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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.08.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950808015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895080801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895080801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-08
- Tag1895-08-08
- Monat1895-08
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5562 k , st' — Der verstorbene Win dt Horst sagte am 25. No vember 1876 im Reichstage: „Ich denke, daß unsere Nach kommen außerordentlich viel Weiser sein werden, als wir sind". Die kluge kleine Excellenz scheint Recht zu haben, wenigstens was seine eigenen „Nachkommen" in der Leitung des Centrums betrifft. Diese sind auf dem besten Wege, durch Streitigkeiten über die Stellung der Partei zu den Agrarfragen die Schöpfung WindthorsrS zu zerstören, und da- wäre rin WeiSheitSact, den freilich die Acteure selbst erst in Zukunft völlig begreifen würden. — Die Ueberbürdung des KammergericktS mit Civilproceffen wird durch den Umstand recht drastisch illustrirt, daß verschiedene Berliner Anwälte schon jetzt Vorladungen für das Jahr 1896 erhalten haben. * Aus Ostpreußen, 6. August. Die Bildung von Renten- gütrrn bat im Regierungsbezirk Gumbinnen gegen das Vorjahr eine erhebliche Zunahme erfahren. Nach dem amt lichen Bericht der Generalcommission in Bromberg wurden im Ganzen 96 neue Rentengüter gebildet mit 746 ba Fläche und einem Kauferlöse von 409 999 ^ * Twinemnnde, 7. August. (Telegramm.) In An wesenheit des Vertreter- des Kaisers, Generals der Infanterie v. Blomberg, fand heute Mittag die feierliche Enthüllung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals statt, welches Frau Consul Heise und Prof. Calandrelli der Stadt gestiftet haben. Auf den Weiheact folgte eine Parade der Truppe» und der Vorbeimarsch der Vereine. * Bremen, 7. August. Senat und Bürgerschaft beschlossen die Ausführung eines 5 Millionen Mark kostenden Trocken docks in Bremerhaven und bewilligten 2599511 ^ Den Nest schießt daö Reich zu. (M. Z.) * Braunschweig, 6. August. Wie schon in Kürze tele graphisch gemeldet wurde, ist der vor fünfzehn Monaten von einigen socialdemokratischen Agitatoren begonnene Braun schweiger Bierboycott jetzt auch formell beigelegt worden und zwar auf Grund nachstehenden notariellen Vertrages: „Der Verein braunschweigischer Bierbrauereien einerseits und der bevollmächtigte Vertreter der Boycottcommission andererseits schließen zur Beilegung des bestehenden Bierboycotts mit einander folgenden Vertrag: 1) Die beim Ausbruch des Boycotts an die hiesigen Braue reien gestellten Forderungen werden fallen gelassen; dagegen vc» pflichtet sich der Verein der Brauereien, die bisher noch nicht wieder eingestellten fünf Mann (folgen die Namen) am 8. d. M. in hiesigen Brauereien wieder in Arbeit zu nehmen. 2) Die bisherige Forderung, im hiesigen oder auswärtigen Kundenkreise der braun- ichweigischen Brauereien irgend ein Braunjchweiger Bier nicht zu sichren, ist unstatthaft. 3) Der „Br. Volkssrcund" (das socialdemo kratische Blatt hier) verpflichtet sich, durch seine Haltung im Sinne deS heutigen Vertrages zu wirken. Der vorliegende Vertrag wird in dessen Nummern vom 7. und 8. d. M. wörtlich im Inseraten- theil abgedruckt. In den Nummern vom 7. bis 10. d. M. werden unter den Kops des Blattes die Worte gesetzt: Der Bierboycott in Braunschweig ist ausgehoben. Braunschweig, den 6. August 1895. (Folgen die Unterschriften.)" Man sieht aus dem Wortlaute des Vertrages, daß die geeinigten braunschweigischen Brauereien auf der ganzen Linie gesiegt und daß die Veranstalter des Boycottunter- nehmenS eine wohlverdiente Niederlage erlitten haben. Setten ist wohl ein großer Boycott