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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.08.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189508263
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18950826
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18950826
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-08
- Tag1895-08-26
- Monat1895-08
- Jahr1895
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.08.1895
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Erößer« Schriften laut unserem ^PreiS- Vrrzeichniß. Tabellarischer und Zisserajatz nach höherem Tarif. Sptra-Veilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabr, ohne Postbefvrdenmg ^l 60.—. mit Postbeförderung 70.—. AunahMfchluß für Iuzeigea: (nur Wochentag«) Abend»Au»gabe: vormittag« 10 Uhr. Margen-Au-gabe: Nachmittag- 4Uhr. v«1 den Filialen «ad Annahmestelle» je rin« halbe Stande früher. Aurei,»» stad stet- an dt» Expedition zu richten. Druck uud Verlag von E. Pol» in Leipzig. 89. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Stadtbaumeisterftelle. Die hiesige mit einem Gehalte von jährlich 1800 dotirle Stadt« baumeistersteÜe ist spätestens am 15. Oktober d. I. neu zu besetzen. Bewerber, welche eine der für da» Hoch» und Landbaufach ge« ordneten Prüfungen bestanden haben, wollen ihre Gesuche unter Beifügung von Zeugnißabjchrtften bi» 10. September diese» Jahre« bei dem Unterzeichneten Stodtrath einreichen. Bei zufriedenstellenden Leistungen wird Gewährung von Gehalts zulagen in Aussicht gestellt. Stadtrath Roßwein, den 24. August 1895. vürgcrmrister »iläer. Aus der Woche. L2. Bon den ErinnerungSfciern des Jahres bat die verflossene Woche in der Grundsteinlegung für daS Denkmal Wil- helm's I. eine der inhaltsreichsten gesehen. In der Hauptstadt eine« zu einem Staat gewordenen Deutschland wird, vom deutschen Volke gesetzt, einem deutschen Kaiser ein Denkmal ent stehen — wer hatte Solches vor 30 Jahren zu träumen gewagt! ES mußte unvergleichlich Großes geschehe», um daS, wie cs schien, von der Geschichte besiegelte Schicksal unsere« Vater landes als eines zur Zerrissenheit verdammten Landes zu wenden. Darum war eS für jeden Deutschen etwas Selbst verständliche«, daß die Ehrung deS ersten Repräsentanten der Einheit verknüpft wurde mit der Erinnerung an eine der größten der großen Wasfentbaten, aus denen die Einigung hervorgegangen ist. Wenn, wie wir gesehen haben, Engländer darüber anders denken, so ist daö unermeßlich gleichgiltig. DaS ist ja eben da« Werthvolle an unseren Siegen von 1870, daß andere Nationen in deutsche Angelegenheiten sich nicht mehr mischen dürfen und sich darauf beschränken müsse», den Groll Über deutsche Dinge, die ihnen nicht gefallen, mittels Druckerschwärze auf Papier in — unS wenigsten- — höchst unschädlicher Weise auszuhauchen. DaS Organ der deutschen Regierung hat den albern-frechen Aus fall des Londoner „Glove" wegen der Wahl des Taae« der Schlacht von Gravelotte zur Grundsteinlegung für da« Kaiserdenkmal würdig zurückgewiesen. Wir glauben aber, es wäre gar nicht nöthig gewesen, Engländern den Zusammen hang zwischen unseren kriegerischen Erfolgen und der natio- nalcn Cristen; darzuthun. Man ist jenseits des Canals darüber sehr wohl unterrichtet, und wa« unS die Engländer mißgönnen, ist nicht Saint-Privat und Sedan, sondern die Früchte dieser Siegestage. Fall-Deutschland 187l ausFrank- reich heimgegangen wäre wie 18l5, sie würden