socialdemo- ratie daS Privatcigenthum anGrund und Boden an, enes Eigenthnm, dessen Beseitigung an der Spitze ihres Pro gramms als nothweudige Vorbedingung der Existenz der socia- listischen „Gesellschaft" steht. Diese «spitze bleibt bestehen, und die Forderungen aus Befestigung des ländlichen Privatbesitzes treten hinzu, so daß der erste und der zweite Theil des Pro gramms sich zu einander verhalten wie Wasser zu Feuer. LLenn die neuen agrarischen Vorschläge ernst gemeint wären, so würde mit ihrer Aufnahme in das Programm die Social demokratie das Harakiri an sich vollzogen haben. Sie sind aber selbstverständlich nicht ernst gemeint, und Herr Schon- lank bat zu ihrer Empfehlung in Frankfurt gesagt, man müsse den Bauer für den Fall der socialen Revolution „neutralisiren, damit er die Arbeit nicht stört": Bevor wir die Axt im entscheidenden Moment an die Wurzel des Baumes legen, bevor wir ausholen zum entscheidenden Schlage, müssen wir das Erhreich lockern, in dem er steht, damit der Baum beim Nieder- stürz die ganze kapitalistische Mißwirthschast zu Boden schlägt. Aus dieseni Grunde, so führte Herr Schönlank weiter aus, müsse den Bauern verborgen bleiben, daß überhaupt die Axt an die Wurzel gelegt werden soll, und dazu bedürfe es eines die Ziele der Socialdemokratie in ihr Gegentheil verkehrenden Agrarprogramms. Aehnlich sprachen sich Herr v. Vell mar, vr. Quarck und Andere aus, und der Partei tag billigte den beabsichtigten Betrug mit sehr großer Mehrheit. Die einzelnen „Forderungen" durchzugehen, verlohnt sich nicht; sie sind alle alt, von den ver schiedensten Parteien überkommen und mehrfach in Theilen Deutschlands schon erfüllt. Natürlich fehlt auch das mit Verachtung behandelte Genossenschaftswesenunter dem, „was wir wollen", nicht. Es wird S taa tScrebit für die Genossenschaften verlangt, ein Postulat, das für Preußen (also für drei Fünftel der deutschen Bevölkerung) ein Viertel jahr zu spät kommt — die Errichtung einer Staatsbank für Genossenschaftscredit ist dort bekanntlich bereits gesetzlich be schlossene Sache. Das ganze Programm ist auch in seiner nicht erfüllbaren Forderung nach allgemeiner und sofortiger Ver staatlichung der Hypothekenschulden vom socialdemokratischen Standpunct aus erzreactionair, ein Denkmal der „Rück ständigkeit", von der sich städtische „Genossen" mit Abscheu wenden würden, wenn man es auf ihre Erwerbsverhältniffe so 17150 138.70 S3.75 166.V0 316.70 -vrl. 2j Feuilleton. Vas verlorene Paradies. eL Mp- mui Roman von Anton Freiherr von Perfakl. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Sie bemühte sich jedoch vergeblich, den sich rasch ent wickelnden Jüngling für ihre Liebhabereien zu gewinnen, ihren Sport «u miniature, den sie schon als Kind trieb. Wenn er ihr dann mit einer seinem Alter weit vorgeschrittenen Ueberlegung erklärte, daß alle diese Dinge nur für die reichen Leute seien, aber nicht für ihn, der einmal sein Brod durch Arbeit verdienen müsse, dann war sie sittlich entrüstet über diese Ungerechtigkeit, welche völlig Gleichberechtigten aus ihr unverständlichen Gründen so verschiedene LebenSloose zutheilte, und sah mit einem mitleidigen Grauen auf den Jugendge fährten, der ihrem Begriffe nach einer entsetzlichen Zukunft entgegenging. Sein Brot verdienen I Arbeit! Diese Worte verkörperten sich für sie einzig in den bleichen, gebückten Gestalten der Grubenarbeiter ihres VaterS, deren Anblick sie stets sorgfältig auSwich. Kam dann einmal Baron Georg in schmucker Husaren uniform nach Vals geritten, stets voll heiterer Laune, zu allen Tollheiten aufgelegt, konnte sie sich trotz alle- gegen den Be vorzugten eingebildeten Grolles eine« sympathischen Gefühls nicht erwehren. Er war schön, gesund, heiter, ein vollendeter Eavalier; eine glänzende Zukunft lag vor ihm. Seines Lebens Horizont zeigte kein Wölkchen, sein Anblick erweckte nur heitere, lebensfrohe Gedanken, und sie mied sorgfältig jedes Leid, nur im Anblick schon, wie das Kranke, Häßliche. Die letzten Jahre