in so frivoler Weise be gonnen worden, wie der hiesige Bierboycott. Die Geschichte seiner Entstehung und seiner Führung darf als ein werth voller Beitrag zu der Geschickte, nicht der Arbeiter bewegung, sondern der Hetzarbeit der Agitatoren, gelten. Schon in den Jahren 1892 und 1893 hatte eS unter dem Personale der hiesigen Brauereien gegährt, rede gewandte Agitatoren hatten den Leuten klar gemacht, sie könnten durchsetzen, was sie nur wollten; denn einer Boycottirung werde jede Brauerei unterliegen. Nachdem dann die Brauereien sich zu einem Verein zusammen getha» und bekannt gegeben batten, die Boycottirung auch nur einer Brauerei ziehe bei Conventionalstrafe von 10 000 für jeden Fall die sofortige Dienstentlassung deS grsammten Personals in allen hiesigen Brauereien nach sich, beschlossen die „radikalen" Elemente der hiesigen Sociakdemokraten, Col- porteur Kießling und Genoffen,eine Kraftprobe zu unternehmen; trotz der dringlichen Warnungen der gemäßigten Elemente wurde im Mai 1894 auf Grund unbedeutender Vorgänge in zwei hiesigen Brauereien über diese beiden der Boycott ver hängt. Hierauf antwortete der Verein der Brauereien mit der vorher warnend angedrobten barten, aber nicht mehr vermeidbaren Maßregel der Entlassung des Personals aus sämmtlicken Brauereien. Die Folge war die Boycottirung sämmtlicher braunschweigischer Biere. In den Kreisen der einerseits von der Arbeiterkundschaft, andererseits von den hiesigen Brauereien abhängigen Kleinhändler rc., sowie auch unter den Entlassenen entstand nun eine große Erbitterung gegen die Urheber des Unheils, gegen die Boycottveranstalter, und der Kampf würde sicher ein sehr schnelles Ende genommen haben, wenn auswärtige Brauereien sich nicht beeilt hätten, die Braunschweiger Socialdemokraten mit Bier zu ver sorgen. Im Laufe der letzten Monate kam es unter den boycottfeindlichen und boycottsreundlichen Genossen zu manchem harten Strauß; als die Elfteren die Tbatsache enthüllten, daß der Hauptanstifter des Boykotts, Kießling, der bezahlte Agent einer auswärtigen Brauerei sei, konnte der Boycott sozusagen als moralisch todt gelten. Versuche der darauf anderweitig organisirten Boycoltcom mission, mit den Brauereien Frieden zu schließen, scheiterten an dem Widerspruch der „Volksversammlungen". Erst nach dem die Boycottcommission jüngst von einer solchen Versamm lung nach der Drohung, man möge sich andernfalls eine neue Commission wählen, die Genehmigung zu einem «nd- giltigcn VertragSschlusse erhalten, ist das Abkommen ge troffen worden, daS den Boycott, der übrigens von der Mehrzahl der „Genossen" kaum mehr beachtet wurde, für beendet erklärt. lM. Z.) * Luckenwalde, 6. August. Der „PotSd. Corr." meldete, daß hier etwa 300 Personen ihren Austritt aus der Landeskirche angezeigt hätten. Dies« Zahl ist um mehr als zwei Drittel übertrieben. Noch nicht 100 Personen haben ihren Austritt angemeldet, darunter eine Anzahl Damen, die zu den Baptisten übertreten wollen. Ganz unbegründet ist daS Gerücht, so weit von einem solchen überhaupt die Rede sein kann, der Superintendent Zander sei bereits nicht mehr im Amte. (Wir batten die Notiz sogleich mit einem Fragezeichen versehen. Red. d. ,A T") * Aus Schlesien, 6. August. Nach der diesjährigen Handweber st ati ft ik wurden gezählt 3965 männliche und 3597 weibliche Handweber in den Kreisen Rcichenbach, Schweidnitz, Waldenburg, — gegen das Vorjahr weniger 110 männliche und 13l weibliche. In den letzten 23 Jahren hat sich die Handweberbevölkerung um 7764 Köpfe vermindert. * Hirschberg, 6. August. Auf die Huldigungsavresse der hier versammelten FeldzugSjäger deS 5. IägerbataillonS ist heute an den Generallieutenant von Strantz folgendes Aulworttelegramm au- CoweS eingegangen: „Ich habe den Huldtgungsgruß