sehr zufrieden sein, wenn wir an den Gedenktagen nichts weiter als „kriegerische Ruhmsucht" zu befriedigen hätten. Im Uebrigen werden wir nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, nnd wenn England Lust haben sollte, die Tage des Bombardements von Alexandrien als nationale Festtage einzusetzen, oder die Er hebung seiner Königin zur Kaiserin von ändien zusammen mit der Erinnerung an die Niederwerfung Nena Sahib'S zu feiern, Deutschland würde, eingedenk deSDichterworteS: „Brave freuen sich der Thal", diese Regungen kriegerischen Stolzes zu ehren wissen. DeS Ehrentages König Albert's und der sächsischen Armee ist auch vom Kaiser mit jener Wärme und Herrlich keit gedacht worden, welche zur Freude unseres Sachsen landes für die Beziehungen zwischen beiden Monarchen charakteristisch sind. Als bedeutungsvoll erscheint, wie früher bei ähnlichen Gelegenheiten, daß der Kaiser nicht nur dem Feldherrn huldigt, dem Heldenführer, der sich und seinem Heere unvergängliche Lorbeeren errungen, sondern daß er auch König Alberl'S Wirksamkeit für die Erhaltung deS Reiches in Friedenszeiten preist. Dir Antwort deS Königs athmet in jedem Satze die Bescheidenheit und die bedingungslose Hin gabe an die Pflicht, die in erster Reihe zu dem köstlichen Vermächtniß gehören, daS die Helden unserer großen Zeit ihrem Volke hinterlassen. Während die Deuischgesinnten die Gräber der Helden be kränzen, di« ihr Herzblut für das Vaterland dahingegeben haben, ist im Lager der vom Vaterland abgefallenen „ziel bewußten" Socialdemokratie eine Meinungsverschiedenheit darüber entstanden, ob eine wegen eines gemeinen Verbrechen« verwirkte Zuchthausstrafe sich zweckmäßig als Aureole verwenden läßt oder nicht. Zur Zeit ist der Streit beendet, der NeichS- tagSabgeorbncte Schmidt, der die Augen namentlich der Land bevölkerung noch für zu blöde erachtet, als daß sie den Strahlenkranz im Meineid ausfindig machen könnte, ist sammt Herrn JürgeS unterlegen und Herr Schröder rite zum Märtyrer promovirt worden. Zur Verstärkung deS Eindruckes stellt cS die socialdemokratiscke Presse als Thatsache hin, daß Schröder unschuldig sei. Allein das geschieht regel mäßig, wenn ein Genosse verurtheilt worden ist, eö sei denn, er hätte eine Parteicasse bestohlen. Für die Kritik des Wahrspruchs der Essener Geschworenen hat daö Publicum nicht mehr Anhaltepuncte, als in manchem andern Proceß; die Zweifel an der Richtigkeit deS VerdictS sind von der Socialdemokratie mit dem Geschicke der im VolkSbetrug Geübten erweckt worden, der „Vorwärts" batte sogar schon lange vor der Verhandlung die öffentliche Meinung in einem der Anklage ungünstigen Sinne zu beeinflussen gesucht — man hat eS mit einem wobl vorbereiteten AgitationSlärm zu thun. Die Frage, ob ein Socialdemokrat überhaupt durch einen Meineid eine Schuld auf sich laden kann, ist unter den Autoritäten der Partei bekanntlich controverS. Im Jahre 1880 schrieb das damalige amtliche Organ der Partei, der „Socialdemokrat", als ein „Genosse" wegen Meineids ver urtheilt worden war: „Was hat nun der Mann eigentlich verbrochen? Er Hot, da» heißt, wenn der rrdrachte Beweis genügt (man sieht: auch hier die unsubstanttirte, ans gut Glück vorgrbracht« Anzweifelung der Nich tigkeit de» UrtheilS), gelogen, wissentlich di« Unwahrheit gesagt; warum? Um einen Freund von Strafe zu befreien. Nicht ein Punct ist nachgrwiesen, au» dem geschlossen werden könnte, daß Eigennutz oder sonst ein niederer