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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.08.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-08-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950831026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895083102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895083102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-08
- Tag1895-08-31
- Monat1895-08
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Als die KriegS- veteranen von 1870/71 in Nordamerika, die »u den Sedan- sestlichkeiten einen „Ausflug" nach dem alten Vaterlands zu machen gedachten, ihr Programm entwarfen, bildete einen Hauptpunkt desselben die Huldigungsfahrt zum eisernen Kanzler in Friedrichsruh, den wiedrrzusehen der Wunsch aller Kampfgenossen war. Bei ihrer Landung in Bremerhaven mutzten die alten Kameraden frei lich schon die Kunde entgegennebmen, daß der „Alte im Sachsenwalde" seit vielen Wochen keine Besuche annähme und daß durchaus keine Ausnahme gemacht würde, da Meister Schweninger für die Sommersaison auf das Allerstrengste auf Einhaltung der äußersten Ruhe bestehe. Ein Theil der Ankömmlinge strich darum für'S Erste die Hul- digungöfahrt aus dem Programm und reiste in die Heimath, um vor dem Sedantage noch Verwandte und Bekannte nach langer Trennnngszeit einmal wiederzusehen. Ein anderer Theil aber ließ sich nicht abschrecken und meinte: Wenn wir Tausende von Meilen überS MeerS daher kommen und un serem eisernen Kanzler unseren Gruß darbieten wollen, so wird er sich nicht vor un» verstecken, trotz Schweninger. Und die so dachten, haben Recht behalten. Der Fürst durchbrach für einen Tag die strengen Vorschriften seines Leibarztes, um den alten Kriegskameraden von drüben die Hand zu reickeu. Alle zu empfangen war freilich nicht möglich. Bier Herren vom Vorstand d«S Deutschen Kriegervereins in Chicago hatten die Ehre, mit dem Fürsten und seiner Familie, so weit diese in Friedrichsruh anwesend ist, ein Frühstück einzunrhmen. Es waren dies: Schlencker, Vorsitzender des Chicago» deutschen Krieger- vcreins, Forche, der s. Z. beim Pommerschen Iägerbataillon Nr. 2 gestanden, Schneider vom 2. Hessischen Infan terie-Regiment und Kalbitz (vom 95. Infanterie-Regiment). Vorher erfolgte die Ueberreichung des Ehrenmitglieddiploms an den Fürsten durch Kamerad Schlencker mit folgenden Worten: „Gestatten Euer Durchlaucht, im Namen de» Deutschen Krieger-VereinS von Chicago, das Diplom der Ehrenmitalird- schaft zu überreichen als schwache Anerkennung der unsterb lichen Verdienste Euer Durchlaucht für das deutsche Vaterland. Wir überbringen nicht allein Grüße unseres Vereins, sondern auch die der in Amerika zurückgebliebenen Kameraden vom einfachsten Bürger Chicagos an, und die der Landsleute in den übrigen Landestheilen Amerikas." Das Diplom lautet: „Diese Urkunde bestätigt, daß der Deutsche Krieger-Berein von Chicago in seiner Versammlung vom dritten März O. 1895 sich beehrte, Euer Durchlaucht, als schwache Anerkennung Ihrer unsterblichen Verdienste um das deutsche Vaterland und Ihrer ehrfurchtgebietenden Per sönlichkeit, welche auch die Achtung und das Ansehen der Deutschen im Auslande aufsNeue rurGrltung gebracht und bedeutend erhöht hat, zu seinem Ehrenmitgliede «hrerbietigst zu ernennen." Fürst Bismarck nahm die Urkunde mit folgenden Worten entgegen: „Meine Herren! Ich fühle mich einmal hochgeehrt durch die Auszeichnung, die mir passirt nnd durch Ihren Besuch, dir Sie über See so weit hierhersinben in den Wald, und dann macht es mir eine sehr große Freude, daß Sie die alten Erinnerungen frsthalten und mich damit einbeziehen; «S thut mir sehr leid, daß ich nicht alle Ihre Reisegenofsen hier empfangen kann, aber ich bin nicht so gesund und so kräftig wie ich war und wenn ich spreche, habe ich doch immer Schmerzen. Es ist ja bei 80 Jahren überhaupt Gott zu danken, daß man noch Schmerzen auSzustehen hat und lebt. Aber man wird doch Wrack, angestrichen und getakelt, aber die Planken taugen nichts mehr. Und so geht's auch mir: ich kann wohl noch zusehen, aber nicht mehr mitmachen; sonst wäre ich ja zu der Ausstellung nach Chicago gekommen. Ich würde überhaupt gern die Bereinigten Staaten von Amerika gesehen haben, da- ist von allen fremden Ländern für unS noch da» sympathischste. Rach allen Erfahrungen, die ich mit früheren Dienern, Hausgenossen und Arbeitern gehabt habe, die dorthin gegangen sind und mit denen ich zum Theil correspondirt habe, denen geht es wohl da, sie fühlen sich behaglich; das kann ich von den Auswanderern nach den anderen Ländern doch nicht so sagen." Alsdann stellte der Fürst seine Gäste den anwesenden Damen, seiner Tochter Gräfin Rantzau und seiner Nichte, der Frau von Kotze, vor. Beim Frühstück saßen die Herren Schlencker und Kalbitz dem Fürsten gegenüber, Forche rur Rechten deS Fürsten und Schneider zur Linken. DaS Frühstück dauerte eine Stunde und verlief hochinteressant. Bismarck gab viele Episoden aus dem Kriege zum Besten. Es wurde »hm ein Brief einer Frau aus Utah überreicht, worin die Schreiberin bedauert, daß ihr Mann nicht kommen könne; aber alle Deutschen Utahs senden dem Fürsten Grüße. Der einzige Triukspruch, der bei der Tafel vom Fürsten ausgebracht wurde, lautete: „Wir können die gemeinsamen Gefühle, die un« beseelen, nicht besser zum Ausdruck bringen, als indem wir dem Andenken unseres alten König- Wilhelm «in stille» Gla» weihen. Wir haben Alle unter ihm gedient". Auf die Bitte des Herrn Schlencker erklärte Fürst Bismarck sich bereit, auch die übrigen in Friedrichsruh eingetroffenen Herren, etwa 50 an der Zahl, und deren Damen zu be grüßen; sie waren unter Führung deS Oberförster« Lange in den Schloßhof einmarschirt. Der Fürst trat den dort Versammelten mit folgenden Worten entgegen. „Ich dank. Ihne» nochmals dafür, daß Sie m.r d.e Ehr- erzeigt haben, mich hier zu besuchen, und Herzen, daß Sie so viel Anhänglichkeit an Ihre alten Käme raden bewahrt haben, daß Sie die weite Re.se zu unS nicht scheuten und daß Sie unter den alten Kameraden auch nmH nicht vergessen haben, so daß für un- Gelegenheit .st, uns „och einmal wieder ins Angesicht zu ^ mir eine große Freude, Sie zu begrüßen und m Ihnen da nationale Gefühl wiederzufinden, daS Sie mit der Gelammt heit unseres HecreS haben entzünden und beleben Helsen; daß Sie sich daS so bewahrt haben, daß eS Ihnen ein Bedürfniß ist, Ihre alten Landsleute wiederzusehen. Ich danke Ihnen für Ihren Besuch auch aus politischen Gründen, weil er dazu beiträgt, da« Deutsche National leben, die Deutsche Einigkeit, die