der alten FeldzugSjäger gern entgegengenommen und danke denselben für die Gelöbnisse der Treue und Liebe. Wilhelm." * Meiningen, 7. August. (Telegramm.) Die von dem 2. Thüringischen Infanterie-Regiment Nr. 32 veranstaltete Jubiläumsfeier ist überaus glänzend verlaufen. Ueber 500 Kriegsveteranen waren als Gäste de- Regiments und der Stadt eingetroffen. DaS Fest begann am Montag Abend mit einem großartigen CommerS im Schützen- hauSgarten. Dienstag fand am Kriegerdenkmal eine erhebende Feier statt, bei welcher Oberhofprediger Schaubach eine ergreifende Rede hielt. Der Feier wohnten der Herzog, die Frau Erbprmzessin und Prinzessin Feodora bei. Bei der Parade der Veteranen und des Regi ments vor dem Residenzschloffe hielt der Herzog eine kernige Ansprache, worin er des glorreichen Tage« von Wörth gedachte, die damalige Pflichttreue als Vorbild für das Regiment yinstellte und das damals errungene deutsche Kaiserreich als theuersteS Kleinod feierte. Der Herzog schloß mit einem dreifachen Hurrah auf Kaiser und Reich. Oberst Graf von der Goltz dankte im Namen des Regiments und brachte dem hohen Chef desselben ein drei faches Hoch aus. Nach den» Festzuge, wobei Namen« der Residenzstadt Oberbürgermeister Schüler eine Begrüßungs rede hielt, versammelten sich die Veteranen im Civilcasino und im Schützenhause zum Mittagessen. Nachmittags wurde ein AuSflug nach Schloß LandSbera veranstaltet. Auch Excellenz von Förster, welcher das Regiment in den Krieg geführt hatte, wohnte der Feier bei und wurde von dem Herzog mit dem Großkreuz seines HauSordens decorirt. * Ans Baden, 6. August. (Köln. Ztg) Die Frage des Gewerbeschul-UnterrichtS ist in Baden längst zur allgemeinen Zufriedenheit geregelt. Wir haben 43 „Gewerbe schulen" und „gewerbliche Fortbildungsschulen" mit Schul zwang. Für jede Anstalt ist ein Ortsstatut erlassen, Plan, Zeit und Ziel deS Unterrichts fixirt. Die ganze Organisation der Schulen ist ziemlich gleichmäßig geordnet. Insbesondere ist der Grundsatz dnrchgeführt, daß der Unterricht nicht Sonntags ober nach der gewöhnlichen Arbeitszeit ertheilt wird. Die Regel ist, daß jede Claffe an 2 Werktagen je 4 bis 5 Stunden Unterricht erhält, der mit der ortsüblichen Arbeitszeit beginnt oder endet. In früheren Jahren wurde in Heidelberg und in den meisten anderen Schulen nur spät Abends und Sonntags unterrichtet, was Nacktheile und Klagen zur Folge hatte. Dem zielbewussten Vorgehen der Schulvorstände, die von der Gemeindeverwaltung und der Negierung unter stützt wurden, ist rS aber gelungen, die günstige Unterrichts zeit zu erlangen, die wir jetzt haben. Natürlich ging cS ohne Kamps nicht ab, und mancher Meister, besonders von den kleinen, war eine Zeit lang auf die Schule nicht gut zu sprechen. Doch bald war die Sache vergessen; man halte sich in die Verhältnisse hincingelebt, und Keiner denkt heute daran, wieder Sonntags- uni) Abendunterricht einzuführen. * München, 7. August. (Telegramm.) Gestern Abend beschloß ein glänzendes Kellerfest im Löwenbräukeller mit Feuerwerk und Monstreconcert daS Veteranenfest. Der commandirende General Prinz Arnulf von Bayern und mehrere andere Generale, sowie Vertreter der städtischen Collegien nahmen an dem Feste Theil. Hauptmann Tanera hielt die Festrede. Oesterreich-Ungarn. * Ischl, 7. August. (Telegramm.) Der deutsche Bot schafter Graf zu Eulen bürg ist gestern Abend wieder ab- gcreist. (Wdrhlt.) * Ischl, 7. August. (Telegramm.) Kaiser Franz Josef und Gemahlin fuhren beim Hotel Elisabeth vor, be gaben sich in die Gemächer des rumänischen KönigS- paares und geleiteten dasselbe zum Bahnhofe, wo auch die Erzherzöge, die anwesenden Fürstlichkeiten, Graf Goluchowski und die beiderseitigen Gefolge erschienen waren. Die Maje stäten verabschiedeten sich aus