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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.08.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-08-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950814028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895081402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895081402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-08
- Tag1895-08-14
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Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 ge spalten) SO^Z, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis, vrrjeichnib. Tabellarischer und Zisfernsa- nach höhrre-a Tarif. Extra »Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesördernng 60.—, mit Postbesörderuug ^l! 70.-v ^nnahmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgrn-Ausgaber Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an di» Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 89. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 14. August. Die ultra montane „Köln. Volksztg." hat bekanntlich dieser Tage erklärt, man dürfe den 2. September d. I. nicht zum allgemeinen nationalen Festtag stempeln und besonders die Katholiken nicht zur Feier deS „mit so viel cultur- kämpferischen Erinnerungen verquickten" SedantageS zwingen wollen; und sie hat sich dabei auf eine Kundgebung deö Bischofs von Ketteler vom 19. August 1874 berufen, in der den Diöcesanen jedes feierliche Geläute und jeder Festgottes dienst am Sedantage verboten wurde. Mit dieser Berufung bat aber das ultramontane Blatt kein Glück. Der Bischof von Mainz, einer der energischsten Borkämpfer für die „unveräußerlichen Rechte" der katholischen Kirche, bat bekanntlich, unbekümmert um jene Kundgebung und un bekümmert um den Protest der „Köln. Volksztg." gegen eine allgemeine Feier des Sedantages, ein Hirtenschreiben an die Geistlichkeit seiner Diöcese gerichtet, das zur kirchlichen Feier rer Tage, „in denen die Tapferkeit und Hingebung unserer Soldaten die Grenzen Deutschlands gegen ungerechte Angriffe schützte und einen ehrenvollen Frieden erzwang", direct auf fordert. Seinem Beispiele folgend, ist nun auch der Bischof von Negensburg, Ignatius v. Senestreh, mit einemHirten- fchreiben, betreffend die Erinnerung an die großen Kriegs- creignisse 1870/71, an die Oeffentlichkeit getreten. Wir heben aus demselben die folgenden Stellen hervor: „Es kehren die bekannten Erinnerungstage wieder, an welchen bayerische Truppen mit heldcnmüthiger Tapferkeit zur Erringung jener ersten Siege bei Weißenburg und Wörth beigetragen haben, welche sozusagen das entscheidende Vorspiel für den ganzen an Schlachten und Siegen so reichen Feldzug waren. Als Wir im Jahre 1870, vom allgemeinen vatikanischen Concil zurückkehrend, hörten, daß der Krieg bereits erklärt und daß die Armeen Süd- und Norddeutschlands mobil seien, da forderten Wir die Gläubigen Unseres Bisthunis auf, inständig, gemeinsam und bußfertig zu beten, daß Gott der Allmächtige Unser Vaterland schütze, seine Grenzen vor dem Jammer des Krieges bewahre; daß Er die Kämpfenden stärke, den im Kampfe für das Vaterland Fallenden eine glückliche Sterbestunde verleihe; daß Er die Zurückbleibenden tröste und Len Krieg abkürze; daß Er den Sieg jener Fahne »er- leihe, welche für die Sache des Rechts und der Ge- rechtigkeit sich entfaltet und Unsere besten irdischen Güter vertheidigt.... Heute mahnen Wir wiederum an die Pflicht, Gott zu danken für Siege und