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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.07.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-07-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950731025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895073102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895073102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-07
- Tag1895-07-31
- Monat1895-07
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Nachr." Veranlassung, die Rolle zu beleuchten, welche unsre Soeialdemokratie im Falle eines neuen französischen Angriffs spielen würde. „Wir haben" — so führt das Organ des Fürsten Biömarck aus — „kein Recht, daran zu zweifeln, daß, wenn in Frankreich die sociale Republik etablirt würde und ihre Truppenmassen gegen das monarchische Deutschland wälzte, die deutsche Social demokratie, falls sie in der Lage wäre, ihrem Willen zu folgen, sofort gemeinschaftliche Sache mit dem Feinde machen würde; denn die sociale Revolution steht ihr höher als die Unabhängigkeit, Ehre und Wohlfahrt deS Vaterlandes. Wenn in einem solchen Kriege die Schleifen der rothen Internationale an der französiscken Tricolore befestigt wären, so würde die deutsche Soeialdemokratie allen Einfluß, den sie bis dahin auf unser Unterofficiercorps und die Mannschaft gewonnen hätte, dazu benutzen, um den „französischen Brüdern" den Sieg zu erleichtern, damit diese in Deutschland die sociale Republik ebenfalls aufrichteten und das Ideal der Socialdemokratie verwirklichten. Ueber den Willen der Socialdemokratie hierzu dürfen wir uns nicht einen Augenblick täuschen, und die Erkenntniß dessen, was uns hier bevorsteht, wenn wir der Social demokratie nicht rechtzeitig die Möglichkeit nehmen, ihre Pläne auszuführen, sollte die für die Erhaltung der Sicher heit und Wohlfahrt von Reich und Volk verantwortlichen Stellen um so mehr veranlassen, aus der mehr oder weniger geschickt bemäntelten Passivität den socialdemokratischen Wühlereien gegenüber herauszutreten. Franzosen und Socialdemokraten befolgen dem deutschen Reiche gegenüber nicht nur die nämliche Taktik des ^ verheimlichenden Zuwartens, bis sie die Kraft fühlen, unS den Hals umzu- drehen, sondern sie sind, wenn auch aus verschiedenen Gründen, an der Erreichung des nämlichen Zieles interessirt: der Zerstörung der jetzigen Ordnung der Dinge. Sie werden nicht einen Moment zögern, sich die Hände zu gemeinsamem und Sedan zu fordern, taub gegen iz . dieses Blattes, die deutschen zosen, Rache für EmS die konsequenten Versuche , Arbeiter zu Bundesgenossen der Rächerschaaren zu erziehen. Aber wie ein moralischer Fußtritt trifft jedes Wort dieser schmachvollen Hetzereien die Majorität des jetzigen Reichs tags, die mitschuldig ist daran, daß solche Aufforderungen und Versuche ungestraft bleiben, und mitschuldig an der Frechheit und Schamlosigkeit, mit der sie unternommen werden. Der diesjährige Katholikentag" ist bekanntlich auf den 25. August nach München einberufen; die klerikale Presse veröffentlicht das Programm, welches sachliche Andeutungen über den Gang der Berathungen, wie üblich, nicht enthält, eine fünftägige Dauer der Tagung verspricht und nur die Versammlungen und Festlichkeiten aufzählt, die stattfinden sollen. Der Beschluß, München als Ort der Tagung