dem Bahnhofe auf daS Herz lichste. — Der Minister deS Auswärtigen Graf Golu chowski reiste nach Wien ab. * Ischl» 7. August. (Telegramm.) Der König und die Königin von Rumänien sind heute Mittag nach Innsbruck abgereist. Frankreich. * Carmanx, 7. August. (Telegramm.) Die hiesigen Glaöhüttenbesitzer haben es abgelehnt, den Betrieb sofort wieder aufzunehmen. (Wiederholt.) Schweiz. * Bern, 7. August. (Telegramm.) Der Zustand des Gesandten Busch ist befriedigend, doch hütet er noch das Bett. ' Italien. * Rom, 7. August. (Telegramm.) Der Senat beendete heute die Berathnng der Finanz- und Schutz maßnahmen und nahm dieselben unverändert an. Spanien. * Madrid, 7. August. (Telegramm.) Eine Division des spanischen Geschwaders verläßt heute Vormittag Ferrol und begiebt sich nach Cadiz, wo sich zwei weitere Kreuzer anschließen. Ein Viceadmiral wird daS Commando über daS so gebildete Geschwader von 6 Schiffen, welches einige Tage in Tanger bleiben wird, übernehmen. Dänemark. * Kopenhagen, 7. August. (Telegramm.) Nach dem letzten, im Schlosse Bernstorff anSgegcbenen, von den Professoren Stuttgart und Petersen Unterzeichneten Bulletin hatte der König eine gute Nacht. Der Appetit war gut. (Wdrhlt.) Rußland. * Petersburg, 7. August. (Telegramm.) Der Chef der zu bildenden geistlichen Mission für Abessynien, Archimandrit Iefrem, begab sich nach Moskau, wo er einer Zeitungömeldung zufolge bis zum Herbste im Kloster bleiben und dann nach Petersburg zurückkehren wird, um die geistliche Mission zu bilden. Heute Abend verläßt die abessynische Gesandtschaft Petersburg und reist über Wilna-Odeffa nach Könstantinopel, macht einen Ab stecher nach Jerusalem und fetzt dann die Reise nach Port Said, Oboky und Dschibata (?) fort. Leontiefs begleitet die Gesandtschaft. (Wiederholt.) Orient. * Belgrad, 7.August. (Telegramm.) KLnigAlexander gab endgiltig die Reise nach Biarritz auf. Königin Natalie ist allein abgereist. (Magdeb. Ztg.) * Wie», 7. August. (Telegramm.) Der Correspondent der „Neuen Freien Presse" in Ischl erfährt von einer Persönlichkeit aus dem rumänischen Gefolge, König Karl sei sehr peinlich berührt, daß seinem Besuche in Ischl abenteuerliche Motive untergelegt werden. Wenn auch für Rumänien der Gang der Dinge in Bul garien nicht gleichgiltig sein könne, denke doch Rumänien, was immer in Sofia Vorgehen möge, an keine Action in Bulgarien. Rumänien wolle nicht auS seiner ruhigen Ent wickelung heraustreten. Es habe nicht vergessen, daß die, wenn auch nicht rühmlose Betheiligung am russisch-türkischen Kriege ihm den Verlust der Provinz Beffarabien brachte und überdies 15 000 Mann kostete. Mit ganzem Herzen halte aber König Karl zu Oesterreich-Ungarn, und diese Anhänglichkeit befestige sich immer mehr. König Karl gedenkt bei der Rück reise Mitte September mehrere Tage in Wien zu verweilen. Die Belgrader „Male Novine" melden, an der bulgarischen Grenze bei Küstendil seien etwa zehntausend Mann bul garischer Truppen concentrirt. UeberdicS seien die Reserven der Jahrgänge 1888 und 1889, im Ganzen 14 000 bis 15 000 Mann, einderufen. In Bulgarien standen jetzt 35 000 bis 40 000 Mann unter de« Waffen. Man wisse nickt, ob dieses Aufgebot zu einem Einsall in Makedonien oder zum Schutz gegen Revolutionen im Innern bestimmt sei. Kein militairpflichtiger Bulgare unter 32 Jahren werde außer Landes gelassen. Der angebliche Zweck der Truppen- aufstelluug, die Grenze gegen den Uebertritt der bul garischen Banden nach Macedonirn zu sperren, findet keinen Glauben. (B. L.