trennten sie immer mehr von Franz, der sich während der kurzen Zeit seine« Aufenthalte« in Sittenfeld entweder hinter seine Bücher oder in die Sitten felder Kohlengruben verkroch, während sie zu Roß, zu Wagen oder mit der Flinte am Rücken sich umhertrieb. Seit langer Zelt zum ersten Mal wieder betheiligte sich Franz an einer Jagd, und sie zweifelte nicht daran, daß er es ihr zu Liebe that, vor seinem endgültigen Scheiben von der Heimath. Bis jetzt war er immer noch der Baron Prrchting, der StandeSgenosse, der Nachbar — damit war eS jetzt zu Ende, wenn sie auch nicht daran dachte, ihre Gesinnung gegen ihn zu ändern. Er verließ für immer ihre Welt, und wenn er einmal wiederkam, kam er als Fremdling. Wenn sie jetzt daran dachte, packte sie etwas wie TrennungS- weh. Eigentlich stand sie außer dem Vater Niemand nahe als Franz, das kam ihr jetzt erst so ganz zur Besinnung, und WaS sie an ihm immer auSzusetzen, zu bespötteln hatte, seine ernste Lebensauffasiung, seine ihr völlig unbegreiflichen, ganz außerhalb ihrer Sphäre liegenden Interessen, sein schlichtes, derbes Wesen, dem die ihr gewohnte gefällige Form mangelte — daS Alles schien ihr jetzt, im Augenblicke des drohenden Verlustes, in ganz anderem Lichte. Es war ihr jetzt ein Bedürfniß, einen kleinen Ausschnitt zu erbalten aus der Welt, welcher Franz von nun an ange hören sollte, ahnend, daß ihre Phantasie ihn gar oft aufsuchen werde. So lauschte sie jetzt ans dem Heimwege aufmerksamer denn je seinen Erklärungen und kam nicht zu Ende mit Fragen. Franz war zuerst überrascht und dann froh bewegt, bei ihr auf solch unerwartetes Verständniß zu stoßen. Er sprach sich in eine Begeisterung hinein, in eine Kühnheit der Hoff nungen, welche hinwiederum auch Kitth's leicht bewegliche Seele mächtig erregte. Jetzt konnte sie den morgigen Tag kaum noch erwarten. Die Einfahrt in Schwarzacker erschien ihr jetzt als daS reizvollste Abenteuer, dem sie je entgegen gegangen. Schloß Vals, dickt am Rande einer steil in ein waldiges Thal abfallenden Hochebene gelegen, war einer der ältesten Herrensitze deS Lande«. Die Stile mehrerer Jahrhunderte vereinigte» sich in ihm zu einem bizarren Bau von malerischer Willkürlichkeit. Die gewisse, von modernen Baumeistern mit vieler Mühe gesuchte Patina deS Alterthums wirkte auS- gleichend auf die sonst schroffen Uebergänge, so daß daS Ganze trotz allem organisch entstanden schien. Der Reichthum deS Besitzers sorgte dafür, daß die Un bequemlichkeit der Bauart nicht fÜblbar wurde. Hinter den bemoosten alten Mauern und Steinbastionen fand sich neben der gediegenen Schlichtbeit längst vergangener Zeiten der rafsinirteste Luxus der Gegenwart, der jedoch nirgends in Weichlichkeit und Gerirrtbeit ausartete. Alle« trug ein mrbr männliches Gepräge. Der EultuS des Sports drückte dem Ganzen seine Siegel auf, eS roch nach Pferden, Hunden und Leder zeug. Der englische Stil war der herrschende in Lebensweise, Dienerschaft, Stall und Salon, bis herab rur Kleidung und zu den einfachsten täglichen GebrauchSgrarnständen. Die Herren machten Toilette zum Diner, e«Nk Sitte, die der Uneingeweihte nach anstrengenden Jagdtagen, müde, hungrig, als ein lästiges Opfer empfindet, die aber für den Lebe menschen, abgesehen von der Eliquette und der physischen Annehmlichkeit, eine wohlberechnete Genußerhöhung in sich schließt, indem er dadurch den sonst rein animalen Eultus deS Magens wesentlich verfeinert und veredelt. Comteffe Kitty erschien in einfacher dunkler Toilette, hoch geschloffen, gereifter und doch mädchenhafter. Sie hatte mit dein Kleide auch sich selbst verändert. Das laute, ungebundene Wesen war jetzt einer vornehmen Würde gewichen das ebensowenig affectirt erschien als das erstere. Vorher war sie pikant,jetzt war sie schön, und diese gesunde Härte der leicht gebräunten Haut stach vortheilhaft ab gegen daS durchsichtige, kränkliche Antlitz der englischen Gesellschaftsdame, die sie begleitete. Die Herren waren größtentheils Lffsiciere aus der benach barten