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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.08.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-08-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950829020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895082902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895082902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-08
- Tag1895-08-29
- Monat1895-08
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Die Augen der Welt waren trotz der Versicherung des Grafen Preysing nicht auf die Versammlung gerichtet, man hat sich um sie «irgend- grlümmert und wird es um ihre Beschlüsse noch weniger tbun. Da» einzige Interessante an der ganzen Veranstaltung war der Umstand, daß sie in München stattfand, wo der Prinz-Regent vor fünf Jahren die Abhaltung der Versammlung im Interesse deS Friedens sich verbeten hatte. Daß die« seitens eines streng katholischen Fürsten geschehen konnte, beleuchtet die Be rechtigung dieses Parteitage« der politischen Centrumspartei, sich e»n« unpolitische Katholikenversammlung zu nennen. Uebri- genS wurde sic auf komische Weise jetzt in München gezwungen, sich zu demaskiren. Das bayerische Vereinsgesetz verbietet die Theilnabme von Frauen an politischen Versammlungen, und da die Münchner Polizei über die Natur des „Tage«" nicht auS der „Germania", sondern durch Einsicht in die Tages ordnung sich belehrte, so mußte der Vorsitzende in eigener Person durch das an die Damen gerichtete Ersuchen um Fernbleiben von einer Reihe von Versammlungen den politischen Eharakter des Unternehmens anerkennen und damit den von der ultramontanen Presse Preußens als himmelschreiende Zurück setzung ausgegebenen Bescheid der bayerischen Staatsbahn verwaltung, daß den Besuchern deS Katholikentages als einer politischen Veranstaltung keine ermäßigten Fahrpreise zu gewähren seien, vor versammeltem Volke rechtfertigen. Mit diesen anspruchslosen Bemerkungen ist eigentlich DaS, was über das „EreignH" zu sagen wäre, er schöpft. Die Theilnehmer der Versammlung, die zu ihrer Anlockung drei gedruckte Anpreisungen des feuchten Genius Münchens und der sonstigen Vergnüglichkeiten der Stadt nicht übertrieben gefunden haben und eine freundliche Erinnerung mit nach Hause nehmen, würden im Uebrigcn nicht das Mindeste verloren haben, wenn sie zu Hause geblieben wären und den Bericht über die letzte, die vorletzte, die dritt- letzte„Hrerschau" in einer müßigen Stunde vorgenommen hätten. Abgesehen vom Bier und Plaistr, ist eS immer dasselbe. Die Herren dürften froh gewesen sein, daß das 25 jährige äubiläum der Erhebung NomS zur italienischen Hauptstadt und der Culturkampf in Ungarn ihnen die Aufpinselung von ein paar neuen Strichen auf dem alten Bilde gestatteten. DemNichtultramontanen ist die Neberhebung, die dem Papstthum das natürliche Recht eines Richters über die Völker vindicirt, gleichfalls zu gewohnt, als daß sein Blut bei ihrem abermaligen Zutagetreten in Wallung gerathen könnte. Wir in Deutsch land wissen am besten, waS von diesem Berufe des römischen Stuhles zu halte» ist. Allerdings giebt der Papst seit Jahren Beweise einer gewissen confesstonellen Vorurteilslosigkeit, indem er die Politik des von Atheisten regierten Frankreich und des schismatischen Rußland gegen die überwiegend von Katholiken bewohnten Dreibundslander unterstützt. Aber daö kann für uns Deutsche nichts Verlockendes haben, sintemalen wir zum Dreibund gehören und wissen, daß das Interesse deS Papstes am Zweibunde eben diesem