Deutsche Zusammengehörigkeit zu kräftigem or dem Kriege war da» nicht so, aber jetzt schließen wir Deutsche unS doch allenthalben zusammen. Die Franzosen haben mit ihren Hainmerschlägen daS ihrige dazu geleistet, un» zusammenzuschmirden. Ich will nicht sagen, daß wir ihnen dafür danken sollen, denn g«ra haben st« es nicht ge- than. Ohne den Krieg glaube ich nicht, daß e« sobald zur Einigung gekommen wäre. Mit Parlamentsredrn und durch die Presse wäre e« so fix nicht gegangen, wie mit dem Kriege." Nachdem sich der Fürst dann zu den einzelnen An- wesenden mit Fragen nach ihrem Namen, Geschäft, Wohnort und den von ihnen mitgemachten Schlachten gewandt, fuhr er fort: „Ich komme Ihnen eia Wohl auf Ihr neue- Vaterland, die Bereinigten Staaten, und bitte das Wohl zu kreuzen mit einem Wohl auf Ihr alte-Vaterland. Die beiden haben ja nichts zuzankea miteinander. Ich bitte also, stimmen Sie mit mir ein in ein Hoch auf da- Wohl der Stadt Chicago, der die meisten von Ihnen angehören, und auf da» Wohl der Deutschen in den Vereinigten Staaten überhaupt. Möge« Sir proSperirru! Ich freue mich, zu sehen, daß die Anhänglichkeit an das alte Vaterland durch das atlantische Wasser Ihnen nicht abgewaschen ist, sondern sich als echt erweist." Herr Schlencker antwortete: „Besten Dank, mein lieber Fürst. Nochmals ein dankbares Hurrab und herzliches Lebewohl!" NaH brausenden .^ocbrnsen verlies der der deutscb- Altreichskanzlers ansichtig geworden zu sein und sich von seiner Rüstigkeit und verhaltnißmäßig großen Körverfrische und LebenSfreudigkeit durch persönlichen Verkehr überzeugt zu haben. Politische Tagesschau. * Leipzig, 31. August. Der Beschluß der in Fulda versammelt gewesenen preuhifchcn Vtschöfe, anläßlich der 25. Wiederkehr de« TageS von Sedan eine kirchliche Erinnerungsfeier für die Monarchie anzuordnen, ist dahin ausgclegt worden, daß die Stellung der katholischen Kirche und deS Centru.nS zur Sedanfeier sich geändert habe. Leider hält daS führende Centrums- organ, die „Köln. BolkSztg.", sich für verpflichtet, dieser Auf fassung entgegenzutreten, indem eS schreibt: „1) Als Deutsche und Patrioten thellen wir die Freude aller unserer Volksgenossen über den großartigen Sieg der Deutschen, welcher da» Napoleonische Kaiserthum zusammen brechen ließ, in ganz rück haltloser Weise. E« ist rin geradezu blödsinniges Borurtheil. daß wir Ursache hätten, diese» Erfolge- unsere« Volkes nicht mit voller Freude zu gedenken. 2) Die deutschen Katholiken haben nicht seit wärts gestanden, cil» im Jahre 1863 die fünfzigjährige Erinnerungs- stier an die Schlacht von Leipzig begangen wurde: sie haben eben so wenig Grund, eine LrinnerungSseier an den Tag von Sedan abzulehnen. Verschiedene „ultramontane" Stadtverordneten-Mchr- Helten, so von Münster und Paderborn, haben ja auch namhafte Beiträge für diesen Zweck bewilligt. 3) Unsere Opposition gegen den Sedantag bezog sich nur darauf, daß dieser Tag als ein ständiges, jährlich wiederkehrendes Erinnernngsfrst gepflegt werde. Abgesehen davon, daß ein solches Nationalsest dem LhauviniSmus Vorschub leisten und d«r Versühnung der Völker zur Friedensarbeit hinderlich sein müßte, ist dieser Tag durch die systematische frivole Hetze der Lutturkämpfer gegen die katholische Kirche als den ..innern Feind" bei den Katholiken in Verruf gekommen. Sie werden nicht dazu zu bringen sein, den Sedantag als Nationalfest zu acceptiren. 