Frieden, für Be wahrung vor Kriegsnoth und Feindesgewalt, dem Allerhöchsten alle Anliegen des thcuren Vaterlandes auch in Gegenwart und Zukunft zu empfehlen, fleißig aber Derjenigen zu gedenken, welche im Kriege geblieben, in Feindesland begraben oder in der Heimath ihren Wunden und Strapazen erlegen sind .... Möge an keinem größeren Orte, wo noch Feldzugssoldaten leben oder Gedenktafeln die Namen der Gefallenen überliefern, die ErinnerungSzeit an die Ereignisse vor 25 Jahren vorübergehe», ohne daß öffentliche Gebete, wo es angeht auch ein Trauergottesdienst für die Mitbrüder und ihre Seelenruhe dargebracht werden I" Von Begeisterung für die großen nationalen Errungen schäften des Feldzuges sind diese kühlen, sehr kühlen Worte nicht durchweht; aber es spricht aus ihnen wenigstens ein nationales Pflichtgefühl, das der „Köln. Volksztg." und vielen anderen ultramontanen Blättern leider verloren ge gangen ist. Jedenfalls zeichnet sich auch das Regensburger Hirtcnschreiben vortheilhaft vor der Kundgebung des Bischofs v. Ketteler vom 19. August 1874 aus und entspricht der Gesinnung vieler Tausende von Katholiken ungleich mehr, als die Proteste der demokratisch angehauchten „Köln. Volksztg." Das ergiebt sich erfreulicherweise aus der recht deutlichen Sprache, die das Organ der münsterländischen Bauern, der „Westfale", gegen die „Köln. Volksztg." und ihre Berufung auf Bischof von Ketteler richtet: „Wir finden, daß die Anwendung deS bischöflichen Erlasses auf die heutige Zeit ungefähr paßt, wie die Faust aufs Auge. . . . Die katholische Kirche in Deutschland ist nämlich durchaus nicht niedergeworsen und besiegt; sie steht im Gegenthetl mächtig und geachtet da wie nie. Wozu also werden wieder bei einer großen nationalen Veranlassung die traurigen Schatten des Culturkampfes in die Gegenwart heraufbeschworen? Wes halb soll der katholische Volkstbeil an einem Tage, den die ganze Nation festlich begeht, mürrisch beiseite stehen und sich etwa nach dem Kölner Recept am 18. Januar im Winterschnee eine Extra wurst braten ? Gegen die Feier des 18. Januar würden beispiels weise die Polen und Elsaß-Lothringer, denen die „Köln. Volksztg." ja ein weitgehendes Wohlwollen entgegenbringt, ein sehr ent scheidendes Veto einlegen. Etwas mehr national!" Mit dem Grimme von Bullenbeißern fallen bekanntlich die soctaldemokratischen Wortführer jede städtische Behörde an, die es wagt, öffentliche Mittel zu patriotischen Festen zu verwilligen und zu verwenden. DaS „arbeitende Volk" soll nach dem Willen Derer, die zu seinen Herren sich auf werfen, an solchen Festen der „Mordspatrioten" sich nicht betheiligen, und deshalb ist es „Raub" an diesem Volke, wenn aus städtischen Mitteln ein Beitrag zusolchen Festen geleistet wird. Gleichwohl scheuen sich diese Herren nicht, Angriffe auf die städtischen Mittel zu machen, wenn es gilt, social demo kratische Parteifeste recht glänzend auszustatten. So in ElmShorn. Dort findet Anfang September ein social demokratischer Parteitag statt. Der Festausschuß hat nun, wie die „Germania" schreibt, die Stadtvertretung um Zuwendung von 200 -«it und um Erbauung einer Ehrenpforte zum Parteitag ersucht. Der Antrag wurde selbstverständlich vom Magistrat abgelehnt. Die Socialdemokraten wollen aber hiergegen Protest erheben, weil das Gesuch nicht beiden städtischen Collegien vorgelegt worden sei. Hoffentlich wird das Versäumte nachgeholt und dann von beiden städtischen Collegien dem dummdreisten Festausschüsse die rechte Antwort