Beweggrund ihn zur Unwahrheit getrieben hätte, nur Freundschaft, Aufopferung, Parteiinteresse waren die Motive. Läßt sich da, wenn ein Genosse lieber die Unwahrheit sagt, als durch seine Aussage die Partei schädigt und seine Freunde und Genossen unseren Feinden an» Messer liefert, nicht zu seiner Entschuldigung so Biele- sagen, so mancher Milderungsgrund an- führen, ja sein Bergrhen als a»< einem übermäßigen moralischen Zwang» als eine Art Nothwehr erklären? Darum wird auch jeder vernünftige Arbeiters!) und Socialdemokrat den Verbrecher nach verbüßtem Zuchthaus in seine Arme schließen. Für unS ist der Mann ein Märtyrer, kein Verbrecher!" Lupiöllti 8Lt. In Frankreich macht sich, wie schon mitgrtheilt, eine Bewegung gegen die für 1900 geplantrPariser Weltaus stellung bemerkbar. Sie wird nicht obsiegen, weil Geld interessen und der Chauvinismus mit inS Spiel kommen, aber sie ist interessant für Deutschland, wo vereinzelte Preßorgane die Regierung wiederholt zur Abhaltung einer Weltausstellung drangen wollten und nicht übel Lust be zeigten, den Patriotismus der Gegner des Projecteö in Frage zu ziehen. In dem Lande, da« die größte Erfahrung über Veranstaltungen dieser Art besitzt und große materielle Vortheile auS ihnen gezogen hat, ist man dahin gelangt, in Weltausstellungen einen „unwürdigen", „Ekel" erreaenden Schwindel zu erblicken. DaS ist im Wesent lichen die herrschende Meinung in Deutschland schon lange. Di, Sron,°s'n Im,nm >^bm »S mch?'L °i- E>-°° treten wird. — Deutsches Reich. ici. Leipzig. 26. August, Von auSwärNgkN Hotter» ^uS der „Chronik der christlichen Welt solgenoc Leipzig entnommen: unter denen „In einer Sitzung der ^ gm 27. März über sich vier Socialdeniotratrn besan '. ^ Darunter befand die Bewilligungen für religiöse Zwecke verhand Gemeinde. Bet der sich auch der Posten 600 für dw .ü^'i^^^.demokraken namentlichen Abstimmung "kl°b sich "UN. daß d Beiträge für diese Posilion bewilligten. wahrend ,>e,ammi..u- christliche Gemeinden einstimmig ablehnten. Anti- Di-,. N,'chnch./.'.Uch, dm 7- «-« semiten gestellten Antrag, d e 600^ für v>e »o Iw zu streichen, fand zunächst ke.ne nan'-nlbche Abstimmung sta ^ sodann haben aber nicht nur die Ant 1 , l ^sssinmt. die Socialdemokraten gegen ^>e ^ewillgi 4. 2) - gg Die Beiträge für christliche Gemeinden hatten sie ebensa Berlin, 25. August. Die Erklärung der -Krkuz-Zg.' Iichen zu sehen, in Zusammenhang gebracht. Beides nnt Unrecht Der Fall Hammerstein ist insoweit abgethan, als dieser Herr niemals zur ..Kreuzzeitung" zurückk-hr-n w'rd und an einem „von" vor dem Namen ihres puvuc'stischen Vertreters ist den ostelbischen Herren nichts gelegen, wenn nur sein Träger in jedem Betracht den Aspirationen deS aroßgrundbcsitzenden Adels Rechnung tragt. Al« em solcher Ntann wird aber Herr vr. Kropatscheck mcht angesehen. Er genießt vielmehr da« unbesiegliche Mißtrauen der- jenigen Conservativen, die jede auch nur zu agita torischen Zwecken aufgestellte agrarische Forderung Mit rücksichtsloser Energie vorgebracht wissen wollen. Deshalb war die, wie sich nun herausstellt, falsche Meldung von der definitiven Uebernahme deS leitenden R-dacteurpostenS durch Herrn vr. Kropatscheck eine nicht geringe Ueberraschung für die Unterrichteten. Wenn jetzt eine Richtigstellung erfolgt, so mag dies zum Zwecke der Beruhigung der Elemente innerhalb der conservativen Partei, die den ehemaligen Gymnasiallehrer für zu leicht befunden, geschehen sem. Die Richtung Hammerstcin ist keineswegs so weit zuruckgedrangt, wie verschiedene mittelparteiliche Organe anzunehmen scheinen * Berlin, 25. August. Auf die von der „Schles VolkSztg." ertheilte sanfte Mahnung, in Pleß-Rybnik für Meseritz-Bomst sich erkenntlich zu zeigen, antwortet daS Organ der polnischen Geistlichkeit, der „Kuryer Poznans!»