zu wählen, wurde im verflossenen Jahre in Köln gefaßt, bei welcher Gelegenheit derFührer des bayerischen Centrums, der damals zum Präsidenten gewählte Lycealrector Orterer, constatirte, daß dieser Entschluß allseitige Zustimmung in München finden würde. Dem war nicht immer so. Als im Jahre 1892 eine lebhafte Bewegung, auch im bayerischen Centrum, dahin ging, die alljährliche klerikale Heerschau in der Hauptstadt der katholischen Vormacht abzuhalten, wurde officiöS in München „abgewinkt" und, da keine wichtigen confessionellen Fragen drängten, die Abhaltung eines LandeSkatholiken- tages empfohlen. Wenn jetzt die Anberaumung des Katholikentages in der bayerischen Hauptstadt, die Worte vr. Orterer's richtig verstanden, auch an dieser früher reservirten Stelle Zustimmung findet, so wird man sich darüber nicht wundern. Weshalb sollten die bayerischen Regierungskreise Zurückhaltung üben, wenn die preußischen sich denkbar größter Zuvorkommenheit gegen den Klerikalismus befleißigen ? Viel leicht ist es ganz gut, wenn auch in Süddeutschland der Klerikalismus einmal Oberwasser bekommt. Viele Menschen — auch Staatsmänner — erkennen erst dann, was sie thun, wenn sie sehen, daß Andere dasselbe thun und die unaus bleiblichen Früchte ernten. Die Franzosen sind confuse Politiker. Erst waren sie stolz darauf und konnten nicht genug damit prahlen, daß eS dem Präsidenten der Republik gelungen sei, ein Bündniß mit Rußland abzuschließen, das allein ihnen wieder Selbst Vorgehen zu reichen, wenn wir es dazu kommen"lasseift Die bewußtsein eingeflößt^hat, und jstzt. weil eS sie ärgert, daß Stellungnahme des „Vorwärts" zu unseren nationalen die Regier: ErinnerungStagen ist, in diesem Zusammenhang be trachtet, lehrreich." — Ganz dasselbe haben wir mit anderen Worten schon wiederholt auSzeführt, und den social demokratischen Wortführern ist eS gar nicht eingefallen, abzu- leugcn, daß sie sich keinen Augenblick bedenken würden, sich der Hilfe der „französischen Brüder" zur Aufrichtung der socialen Republik in Deutschland zu bedienen. Auch die demokratische und die ultramontane Presse ist nicht im Unklaren über die Rolle, welche die Häupter unserer Socialdemokratie in dem von den „Hamb. Nachr." bezeichneten Falle spielen würden. Aber eS ist den Blättern dieser beiden Richtungen pein lich, an eine solche Eventualität zu denken, an die sie nicht denken mochten, als sie und ihre Gesinnungsgenossen während der Berathung der Umsturzvorlage entweder jedes Be dürfniß nach gesetzlichen Mitteln zur Eindämmung der Um sturzbestrebungen schlankweg leugneten oder diese Vorlage mit Lasten bepackten, die ihr völliges Scheitern zur Folge haben mußten. Um nicht von den eigenen Anhängern der gröbsten Leichtfertigkeit geziehen zu werden, stellt die ultraniontane wie die demokratische Presse sich taub gegenüber den ruchlosen Aufforderungen des „Vorwärts" an die Fran- die Regierung den Wortlaut de- Vertrags der Oeffentlichkeit nicht preiSgiebt und daher immer »och Zweifel an der Existenz eines Bündnisses gestattet bleiben, jetzt wirft die Pariser Presse die Frage auf: Hat denn der Präsident der Republik überhaupt nach der Verfassung das Recht, einen Staatsvertrag abzuschließen? und Alle, die sich bisher zur Sache geäußert haben, sind darin einmüthig, daß der Präsident ein solcbeS Recht nicht hat, daß