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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950906021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895090602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895090602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-09
- Tag1895-09-06
- Monat1895-09
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BezugS-Preick k» der Hauptexpedition oder den ,m Stabt» bezlrk und de» Bororten errichteten Aus» oaorstrllen abgeholt: vierteljährliche!4.'-0, bei tweimaliaer täglicher Zustellung ms Haut SchO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ei 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung In» Ausland: monatlich e! 7.50. DieMorgrn-Ausgabe erscheint täglichmi't Aus» nahm» nach Sonn» und Festtagen '/,7 Uhr, die Abeud-AuSgabe Wochentag- b Uhr. Ledaclion und Expedition: J-hanneSgafse 8. DirEyedttion tstWochentag- nnuntrrbroche» ^öfsi»»t »on früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. Filialen: ktl» Me««'» Eortim. stzllfretz -ah«), llniversität-strab« l. Louis Lösche, Katharinenstr. 14» Part, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe tlWgtr und Tagtblatl Anzeiger. -Organ für Politik, Localgefchichte, Handels- «n^tMtsverkehr. Freitag den 6. Septernber 1895. AnzeigenPrei» die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. tzlrclam»-« unter dem Redactioa-strich (4go- spaltrns 50vor den FamMrnuachrichtr, (6 gespalten) 40 ^Z. «röherr Schriften laut unserem Pr«-» Verzeichnis». Tabellarischer und Zifsrrnsatz »ach höherem Tarif. Extra »Beilagen (gesalzt), nur mit de» Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsördrrlmg 80.—, mit Postbrsörderuug ^ 7t».-'!. Annahmeschluß für Anzeige«: (nur Wochentag») tzlbtnd»Au«gabe: Bormittag- 10 Uhr. Margen-Au-gabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 8S. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. September. Wenn die Rede de» Kaisers Fragen aufgeworfen hat, bei deren Beantwortung sich — namentlich wegen des schwächlichen Verhaltens der Regierung in der letzten Action gegen die Umsturzbestrebungen — eine gewisse Unsicherheit be merkbar macht, so ist dies in einem Puncte nicht der Fall. Vollkommen klar und gewiß ist geworden, daß die Social demokratie nicht etwa einen Versuch zur gesetzlichen Ein dämmung ihres Treibens, Wohl aber das Gelingen eines solchen Unternehmens fürchtet. Jahre hindurch war in der Presse und in den Versammlungen der Partei zu lesen und zu hören: „DaS Socialistengesetz hat unS groß und stark gemacht, ein neues wird uns noch größer und stärker machen." Diese Redensarten verschwanden >m vorigen Jahre plötzlich aus den Spalten deS „Vorwärts", als es mit einer Bekämpfung der revolutionairen Propaganda ernst zu werden schien; die Strenge deS Gesetzes hatte in den Augen der Führer auf einmal ihre werbende Kraft eingebüßt, und nur an der Trödelbude des Freisinns blieb das verschlissene Scheinargument von der mildernden Wirkung der unbeschränkten Clafsenverhetzung aufgehängt. Die Führer wurden ängstlich, und sie sind eS jetzt wieder geworden. Herr Auer in einer langen Rede und der „Vorwärts" in einem Artikel wollen nichts weiter gethan haben, als für ihren Theil die Sedan feier nicht mitaemacht zu haben. Die frische Erinnerung an die gemeinen Schmähungen Wilhelm'S I. und Derer, die der Kämpfer und Gefallenen von 1870 ebrend gedenken, macht es überflüssig, die erbärmliche Feigheit, die sich in dieser Verleugnung der Haltung der jüngsten Vergangenheit bekundet, des Näheren zu beleuchten. Uns interessirt nur die Besorg« iß der Socialdemokratie, und wenn auch jetzt und in