Umstande zuzu schreiben ist: und weil wir ferner wissen, daß der vom Vatican bekämpfte Bund den Friedensgedanken vertritt, so macht die Münchener Resolution, die für den Papst eine „Welt stellung zur Aufrechterhaltung des Friedens" verlangt, keinen oder das Gegentheil von dem beabsichtigten Eindruck auf uns. Irgendwelche innere politische Bedeutung beansprucht der Verlauf der Versammlung ebenfalls nicht. Daß die aus den agrarischen Bestrebungen ^sich ergebenden Meinung- Verschiedenheiten innerhalb des EentrumS in München stark hervortrrten würden, hat kein vernünftiger Mensch geglaubt, die Betonung der Einigkeit in dem an die Versammlung gerichteten Schreiben deS Papstes war sicher nickt auf die drei Münchener Festtage, sondern auf die darauf folgende WerkeltagSzeit be rechnet. — Der nächste „Katholikentag" findet nicht in der wegen ihres vorzüglichen Bieres empfohlenen schwäbischen Stadt, sondern, wie schon gemeldet, in Dortmund statt. Ueber eine Woche lang hat die Erregung landwirthschaft- licher Kreise Nahrung aus der Meldung gezogen, die an der Baissc-Lpeculation ln Getreide stark bethelligte Berliner Firma Cohn <L Rosenberg sei in ihren Geschäften durch die Gewährung eines ZollcreditS von 3>/, Millionen Mark staatlicherseits gefördert worden. Es wurde von der agrarischen Presse die gesetzliche Verpflichtung der Zoll verwaltung zu der behaupteten Stundung so lange in Zweifel gezogen, b>S die Schichten, auf die man wirken wollte, von einer freien Entschließung der Behörde überzeugt waren, und vor zwei Tagen Herr v. Pl o etz zu der bekannten aufreizenden Behandlung des Gegenstandes übergehen konnte. Nun theilt, wie schon gemeldet, die „Freis. Ztg." mit, daß jene Firma überhaupt keiuen Zoll in Anspruch genommen, sondern die für ihre Getreideberüge fälligen Zollbeträge baar bezahlt habe. Die „Nordd. Allg. Ztg." verfehlt daher nicht, das Ver halten des Präsidenten des Bundes der Landwirthe wie folgt zu beleuchten: „In jedem Falle ist cS eine neue und ungehörige Erscheinung, wenn Herr v. Ploetz.. „einen Sturm der Entrüstung durch« Land gehen" läßt, „in der — Befürchtung, daß sich die Kunde bewahr heitet, daß die Firma Cohn L Rosenberg, durch dir Gewährung großartiger Zollccedlte unterstützt, ihre Börsenmanipulationen vor« genommen Habel" Einen Sturm der Entrüstung basiren ge wissenhafte Leute doch nur auf Thatsachen, die ihnen als solche genau bekannt sind, nicht auf Bermuthungen und Befürchtungen. Herr v. Ploetz aber verwerthet. was er au»- gesprochenermaßen nicht sicher weiß, waS auch für ihn nur eine „Befürchtung" bildet, in seinen Ausführungen alSbald zu der positiven Anklage an die Adresse der Regierung: „Eine Börsenfirma wird staatlicherseits unterstützt, und diese ein» Firma der- dient dabei Millionen, während durch ihre Börsenmonöver Tausende von Landwirthen zu Grunde gehen. Wo bleibt da die Social« Politik?!" Es liegt uns (auch uns. Red. des „L. T.") selbstverständlich nichts ferner, als den scharfen Worten, mit denen sich Herr v. Ploetz gegen Börsenoperationen von der Art der von der Firma Cohn L Rosenberg betriebenen wendet, entgegen, treten zu wollen; das Urthell über solche Manipulationen wird durch diese unsere Darlegungen nicht berührt. Aber die Be- slissenheit, mit der Herr v. Ploetz sich bemüht, der Entrüstung eine Spitze gegen die Regierung zu geben, die Methode, Ber- muihnngen wie Thatsachen zu behandeln, um sich so eine Grund lage zu schweren Vorwürfen zu construiren, und auf bloße Hypo- thesen hin eine Sprache der Aufreizung gegen die Regierung