4) Bei der fünfundzwanzigjährigen Jubtläumsseier, einem geschichtlich denkwürdigen MerktoH, liegt die Sache anders, als bei den jährlichen Feiern. Wir haben nicht das Recht, Jemandem vor- zuichrriben, was er zu thun oder zu lassen hat; aber wir glauben, dag an Stellen, wo man vor Beleidigungen der Katholiken gesichert ist, in diesem Jahre manche Katholiken, die sonst sich zurückhielten, an der Feier sich betheiligrn werden. Wir vermögen eben so wenig eine Pflicht, die Feier abzulehnen, zu erkennen, als wir in das Geschrei Jener verfallen, die Jeden, der aus irgend einem Grunde, der ihn allein angeht, sich davon fernhält, als „Reichsfeind" zu beschimpfen pflegen." Wenn man diese Erklärung auf ihren nackten Inhalt prüft, so ergiebt sich, daß das Centrum von einem Nationalfest nichts wissen will und wahrhaft kindische Gründe für diese Stellung nahme inS Treffen führt. Dem Chauvinismus leistet in Deutschland Niemand Vorschub, der sich der geschichtlichen Großthaten erinnert, denn der Zweck solcher Feste ist eben, das Nationalbewuhtsein zu stärken. DaS coSmopolitische Moment in der Politik der Kirche ist einem deutschen National bewußtsein ebenso hinderlich, wie das Phantastische der social demokratischen Volksbeglücker, darum thut uns eine Belebung des Vaterlandsgefühls noth. Verdrießt dies Frankreich, so FenNlet-ir. Den neuesten großen Roma» des beliebten und be kannten Roman- und Militairschriftsteller» Earl Tanera, „Schwere Kämpfe" Roman aus dem großen Kriege (1870/71) haben wir für da-Feuilleton unseres Blatte» erworben. Wir werden mit der Veröffentlichung am bevorstehenden Sedantage beginnen. In -er Fabrik. 9s Erzählung von W. v. d. Mühl«. Nachdruck »er»»tn>. «. (Fortsetzung.) „Lassem wir ihn jetzt laufen", schlua Frau Hedwig vor, „und machen wir uns selbst auf dir Socken, um dem Gtadt- qualm noch etwa« zu entrinnen. WaS meint Ihr zu einer Nuderpartie auf der Bille?" Die beiden Andern waren eS zufrieden, und in heiterster Stimmung machte man sich zu dem Ausflug fertig. Hagemeister stand indeß noch immer geduldig wartend in dem Zimmer seines Herrn. Auch er hatte sich dem Schreib tisch genähert, doch nur, um Geora'S Phvtograpie zu betrachten, die über demselben bing. Ein stolze- Gefühl durchzog dabei seine Brust. War e« doch sein Karl, sein Junge, der den kranken jungen Herrn in die Heimath holte. Plötzlich wurde die Thür geöffnet und August steckte sein rothe» Gesicht hinein. „Lagemeister, Ihr sollt nicht länger warten. Herr Paulsen läßt Euch sagen, Euer Sohn wäre glücklich angekommen; und damit verschwand er wieder." „Na, denn ist es auch aut", brummte der Alte und stampfte hinter ihm her. Aber statt gleich au« dem Thor hinauSzugehcn, wandte er sich noch einmal zur Schmiede zurück. Er hatte sich während der Woche mehrere eiserne Fensterstangen zurechtgeschmiedet, denn die Katzen stiegen ihm häufig von den benachbarten Dächern in das Fenster und tranken die Milchtöpfe leer. Zwischen den Stangen wollte er Draht befestigen und sich so Nacht- vor den ungebetenen Besuchern sichern. Er wickelte di« Stangen in ein altes blaue» Hemd nnd schloß sich dann einigen Kameraden an, die sich verspätet hatten. E» war