einer näheren Zukunft hinsichtlich des Ge- wahrenlafsens der socialdemokratischen Agitation Alles beim Alten bleiben sollte: es ist werthvoll, den Beweis erhalten zu haben, daß die Führer von einer „tyrannischen" Gesetzgebung sich nichts weniger als eine versteifende Wirkung auf ihre Partei und ihre eigene Position versprechen. Daß dabei Gründe ökonomischer Natur mitspielen— die deutsche Social demokratie ist die größte und verzweigteste Erwerbsanstalt Deutschlands —, ist eine gleichfalls nicht wrrthlose Ge wißheit. Ueber das Arbeitspensum für die bevorstehende ReichS- tagSsesston schreibt die „Nationalliberale Correspondenz": Für die nächste Tagung des Reichstages liegen zwei Gesetzentwürfe vor, die vom Bundesrathe bereits be schlossen sind: das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und das Gesetz über die Börse. ES darf nach den Zusicherungen des ReichSschatzsecretair« am Aus gang der verflossenen Tagung ferner als sicher angenommen werden, daß ein dritter, volkswirthschaftlich nicht minder be deutsamer Entwurf zur Zeit mit allem Fleiß vorbereitet wird: ein Gesetz über die Zuckersteuer behuf« Bekämpfung der Ueberproduction durch eine progressive Betriebssteuer und anderweiter Ordnung der Ausfuhrvergütungen. Ebenso wird in juristischen Kreisen wie mit einer beschlossenen Thal- sache gerechnet, daß die Justizgesetz-Novelle aus der vorigen Tagung wieder vorgelegt werde, um zum Mindesten die Frage der Entschädigung von unschuldig Verurtheilten im humanen Geiste zum AuStrag zu bringen. Auf dem Ge biete der Gewerbepolitik hat eine ReichSlagScommission im vorigen Winterhalbjahr den Abschnitt über den Gewerbe betrieb im Umherziehen so weit vorbereitet, daß die hierüber handelnde Novelle fast spruchreif wieder an den Reichstag gebracht werden kann. Endlich hebt sich eine einheitliche Durchbefserung der Arbeiterversicherungs gesetze allmählich vom Hintergründe ab. Wenn auch nicht mehr vor Neujahr, so doch bald nachher, könnte unseres Wissens ein Reformvorschlag dieses Inhalts so weit vorbereitet sein, um dem BundeSralh vorgelegt zu werden. Dasselbe gilt von einer Novelle zum Gesetz über die Erwerbs- undWirthschaftSgenossenschasten bebnfs befriedigender Ordnung des ConsumvereinS-, Consumanstalten- betriebs u. s. w. Der Reichstag muß daraus gefaßt sein, alle diese Gesetzesvorlagen in Empfang zu nehmen, und er wird die Empfindung baben, als ob die ihm zugesonnenen Arbeit schon reichlich sei. Dabei ist von den reforma- torischen Bemühungen, denen man bald im Neichs- amt des Innern, bald im preußische» Handelsministerium Zeit und Kräfte widmet, um die beste Organisation des Hand werks zu ergründen, noch gar nicht die Rede. Als wahr scheinlich gilt bis zur Stunde noch, daß auch die jüngst an die Oberfläche gekommenen Merkmale jenes doppelgleisigen Vorwärtsbestrebens auf sich beruhen und vor der Hand über haupt keine Gesetzcsvorlage zur Folge haben werden. Aber von einer solchen auch ganz abgesehen, bleibt noch ein An spruch an die Leistungsfähigkeit des Parlaments übrig, der mindestens nicht mehr auf der Durchschnittslinie sich be wegt. WaS an Gesetzesvorlagen einstweilen mit Sicherheit in Aussicht genommen werden kann, hat einen ausgesprochen einheitlichen Charakter, insofern fast alle hierbei zu lösenden Fragen unter den Gesichtspunkt einer positiven social-, steuer- und allgemein volköwirthsckaftlichen Fürsorge für die mittleren Erwerböclassen in Stadt und Land zu rücken sind. Mit freudiger Genugthuung nimmt, ausgenommen die ultraklerikalen Hetzblätter, die gesammte ungarische Presse die Nachrichten zur Kenntniß, welche hinsichtlich der Haltung des katholischen