ertheilt. Man brauchte diese nur auS einem Schimpfartikel des „Vorwärts" über die Verwendung von öffentlichen Mitteln zu patriotischen Festen, an denen sich Alle betheiligen können, abzuschreiben, wenn städtische Behörden nicht Bedenken tragen müßten, so knotige Auslassungen sich anzueiguen. Die Rückkehr des Prinzen Ferdinand von Bulgarien nach Sofia hat zu allerlei Muthmaßungen Anlaß gegeben. Einzelne Blätter wollen sogar wissen, daß die Erklärung der Unabhängigkeit Bulgariens und seine Proclamirung zum Königreich geplant werde oder geplant worden sei. Vorüber gehend sollen derartige Eventualitäten in politischen Kreisen in der That erörtert worden sein, jetzt aber scheinen die selben nicht mehr in Frage zu kommen. Die Verzichtleistung auf diese Pläne, bei deren Verfolgung es immerhin um ein vu dungue-Spiel sich gehandelt hätte, erscheint auch, wie die „M. A. Ztg." hervorhebt, durchaus begreiflich. So lange man annehmen konnte, daß alle bulgarischen Bemühungen um die Gunst Rußlands erfolglos bleiben sollten, konnte in Sofia allenfalls die Frage erwogen werden, ob es nicht am zweckmäßigsten sein würde, den gordischen Knoten des Anerkennungsproblems einfach zu durchhauen und durch einen kühnen Schritt eine vollzogene Thatsawe zu schaffen. Nun aber wird man es in Sofia ohne Zweife vorziehen, den bequemeren Weg zu wandeln, welchen der Metropolit Clement mit seiner Deputation gangbar gemacht hat. Das ist minder gefährlich und auch leichter, zumal da man '"Ammuniqu^ ^nter "gewissen „Dementi" deS bekannten „Commumqu ^ ^ aus- Bedingungen geneigt 'st, Bulgar ° ^ ^ drücklich hervorgehoben zu werden dieses Person veS Prinzen Ferdinand A^reun^ Weges durch Entgegenkommen zu "mogl'^g man auch im Auswärtigen heutigen meidlichem zu rechnen, denn anders sofficiösen Morgenblatt m,tgethe,lte auffallende A r 'ie l ve^, ^ ^ „FremdenblatteS' daß das Auswärtige Fr. Pr." hält es f»r wahrscheinlich, daß d ^^^^nungö- Amt Informationen erhalten hat, welch Coburger frage als einer baldigen Erledigung zu (2 s Bulgariens Dynastie entgegengehend lass n. ^ Staatsschifflein ,st denn auch °^nbar 'M 4)egr ll , vollen Segeln in daS .hm erschlossene Esche Wasser einzulaufen. lLs /ragt sich nur, °b ^ dabei m Bulgarien selbst von Zeilen oc U„,.:ckei, der Armee Schwierigkeiten Erntet werden. z biesür feblt es nicht. Die anti-russischen (rlemenie ruy e . sich die Parteien Stambulow's und Radoslawows haben stch^ wie wir bereits erwähnten, zusammengethan um d» neuen Wendung entgegenzutreten, Schwerer noch ^lt „ das Gewicht, daß sich nach unserer letzten Meldung au Sofia auch in der Armee ein Widerstand gegen .di ruffophile Richtung zu regen beginnt. Die Ossinere s^emen fast zu besorgen, daß ihnen durch russische Kameraden Wieder der Rahn! von der Milch abgeschöpst werden konnte. Jeden- falls wird in militairischen Kreisen die Forderung nach emem Wechsel des seit dem Sturze Stambulow s kwgehaltenen Systems laut. Das neu gegründete „Armeeblatt schlagt neben der Einsetzung einer Mililairdictatur die Berufung Radoslawow's zur Leitung der Regierungsgeschafte vor. Dieser Name aber bedeutet eine unabhängige, keinesfalls eine ruffophile Politik. D.e Tragweite der artiger militairischer Kundgebungen gerade m dem jetzigen Augenblick ist nicht zu verkennen, und man wird ihnen auch in den politischen Kreisen Beachtung schenken muffen. Sicher ist, daß nicht ganz Bulgarien und noch weniger die ganze Armee mit der neuen politischen Richtung einverstanden ist. Auch