-A.) Asien * Laudon, 7. August. (Telegramm.) Die Missions gesellschaft «rbielt heute eine Drahtnachricht, welche meldet, daß die zum «schütze der Missionsstation in Kntschcng abgesandten Soldaten in dieselbe «inbrachen und plünderten. Die Meldung fügt noch hinzu, daß auf die chinesischen Behörden kein Verlaß sei. * Chester, 7. August. (Telegramm.) Gestern Nach mittag sprach Gladstone in einer zahlreich besuchten Ver sammlung über die armrnische» Gräuel Gladstone be hauptete in seiner Rede, die türkische Regierung habe auf die vollständig erwiesenen Beschuldigungen durch nicht zu be weisende Ableugnungen geantwortet, und erklärte, drei Dinge seien nöthig: nämlich die zu stellenden Forde rungen müßten gemäßigt sein, di« türkischen leeren Ver sprechungen dürften nicht angenommen werden und endlich dürfe das Wort „Zwang" nicht gescheut werden. * Petersburg, 7. August. (Telegramm.) Die „Nowoje Wremja" nennt die Nachricht des anglo - amerikanischen Comitvs, daß die Signalarm ächte deS Berliner Vertrages das türkische Armenien unter ihre Vormundschaft nehmen würden, einen tendenziösen Unsinn. Sollte die armenische Frage zu Gunsten der Armenier entschieden werden, so würde die Entscheidung auf dem Boden deS der Pforte von Rußland, England und Frankreich vorgeschlagenen NeformentwurffeS erfolgen, doch durchaus nicht nach den Plänen der in London agitirenden Mitglieder des armenischen ComitöS. Co!snilll-Nachrich1en. * Mit der fortschreitenden Vermehrung der Deutschen ln dem dentsch-ostasrikanijchen Schutzgebiete machte sich die Einsetzung eines Geistlichen in den letzten Jahren immer dringlicher geltend. In Folge dessen übertrug der Evangelische Oberkirchen rath im vorigen Jahre dem Missionar von der deuisch-ostafrikanischen Mission Holst die Functionen eines Pfarrers für die Evangelischen an der ganzen deutschen Küste. Pastor Holst war schon seit dem Frühjahre 1893 in Deulsch-Ostasrika thätig. Er hat nuninehr seinen ersten Jahres bericht ringesandt, der von Ende Mai datirt ist. Dari» macht er folgende Mitthcilungen: Die Zahl der Evangelischen, die sich bei dem steten Abgang und Zugang derselben nur schwer seststellen ließ, belief sich aus 172. Fast alle gehören der deutschen Nationalität an; dazu kommen noch einige Syrer, welche im Schnellcr'schen Waisen- Hause zu Jerusalem dem Evangelium zugesührt wurden und die deutsche Sprache erlernten. Die zahlreich vertretenen Griechen (griechisch-orthodoxer Confessio») halten sich insofern zu den Evan gelischen, als sie den Pastor bitten, ihre Leichen zu Grabe zu ge leiten. Ferner hat den Pastor auch die Kriegs» und Kausfahrtei- Schisse in den Bereich seiner Seelsorge gezogen. Schwieriger ist cs, die Seelsorge auch auf die nahen Küstenstatiouen auszudehnen. In Dar-es-Salaam ist an allen Sonn- und Festtagen von 10—11 Uhr Gottesdienst in der kleinen Capelle des Evangelischen Missions- Hospitals. Die Ordnung des Gottesdienstes ist mit ganz geringen Ausnahmen gleich der des Militair-Geiangbuches. Die Capelle genügt dem Raume nach bei gewöhnlichen Gottesdiensten; denn 30 Personen können bequem darin sitzen, aber bei außergewöhn lichen Gelegenheiten» z. B. Weihnachten, wo sich 70—80 Per- soneu in dem kleinen überheiyen Raume zusammendrängen, macht sich der Raummangel recht geltend. Weiter ist die ungünstige Lag« der Capelle von Einfluß, da sie am Ende des Ortes liegt. Ji» Anschlnsse hieran wird dem Danke dafür Ausdruck gegeben, daß der Obcrkirchenrath der Frage des Kirchenbaues näher getreten ist. Pastor Holst spricht aus praktischen und ästhetischen Gründen den Wunsch aus, daß die neue Kirche in der Mitte der Stadt auf dem großen freien Platze zwischen der Post und dem Hause V errichtet werde, und hofft, daß die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft, welcher der Platz gehört, diesen zum Geschenke machen werde. Die letzten Stünden Stambulow's. Erzählt von seiner Frau. Obgleich wir schon verschiedene Darstellungen deS Atten tats auf Stambulvw und der Scenea am Sterbebette desselben