Episkopats in Ungarn gegenüber den am 1. Oktober ins Leben tretenden liberalen kir chen- politischen Reformgesetzen in die Oeffentlichkeit ge drungen sind. Nach zweitägiger Berathung baben die Kirchenfürsten die Hirtenbriefe festgestellt, welche in Sachen der staatlichen Matrikelfübrung, des Eherechtes und der Religion der Kinder sowohl den Gläubigen, wie auch dem Curatklerus zur Richtschnur zu dienen bestimmt sind. Nach gleichlautenden Meldungen haben sich die Bischöfe über einen vom Carvinal-Fürstprima- KlauS Baßaxy vor gelegten Text geeinigt, dessen maßvoller Ton jeder staat« feindlichen Action seitens ultramontaner Heißsporne die Spitze abzubrechen geeignet erscheinen sollte. Es herrschte während der ganzen Berathung eine friedliche Stimmung, die zu der gegenüber den liberalen Reformen bisher seitens deS Episkopats beobachteten Haltung in bemerkenSwerthem Gegensätze steht. So lange nämlich die Beschlußfassung über die kirchenpolitischen Gesetze noch nicht gefallen war, stellte sich der Hochklerus auf den Standpunkt unversöhnlicher Gegnerschaft. Jetzt aber, angesichts der vollendeten Thal fachen, folgt er dem Beispiele der Bischöfe anderer Länder, indem er den sanctionirten Gesetzen die gebührende Achtung und Anerkennung entgegenbringt und in seinem bedeutsamen Wirkungskreise alle nothwendigen Maßregeln trifft, um auch unter den veränderten Verhältnissen die Interessen .deS Staate» mit denen der Kirche in Einklang zu bringen. Die Tendenzen eine» Grafen Ferdinand Zlchy, der einige Tage vorher auf dem Münchener Katholikentage den „Culturkampf in Ungarn" prophezeite und die Revision der kirchenpolitischen Gesetze als ein patriotisches Ziel hinstellte, fanden in der Bischofsconferenz keinen An klang. Die Gläubigen werden in den am 8. September von allen Kanzeln des Landes zu veröffentlichenden Hirten briefen darauf aufmerksam gemacht, daß sie die in den neuen Gesetzen vorgeschriebenen Pflichten zu erfüllen haben, damit ihre Eben auch staatliche Altung e^ErbschaftSverhäUnisse legitim betrachtet werden un g... -.pflichten trete jedoch geregelt seien. Die Erfüllung bieser 3 „jcht nahe, und den einschlägigen kirchlichen Bestimm g tzivilebeschließung wenn beispielsweise d'.e k'rchl.che Tra ^Ech^Copulirten mit nicht folge, so mutzten die nicht uran-w ^ > I„s- den vorgeschriebenen Kirchenstrafen ü gemacht, sich dem besondere wird den Seelsorgern zur ps g gsxljgjosität bei den Gläubigen zu fördern und zu sta .. . Renitenz deS dürfen, dL d?ese H.rtenbr.efe d. w ^ ^ LL-L V Ä- -- Maßen von einem überzeugten Anarchfften Gluckl.cherw-.se ist das neue Attentat ebenso mißlungen, Wie das am 21^Iugu, a»s vostalischem Wege gegen Baron Rothschild unternomme. . Während !ber der Urheber deS früheren Anschlages noch n.cht ermittelt ist, gelang es, den feigen Schurken, welcher das zweite Bubenstück inS Werk setzte, unmittelbar be. der Aus übung des Verbrechens zu ertappen «nd festzunehmen. Ueber die anarchistische Schandthat wird uns berichtet: * Paris, 5. September. Leute Nachmittag wurde eine dürslig ge kleidete Person dabei überrascht. °l- sie in der Einfahrt des Roth» schtld'schen Bankhauses in der Rue Lafitte d,e Zündschnur einer Bombe anzuzünden versuchte. Die Person, nach den bei ihr Vorgefundenen Gerüchen, anscheinend ein Barbiergehilfe, warf di« Bombe zur Erde, ohne jedoch dieselbe zur Explosion zu bringen, und ergriff darauf die Flucht. Eingeholt, setzte der Mann seiner Festnahme durch Polizisten sehr heftigen Widerstand entgegen. Er verweigerte seinen Namen zu nennen. Der Polizei» vräfect Lrpine begab sich sofort nach dem Thatorte behufs Lin» leitung der