Prinz Ferdinand und das Ministerium Stoilow werden nicht umhin können, mit diesen Erscheinungen und Schwierigkeiten zu rechnen. Es bleibt abzuwarten, ob fie die Kraft haben, dieselben zu überwinden,und auf der neuerdings beschritteneu Bahn consequent weiter zu schreiten. t In südafrikanischen Blättern, englisch und anticnglisch gesinnten, bildet das bekannte Telegramm des deutsche» Kaisers an den Präsidenten der südafrikanischen Republik Krüger noch immer den Gegenstand lebhafter Erörterung. Der in Johannesburg erscheinende „Star", ein Organ der englischen Partei, hatte sich in recht bitterer Weise über das Telegramm des Kaisers, welches, wie er innerlich, dem Präsidenten von Transvaal Krüger auf S. M. S „Condor" überreicht wurde, ausgesprochen; seiner Angabe nach entbehrte der Vorgang jeder politischen Bedeutung. Dem „Star" antwortet nun die „Volks stem", das Blatt der Transvaal-Regierung, in einem längeren Artikel: „London oder Berlin". Darin heißt es, man wisse schon, was von Englands Freundschaft zu erwarten sei. Die südafrikanische Republik werde, wie auch vr. Leyds in seiner Rede betonte, mit Erkenntlichkeit jede ihr getreulich dargereichte Hand ergreifen. Möge nun der britische Obercommiffar hierüber auch die Stirn runzeln und mit der Ungnade von Downing Street drohen; ja möge selbst versucht werden, Argwohn gegen eine gewisse europäische Großmacht -u erwecken, die der Republik schon manchen FreundschastS- »ienst erwiesen, die Regierung werde sich dadurch nie beein- lussen lassen, von dem ihr vorgereichneten Wege abzuweichen. Oie Theilnahme des Kaisers Wilhelm an der Festfreude der Transvaaler sei ein deutlicher Beweis der Neigung der lohen Berliner Regierungskreise, die von aufrichtiger Freund schaft für die Regierung und das Volk von Transvaal be reit seien und deren Gefühle sich auch schon im Lande widergespiegelt hätten. Bei der Berufung von Ausländern im vorigen Jahre wäre von britischer Seite nicht nachgelassen worden, Transvaal Verlegenheiten zu bereiten, während nicht nur der Deutsche an sich, sondern auch der Vertreter des Reichs Alles gethan habe, um jenem beizustehen. Daher wäre es auch natürlich, daß man in Pretoria die von Berlin aus- aestreckte Freundeshand mit Vertrauen ergreife. Daß dies in Capstadt und London mit scheelen Augen angesehen werde, und daß die englisch gesinnte Presse sich darüber erbose und ihre Entrüstung nicht verberge, wäre klar, werde aber die Regierung der südafrikanischen Republik nicht veranlassen, über die Wünsche des Transvaal-Volkes hinwegzusehen und den Blick von Berlin, das Transvaal so gut gesinnt sei, wegzuwenden. — In ähnlicher Weise äußern sich auch die meisten anderen in der Republik erscheinenden Blätter, so die „Preß" und der „Expreß" und constatiren selbst, daß der deutsche Einfluß in Transvaal im Wachsen begriffen sei. Vorgestern ist die englische Parlamentssession er öffnet worden, und morgen wird die am letzten Freitag im Ministerrath festgestellte Thronrede verlesen werden. Man nimmt an, daß sie recht inhaltslos und trocken auSsallen wird. Immerhin kann es schon in nächster Zeit zu wichtigen politischen Debatten kommen, denn man glaubt, Lord Salisbury werde dem Oberhause dieser Tage Mittheilungen von weitgehendem Interesse machen. Stoff genug hätte er dazu. Die Stellung Englands zu der Pforte in Betreff der Reformen in den armeni schen Provinzen und die Niedermetzelung englischer Bürger in China fordern den leitenden Minister förmlich zu Erklärungen