zu führen, entbehrt der Gewissenhaftigkeit, und wir möchten die Gegen- frage an Herr» v. Ploetz richten: „Wo bleiben bei einem solchen Kampfverfahren gegenüber der Regierung die konservativen Grundsätze?" Man darf sich leider von diesen Auslassungen keine besondere Wirkung im Lande versprechen. Zweckmäßiger wäre es wohl gewesen, wenn die Regierung daS Papier deS„NeichS- anreigerS" oder wenigstens daS der „Berl. Corr." die a so gern dementirt, nicht für zu gut gehalten hätte, der 'ätschen Nachricht sofort nach ihrem Auftauchen entgegen- utreten. Es fällt nicht auS dem Rahmen dieser Bemer- ungen, wenn wir niittheilen, daß von den beiden Berliner Preßorganen, in denen die agitatorische Ausbeutung der be treffenden Meldung durch Herrn von Ploetz erfolgt ist, das eine von der Feststellung der „Freis. Zeitung" in einem ver steckten Winkel, daS andere gar keine Notiz nimmt. Den Beschimpfungen, die der General Mnnirr sich gegen die deutschen Ossi eiere herausgenommen, bat der bobe Rang deS Verleumders eine mehr als gewöhnliche Beachtung zugezozen; sie schwimme» indessen nur aus einem Strome ähnlicker niederträchtiger Erfindungen, die sick gegen wärtig durch die französische Presse ergießen und einen betrübenden Beweis von dem Geisteszustände eine« TheileS der französischen Nation geben. Dazu gehört eine Zusammenstellung von kurzen Berichten auS en g tischen Zeitungen, die zum Theil nur durch falsche Auslegung und hinzugefugte sinnentstellende Rand bemerkungen dem edlen Zwecke dienstbar gemacht werden können. Diesen englischen Stimmen ist denn auch al« deutsches Eingestandniß der eignen Schlechtigkeit eine Mittheilung aus der „Kölnischen Zeitung" angereiht. Die Stelle besagt im Französischen: „Da Allewanä, qul sign«, scrit <ls Lllsrtros, Io 5 äecembre, ü Irr 0»rette äs Oolvgus: „vepuis gus Irr guerrs est eutröe äans la pllase «ctuollv, c'est une vraie viv äe briganäs gue nous menons." " Da mit nun ja das richtige Berstäudniß herausgebracht werde, wird hinzugcfügt: „Lt l'Ltvile beige, »prös avoir oitä sei artiele, azuute: „81 les zouinaux allemauäs coiNiennvllt äe pureils aveux et reveleut css prvesäes plutot «ttvuu6» yu'exugerös, peul-vn »'Stornier?"" Und was hat thal sächlich in der „Köln. Ztg." gestanden? Ein FeldzuaSbericht von Hans Wachenhusen aus Chartres vom 5. Decemver 1870 beginnt mit folgender Einleitung: Ein Räuberleben ist's, seit der Krieg in diese Phase getreten, und seit ick gestern Abend mein Quartier im Palais Sr. Eminenz de« Bischofs von Chartres aufgeschlagen, brummte ich fortwährend: Heut' kehren wir beim Pfaffen ein, Beim reichen Pächter morgen. Monseigneur kümmert sich natürlich nicht um seine» Gast, aber seine Gastfreundschaft ist deshalb nicht minder eine eminente, die in meinem vollständig ausgehungerten Magen die dankbarste Verehrung findet. Bier Wochen in vollständig ausgezehrten Gegenden, die letzten acht Tage in Städten und Dörsern, m welchen absolut nichts mehr ans- zutreiben war, wo auf jeder Schwelle, die man betrat, Einen, schon der Schrcckensruf entgegenschallte: I>u tont, ä» tont, cku tont! oder: Nix Brott, nix Fletsch I bis zu welcher Sprachkenntniß die Angst dir Bevölkerung schon getrieben hat. Der Hunger war'« deshalb Haupt, sächlich, der mich immer wieder daS General-Commando ausiuchen ließ; aber auch in der Umgebung desselben war während der letzten acht Tage das Eiend groß, wenn ich zu spät eintras, wenn dir Fleisch, und Brod-Rationen schon ausgetheilt Ware», und mir blieb nichts übrig, als mich ans das Schnorren bei mildlhätigen