Untersuchung. Die Polizeipräfectur» welche über den Fav di« jetzt strengste» MMschivetge» bewahrt, scheint an ein anarchistische- Attentat zu glauben. Die Bombe wurde dem Chemiker Girard zur Untersuchung übergeben. (Wiederholt.) * Paris, 5. September. Der Urheber de- Attentat- im Bank hause von Rothschild, der sich noch immer weigert, seinen Namen zu nennen, hat große Aehnlichkeit mit dem Anarchisten Pan» welS, dem Urheber des Attentat- in der Madeleine-Kirche. Der Attentäter erklärte, er wäre überzeugter Anarchist und er hätte die Bombe selbst herzest,Nt. Die Bombe besteht au- einer mit chlorsaurem Kalt gefüllten Lacaobüchse. Der Atten täter erkärte ferner, er habe die Zündschnur mit einer Cigarette anzünden wollen, die Asche der Cigarette habe aber verhindert, daß die Cigarette mit der Zündschnur in Berührung kam. Die Bombe wird morgen von dem Chemiker Girard untersucht werden. * PartS, 5. September. Ter Urheber des Anschlags auf Roth schild verharrt bei der Weigerung, seinen Namen zu nennen. Sein Alter giebt ,r auf 33 Jahre an. Er erklärte gestern Abend, daß die von Ihm angeferttgte Bombe 40 Gramm Chloralpnlver, aber kein Geschoß enthielt, er Hab» gegen die Bankier« pro- trstiren wollen. Nach gewissen Anzeigen scheint es, daß der Attentäter lange im Montmartre-Viertel gewohnt hat. Die Polizei- präfectur glaubt, da- anthropometrische Signalement de- Mannes zu besitzen. Wenn einer Meldung aus Kopenhagen zufolge der dort weilende Bankier Baron Edmund Rothschild einem Journa listen gegenüber erklärt bat, das erste Attentat gegen seinen Bruder sei nicht von Anarchisten, sondern von einem unglücklichen Börsenspieler oder einem abgewiesenen Supplikanten begangen worden, so werden ihm nun wohl die Augen aufgegangen sei». Das Neue und Aussehen machende an dem gestrigen Attentat ist der Umstand, daß in der Praxis der Anarchisten eine Aenderung dahin eingetreten zu sein scheint, daß sie jetzt nickt mehr blos politisch hervorragende und prononcine Persönlichkeiten, sondern die Spitzen der lmuts tiimlieo, die ersten Vertreter deS Großkapitals aus die Proscriptionsliste setzen- Der fürstliche Herausgeber des „Grashdanin" widmete jüngst in seinem Blatte dem Verhältnisse deS Papste« zur französischen Republik eine Betrachtung, die doppelt beachtenSwertb ist, weil sie gerade in einem vielgelesenen russischen Journal erschien. FürstMeschtscherSki sagt u. A.: Der Papst hält den Satan für Gott und dienet ihm. Schon seit mehreren Jahren habe sich Leo XIII. die sehr sonderbare und äußerst undankbare Aufgabe gestellt, die französische Republik gegen ihren Willen unter den Schutz der katholischen Kirche zu nehme» und gleichzeitig den französischen Katholiken einzuprägen, die Ehrung der Republik mit der Treue gegen die katholische Kirche zu vereinbaren. Phrasen und Vorspiegelungen seien bis jetzt die künstlichen Früchte dieses seltsamen Slrebens des Papstes gewesen; er aber nehme den Schein für die Wirklichkeit, obgleich jeder seiner Versuche, die sran- zösische Republik aus die Kirche Christi zu pfropfen, von der Republik mit einer neuen Kundgebung ihrer Verachtung für die kirchlichen Interessen beantwortet worden sei. Mit der sonderbaren Verblendung, die großen Geistern und Fanatikern der Idee bei der Verfolgung ihre- Ziele- eigen ist, wurde Papst Leo XIII. der wesentlichste» und traurigsten Folge seines Liebäugeln- mit der französischen Republik nicht gewahr: daß er nämlich, indem er die glaubensfesten Katholiken in Verwirrung brachte, alle gleichgiltigen und glanbenSschwachen von der Kirche entfernte, der Republik und der Goltlosigkeit in die Arme warf, weil sie sehr natürlicherweise