heraus. In Bezug auf erstere ,st man über die Ziele der englischen Politik in ziemlicher Unklarheit. In jüngster Zeit sind allerlei Gerüchte aufgetaucht, welche von einem scharfen, drohenden Auftreten Englands gegen die Türkei sprachen. Bestimmte Angaben über den augenblicklichen Stand der Verhandlungen zwischen London und Konstantinopel fehlen aber und werden durch phantastische, aus armeiiischer Duelle stammende Conjccturen ersetzt. Man wünscht aber sowohl in England, wie in Rußland Klarheit darüber zu erhalten, was die englische Regierung und die übrigen Mächte, welche sich an den Collectivschritten wegen der Armenier bethciligten, in Stambul ansgerichtet haben. — Noch dringender ist das Verlangen, aus dem Munde des Premiers zu hören, was er zn thun gedenkt, um die Blutthaten von Wha-sang zu rächen. Es gehört zu den besten und stolzesten Ueberlieferungen der auswärtigen englischen Politik, energisch einzuschreiten, wenn irgendwo im Auslands einem britischen Unterthanen auch nur ein Haar gekrümmt wird. Selbst um ganz gewöhnliche zweifelhafte Geld- forderittlgen englischer Staatsbürger an eine fremde Regie rung cinzutreiben, haben englische Kriegsschiffe die Mündungen ihrer Kanonen gezeigt. Man erwartet in England, daß Lord Salisbury eine energische Züchtigung Chinas für die jüngsten Frevelthaten in Aussicht stellen werde, und sieht deshalb seinen Erklärungen mit ebensoviel Spannung als der Thronrede mit Gleichgiltigkeit entgegen. — Deutscherseits ist man begierig, ob FeniHstoir. 6s Der sechste Sinn. Novelle von Wolde mar Urban. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Mit salbungsvollem Kathederton, gegen den kein Wider spruch erfolgen darf, fuhr Herr Professor Dirrlapp ungeachtet der Unterbrechung fort! „Er ist ein sogenannter Halb-Studirter, Sie wissen, meine Gnädigste, jene Sorte, die unser Unglück sind. Meine College» haben ihm das congilium ndeuncki gegeben, weil sein Studiren, weit entfernt ihm, oder irgend Jemandem einen Nutzen zu stiften, nur eine Qual für uns und für ihn selbst sein würde." „Mein Gott, das ist das Erste, was ick davon höre! Und ich glaubte einen geweckten, lebhaften, frischen Geist in ihm entdeckt zu haben, der vielleicht nur noch nicht an der richtigen Stelle steht." „Er wird nie da stehen, gnädiges Fräulein, denn er ist einer von jenen Leuten, für die es keine richtige Stelle giebt, die überall nur ansetzen, aber nicht fortsetzen, die nur versuchen und nicht vollenden. Ein Alles-Wisser und NichtS-Könner. Mein Gott, Sie kennen ja wohl die Moral, die leider, leider in uiiseren Mittelständen so häufig großgezogen wird. Da wachsen Leute heran, denen jeder Respect fehlt, die Alles besser wissen, immer opponiren und mit nichts zufrieden sind. Nun haben wir da den Sohn eines Schornsteinfegermeisters. Gut. Nicht einmal zum Unterofficier hat es sein Vater gebracht. Sie wissen ja wohl, waS da- heißen will. Max Horn ist nicht einmal Reserve-Officier geworden. Natürlich nicht. Wieso denn? Und die Wissenschaft sollte sich so etwas octroyiren lassen?" „Sie sehen vielleicht zu schwarz, Herr Professor", fragte Fräulein von Fahlen ernst und mit einer ungewöhnlichen, inneren Erregung, in Folge deren die reine, melodiöse Stimme ein wenig erzitterte. „Sie kennen wohl seine Heidelberger Streiche nicht?" „Nun, vielleicht jugendlicher Leichtsinn, der ja in seinem Alter und bei seinem Temperament zu verzeihen wäre." „Man verzeiht Vieles, Fräulein von Fahlen, muß Vieles verzeihen, aber nicht