Nachbarn zu verlegen, mir bei diesem ein Stück Brod, bei jenem ein Stück Speck zu erbetteln, waS dann bi« zum nächsten Morgen ausreichte, an weichem dir Nahrung«sorgen von Neuem herantraten. Dir schlimmsten Tage aber waren mir die letzten drei, die Schlachttagt nämlich von Loigny und Artenay, während welcher ich von schlechter Wurst und Cognac lebte, bei 8—10 Grad Kälte hin- und hertrabrnd durch den Nordwind und das Schneegestöber, mit welchen der Himmel uns heimsuchte. Die „Köln. Ztg." bemerkt dazu: „Wir haben eine größere Stelle abgedruckt, um das uns vorgerückte beschämende Ein- geständniß: „seit der Krieg in die jetzige Phase eingetreten ist, führen wir ein wahres Rauberleben" in seinen richtigen Zu sammenhang zu bringen. Es wäre eine Beleidigung für den Scharfblick unserer deutschen Leser, sie noch besonders darauf aufmerksam zu machen, daß die Bemerkung von dem Räuber» leben nur auf den unsteten Wechsel der Quartiere, heut« beim „Pfaffen" — dem Bischof von ChartreS —, morgen bei irgendeinem Bauer oder Gutsbesitzer, zielte. Wie au« der Schilderung unseres Berichterstatters hervorgeht, hätte man diesen viel richtiger einen armen Bettler al« einen Räuber genannt. Ob nun die Franzosen sich veranlaßt sehen werden, das gefälschte Zeugniß von dem angeblichen Ein- geständniß der „Kölnischen Zeitung" zurückzunehmen? Schwer lich; nach jener Seite ist Hopfen und Malz verloren. Aber wenn die „Etoile belge" dazu bemerkt: „Wenn die deutschen Zeitungen solche Geständnisse enthalten und dieses eher ab- geschwachte als übertriebene Gebaren enthüllen, kan» man sich dann noch wundern?" so dürfen wir von dem auf seine Neutralität pochenden belgischen Nachbar doch verlangen, daß er die von den französischen Chauvinisten so schmählich auö- genutzte Entstellung zurücknimml und der Wahrbeit die Eine ziebt, daß e« sich nur um eine scherzhafte Einkleidung ganz harmloser Dinge handelt." Die französischen und die deutschen tzerbstmanöver fordern diesmal mehr denn sonst zum Vergleich heraus. Die ruhige und erhebende Art, in der Deutschland seine Erinnerungs- seiern an die große Zeit vor 25 Jahren begeht, scheint doch in gewissen französischen Kreisen Mißbehagen hervorgcrufen zu haben; die Herren brauchen eine Auffrischung ihre« ChaubiniSmuS und sie sind daher auf die Idee gekommen, mit den Herbstmanövern eine Demonstration zu verbinden, ieselben finden im Osten unter Leitung deS Generals aussier statt und sollen ganz besonders großartig werben. Auch die Marinetruppen sind Herangerogen, eine Brigade Marine-Infanterie und eine Abtheilung Artillerie werden aus gestellt. Der russische General Dragomirow soll im Gegensatz zu den MilitairattachSS eine ganz besonders exccptionclle Stellung erhaten: und das ist daS beinerkenSwerthe. ES soll also bei diesen Manövern wieder gezeigt werden, daß daS in Kron stadt aiigefangene und in Toulon fortgesetzte Werk, die russisch-französische Entente, eine neue Betbatignng gesunden, dem Zaren wird Referenz gemacht und ein erneutes Wett- kriecben der französischen Republikaner vor den Russell könnte bei diesen Manövern vielleicht wieder beginnen. Nun, uns Deutschen kann daS weiter nicht besonders tangiren. Ein ganz wunderbares Zusammentreffen ist eS, daß bei den deutschen Kaisermanovern um Stettin auch wieder eine Declaration des Dreibünde« zum Ausdruck kommt. Kaiser Wilhelm hat den österreichischen Manövern beigewohnt, und nun folgt der un« befreundete Herrscher der Einladung unseres Kaisers, um Truppenmassen in einer solchen Stärke gegen einander manövriren