also ein Vertrag, den er etwa unterzeichnet hätte, Frankreich in keiner Weise binden würde. Der Wortlaut der Verfassung von 1875 läßt darüber kaum einen Zweifel, und ihr Verfasser, Herr Wallon, hat auf Befragen erklärt, daß er selbst nie die Absicht gehabt habe, dem Staatsoberhaupt die Befugniß zum eigenmächtigen Abschluß von Staatsverträgen einzuränmen. Der Streit ist indeß ziemlich müßig. Eine geheime diplo matische Abmachung mit einer absolutistischen Regierung hat nicht dieselbe rechtliche Bedeutung und braucht sich nicht an dieselben Formen zu binden, wie ein öffentlicher Staats vertrag zwischen zwei Völkern. Der Vertrag, um den eS sich zwischen Frankreich und Rußland allein handeln kann, ist eine Verabredung für bestimmte Fälle. So lange diese Fälle nicht emtreteu, hat die Verabredung nur einen platonischen Werth, und e- ^ame hinter dem unerheblich, ob dwftr oder ,e^ Schriftstücke steht. Tritt aber em verwirklicht werden, ein und soll die Verabredung prakt sch „ ^>xl, von den dann muß doch wohl unter all Bewilligung von Lld' ^SLmi,"n7^ne^erk^ung- die KTl'eg"w geheimes diplomatisches Schnftiluck setze - Entscheidung damit Frankreich nickt b.ndet und d'- letzte ^»l,«c,ou ^ nach wie vor in der Hand des Parlaments liegt. Aber au« der Contrahent weiß das! In England hat während dieses Jahrhunderts noch kein Ministerium über eine solche K a m mermehr l, e ^ ?gt''wie sie den. CabinVt Salisbury zur Verfügung tK 411 Unionisten werden 259 «ib-ral- gegenü erste en, die Regierungsmehrheit 152 St.mmen betragen. Die Mehr beit setzt sich aus 340 Conjervativen und 71 liberalen Unionisten die Minderbeit auS 175 Gladstoneanern und Radicalen' 2 Arbeitcrparteilern. 12 Parnell'teu und .O Anti- varnelliten zusammen. DaS .m Jahre 1892 gewayilc Unterhaus Chatte 321 Unionisten, 268 Gladstoneaner, Radicale und Arbeiterparteiler. 9 Parnelliten und ^ Unti^ parnelliten gezählt. Das neue Ministerium ist setzt unum stritten Herr der Lage und seiner eigenen politischen Ent schlicßungen und braucht sich in seiner Handlungsweise von keinen anderen Erwägungen bestimnwn zu lassen, als von der Rücksicht auf daS britische Staatsinlercsie, da eS nicht nöthig hat, auf die fragwürdigen Elemente einer d-r Regierungsmehrheit Rücksicht zu nehmen, w.e sie die Irlan- der in der buntscheckigen HeereSfolgc liberaler Cabmette dar stellen. In der Presse und in dem Publicum lense,tS des Canals nun wiegt ganz entschieden die Ansicht vor, daß die Regie rung Lord Salisburys sick in erster Lime einer kräftigere,, Politik nach außen zuwenden werde. Ander Einmüthigkeit, womit über die Unthätigkeit Lord Rosebery'S der Stab gebrochen wird, läßt sich recht deutlich erkennen, wie wenig „zufrieden auch zahlreiche liberale Parteigänger mit der Zuruckhaltung de- verflossenen NegierungSsystemS in allen die Weltmacht- stellimg Großbritanniens berührenden Angelegenheiten gewesen sind. Jetzt wird sich Gelegenheit genug bieten, Englands Prestige wieder aufzubessern) man denke nur an d.e egyptische frage im Zusammenhang mit den Angelegenheiten der oberen Rillander und dem Vorgehen der Franzosen im westlichen Sudan, an den englisch-französischen Interessengegensatz ,n Siam und Südchina, die Evolutionen der russischen Politik im fernen Osten, im europäischen Orient und in Abessinien und manches Andere. Große