Alles. Wenn ein Student so im Grund und Boven hinein verbummelt — verzeihen Sie das Wort, es ist hier das einzige zutreffende —, daß er ein ganzes Semester mit sich fortzureißen im Standeist, wenn sein Leicht sinn und seine dummen Streiche so sehr von der verkommenen Herzlosigkeit und rohen Boshaftigkeit zeugen wie bei Herrn Max Horn, so wäre Verzeihung ein Frevel gegen den Be treffenden und gegen alle seine Commil,tonen, ein Verbrechen an der Würde einer Universität. Wolle Gott, daß ich Herrn Horn in meinem Colleg nie Wiedersehen müsse." Die ganze Schale lang aufgespeicherten Zorns ergoß sich über den armen Herrn Horn, dessen ganzes Verbrechen doch nur darin bestand, daß die schöne Adele Dirrlapp zwei im Großen, groß im Kleinen, so Herrn Professor Dirrlapp censirt. Zahnlücken hatte. Klein hatte Max einmal über Nun kam die Vergeltung. VII. Zwei Tage waren seit ver verhängnißvollen Jagd ver flossen, und über Doberan Hinzen dicke, trübe Wolken mit einer menschenfeindlichen Ausdauer — wahre Ammen des Griesgrams und der Melancholie. Zwei Tage schon war Herr Max Horn von einer unheimlichen Ahnung und Angst erfaßt, als ob irgend etwas passirt sei oder passiren müßte, was geeignet wäre, ihn zu Boden zu schmettern. Hwei lange, düstre Tage waren vergangen, ohne daß er Fräulein von Fahlen auch nur zu Gesicht bekommen, geschweige denn mit ,hr gesprochen hätte, und er fing schon an, sich in tiefsinnige Betrachtungen über die Stimmung deS Damokles zu verlieren, über dem bekanntlich ein scharfe- Schwert Tag und Nacht an einem Haar hing, was augenscheinlich ebenso unvorsichtig wie unpraktisch war. Da trottete der Briefbote mit dein Schritt des Unglücks über den Hof von Doberan und brachte Herrn Max Horn Stuck, tlleol., Wohlgeboren, einen Brief. Wie die Flammenzüge des Mene Tekel Upharstn starrten dem jungen Mann die ungelenken Buchstaben seines Vaters entgegen. Auf Alles gefaßt, öffnete er den Brief muthig und laS: „Lieber Sohn! Während ich vierzig lange, saure Jahre unablässig bemüht war, mit dem Schornsteinfegerbesen für mich und meine Familie eine ehrliche und geachtete Existenz zu schaffen, hast Du denselben Besen ein einziges Mal in die Hand genommen, um Deinen alten Vater freventlich zu verhöhnen, um dieselbe Position, die er sich geschaffen, im verblendeten Uebermuth zu zerstören. Alle meine bisherigen Ermahnungen waren also vergebens und ich will deshalb keine weiteren Worte hierüber machen. Ich war gestern in Heidelberg. Es war ein saurer Gang für mich alten Mann, aber ich habe meinen Zweck erreicht. Deine Lehrer wollen eS, aus persönlicher Achtung vor mir und meiner Familie, noch einmal mit Dir probiren. Gleich zeitig habe ich Dir eine Wohnung, wo Tu Kost und Logis bekommst, gemiethet. Geld bekommst Du so lange nicht in die Hand, bis ich die Gewähr habe, daß Du keinen Unrechten Gebrauch davon machst. Du hast Dich unverzüglich nach Heidelberg zu begeben und Deine unterbrochenen Studien fortzusetzen. Max! Ich biete Dir zum letzten Mal dir Vaterhand. Folgst Du mir nicht, so habe ich keinen Sohn mehr und Du keinen Vater, kein Heim. Max, die Mutter weint seit zwei Tagen. Wenn Du es also nicht aus Achtung vor mir thun willst, so thue es aus Liebe zur Mutter; es soll mir gleich sein, wenn Du's nur thust. Bis auf Weiteres wünsche ich Dich aber nicht in Dinglingen zu sehen. Ich müßte mich Deiner schämen. Deinem Helfershelfer kannst Du meine Verachtung auSdrücken, wenn Du willst." Noch habe ich Dir mitzutheilen, daß Deine Schwester