^: Er gehe gern mit dem Centrum Hand in Hand, müsse zedoch, da er d:e Politik dieser Partei nicht immer verstehe (!), besonder» in oberschlesischen Angelegenheiten die erforderliche Reserve bewahren. Seit der Zeit, wo da« Eentrum «in comproinittirendeS Bündniß mit Liberalen und Freimaurern eingegangen sei (I) und zwar in eben dem selben Wahlkreise Pleß-Rybnik, sei man vorsichtiger geworden. An- gesicht» der Ergänzungswahlen daselbst habe daS Centrum ursprüng- Itch seine Candidaten, später dagegen ander« ausgestellt, und wer weih, ob diese Partei nicht noch einmal die Personen wechsele und schließlich nicht ein Bündniß mit den erklärten Feinden des Polen- thum« und der Kirche rtngehen werde. Darum ziehe «S der „Kuryer" vor, für seine Politik bis zum letzten Augenblick freie Hand zu be- wabren. Er könne daher der „Schles. Bolksztg.", seiner „ihm sonst -ia»; angenehmen Waffengenossin" nur den Rath geben: „Es eae ein Jeder vor seiner Thür." Die „Schlesische Volkszeitung" nennt daS bescheidener Weise eine „prompte" Antwort und erwidert im Wesent- ^^Auch wir „verstehen" die Politik der polnischen Fraktion nicht immer", bleiben aber bei unserem Leisten und lassen diese das ganze Jahr ungeschoren, außer wenn wir ihr gelegentlich hilfreich beispringen. So erheischt es unseres 'Er- achtens die gute Sitte unter befreundeten Parteien. Des- halb begnügen wir unS damit, hier nur noch einen Schnitzer sestzustellen, der dem „Kuryer" unterläuft, indem er Ratibor mit Pleß - Rybnik verwechselt und obendrein noch mit komischem Pathos die „Politik de« CentrumS" mit dieser Action belastet. Das „Centrum" kann für Vorfälle in einzelnen Wahl kreisen ebensowenig, wie die polnische Fraction als solche für die reichliche Luriositätensammlung in verschiedenen Posener Wahl kreisen. Zudem hat die schlesische Centruinsleitung damals in so correcter und vor Allem wirksamer Weise das Nöthige gethan, daß auch der „mißtrauische" „Kuryer". der „die Politik dieser Partei nicht immer versieht", eS wissen könnte und müßte. Freilich, wenn er diese Politik nicht verfolgt, kann er sie auch nicht „verstehen".^ ES ist geradezu blamabel, daß auf die polnische Ueber- hebung das schlesische Blatt nicht mit einer entsprechenden deutschen Antwort zu dienen vermag; aber freilich, es kann nicht ander-, denn an der beschämenden unerbetenen Unter stützung der Polen in Bomst-Meseritz war eS in erster Linie betyeiligt. — Anläßlich des Sedantages werden allein 313 städtische Gebäude beleuchtet und auSgeschmückt werden. — Nach dem „Berl. T." ist an unterrichteter Stelle von der Berufung einer „Jmmediat-Commission" zu Berathungen über eine Vereinfachung der Socialgesetzgebung zur Zeit noch nichts bekannt. — Gegenüber hier verbreiteten Gerüchten, daß das im Manöver befindliche Gardecorps eine größere Anzahl von Erkrankungen durch Hitzsch läge erlitten habe, wird von zuständiger Seite erklärt, daß bis jetzt kein einziger Todesfall auS den Manövertagen gemeldet worden ist und daß von den etwa 100 Soldaten, die durch die Hitze schlapp wurden, die meisten schon wieder Dienst thun. Mit Rücksicht auf die große Hitze werden die Manöverübungen in den frühesten Morgenstunden abgehalten und müssen spätestens um 10 Uhr Vormittags beendet sein. — Wie die „N. A. Z." auS zuverlässiger Quelle Hort, ist nunmehr auch die für die Beraubung der holländischen Bark „Anna" von der marokkanischen Regierung zu- gesagte, erst am 9. November d. J.