zu sehen, wie eS bei uns noch nicht vor- gekonunen, denn es werden vier ArmeecorpS in Activn treten. Nach neueren Meldungen soll bekanntlich auch der Kron prinz von Italien den Manövern beiwohnen; es ist bekannt, daß der italienische Thronfolger mit Leib und Seele Soldat ist und deutschen militairischen Einrichtungen ein ganz besonderes Interesse entgegenbringt. Wenn also der italienisch« Kronprinz in Stettin erscheinen wird, so würde in diesen drei Fürsten der Dreibund verkörpert sein Wir in Deutschland wissen uns im Gefühl unserer Macht und Stärke frei von jeglicher Demonstration und die Herren Franzosen können ganz unbesorgt sein; die schönste und hehrste Ausgabe des Bundes ist bekanntlich der Schutz des Frieden«; und weil der Bund ein so fester ist, darum bedarf er keiner unausgesetzten Betonung und darum erübrigen sich für uo« alle Demonstrationen. Nach dein Ergebniß der Nachforschungen über die Theil- nehiner an dem in Constanza in Rnmitnten entdeckten Hut- garisch-irredtntistischen Geheimbunde lassen keinen Zweifel, daß man e« mit einer durchaus ernst zu nehmenden Parallelaction zur macedonischen Bewegung zu thun habe. Als da« eigentliche Haupt der Verschwörung wird der Bulgare Hristu Iliew bezeichnet, der in Constanza eine bulgarische Privatschule eröffnet hatte, gleichzeitig aber auch enge Be ziehungen zum dortigen russischen Biceconsul unterhielt. Schon vor längerer Zeit war e- der Polizeibehörde von Constanza ausgefallen, daß in den Schulräumen Iliew's Cvnvenlikel stalt- faiiden, an welchen sich in der Stadt früher gar nickt ge sehene Und auch al-bald wieder verschwindende Persönlich- F-uNl-ton. Den neuesten großen Roman des beliebten und be kannten Roman- und MilitairschriftstellerS Carl Tanera, „Schwere Kümpfe" Roman aus dem großen Kriege (1870/71) haben wir für daS Feuilleton unseres Blattes erworben. Wir werden mit der Veröffentlichung am bevorstehenden Sedantage beginnen. Ln der Fabrik. 7j Erzählung von W. v. d. Mühle. Nachdruck verbot«». (Fortsetzung.) Die Adresse de- Krankenhauses war angefügt, eS war ein anderes als daS, welches Stengel genannt hatte. Zusammen- sitzenv ergingen sich zetzt alle Drei in Bermuthungen, wie sich dieses Räthsel aufklären möchte. Es schien ihnen so wunderbar, daß sich jeder zwingen wollte, noch nicht an die Wahrheit zu glauben, denn sie fühlten, daß sie eS nicht zum zweiten Mal ertragen würden, da- Leid der letzten Wochen durchzumachen. Da der Arzt gefragt hatte, was thun? so setzt« Paulsen sich zunächst mit ihm in telegraphische Verbindung. Der un geheuren Kosten wegen mußten die Nachrichten sich auf daS Notbwendigste beschränken, aber so viel ergab sich doch, daß Paulsen mit seiner Bermulhung Recht gehabt hart«, und man eS hier wahrscheinlich nicht mit einem Unglücksfall, sondern einem schweren Verbrechen zu thun hatte. Eine schwer« Kopfwunde batte den jungen Mann zeitweilig in eine vollständige Geistesabwesenheit gebracht. Er war deshalb in ein anderes Hospital übergeführt worden, und zwar in der großen Verwirrung, di« de« gelben Fieber- wegen herrschte, unter einem falschen Namen. In seinen klaren Augenblicken war eS ihm nicht möglich gewesen, sich mit seiner Umgebung zu verständigen, entweder verstand man kein Deutsch oder man hielt seine Reden auch dann für die Wort» eine- Kranken; daher konnte erst Nachricht in die Heimath gelangen, al- Georg'S alter Freund in jene- Hospital kam und sick Beide erkannten. Für die Vergangenheit war da« Gedächtniß in vollem Maße wieder erwacht, aber di« Erinnerung an die