Erwartungen werden auch an die sociale Politik der neuen Männer geknüpft, denn die Wahlreden einiger Unionistenführer, in erster Reihe Chamber- lain's, klangen sehr verheißungsvoll. Die konservativen Elemente, welche in der neuen Mehrheit bedeutend über wiegen, würden nur ihren eigenen Vortheil verstehen, wenn sie sich in dieser Beziehung den guten Absichten der Unionisten nicht als Hemmschuh erwiesen. Die irische Frage ganz aus der Welt zu schaffen, wird auch dem Ministerium Salisbury nicht gelingen. Die Iren sind eine unersättliche, von der katholischen Geistlichkeit inS Maßlose fanatisirte Nation, die sich erst dann gänzlich befriedigt er klären würde, wenn Irland von Großbritannien staatsrechtlich völlig getrennt und wenn die protestantische Bevölkerungs minderheit der Vergewaltigungssucht der Katholiken preiS- aegeben würde. Eine Lösung der irischen Frage nach dieser Mchtung hin ist selbstverständlich für jede englische Partei ausgeschlossen. Es kommt lediglich darauf an, den Iren wirthschaftliche und sociale Daseinsbedingungen zu bieten, die dem Geiste moderner Gesittung entsprechen, sowie wirtbschaft- ichcn und socialen Verhältnissen auf dem grünen Eilande ein Ende zu bereiten, die keine Ehre für England sind. Dieser Aufgabe gerecht zu werben, scheint die ernste Absicht des conservativ-unionistischen Cabinets zu sein, wenn auch die darauf bezüglichen Andeutungen noch nicht recht erkennen lassen, wie weit man mit den irischen Reformen zu gehen gedenkt. Man hegt zu der Erfahrung und dem diplomatischen Tact des LordS Salisbury das Zutrauen, daß er in allen oben genannten und noch einer ganzen Menge anderer, minder wichtiger, wenn auch keineswegs belang' loser Puncte die Interessen des Reiche- sachgemäß und ohne Gefährdung deS Weltfriedens wahrzunehmen der Mann sein werde. Freilich was die auswärtige Politik deS neuen CabinetS betrifft, die Salisbury jetzt in Uebereinstimmung mit der Mehrheit der Wähler etwas energischer ansassen wird, so kann man im Hinblick auf den englischen Volkscharakter die Frage nicht ganz zurückdrängen: Wird der Nation der Einsatz, den Lord Salisbury Rußland und Frankreich gegen über wird wagen müssen, um den auf ihn gesetzten Er wartungen zu entsprechen, schließlich nicht doch zu hoch er scheinen? In Asien wie in Afrika kann gerade jetzt ein kleines Zuviel an Thatkraft zu ernsten Verwicklungen führen; ein solches Zuviel war von dem Cabinet Rvsebery niemals, eher ist es von einen: Cabinet Salisbury zu befürchten, und der englische Spießbürger, dem Rvsebery zu schlaff und nach giebig erschien, wird vielleicht bald befinden, daß ihm die auswärtige Politik Saliöbury's zu aggressiv und bedenklich rorkommt. Ein Wechsel der öffentliche» Stimmung in dieser Beziehung ist also nicht ausgeschlossen und könnte dem „starken Cabinet" verhängnißvoll werden. Die bulgarische Negierung bat ein Interesse daran, die makedonische Bewegung als im Erlöschen begriffen dar zustellen, weil sie, und zwar mit Recht, fürchtet, daß man ihr die Schuld an den macedonischen Unruhen aufs Kerbholz schreiben und von ihr Rechenschaft verlangen wird, falls die selben sich zu einer über die Grenzen des BalkanS hinaus- greiscnd«» Gefahr auSwachsen sollten. Allein die letzten Nach richten auS Kvnstantinopel lassen doch, wie w»r gestern schon andeutelen, erkennen, daß