^fällige Entschädigung von 112 500 Frcs. bereits am 9. d. M. dem mit der Ver tretung der niederländischen Interessen betrauten kaiserlichen Gesandten in Tanger Grafen Tattenbach ausgezahlt worden. Somit ist auch dieser Zwischenfall, der in den Zeitungen so viel von sich reden machte, dank der energischen und umsichtigen Haltung deS deutschen Vertreters, schneller erledigt worden, als ursprünglich erwartet werden konnte. — DaS anarchistische Organ „Der Socialist", von welchem soeben die zweite Nummer erschienen ist, wird von dem Ahlwardt-Böckel'schen „Volksrecht" äußerst freundlich besprochen. DaS Blatt, so lautet nach der „Poff" die Kritik, zeichnet sich durch edle Sprache und wissenschaftliche Gediegen heit auS. — Die Börsensteuer wird, wenn die Voraussicht der „Berl. Pol. N" sich erfüllt, in dem laufenden Budgetjahre einen so ergiebigen Ertrag wie kaum noch zuvor liefern. Sie ist mit 23,6 Millionen im Etat veranschlagt, hat aber schon in den ersten vier Monaten mehr als die Hälfte dieses An satzes ergeben, nämlich 12,1 Millionen. Man glaubt daher, daß die wirklichen Ergebnisse den Voranschlag erheblich über- Frnillatsn. In der Fabrik. 4j Erzählung von W. v. d. Mühle. Nachdruck vertat«». (Fortsetzung.) Er stand und drehte die Mütze in den Händen. „Der liebe Gott wird uns den jungen Herrn schon lassen, Fräulein, sagte er endlich schüchtern, wir haben ihn ja alle so lieb." „Ja, ja", murmelte sie mechanisch, „wir haben ihn ja alle so lieb." Dann, als der Schmied gegangen war, setzte sie sich wieder auf die Bank und plötzlich brachen die Thränen hervor, heiße leidenschaftliche, unaufhaltsame Thränen. In der Fabrik läutete eS Feierabend. Die Kinder waren von dem Mädchen in das HauS geholt worden, ringsum wurde e« still! Und in dieser feierlichen Ruhe, die so plötzlich dem lärmenden Treiben deS Tage- folgte, saß daS junge Mädchen und lauschte mit müdem Herzen der schmeichelnden, bittenden-Stimme ihrer jungen Liebe, bis auch der letzte Rest von Stolz und Widerstand auS ihren Gedanken geschwunden war und sie nicht« mehr war und sein wollte als ein demÜthige-, hin gebendes Weib. IV. In der Fabrik hatten sich zwei große Ereignisse zugetraaen und zwar beide an demselben Morgen. Da- eine hatte sich durch großen Jubel, das andere mehr durch die unbändig« Heiterkeit, die es hervorrief, ausgezeichnet. Ihrer Zehn von den Arbeitern, meisten« ältere Leute, spielten zusammen rin Viertelloo« in der Lotterie. Aus diese- LooS waren am Tage vorher 8000 Mark Stallen, und die zehn glücklichen Gewinner wurden den ganzen Morgen di« Gratulanten nicht los. In Folge dessen war eS an diesem Tage mit der Arbeit nicht weit her, und der Werkmeister hätte wahrscheinlich fürchterlich geflucht und gepoltert, wenn er nicht selbst Theilhaber deS LooseS gewejen wäre. So wandelte er nur mit verklärtem Antlitz hedum und begnügte sich, auf eine Bemerkung de« ersten Ingenieurs in Betreff der heutigen Bummelei zu antworten: „Der Lotterieieufel bat die Leute gepackt, Herr RupreLt, und die Freuve über Tischler Hagemeistrr'S Zwillinge hat sie v»llrnd« toll gemacht." „WaS?" der rothe Ruprecht schrie förmlich