in der Liebenswürdigkeit des Papstes gegen die französische Republik Anzeichen der Schwäche der Kirche und die Erstarkung de- republikanische» Atheismus sahen und nun, wie es eben menschlich ist. dem Stärkeren beitraten. Was mußten anderer seits außer der größten Bestürzung alle royalistischen Fraktionen Frankreichs empfinden, denen der Papst sagt: Bleibt treue Söhne der katholischen Kirche, achtet aber das Regime, dessen Devise ist — Schmähung aller eurer Traditionen und Vernichtung der christlichen Religion. . . ." Da« einzig» günstige Result», dieser Versöhnung-- polink fei e<, daß der Präsident der Republik einen Bischof nicht mehr „Monsieur", sondern „Monseigneur" anrede, gegen welche gesetzlichen Maßregeln der Kammer, welche die Kirche und die kirch lichen Congregationen Frankreichs schwächten, sei aber dieses Zu- geständniß erkauft worden! . . . Am Schluffe seiner Ausführungen versichert Fürst Mesch- tscherski, er habe gegenüber der französischen Politik der Curie daS Bedürfniß empfunden, vffen anszusprechen, daß ihm „da« monarchische Gefühl am höchsten stehe". Im Vatican dürfte man die von russischer Seite kommende Belehrung, daß die Werbungen der Curie um die Gunst der Republik gegen das monarchische Gefühl verstoßen, mit einigem Unbehagen vernehmen. Auch kann man aus der scharfen Kundgebung des mit einflußreichen Kreisen in Ver bindung stehenden russischen Blattes ersehen, welch geringen Anklang die Theorie von dem „russisch-französisch-vaticanischen Anti-Dreibund" in Petersburg findet. Deutsche- Reich. * Leipzig, 5. September. Ein beliebter socialdemo» kratischer Trick ist es, bei der Veranstaltung von Ver sammlungen Sterne erster Größe al« Redner anzu kündigen, damit der Besuch möglichst günstig sich gestalte. Sind die „Genoffen" dann zahlreich am Platze, so müssen sie Fereilletoer. Schwere Kampfe. Noma« aus dem großen Krkege. Vs Bon Carl Tanera. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Wie er wohl aussiebt. Renate ist daö zweite Kind. Ihr Bruder soll in meinem Alter sein. Also wird der Vater schon an der äußersten Grenze deS Mittelalters stehen. Ihre Mutter muß sehr früh gestorben sein. DaS hat auch Renate so selbstständig gemacht. Ob sie wobl ihren Vater etwa« unter dem Pantoffel hält. Wahrscheinlich, denn wer könnte sich ibrem bestimmenden Einfluß entziehen?" Hierauf stellte er sich vor, wie wohl daS Hau» de« Kauf manns Thorstraten auSsehen werde. Etwa wie eine« der alten Kaufhäuser in Nürnberg, die er bei einer früheren Reise einmal kennen gelernt batte. Weite Höfe, angefüllt init Lastwagen, finstere Gewölbe voll Ballen und Kisten, durch die man sich mühsam zu den altdeutschen Wohnstuben hindurchwinden muß, ein hoher Giebel mit vorstehendem Krabn u. s. w. Seine Gedanken wurden jetzt durch den Schaffner unter brochen, welcher um da» Billet bat und meldete, die nächste Station sei Hamburg. Bald darauf fubr der Zug in einen dunklen, geradezu unschönen Bahnhof. Horn stieg aus und sah sich um. Der Eindruck seiner Besichtigung war ein sehr ungünstiger. Die verhältnißmäßig kleine, rußige, schmutzige Halle, die niederen Thore, sehr primitiven Warlesäle und die schmalen Bahnsteige erschiene« einer Großstadt durchaus unwürdig. Der Lieutenant gab seinen Handkosser, die Helmschachtel und den Schein für den großen Koffer einem Gepäckträger und befabl ihm, Alle» in den Omnibu» de« Hotel« de l'Europe zu bringen. Zu seinem größten Erstaunen erfuhr er, daß e« ,n Hamburg gar keine Hotelomnibuffe gäbe. Da Horn da« Leben wirklicher Großstädte mit vielen Bahnhöfen nicht kannte und nur durch Zufall nicht schon in Berlin auf den Mangel von Hotelomnrbuffen