jenen BeruhigungSversuchen ni«ht zu trauen ist. Die türkische Erklärung, daß die Banden unter militairischer Leitung stehen, kann sich nicht nur aus die bekannte Theilnahme der sechs bulgarischen Reserve- Officiere beziehen, von denen schon mehrere gefallen und die übrigen geflüchtet sind, sonder» es müssen noch mehr Per sonen, die ihre Schule im bulgarischen Heere durchgemacht haben, sich jetzt bei den Aufständischen befinden. Weiter zeigt die Einberufung der Rebifs, daß die Pforte die Bedeutung des Aufstandes nicht unterschätzt. Wenn die Türkei, die stets die Dinge an sich herankommen läßt, jetzt die Reserven einzieht, so muß die Lage ziemlick ernst sein. Offenbar ge nügen die vorhandenen türkischen Truppen nicht, um die Be wegung zu unterdrücken. Daß man es mit einer weit ange legten Verschwörung zu thun hat, unterliegt keinem Zweifel mehr. Die Stadt Melnik, welche die Insurgenten einge nommen haben sollen, liegt von der bulgarischen Grenze über 50 km weit entfernt und fast ebensoviel südlicher als jene Orte, in denen eS zuerst zu Zusammenstößen zwischen den Aufständischen und türkischen Truppen ge kommen war. Während von privater Seite berichtet wird, daß die Insurgenten nach einem kurzen Gefechte mit den Truppen die 7000 Einwohner zählende Stabt Melnik Fettilleton. ^ Das verlorene Paradies. Roman von Anton Freiherr von Perfall. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Eine- TageS war er eben im Zeichnungssaale von Schwarz acker bemüht, dem Grafen die unabweisbare Nothwendigkeit einer Vereinbarung mit Sittenfeld zu beweisen, da kam eine Dame den Weg herauf, dem Werke zugeritten — die Baronin Prechting. Gras Seefeld war an das Fenster getreten und betrachtete mit Bebagen die herrliche Reiterin. Seit langer Zeit war ihm der Anblick versagt. Die Thränen traten ihm ins Auge, er dachte an Kitty. Eben dieser Gedanke weckte ihn aus seiner Betrachtung. „WaS will die Person auf Schwarzacker? Empfange Du sie, Franz", sagte er verdrossen. „Wird ihr selbst lieber sein." Damit wollte er sich entfernen, doch Franz ließ ihn nicht. „Sie bringt nichts Schlimmes, und daß sie Dich nicht mit Bitten belästigt, dafür stehe ich ein. Es sähe ja aus, als hättest Du Furcht vor ihr." Da sprang Arabella schon draußen aus dem Sattel mit einer Gewandtheit und Grazie, die dem Grafen einen lauten Ausruf des Beifalls entlockte. Dann nahm er plötzlich, mit für Franz komischem Zwang, ein schroffe Haltung an. Arabella trat ein mit ihrem gewohnten Reiterschritt, sich vor dem Grafen tiefer verneigend, als eS ihr zugekommen wäre. „Sie werden erstaunt sein, mich hier zu sehen", begann sie, „aber da es sich um Dinge bandelt, welche mir wichtiger erscheinen als die Umstände, die mich fern halten sollen, muß ich Ihnen ^wohl lästig fallen." Graf Seefeld bot ihr, eine verworrene Phrase murmelnd, Platz an; doch Arabella batte sich bereits über die auf- aescklaaene Zeichnung gebeugt, welche daS Profil deS ganzen KohlenflötzeS von Schwarzacker und Sittenfeld darstellte. „Sehen Sie nur, Herr Graf", sagte sie, mit dem Griff de» ReitstockeS die Stelle bezeicknend, an welcher Franz den beabsichtigten Durchschlag mit rother Schraffirung markirt, „wir liegen ja da wie zwei feindliche Maulwürfe vor einander, die sich de» Weg versperre». Weaa wir zusammen hier fördern können, ersparen