vor Freude, „oll Tischler Hagemeister hat Zwillinge? Na, da muß ich doch gleich dem Biedermann die Hand drücken" Er stieg in die Tischlerei hinunter, die in dem hohen, geräumigen Souterrain gelegen war, und schüttelte dem glücklichen Vater in seiner cordialen Weise die Hand. „Na, da« freut mich, Hagemeister." „Mich auch, Herr Ingenieur", murmelte der Beglück wünschte, aber sein blasses, gutmütyiaes Gesicht sah dabei so jämmerlich auS, als habe er alle sieben Todsünden auf dem Gewissen. Ruprecht verbiß sein Lachen. „Ihre Frau hat sich Wohl recht Uber den Zuwachs gefreut, wir?" Der Tischler kratzte sich hinter den Ohren. „Na, offen gestanden, mit der Freude war e« nicht weit her, sie Nebt da« Kindergrschrri nicht. Und sehen Sie, Herr Ingenieur, wenn man so in meinen Jahren ist, da ist eS auch kein großes Vergnügen, Nacht- mit die Milchflaschen herum zu hüten. Aber natürlich", setzte er hastig hinzu, als fürchte er, seine Worte könnten einenßschlechten Eindruck machen, „gefreut Hab' ich mich furchtbar." Der Ingenieur, der fühlte, daß er seinen Lachmuskeln nicht länger gebieten könne, beeilte sich, wieder hinaus zu gelangen. Dana stürmte er mit seinen langen Schritten in den Zeichensaal und gleich auf Jen« Pult zu. „Mensch, da« ist ja «in herrlicher Witz, der da gestern in Ihrem Haus« passtrt ist, und Sie erzählten keine Silbe davon." Jens drehte langsam und phlegmatisch sein Haupt. „Wa« wollen Sie von mir? Ich habe keinen Witz gemacht." „Nein, Sie nicht, aber Hagemeister'«." Jen« öffnete seine Augen etwa- weiter. „Ah", sagte er erwartungsvoll. Einer der jungen Herren fiel rin: „Er weiß gewiß noch gar nicht, daß bei Hagemeister'« Zwillinge sind. Des Schweden verdutztes Gesicht bewies, daß der Sprecher Recht hatte." Ruprecht sank vor Lachen auf einen Stuhl: „Na alter Herr, Ihretwegen braucht auch keine Weltgeschichte zu existiren; Sie widmen den wichtigsten TageSfragen denn doch gar zu wenig Interesse" „Deutsche Weltgeschichte i« mich ganz egal", erklärte sein Opfer mit philosophischer Gelassenheit und rief dadurch einen neuen HeiterkeitSauSbrnch seine- Peiniger« hervor. Aber plötzlich stockte da« Lacken und der Ingenieur sprang erschreckt von seinem Stuhl auf. „Herr Gott, im Himmel, wa- ist mit Herrn Paulsen los?" Alle Köpfe fuhren herum. — Draußen auf dem Hofe hatte der Fabrikyerr eben dem Telegraphenboten eine Depesche abgenommen und riß dieselbe hastig auf. Plötzlich wurde er schneeweiß, da- Blatt entfiel seiner Hand, und er griff wie hulfesuchend nach einem Halt. Der alte Schmied, der von der offenen Schmiede her den Vorgang ebenfalls bemerkt hatte, warf den schweren Hammer zur Seite und eilte mit dem Ruf: „Der Herr wird ohn mächtig!" hinaus. Karl folgte dem Vater. Herr Paulsen saß auf einem Brctterhaufen und starrte wir geistesabwesend vor sich hin. An den Fenstern der Fabrik zeigten sich bereits neugierige Gesichter. „Da ist doch kein Unglück geschehen, Herr?" fragte der Schmied und hob das Papier auf. Feinfühlig, wie der alte Mann war, reichte er eS seinem Chef hin, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen. „Ich weiß nicht, Hagemeister", sagte Herr Paulsen mit heiserer Stimme, „mir ist plötzlich sehr schlecht geworden, und er versuchte, das blaue Blatt in seine Tasche zu schieben. Da bemerkte er dir spähenden Gesichter ringsum. Helft mir m da- HauS", sagte er, und auf den Arm des Alte» gestützt, gmaer hinein mit langsamen, schleppenden Schritten. Frau Hedwig