Stadt, und daS Civil saß ihnen wie gewöhnlich nicht recht zu Leibe, nur Georff von Prechting war tadellos in seinem den zierlichen Wuchs zeigenden Smoking, während Franz in dem puritanisch geschlossenen Gebrock, unter welchem mächtige Muskeln spielten, einen völlig bürgerlichen Eindruck machte. Als er seinen Platz auf der unteren Seite des Tisches suchte, wo er ihm als dem Jüngsten und auch dem Range nach zukam, machte ihn Georg mit einem Lächeln, das ihn verdroß, aufmerksam, daß er den Ehrenplatz einnehme, neben der Comteffe. Zum Abschied wohl, fügte er bei. Franz schämte sich des Gefühles, das in diesem Augen- blick ,n ihm ausstieg und das Blut ihm bis auf die Stirn trieb. Die Hand Kitty'S, die er küßte, strömte jetzt berückenden Duft aus. » "'achte kein Hehl aus einem Riesenappetit, und das Menu war für Jager bestimmt, rafsinirte Reizmittel waren überflüssig. Kräftig und vortrefflich war die Parole des Kockes. On dein stimmungsvollen, eichenaetäfelten Speisezimmer, ^.^..^ande ^agdtrophaen aller Art schmückten, an der m,t köstlichen Weinen und Speisen besetzten, mit jenen, viel- grstattigtn, ehrwürdigen Gerätlie, welches nur daS Alter und der Reichthum eines Hause« schaffen kann, gedeckten Tafel entwickelte sich rasch jene glückliche Stimmung, die nur unter H.»rschaft der Jugend, der Gesundheit und deS Wohlstandes ihren ganzen Reiz entfaltet. de« TageS bildete natürlich den Mittrlpunct de« Gespräches Würzige Wald.Sluft wehte Über den Tisch die Augen blitzten aus bei der Erinnerung an frohe Waid- mannSstunden, Humor und derber Scherz purzelten mit Has' und Reh und Fuchs im lustigen Durcheinander, bis einmal zufällig das Wort „Pferd" fiel. Da ruhte der Wald, die Büchse wurde an den Nagel gehängt, und im Feld und Busch werk erdröhnte der Hufe hohler Klang. Die Rennbahn prangte in vollem Festesschmuck. Die berühmte La Fleche, die Simonstochter, rang mit Orme, dem großen Doncaster- sohn aus der Little Sister, zu Sandown Park um den Preis der Eclipse StakeS, dieses RiesenrennenS, das eben vor Kurzem in der ganzen Sportwelt so gewaltiges Aussehen gemacht. Georg von Preckting war selbst auf dem Sattelplatz. Sein sonst etwas erschlafftes Gesicht bekam plötzlich einen scharf markirten, energischen Ausdruck. D>e Augen blitzten leiden schaftlich bei der Schilderung des großen Tages. Im Anfänge lag May Duke voran, erst nach einem Viertel Weges begann El Diablo vorzurücken, Alle antworteten auf den Vorstoß, mit Ausnahme Medicis, der auf Speed geritten wurde. Ein wildeö Rufen der Begeisterung ging über den Platz, als La Fleche zu El Diablo aufzuschießen begann. Das aber dauerte nur wenige Sekunden, da zog schon wieder May Duke an sie heran, und Orme legte sich neben die große Gegnerin. Lautlose Stille herrschte im Zimmer, kein Messer, kein Glaö wurde berührt, selbst der Diener, ein alter Reitknecht, stand wie erstarrt mit der gefüllten Platte. Kitty war ganz blaß geworden, ihr glänzendes Auge ruhte anf Georg, den der Eifer förmlich verklärte. Sie batte ihren Nachbar völlig vergessen, der sich selbst nicht der allgemeinen Spannung entziehen konnte. Die Situation beim Einbiegcn in die Gerade war die, daß vorn die Vierjährigen May Duke »nd El Diablo gingen, denen Orme und La Fleche folgten. Plötzlich aber änderte sich das Bild, Schlag auf Schlag. Im Nu war es mit La Hlöche zu Ende, wie der Sturm fegte Orme vor. Kitty stieß einen lauten, sonderbaren Schrei an« und ibre kleinen Hände ballten sich. Medicis aus dem Hintertreffen hinter ihm der und in wenigen Eeennden waren die beiden führenden May Duke und El Diablo abgethan. Es war nur mehr rin Zwei- kampf zwischen Medicis und Orme, und Orme siegte um einen Kopf. Nlles athmete erleichtert auf. Der Diener servirte wieder. Gläser leerten sich Orme zu Ehren. Dieser würdige Abschluß der unvergleichlichen Reibe Dwncaster — Dend Or — Ormonde — Ormel wie Georg erklärt,. ° Franz von Preckting beobachtete aufmerksam Kitty. J»tzt
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