gebracht haben, dürste doch noch die folgende Schilderung, die Frau Stambulvw einem Bericht erstatter des „Standard" gegeben hat, von besonderem Interesse sein. Die Frau erzählte: „Ich machte an jenem Abend eine Ausfahrt und als ich mich gerade gegenüber der Sobranje befand, hielt einer unserer Freunde den Wagen an und sagte mir, eiligst nach Hause zu fahren, da mein Mann aus den Tod verwundet sei. Als wir die Stelle passirten, sah ich seinen Hut und seinen Stock dort noch in einer Blutlache liegen. Sie können sich meine Gefühle bei diesem Anblick nicht vorstellen. An der Thür fand ich einige Polizisten. Ich war halb wahnsinnig vor Schmerz und Wuth und erklärte denselben, mich in Nube zu lassen. Dann ging ich hinein und sah ihn. Die ersten Worte, die ich von ihm hörte, waren: „Halm und Tufektschijew haben mich getödtet". Darnach war er einige Zeit still. Als die Aerzte seine Hände abschnitten und die Wunden an seinem Kopfe nähten, schien er davon keine Notiz ru nehmen; er schien jedes Gefühl verloren zu haben. Nach der Amputation bat er mich beständig, ihm meine Hand zu geben, um seine Finger zu drücken. Am zweiten Tage sagte er zu mir: „Ich sterbe jetzt, denn ich fühle, daß die Entzündung mein Gehirn berührt." Die Aerzte, welche nach der Temperatur und verschiedenen anderen Symptomen urtheilten, erklärte» jedoch, daß dies nicht der Fall sei, und als sie eine zweite Amputation Vornahmen und an der Kopfhaut Theile todten Fleisches abschnitten, schrie er laut auf, ein Zeichen, daß daS Gefühl theilweise wiedergekehrt war. Sein Durst war nicht zu löschen, und wir gaben ihm beständig Milch, Bouillon und Mineralwasser. Die ganze Nacht hindurch war er schrecklich unruhig und ich konnte ihn nur mit größter Mühe im Bett halten. Er machte mir beständig Vorwürfe und sagte, daß ich ein schlechtes Weib und eine grausame Pflegerin Ware, weil ich ihn nicht in die Höhe hob. Es war herz zerreißend. Die Aerzte hatten mir erklärt, daß eine liegende Stellung durchaus notbwendig sei, da sonst eine Ohnmacht eintreten würde, und ich mußte ihn die ganze Zeit Niederhalten, während er in mich drang, ihn in die Höhe zu heben. Man hat gesagt, daß er von dieser Zeit an sich im Delirium befunden babe, aber es ist dies nicht wahr. Er hatte An fälle von Delirium, aber zu anderen Zeiten war er seiner Sinne vollständig mächtig. Er trug mir auf, in daS anvere Zimmer zu gehen und ihm bald Sodawasser, bald Gieß- hübler oder reines Wasser zu holen. Bei einer Gelegenheit, während ich das GlaS hielt, waren seine Zähne krampfhaft geschlossen, und da wußte ich, daß Meningitis (Gehirn hautentzündung) eingetreten war, denn ich hatte dasselbe Symptom beim Tode unseres älteste» Sohnes beobachtet. Er verlangte von mir, daß ich sein ganz mit Bandagen bedecktes Gesicht frei mache, allein ich erklärte ibm, daß die Aerzte die» verboten hätten. „Thue, was ich Dir sage; ich will die Welt noch einmal sehen." So hob ich den Umschlag auf und wusch daS geronnene Blut von seinem Auge. Er richtete eS fest auf mich. Ich fragte ihn: „Siehst Du mich?" Thränen traten ihm aus dem Auge, als er antwortete: „Ich sehe Dich." Wir riefen den Metropoliten herein, und mein Mann schien damit zufrieden zu sein, obgleich er nie ein religiöser Mann gewesen ist. Er versuchte daS Zeichen deS Kreuzes zu machen, aber ich mußte eS für ihn thun, womit er zufrieden war. Als wir wieder allein waren, sagte er: „Es istAlle« vorüber, ich werde bald todt sein. Wenn ich gestorben bin, nimm nichts vom Palaste an. Hörst Du mich?" Ich antwortete: „Ich höre." — „Beuge Dich denn nieder und küsse mich." Da« waren seine letzten Worte, aber er war noch einige Zeit später bei Bewußtsein, denn al« er mich stöhne» hörte, seufzte auch er als Antwort. WaS in den nächsten beiden