kam eben, «in Liedchen trällernd, über den Corrivor. Al- sie ihren Mann so unsicher eintreten sah, erschrak sie heftig. „Wa« ist Dir passirt, Hans? Hagemeister. wa- ist n„t meinem Mann lo«? E- hat doch kein Unglück m der Fabrik gegeben?" Ihr Mann winkte ihr matt mit der Hand und Haae- meister öffnete ohne Umstände die Tbür zu dem Arbeits zimmer, trug seinen Herrn mehr, wie er ihn führte, hinein, und legte den Ohnmächtigen auf da« Sopha. Schon nach wenigen Augenblicken erholte sich dieser und tastete in seiner Tasche nach dem Telegramm. Dir junge Frau nahm e« und Überflog dir Zeilen: „Herr Gottl mein Hqn«, mein armer HanSI Wer hätte da« ae- dacht, daß wir Georg so schnell verlieren müßten!" Haaemeister'« braunes Gesicht wurde fahl. ,r wollte etwa« fragen, aber be, dem Anblick seine« gänzlich gebrochenen Herrn blieb chm da« Wort in der Kehle stecken. Herr Paulsen machte mit der Hand rin Heiwe,, allein lassen möchte. Da gma der Alte hinaus. " lebnte blaß wie eine Leiche Ilse Cver«. Im Begriff, da« Znnmer zu betreten, hatte sie den Au-ruf ihrer Schwester vernommen, und das Herz drohte ihr still zu stehen. Sie bemerkte eS nicht, wie der Schmied, sie mitleidig anschauend, mit stillem Gruß an ihr vorüber ging. * * * Die Fröhlichkeit, die Morgens in der Fabrik geherrscht hatte, war einer unheimlichen Stille gewichen. Die Leute sprachen nur mit halblauter Stimme, und mancher scheue Blick flog hinüber zum Wohnhause, wo in dem Schlafgemache die Vorhänge herabgelassen waren. Der Wagen des Arztes kam und hielt lange vor der Thür. Man erzählte sich, der Herr habe einen Schlaganfall gehabt. August, der biedere Hausknecht, trabte eifrig hin nnd her »wischen der Wohnung und der Fabrik. Er hatte jeden Augenblick eine wichtige Neuigkeit aufgeschnappt, die er irgend einer mitfühlenden Seele anvertrauen mußte. Durch ihn war auch der Tod deS jungen Herrn unter den Arbeitern bekannt geworden, denn der alte Hagemeister bewahrte ein hartnäckige- Stillschweigen. Als der Alte Abend- in seine Wohnung kam, stieg er, ohne sich in der Etage seines Bruders aufzuhalten, direct hinauf unter da- Dach, wo die beiden Zimmer lagen, die ihm und seinem Pflcgesohn gehörten. Dort setzte er sich schwer fällig auf «ine Kiste, stützte den Kopf in die schwieligen Fäuste und versuchte, sich in dem Wirrwarr seiner Gedanken zurecht zu finden. Er brauchte Zeit, um ein plötzliches Ereigniß, sei es Freude oder Schreck, zu begreifen. Aber die Menschen schienen nicht gesonnen, ihm heute Nachmittag seine Ruhe zu lassen. Zwar Karl, der seinen Vater kannte, ließ ihn un gefragt allein, aber gleich darauf verkündete ein schüchternes Klopfen an der Thür, daß Besuch käme. Mit verlegenem Gesicht drückte sich Jen- in die Kammer. „Verzeihen Sie, Herr Hagemeister, ich wollte nur fragen, was daran Wahres ist an die Geschichte?" Der Angeredete hob langsam den grauen Kopf. „Guten Abend, Herr Jen«. Ich Hab' gar nicht gehört, daß sie herein kamen. Wollen Sie nicht Platz nehmen?" Er schob mit dem Massiven Ellbogen einen Stoß Werkzeuge von dem nächsten Stuhl und nöthigte seinen Gast, sich zu setzen. Die schweren Geräthe fielen dröhnend zu Boden, und der dumpfe Ton hallte laut über den weiten Bodenraum. Jens schien einigermaßen erschreckt von diesem energischen Vorgehen; er setzte sich schüchtern, sah seinen Wirth an und schwieg sich auS. „Sir meinen daS Unglück von heute Nachmittag?" fragt«
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