sich mit Herrn Actuar Saegebühl in aller Stille verlobt hat Um die dabei üblichen Festlichkeiten hat sie der Kummer ge bracht, den Du der Familie machst. Gott gebe, daß ich an D,r auch einmal eine solche Freude erlebe wie an Deiner Schwester. Dein Vater Moritz Horn, Innnngsobermeister." Max nahm den Brief und nagelte ihn, die Schrift nach ""^"' .nnt Einigen Zwecken auf den Fußboden fest, wobei er "ö?rst Du es, Mutter Erde? hörst Du könnÄ"^^' " hö"e das für einen Spaß halten können, aber dicke Thranen glänzten dabei in den Augen des Migen Manne-, und er schlug mit einer solchen Wuth auf d» ^ A-1*. ^"würdigen Verleumder, ^ dieser Weise einigermaßen auSgetobt N/' Ä ^ an, ruhiger zu überlegen, was nun zu geschehen dem Brief hervor, daß sein Vater b auf ihn war und darauf bestand, daß er nach Heidelberg zurllckkehre. Und er hatte sich seit der letzten freundlichen Unterredung mit Fräulein von Fahle» so an genehmen Träumen h,»gegeben, WaS würde es ihm denn nun nützen wenn er hundert Mal betheuern würde, daß er an der unglücklichen Vertauschung unschuldig sei? Man würde ihm nicht glauben! Und wenn man ihm auch glaubte, nach Heidelberg mußte er doch. Er dachte an Fräulein von Fahlen; sie war so liebenswürdig, so vertrauenerweckend, so — englisch gewesen. Dann dachte er auf einmal an nichts mehr, sondern setzte seinen Hut auf und ging über den Hofj nach dem Herrenhause. Es war ihm gewesen, als ob ein Ruck in seinem Herzen geschehen wäre, als ob ein Blitz ihm die Ueberzeugniig in Zvie Brust gelobt hätte, daß nur dort eine Lösung der Verwirrung angebahnt werden könnte. „Ich möchte Fräulein von Fahlen in einer wichtigen An gelegenheit sprechen", sagte er dem Kammermädchen. „Ich will Sie melden, Herr Horn, warten Sie hier." Er wartete natürlich. Gleich darauf kam das Mädchen zurück. „Das gnädige Fräulein bedauert, Sie nicht empfangen zu können", sagte sie. „Wie? fragte er verblüfft, als ob er die Antwort nicht fassen könne, „haben Sie ihr nicht gesagt, daß ich in einer wichtigen Angelegenheit " „Genau, wie Sie mir gesagt haben, so habe ich Sie ge meldet, Herr Horn." „Nun, vielleicht komme ich ihr augenblicklich nicht gelegen", stotterte er verlegen, „vielleicht kann sic mich später empfangen." „Ich will sie fragen, Herr Horn. Warten Sie hier." Das Mädchen ging noch einmal in den kleinen Salon, den Herr Horn nur zu gut kannte, und Max blieb mit ängstlich klopfendem Herzen zurück. Er empfand, was er noch nie empfunden hatte, eine Spannung, eine Angst, als ob Tod und Leben, Glück und Untergang für ihn von der nächsten Sekunde abgehangen hätten. Er erstaunte über sich selbst, denn das entsetzliche Gefühl war ihm ganz neu. Endlich kam das Mädckien zurück. „Das gnädige Fräulein bedauert, Sie auch später nicht empfangen zu können. Herr Horn", sagte sie achselzuckend. Das war deutlich; das war Beleidigung; das war Tusch; wenn Fräulein von Fahlen ein CorpSbruder gewesen wäre, würde ihr ein Schmiß, eine hübsche Terz oder sonst was Schönes sicher gewesen sein. Er, Mar Horn, nicht empfangen? Zurückgewiesen von — von ihr? Weshalb? Es drehte sich Alles ,n seinem Kopse, und verwirrt stürzte er endlich die Treppe hinunter und zum Herrenhause hinaus. Damokles? Ha, Damokles hatte wenigstens die Aussicht, auf der Stelle zum Teufel fahren zu können, während er — eine lange, dürre, öde Wüste vor sich sah, ohne Baum, ohne Saum, am Ende eine einsame Grube — eine endlose, sich weit über den
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