letzten Monate schien ganz bei dem Kranken ausgelöscht zu sein, nur sehr leise und bruchstückweise kehrte sie zurück, und der Arzt hielt vor Allem unbedingte Ruhe für nöthig. Die aber war nicht eher möglich, bis man dein Kranken seinen Willen that und ihn in die Heimath brachte. Der Zreund würde ihn selbst begleitet haben, wenn er sich hätte freimachen können, da daS nicht anging, wünschte er, es möchte Jemand auS der Heimath kommen, ihn zu holen und zwar Jemand, der Georg gut kannte. So viel hatte man nach und nach erfahren oder doch aus den Telegrammen herauögerathen. Jetzt war die wichtigste Frage, wer hinüberreisen sollte: am liebsten wäre Paulsen selbst gegangen; er sah aoer ein, daß dies momentan nicht möglich sei, die Fabrik erforderte jetzt jeden Augenblick seine Gegenwart. Levison hatte Recht gehabt, der längst geplante Umbau war noch immer nicht ins Werk gesetzt und doch sah Paulsen sich in der größten Geldverlegenheit. Er hatte so sicher auf da« brasilianische Geld gerechnet, daß er jetzt überall mit seinen Mitteln am Ende war und bereits mit einer anderen Fabrik in Verbindung stand, um die Pläne zu der neuen Blocksäge zu verkaufen. Er hätte sich allerdings leicht von seinen Verlegenheiten befreien können, wenn er dem kleinen Agenten ein williges Ohr geliehen, doch wollte er sich nur im äußersten Nothfalle zu dem Verkaufe seines Patentes entschließen. Dann dachte er daran, Ruprecht zu schicken, aber den kannte Georg sehr wenig und es kam auch vor Allem darauf an, Jemand zu finden, der ihm manche persönliche Dienste leistete, da noch häufig tiefe und lang andauernde Ohnmächten eintraten. Außerdem schien e« wünschenSwerth, aus der ganzen Sache einstweilen noch ein Geheimniß zu machen, da man ja von Tag zu Tag hoffen konnte, Georg würde wieder so klar werden, daß er sich der Person seine« Angreifers erinnern und man diesen fassen könnt». E- hatten sich neu« Verdachtsmomente gegen jenen Strandhändler ergeben, auf welchen Stengel schon einmal hindeutete, doch genügten sie nickt, um ihn in Haft zu nebmen, und Paulsen fürchtete, der Räuber oder seine Helfer-Helfer möchten sich rechtzeitig mit der Beute auS dem Staube machen, wenn sie erführen, daß ihr Opfer noch lebt« und sie zur Verantwortuug gezogen werden könnten. Es war Ilse, di« endlich an Karl Hagemrister dackte, der Georg von Jugend auf kannte und ebenso wie sein alter Pflegevater mit unerschütterlicher Treue an dem Hause seine« Fabrikherrn hing. Nach längerem Hin- und Widerreden ward beschlossen, Karl wenigstens zu fragen und der ehrliche Junge hatte nicht sobald gehört, um was es sich handele, als er sich auch schon bereit erklärte zu reisen. „Wenn ich eS nur meinem Pflegevater sagen kann, Herr Paulsen", bat er, „ich werde doch längere Zeit fort sein, und der Alte hat cS nicht um mich verdient, daß er sich so lange ängstigen muß." Natürlich wurde ihm diese Erlaubniß sofort zu Tbeil und noch am selben Abend packt« er vergnüalich pfeifend seine Habseligkeiten zusammen. Dabei überraschte ihn seine Lene, die nicht begreifen konnte, warum ihr Herzlichster denn heute gar nicht zum Abendessen kam. Sie machte große Augen, als sie seine Vorbereitungen sah. „Willst Du verreisen?" Er nickte geheimnißvoll. Verdrießlich setzte mir auch noch gerade ge ie sich auf eine Kiste. „Na, daS hat ehlt. Schickt Herr Paulsen Dich weg?" „Ja, Lene, ich soll ihm in Afrika Affen kaufen, die will er bei der Drehbank anlernrn, die Arbeitslöhne werden ihm zu hoch", sagt er. „Ach laß doch blo- mal da- dumme Zeug", wehrte sie ab, „mir