wir uns ja die Hälfte der Arbeit. Wir können uns frei bewegen, wahrend wir jetzt förmliche Schleichwege einschlagen müssen, um zu unserer Kohle zu ge langen. Warum sollen wir uns nicht, wenigstens vierhundert Meter tief unter der Erde, die Hand reichen, wenn uns schon am Tageslicht Verhältnisse daran verhindern, die hier unten längst nicht mehr wirken?" „DaS ist sehr klug gesprochen, sehr klug", entgegnete be troffen der Graf. „Sie scheinen ja vortrefflich orientirt zu sein, für eine Frau sehr ehrenwerth! Die Sache läge ja hauptsächlich in meinem Interesse —, aber eine so kluge Frau wird auch begreifen, wie peinlich eS ist, darüber zu reden, aber eben weil Sie so klug, so einsichtsvoll. . „ES ist Ihnen wohl weniger peinlich, wenn ich Ihre Gedanken selbst ausspreche", sagte Arabella. „Diese kluge Frau wird gewisse Bedingungen setzen. Sie wird verlangen, daß die Hand, welche ihr vierhundert Meter unter der Erde gereicht wird, sich auch am Tageslicht ihr nicht mehr entziehe. Sie wird einen Handel machen wollen, Vortheil gegen Vor- theil! Sie wird sich auf diese Weise in daS gräfliche HauS einschmuggelu wollen. Um Sie darüber zu beruhigen, bin ich eben selbst gekommen, ohne Wissen meine« ManneS. Ja, ich will einen Handel machen, ich verhehle eS nicht, aber einen ganz andern, als Sie veruiuthen. Das Object des Handels sind auch zwei Hände, aber nicht unsere zwei Hände, Herr Graf! Darüber beruhigen Sie sich, Herr Graf! Ich schwöre Ihnen, zwischen uns soll oberirdisch sich nichts verändern, so lange eS nicht Ihr eigener Wille ist." „Ich bin ein schlechter Räthsellöser, Baronin", entgegnete der Graf. „Nuu, so will ick deutlicher sein. Diese Hand — sie wieS auf die Rechte Graf Seefeld'S — und eine andere, welche schon längst sich sehnt, sick in die Ihre zu legen — rathen Sie noch nicht? — Ihres Kinde- Kitty I" De« Grafen Antlitz verfinsterte sich, er machte eine ab weisende Geberde. „An dem Tage, an welchem diese beiden Hände sich in einander legen, steht dem Durchschlag auf Strecke zwölf von Schwarzacker nach Sittenfeld nicht« mehr entgegen. Ist die Bedingung zu hart? Vermuthen Sie noch eine Falle dahinter? Eine List?" „Onkel, schlag' ein!" rief begeistert Franz. „Nie wurde ein besserer, glückverheißenderer Vergleich aeschlofsen." Der Graf war sichtlich bewegt, doch verdroß iha die Ueberrumpelung, gerade von dieser Seite. „An mir ist eS nicht, die Hand zu bieten." „DaS sollen Sie auch nicht", entgegnete Arabella. „Sie waren bei ihr, haben mit ihr darüber gesprochen? Ach, ich vergaß, Sie sind ja alte Bekannte, — Vertraute sogar. — Nun, da werden Sie wahrscheinlich auch wissen, daß Frau MakowSky sich durchaus nicht herauSsehnt aus ihrem neuen Feenreich, nach dem langweiligen ValS." „Ist nicht so schlimm mit dem Feenreich, als Sie sich denken, Herr Graf. Ich glaube, eS hat schon bedenkliche Riffe bekommen." Der Graf stellte die Frage heftig, seine ganze Zurückhaltu vergessend. „O, daS will ich nicht sagen, wenn sie sich auch erst die bekannten Launen eines großen Künstlers gewöhnen m. Jedenfalls kann von einem reinen Glück nicht die Rede se so lange sie mit ihrem Vater nicht auSgesöhnt ist." „Wissen Sie daS aus ihrem eigenen Munde?" „Ja I" was ihr einzig geziemt, hierher eilen, sich mir zuFüßen werft um meine Verzeihung flehen. — Sie werden ihr ja schon , guten Rath ertheilt haben?" * ^ „Das habe ich auch, und hätte sie ihn befolgt, wäre ihr« Vater ein großer Kummer erspart geblieben." „Wirklich? Das hätten Sie? —Ja, ich glaube jetzt f« ErmA?