Tagen sich ereignete, ist mir eine furchtbare Erinnerung. Hunderte und Tausende strömten in da» Hau», Hohe und Niedere, Blumen und Anderes bringend. Nicht ein unehrerbietige» Wort wurde gesprochen und keine ungehörige Geste gemacht. Dann kam di« scanda- löse Scene bei der Beerdigung. Wenn nicht die fremden diplomatischen Agenten zugegen gewesen wären, weiß ich nicht wa« sich ereignet hätte. Man batte absichtlich störrische Pferde vor den Leichenwagen gespannt und die Bolzen an den Rädern entfernt, damit der Sarg während de« Fahren« herunterfall«. Wir wurden jedoch durch «inen Polizeicominissar gewarnt. Am Grabe bildete «ine Anzahl junger Officirre aus Tirnowo einen Ring um uns und hinter diesen stand der Mob. So lange di» kirchliche Ceremonie dauerte und die Ofsiciere anwesend waren, wurde der Pöbel in Schach gehalten, als wir aber fortfuhren, riefen sie nach Getränken und tanzten in Gegen wart der Polizei um daS Grab die Hora, wobei sie schmutzige Lieder sangen. Es ist schrecklich, daran zu denken! Dann kam die grausame Ironie mit dem Kranz des Fürsten. Es ist gemeldet worden, daß ich denselben mit beleidigenden Aus drücken zurückgcwiesen habe. Ich bin jedoch keine Frau, die Insulten anwendet. Thatsächlich kamen nach einander all dem Palast« Graf de ForaS, Hofdamen der Prinzessin Cle mentine und der Fürstin Marie, viele von diesen meine eigenen Freundinnen und selbst Verwandte, ebenso Tele- «ramme vom Fürsten, ans die ich keine Antwort gab. Der Fürst hätte verstehen sollen und mir die Ablehnung des Kranzes ersparen können. Ich that die» in den einfachsten Worten, indem ich erklärte, daß eS meines Mannes Wunsch war, nichts vom Palaste anzunehmen, und ich bat den Capitaia Sawow, den Kranz wieder mit sich zu nehmen. Während Frau Stambulvw mit dem Berichterstatter sprach, traten die Kinder in das Zimmer, und auf die Frage, wo sie dieselben erziehen lassen wolle, antwortete Frau Stambulvw: „In Bulgarien. Der Himmel weiß, wie gern ich Sofia und seine Erinnerungen verlassen würde, aber mein Mann trug mir stets auf, daß die Kinder in Bulgarien und nicht außerhalb erzogen werden sollten. Er duldete eS auch nicht, daß ich für dieselben Mädchen oder Gouvernanten hielt. „Eine Mutter ist die beste Erzieherin für ihre Kinder", pflegte er zu sagen. Auch erlaubte er nicht, daß die Kinder vor dem zehnten Jahre unterrichtet würden. Er erklärte stet», daß ein Kind sich zuerst physisch entwickeln solle, dann würde eS später doppelt schnell lernen. Sein Liebling war Wera hier. Sie ist sein Ebenbild und er verehrte sie geradezu. Seine Hände zitterten vor Liebe und Vergnügen, wenn er sie vor sich hielt. DaS arme kleine Ding! Gestern versuchte sie, den Verschluß von dem Gefäß abzunehmen, in dem sich seine Hände befinden, und als sie fragte, was sie thue, antwortete sie: „Ich möchte Papa» Hände küssen!" DaS kleinste Kind gleicht ebenfalls dem Vater. ES ist noch nicht getauft, obgleich es schon anderthalb Jahre alt ist. Wir wollten dasselbe in Tirnowo taufen lassen, aber in den letzten achtzehn Jahren baden wir nicht dahin kommen können. Seine- Vater- Wunsch war, daß das Kind Äsen genannt werde, aber ich will ihm noch den Namen Stepan geben, so daß «S Stepan- Asen heißen wird." Die Scherereien, welche die Polizei der Frau Stambulvw bereitet hat, sollen übrigens noch nicht aufgehört haben. LtteMur. Die Kriege Friedrich'» des Grosse». HerauSgegebea vom Großen Generalstabe, Abthcitnng für Kriegsgeschichte. Zweiter Theil: Der Zweite Schlesische Krieg. 1744 —1.745. 1. Band: Böhmen. 1744. Mit 19 Karten, Plänen und Skizzen. Geheftet .^l 15, grb. ^l 17,25. 