ein heißer, schwüler Abend, der diesem Tage folgte; die Menschen flüchteten auS den Häusern, und eS war bereits recht spät, ehe die Straßen leer und still wurden. Da, die Uhr batte bereits 12 geschlagen — schlenkerte noch rin einsamer Wanderer auf die Fabrik zu. Spähend blieb er eine Weile vor dem geschlossenen Thor stehen, dann, als Alle- still blieb, versuchte er die Pforte zu öffnen; aber sie war verschlossen und von innen zugerieaelt, und der späte Ankömmling mußte sich entschließen, die schwere Holzplanke zu überklettern. Wie eine Katze klomm er hinauf und ließ sich an der andern Seite herniedergleiten. Nero, genannt Michel, ließ ein kurze« Gebell hören, verstummte aber bald wieder, und Stengel schlich sich jetzt an den Bretterstapel, hinter welchem er am Nachmittag die Rolle verborgen hatte. Es war indeß nicht so leicht, dieselbe wieder empor zu befördern, denn da- Holz lag sehr dicht an der Wand, und außerdem waren die Papiere in eine Orffnung geglitten, die sich vor einem Kellerfenster befand. FlapS fluchte innerlich, als er auf die Bretter Hinaufstieg, die sich unter seinen Tritten bogen und knackten. So weit wie möglich ließ er sich an der andern Seite hinunter, reckte und streckte seine langen Arme und endlich gelang e» ihm, da« Papier zu ergreifen. Fünf Minuten später stand er wieder auf drx Straße, strich sich Haar und Anzug zurecht und verließ mit schnellen Schritten den Ort. Freilich war Nero noch zuletzt in ein kräftiges Blaffen auSgebrochen; aber da er mit allen Katzen der Nachbarschaft in Feindschaft lebte und diese sich häufig Nachts auf dem Hofe zeigten, hatte Niemand besonder» darauf geachtet. X Al» der Schmied sich Montag Morgen zur Fabrik begeben wollte, hielt Lene ihn auf der Treppe an. „Du, Vater", unter vier Augen nannte ste ihn häufig so, „ich will Dir mal wa« sagen. Mir wird e« hier jetzt zu bunt, ich geh' nächsten« au» dem Hau»." „Na nu, flag Gott den Düwel dod", rief der Alte im höchsten Erstaunen. „Deern, Du bist ja wohl rein unklug!" „Ich Hab mir da» ganz genau überlegt und ich wollte e« Dir nur vorher sagen, damit Du e» nicht zuerst durch di« Andern hörst. Siebst Du, Karl hat nicht recht an mir gehandelt —" ..Hob»!" „Du magst gut „hoho" sagen, es ist doch so. Seit vier Wochen ist er nun schon fort und nur einmal hat er mir ein paar Worte geschrieben. Ist daS eine Manier, wie sich ein Bräutigam gegen seine Braut benehmen muß? Ich sag', das ist keine Manier, und ganz energisch schlug sie mit der Faust auf daS Treppengeländer." „Du Kröt!" lachte Hagemeister. „Wenn der Bengel nun doch einmal nicht schreiben kann!" „Ach, daS ist alle« Schnackerei. Papier und Tinte und Postverbindung wird eS da auch wohl geben, wo er ist, und da- sag' ich Dir, Recht geschehe eS ihm schon, wenn ich ihm jetzt den Laufpaß gebe und den Stengel heirathete." „Reg' Dich man nicht auf, Lene. Den Pomadenstengel nimmst Du ja doch nicht." - , 1* ^ ^ . ——o- — — —r »v--.