aufmerksam geworden war, so sah er da« Fehlen derselben al« ein Zeichen veralteter Einfachheit an und gewann immer mehr die Ansicht, Hamburg sei noch recht kleinstädtisch und altväterlich. Unwillkürlich übertrug er dies« Meinung auch auf Herrn Thorftraten und dessen Hau«. Die Fahrt durch die engen Straßen der inneren Stadt in einer der damal« wirklich noch keineswegs komfortablen Droschken trug ebenfalls nicht dazu bei, sein Vorurtbeil zu heben, und auch da« ihm al« sehr gut empfohlene Hotel de l'Europe konnte in jenen Jahren noch keinen Bergleich mit den Münchner „Vier Jahreszeiten" oder dem „Bayerischen Hos" auShalten. Alle diese Beobachtungen hoben aber die gute Stimmung de« Ofstcier«. Er schloß daran«, daß e« Wohl mit der so genannten Vornehmbeit, dem Luxus und der Verwöhnung der Hamburger überhaupt nicht sehr weit her sein werde, wa« ihm wiederum sür seine Absichten ganz günstig erschien. In Folge der ziemlich staubigen, damals noch 7 Stunden dauernden Fahrt mußte er sich gründlich waschen und ganz umkleiden. Dann ließ er sich etwa« zu essen geben und da« Adreßbuch reichen. Bald hatte er e« gefunden: Emil Thorftraten. Bei dem Strohhause 51. k„Bei dem Strobbause! Sonderbarer Name! Wird Wohl auch so ein alter Stadttheil mit uralten Häusern sein." Anfangs dachte er daran, dorthin einen Spaziergang zu machen, um sich noch am Abend da« Hau« seine« rukünftigen Schwiegervaters anznsehen. Dann dachte er aber daran, daß se,n« hellblaue, in Hamburg jedenfalls unbekannte Uniform auffallen und er vom Hause au« gesehen werden konnte. Die- erschien ihm nicht wünschenSwertb. Auch auf der Straße wollte er weder Renaten noch ibrem Vater oder Bruder begegnen. Die beiden letzteren würden ihn ja gerade an der Uniform erkennen. Daher beschloß er, heute im Hotel zu bleiben, morgen Bormiltag aber in einer geschlossenen Droschke zum Hafen zu fahren, ein Boot zu nehmen und sich da« Treiben auf der Elbe anzusehen, bi« e« möglich wäre, seine Aufwartung bei Herrn Thorstraten zu machen. Wegen der großen Ermüdung durch die lange Reise schlief er ziemlich gut, obwohl sich seine Gedanken noch lange mit feiner angebeteten Renate und mit den bevorstehenden Ereignissen beschäftigten. Da« Leben am Hajen und auf der Elbe erregte am folgenden Morgen seine höchste Aufmerksamkeit. Die mächtigen Speicher und Quaibauten der Jetztzeit standen ja damal» noch nicht. Dennoch machte auf den Binnenländer der An blick der großen Seeschiffe, da» Treiben an den Laaerhäusern und da« Durcheinanderfahren von zahllosen Dampfern, Segelschiffen, Dampfjolle,,, Booten. Barken, Lichterschissea »c. einen überwältigenden Eindruck. Ja, da« war ein Handel«. Hafen! er dort ankommt, der ist kein armer Mann." Er sragte den Führer der Jolle, auf der er gerade durch den Hafen fuhr, nach dem Eiaenthümer. Der Mann ver- stand ihn anfangs nicht. Auf seine wiederholt« Frage und sein Deuten nach dem Schiffe erwiderte der Schiffer kurz: „Herrn Thorstraten". „WaS? Herrn Thorstraten, der bei dem Strohhause wohnt?" „Ja, Herr." »Besitzt denn Herr Thorftraten noch mehr solcher Schiffe?" Der Jollenfübrer sah gerade nach vorwärts, gab ein Signal mit der Dampfpfeise, winkte dem Steuermann ein Zeichen zu und ließ die Frage de« Officiet« einfach unbeant- wertet. Horn ersah daraus, daß der Mann entweder nicht sprechen dürfe oder nicht mehr sprechen wolle. Er fragte nun einen Matrosen, konnte aber mit bestem Willen keinen zu- sammenhängenden Sinn au« den plattdeutschen Worten de- Menschen herauSbören. Nur so viel wurde ihm klar, daß e,n kleine« auf einer Art von Landzunge stehende« Holzhaus da« Bureau de« Herrn Thorstraten sei, weil