2. Band: Hohensriedeberg. Mit 14 Plänen und Skizzen. Geh. 11, geb. 13,25. Während wir die Er- innerungstage an die großen Ruhmesthaten von 1870/71 in diesen» Jahre dankerfüllten Herzens begehen, ist es lehrreich und ergreifend zugleich, kennen zu lernen, mit wieviel Schwierigkeiten, mit wieviel Noth und Aufopferung, aber auch mit welcher Genialität Friedrich der Große seiner Zeit die Grundlage» zu Preußens Größe gelegt hat. Diesen ergreifende» Eindruck gewinnt man aus der Dar stellung der Kriege Friedrich'S des Großen, deren zweiten Theil, welcher die Geschichte deS zweiten Schlesischen Kriege- 1744 bis 1745 behandelt, die kriegsgeschichtlichc Abtheilung des Großen GenrralstabeS im Verlage der Königlichen Hofbuchhandlung von E. S. Mittler L Sohn in Berlin 8VV. 12 soeben herauSgrgeben bat. Mit wie widrigen und kleinlichen Verhältnissen Friedrich der Große zu rechnen hatte, als er den zweiten Schlesischen Krieg in Böhmen zu führen suchte, davon entrollt der I. Band dieses Grneral- stabswerkeS ein treues Bild. Die fesselnden Schilderungen werden durch zahlreiche Uebersichtskarten und Skizzen veranschaulicht und durch eine Reihe von Anlagen, welche n. A. viele wichtige biogra» phische Notizen über die Commandeure der Regimenter, ihre Truppen- theile, eigenhändige Erlasse Friedrich'S des Großen u. v. A. m. ent» halten, erläutert. Der zweite, ebenfalls mit viele» Karten und Anlagen ausgestattete Band schildert die glänzende Schlacht von Hohensriedeberg, deren l50jährigen Gedenktag wir am 4. Juni d. I. feierten. Ein dritter Band, dessen Glanzpuncte die Schlachten von Soor und Kesselsdorf bilden, wird noch in diesem Jahre zur Aus- gäbe gelangen und damit das Generalstabswerk über den Zweiten Schlesischen Krieg abschließen. ** Mel ile »«Wie. Anus »Ilererslon Lunxes. Ammer mol. elelrtr. Hiebt, ttoiruns unä LeäiemmA von A. 3.— an. Restnnrntlvn ü 1» cnrtv. Dadle cl'bSte N. 4.— von 1—3 vkr. O»rl Lesitrer Der empfindlichen Haut der welche an sich öfters gewaschen werden müssen, «CdSdVn-T., sollte man stets Rechnung tragen und nur eine Seife verwenden, welche die Empfehlung der Aerzte besitzt, wie dic ket der neuen Patent-Myrrholin-Seife in so hervorragender Weise der Fall ist. Dieselbe übt einen so wohlthätigen Einfluß auf die Thätigkeit der Haut, daß alle Mütter nicht unterlassen sollten, für Kinder nur die Patent-Myrrholin-Seife zu gebrauchen. Die Patent- Myrrholin-Seife ist in allen guten Parfümerie- und Droguen- Geschäften, sowie in den Apotheken rc. L 50 ^ erhältlich und muß jede- Stück die Patent-Nummer 63592 tragen. v»8 SlVttzlS roirsr, Grude-Vfe». mit Platten nnd Rast, ld. ««nlnlianne», L.-Plagwitz. Carl-Heinestr. 7S. Leipzig, Färberftratze 16 u. RcichSstrasse 26. Taaeskalenver. Telephon - Anschluß: Expedition des Leipziger Tageblattes .... Nr. 222)-- Redaktion des Leipziger Tageblattes .... » 153>7: vuchdruckerei de» Leipziger Tageblattes (8. Polz) - 1173) zu NnSknnstSstelle für Tee - TchifffahrtS - und Reise - Verkehr Relirs-Wrltkarte der Hamburger Rhedereien: F. W. Graupenstein, Packhosstr. 11/13. Unentgeltliche Auskunstserthellung: Wochen tags 9—12 Uhr Vormittag- und 3—6 Uhr Nachmittag-. Patent-,Gebranchsmufter-u Marken-AnskunstsfteUe: Vrühl 2 lTuchhalle), I. Erped. Wochentags 10—12, 4—6. Fernspr. I, 682. Oesfentliche Bibliotheken. UatversttätSbibliothe k(Veethovenstr. Nr. 4) ist an allen Wochen tagen geöffnet: von 9—1 Uhr und (mit Ausnahme deS Sonn abend») Nachmittag- von 3—5 Uhr; Lesesaal von 9—1 und Nachmittag» (mit Ausnahme de» Sonnabends) von 3—6 Uhr: Bücher-Ausgabe und -Annahme von 11—1 und Nachmittag» (mit Ausnahme de- Sonnabend») von 3—5 Uhr. Filiale für Büchrr-AuSgabe nnd -Annahme (Grimm. Steinweg 12) geöffnet täglich von 11—1 Uhr. ktadlbibltothrk Montag» und Donnerstag» 11—1 Uhr, die übrigen Tage 3—5 Uhr. Bibliothek der Handelskammer (Neu. Börse) 10-12 Uhr und 4—6 Uhr.
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