- ^ haben. - Nun', so aebe ich Ihnen , Ermächtigung ihr auch diesen zu geben. DaS ist Alles, w kam, Der Graf ging erregt im Saale auf und - „Aber ich kann nicht thun, was Sie verlange».". „Warum nicht?" " ' .b'e ehemalige Kunstreiterin nicht die geeignete V< Mittlerin ist „Zwischen Kitty und ihrem Vater. Solch' krar Seelen ^ äußerst feinfühlig, Herr Graf." ^ r.-k.,- verwundert Arabella. „Nicht fei TV'."* kerngesunde, brave Seele! Hier, meine Hand, Arabella! Wir wollen einen Verale undN',. Sch-idewand soll fallen zwischen Schwar?acl und Sittenfeld, nicht nur unter, sondern auch über der Er! Zeuge seiner hier." Er wie- aus Franz Das Sieael. « Kuß von Deinen schönen Lippen, Nichte ^ ^ d,° -LLBNVd?'""''" „Und jetzt, Kinder", sagte er mit zitternder Stimme, „schafft mir Kitty her!" „Herr Schwager, daS ist Ihre Aufgabe. Ich wüßte keinen bessern Sachwalter!" sagte Arabella, zu Franz gewandt, dessen Helle Freude über die glückliche Wendung durch diese Aeußerung sehr beeinträchtigt schien. „Ja, Du, Franz, mußt sie mir bringen. Wenn sie Dich sieht, muß die Erinnerung in ihr erwachen an ihre glücklich« Jugend, an die Heimath, an ihren alten Vater, der zwar viel an ihr gefehlt, aber sie auch über Alles geliebt hat. — Franz, ich weiß Alles! Schlage mir'S nicht ab — eben deshalb darfst Du eS nicht." „Denke an den Durchschlag, Schwager! Er findet an dem Tage statt, an dem Du Kitty bringst", sagte Arabella. „Und ein Freudenfest wollen wir feiern, wie Schwarzacker noch keinS erlebt, an diesem Tage! Ich habe eS, bei Gott, satt, das traurige Leben!" jubelte jetzt Graf Seefeld. Franz sagte schweren Herzens zu. „Und er soll natürlich mitkvmmen?" „Das wird Wohl sein müssen! Hml An ihn habe ich dabei eigentlich gar nicht gedacht, an den..Die Zornader schwoll auf der gerötheten Stirn deö Grafen. „Aber höre, Franz, betteln, betteln thue ich um Beide nicht, hörst Du? Daß Du mir keine Dummheiten machst! Reuig, ihr schweres Unrecht einsehend, müssen sie kommen, sonst lieber nicht! Besonders er — er! DaS Volk bildet sich am Ende noch ein, man müsse sich eine Ehre daraus machen! Na, Du kennst mich ja, Franz! Jetzt geht, Kinder, so etwas muß man mit einem Schwert streich durchhaurn. Nichte — er reichte Arabella die Hand — mir ist's, als könnten wir noch recht gute Freunde werden. Grüß' mir den Georg! Er soll sich bald sehen lassen auf ValS." Er eilte rasch, als ob rr einen Rückfall fürchtete, auS dem Zeichensaale. Arabella machte Franz Vorschläge betreffs einer Betriebs leitung, welche einen praktischen Änblick in die Verhältnisse und geradezu überraschende technische Kenntnisse verrieth. Franz war so zerstreut, daß er ihr kaum folgen konnte. Plötzlich unterbrach er sie mitten in ihrer Auseinandersetzung, sich aus die Karte lehnend, mit der Frage: „Sagen Sic mir nur EinSI Wie haben Sie Kitty getroffen?" „Sehr verändert! Au- der tollen Comteffe ist in der kurzen Zeit e,»e geistreiche, höchst interessante Dame geworden, k^nz ätherisch, wie der Makow-ky sie malt, mit den bleiche» Gesichter», au- denen groß« MLrcheuaugea blicken, als «b tt
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