steht der Sinn gar nicht nach solchen Witzen. Dir Tante liegt mir jetzt den ganzen Tagen in den Ohren, daß ich den Flap- heirathen soll, den langen, dünnen Bengel mit den Sommersprossen." „Na. warum thust Du da- denn nickt?" „Sri nur nicht so siegessicher, Karl, wenn Du mich uzen willst, kann es zwischen im« auch einmal »inen Krach geben." „Das müßte doch närrisch zugehrn", lachte er, „um den verdrehten Kerl wenigsten« wirst Du mich Wohl nicht ab setzen und wenn de Ollsch noch was sagt, dann trumpf' man damit ans, daß Du meine Braut bist und sie mit ihre» dummen Reden zu mir kommen sollte." „Ich werde mich schön hüten. Bon Dir darf ich üb;r- baupt nicht reden, ran» ist der Topf gleich ganz entzwei. Seit Du Stengel neulich zur THÜr hinau-aeworfen hast, stehst Du gründlich im schwarzen Buch, daß Du e« nur weißt." „Ja, was soll ich Venn aber dabei thun?" „Wir müssen un- in di« Zeitung setzen lassen, dann müssen sie sich Alle doch endlich darin finden." „Ja, Lrning, da- sagst Du nun so. Du weißt doch, wa- wir abgemacht haben, ich soll erst selbstständig sein." »Ach, da- ist ganz einerlei, wenn Du jetzt wieder kommst, dann will ich, da- e- veröffentlicht wird. Wann kommst Du denn wieder?" „Na, zwei Monate kann es immer dauern, vielleicht auch änger?" Die großen braunen Augen sahen ihn ganz starr an. „Nein, Karl, das ist doch Wohl nicht wahr?" „Ja, mein Lütting, diesmal ist es heiliger Ernst." „Wo gebt es denn bin?" „Das ist GeschäftSgeheimniß! DaS darf ich Dir nicht agcn." „Karl, das ist ja nun einfach Unsinn. Ich m»ß doch wissen, wohin ich Dir schreiben soll." „Mein Schmücken, mit der Briefschreiberei wird eS nickt viel werden, die wollen wir Nur ganz aufstecken während der Zeit." ,Mas, ich soll zwei Monate lang nichts von Dir hören?" „Es geht doch faktisch nicht und Du bist ja auch meine kleine vernünftige Deern, und ich bring' Dir nachher auck wa« Schöne- mit. Junge Di, wird da- denn mal fein!" Aber, sie hatte gar keine Neigung, auf seinen vergnügten Ton linzugehen. Wie konnte er überhaupt nur lache» und so heiter sein, wenn ihnen eine so lange Trennung drohte, aber Karl'- ^erz war so von glücklichem Stolz erfüllt, daß er darüber für den Augenblick alles Andere vergaß. Wie war e- nur möglich, daß er. der untergeordnete Arbeiter, eines solcken Vertrauen- von Seiten seines Herrn gewürdigt wurde. Zum größten Theil hatte er es allerdings seinem Pflegevater zu verdanken, der sich während der langen Jahre, während welcher er auf der Fabrik gearbeitet, in jeder Wcise so treu bewährt hatte. Fast mit Rührung dachte er an da« stolze Läckeln, das an- dem Gefickt de« Alten geleuchtet, als er ihn! ron seinem Auftrag erräblt hatte. „Iä, Junge", hatte der Alt« gesagt, „Herr Paulsen ist 'neu echte», rechten Menschen, auf's Kleid sieht er nicht, aber aüs'- Herz, und was er Dir heute ausaetragen hat, daS ist 'ne Ebre, die können wir ihm nie vergessen." Schweigend schaute Lene zu, bi- Karl seine Packerei beendet hatte; endlich war er sertig und schlang die Arme um sie. „So, min lütte Zuckerpopp, nun mach' man kein so ver drießliche- Gesicht: Du wirst es mir schon später mal danke», daß ich Dich jetzt so lange allein lassen muß. aber Vertrauen mußt Du zu mir habem sonst ist r« mit der ganzen Zukunft nichts und da« hast Du auch, wa«?" „Ja, Vertrauen bab' ich zu Dir, da« weißt D». aber daß Du mich sv quälst, ist schlecht von Dir" „So wa- mutzt Du nicht sagen. Sieb' mal, ick bab' Herrn Paulsen mein Wort gegtbin, reinen Mund ,u halten
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