- —, o**" z»» f „aber d,e Tante liegt mir ja alle Tage in den Ohren, dl ich Vernunft annrhmen und mein Glück nicht verscherzen so und weil ich das nicht mehr anhören kann, darum w ich fort." Ihr Schwiegervater io spe schüttelte mißbilligend se Haupt. „Mach keine dummen Streiche, Mächen. Nc einen Monat weiter, dann haben wir Karl hoffentlich wird hier. So lange wirst Du doch wohl mit der Tante nc ^rtig^ werden. Und nun laß mich vorbei, ich muß z „Neun sich daS Weibervolk doch nicht immer mit H ratben befassen wollte", dachte er unterwegs vrrdrießli „Ueberall müssen sie immer gleich die Hände dazwisch haben. Ich muß meiner Schwägerin noch mal ordentlich t Holle heiß machen, daß sie mir da« Mädchen in Ruhe läs mem Bruder sagt ihr ja doch nicht»." Mit diesem Entschluß betrat er die Schmiede und schwai seinen Hammer bald darauf mit solcher Gewalt, daß d Werkmeister fragte: „Na. wa« ist denn Hagemeister passirt. d ist ia heute furchtbar in Fahrt." Der Schmied war aber nicht der Einzige, der am heutig Morgen Aerger hatte. Herr Paulsen war schon sehr fr n, sein Zimmer getreten. E« lag viel Arbeit vor und v Rl 'Ln' darum zu thun, die Angelegenheit mit d Blocksage baldmöglichst ,n» Reine zu bringen. Er li Ruprecht sofort zu sich bescheiden und empfing i ziemlich gereizt. * ^ Ruprecht, ich sagte Ihnen doch sck> Sonnabend, Ti« möchten dir Zeichnungen ordnen und n hierher bringen. Heute haben wir Montag und sie sind nocb nicht hier." Der Ingenieur machte ein erstauntes Gesicht. „Ent schuldigen Sie, Herr Paulsen, da muß wohl ein Irrthum vorliegen. Ich habe die ganze Geschichte wohl geordnet und zusammengebunden schon Sonnabend, kurz vor Schluß der Fabrik hergebracht." „Wo haben Sie sie denn hingelegt?" „Hier auf den Schreibtisch." „4>a habe ich sie gestern vergebens gesucht." „Können sie vielleicht beim Reinmachen des ZimmerS verlegt worden sein?" Paulsen dachte einen Augenblick nach. „Nein", sagte er dann. „Sonnabend Nachmittag, als wir daS Haus verließen, hat meine Frau hier selbst Fenster und Thüren geschlossen und mir den Schlüssel gegeben. Gestern Morgen habe ick hier wieder geöffnet, ehe noch das Mädchen das Zimmer be treten hat. Ich wunderte mich gleich, daß die Papiere nicht hier waren, nahm aber an. Sie hatten dieselben noch nickt gebracht; meinetwegen können wir ja aber überall mal Nachsehen." Die beiden Männer machten sich sofort an das Suchen; nach einer Viertelstunde vergeblichen Mühen« sahen sie fick rathloS an. „Ich weiß nicht, WaS ich dazu sagen soll", stammelte Ruprecht, „mir ist die Sache im höchsten Grade fatal. UebrigenS ging Jen« mit mir, wie ich die Rolle brachte. Wir verließen dann zusammen die Fabrik. August kann es mir auch bezeugen, er öffnete mir die HauSthür, als ich kam." „Bester Ruprecht, ich zweifle durchaus nicht an Ihren Worten. Die Frage ist nur die: wo find die Papiere ge blieben? Fragen Sie doch noch einmal ,m Zeichcnsaal nach, ob^Sie vielleicht durch ein Versehen dorthin zurückgekommen Schon nach kurzer Zeit kehrte der Ingenieur zurück; im Zeichensaal wußte man nicht« vom Verbleib der Papiere. Mit ihm zugleich kam Jen-, der sich sofort erboten, mitzugehen, um di« Aussage seines College« zu bestätigen. „Aber ein solcke« Packet kann doch nicht spurlos vom Erdboden verschwinden", rief Herr Paulsen ungeduldig. „Ueberleaen wir di« Sache einmal ruhig. Am Sonnabend um 6 Uhr haben Sie die Sachen bergetragen. Dreiviertel aus Sieben habe ich daS Hau- verlassen; meine Frau selbst hat Alle« verschlossen und ich habe den Schlüssel bei mir ge tragen bi» gestern Morgen, wo ich eigenhändig wieder öffnete
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