der Matrose ibm mit der Hand den dort angebrachten Schild mit dem Namen „E. Thorftraten" zeigte. n» "7^ "fl" HU"* einem H°us- Lbnliche Ge- bäude dämpfte wieder etwa« da« gewaltige Staunen, in welche« der Ofstcier gerathen war. al« er den Vater Renaten'S al« den Besitzer eine« so großen Dampfer« nennen hörte. Er wußte eben nicht, daß die Inseln und Halbinseln, auf welchen verschiedene solcher Hütten al« provisorische Bureaux standen, für die bevorstehenden großen Hafenbauten in Au«> stcht genommen waren, und daher überhaupt nicht mit festen -vautrn bedeckt werden durften. H°"' -E-»»«>» A Stunde rückte, die ihm die Entscheidung für U lebhafter schlug sein Herz. Merswürdiaerweffe verlor er etwa« von seiner festen Zu- verficht. Ä kam ,bm der Gedanke, daß man mit dem Besitzer eme» so riesigen Dampfschiffe doch nicht so leicht umspringen könne, wie er bi«her angenommen. Dann aber siegte wiedrr sein sanguinffchr« Temperament. Mit dem Äu.rus: „Frisch gewagt ist halb gewonnen" beeilte seine Toilette, schnallte den Säbel um, stülpte den Helm aus den Kopf und betrachtete sich prüfend im Sviea»l mit sich selbst zufrieden. Nun ließ er sich eine offene Droschkc kommen, stieg ein und befahl kurz: „Bei dem Strohhause 51." Der Kutscher fuhr lo«. Horn bemerkte kaum, daß er jetzt über hübsche Anlagen und durch eine breite Allee kam. Sein ganze« Denken richtete sich auf den bevorstehenden Besuch. Man passirte eine Straße mit einigen älteren Häusern. Daran reihten sich mehrere schöne moderne Bauten. Vor einem der größten, mit einem von schweren Ketten eingefaßten Vorplatz geschmückten, hohen Hause hielt der Wagen. Ter Lieutenant stieg au« und gab dem Kutscher einen Thaler. Ohne eine Miene zu verziehen, ohne eine Bewegung zum Wechseln oder HerauSgeben zu machen, steckte dieser das Geldstück rin und fuhr weiter. Horn wollte keine Sccne machen, wandte sich schnell nach dem Tbore des Hauses, öffnete dasselbe und trat ein. Freilich schlug ihm das Herz so stark, daß er dessen Pochen fast hörte; aber er nabm sich zusammen und richtete sich stramm auf, wie wenn er sich selbst Muth machen wolle. Er stand vor einer verschlossenen GlaSthür. Recht- befand sich eine Glocke. Auf sei» Länlen erschien ein Herr von etwa 55 Jahren in langem schwarzen Gebrock, hohem weißen Kragen und breiter schwarzseidencr Halsbinde. Dieser, nach Horn'S Meinung der echte Typ eines vornehmen Kaufmannes, öffnete stumm die GlaStbür. Der Lieutenant dachte bei sich, „er hat mich erwartet", trat ein, nahm den Helm ab, verneigte sich und fragte: „Habe ich die Ehre, Herrn Thorftraten vor mir zu sehen?" „Ich bin der Diener de« Hauses. Sie wünschen?" Der junge Officier batte eine Empfindung, als ob man ihm ein Gla« Wasser über den Kopf gegossen. Aergerlich richtete er sich in die Höhe. Etwas rauh klang e«: „Kann ich Herrn Thorstraten sprechen?" „Wen darf ich anmelden?" Dabei verzog der Diener keine Muskel seine« Gesichte«. Horn wollte schon auf- fabren und bemerken, ob man denn an seiner Uniform nicht sehe, daß er Officier sei, besann sich aber doch eine« Besseren, nahm eine Bisitenkarte au« seinem Etui und ssab sie dem Diener mit den Worten: „Bringen Sie diese Karte Herrn Thorstraten." Wie eine Maschine nahm der Diener stumm dieselbe in Empfang, wendete sich nach der Seite, ergriff eine auf einem m,t Perlmutter eingelegten syrischen Tischchen stehende silberne Swale, legte dir Karte hinein und verschwand hinter einer Zimmrrthür. Der Officier hatte Zeit, sich etwa« umzuseben. - Borplatze« stand »in großer Messingkäfig, welchem „n grauer Papagei saß und hie, und da einig,
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