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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.09.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189509098
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18950909
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18950909
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-09
- Tag1895-09-09
- Monat1895-09
- Jahr1895
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.09.1895
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vez«g--PreiS K tz« Hauptex-edtttou oder den im Stadt« bezirk »ad den Vororten errichteten An«« aabrstellen ab ge holt: vierteljährlich ^I4L0. bei tweimaliaer täglicher Zustellung iu- Hou« ^l KLO. Durch die Post bezoara für Deutschland und Oesterreich: diert«l>^hr!ich >4 8.—. Direct» tägliche tkreuzbandienduu- 1u» Ausland: monatlich u» 7.50. Dir viorgen-Ausgab« erscheint täglich mit Au«, nähme nach Sonn- und Festtagen '/,? Uhr, die Abend-Aulgab« Wochentag« b Uhr. Le-actio« und Lrpe-itto«: Johanne«,affe 8. Dir Expedition ist Wochentags uuunterbroche» geöffnet »ou früh 8 bi« «b»d« 7 Uhr. Filiale«: Vit» Nie»«'« Lertim. (Alfred Hatz»), Uoiversität-straße 1, So»«« LSsche, Katharineusir. 14, Part, uad Köuigßvlatz 7. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschästsverkehr. «l«zeigem.PreiS die Sgespaltme Petitzeile 20 Pfg. Rrclam»» unter dem RedactionSstrich täga» spalten) 50^, vor den Familiennachrichteu (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- vrrzeichaiß. Tabellarischer und Zißrratatz nach höherem Tarif. Extra»vetlagrn (gefalzt), nur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbrfördernng ^l 60c—, mit Postbeförderuug ^ ?o.--. Iinnahmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentag«) Abend.Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an di» Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^-435. Montag den 9. September 1895. 89. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Erledigt hat sich der am L. September 189b hinter dem Soldat Emil Edwin Schmidt II der 7. Comp. S. Jnf.-RegtS. Nr. 104 erlassene Steckbrief. D. U. Semmichau, den 6. September 1895. 104. Regiment. Politische Tagesschau. * Leipzig. 9. September. Auf die Frage des „Vorwärts", wann und wo er und seine Gesinnungsgenoffen „an die Entscheidung durch die Bajonnette appellirt", wurde die Gegenfrage gestellt, ob er etwa die Ankündigung einer Diktatur des Proletariat» als des UebergangS zum socialistischen Zukunftsstaate ableugnen wolle. Das Blatt antwortete hierauf: „Die Redewendung von der „Diktatur des Proletariat-" rührt von Karl Marx her. Er selbst wie alle, die sie später adoptirt hoben, wollten damit in knapper Weise den politischen Uebergangszustand bezeichnen, in dem die Partei des Proletariat-, nachdem sie allmählich durch sricd- liche Agitation und die Entwickelung der wirthschastlichen und politischen Verhältnisse die überwältigende Mehrheit der Station für das Ziel einer socialistischen Neugestaltung der Gesellschaft ge- Wonnen und damit auch das Recht und die Macht zur Verwirk- lichung dieser Ziele erlangt hat, durch seine Beauftragten die recht- lichen und wirthschaftUchrn Neugestaltungen anbahncn läßt, wie jetzt die bürgerliche Gesellschaft, die an der Macht ist, in kleinerem Maßstabe fortgesetzt daS Gleiche thut. Dieser Uebergangszustand würde beendigt sein, sobald die neuen RechtSinstitutionen einer klassenlosen Gesellschaft in Kraft getreten sind. Die Bezeichnung dieses UebergangSzustandes mit der Redewendung „Diktatur de« Proletariats" ist, wie olle derartige Versuche, einen sehr complicirten Zustand mit knappen Worten zu skizziren, Mißdeutungen aus- gesetzt bei Leuten, die nach Schlagworten zu urtheilen gewohnt sind, es ist aber direct eine böswillige Unterstellung, wenn man daran» die Absicht zu einer Unterdrückung oder gar Beseitigung gegnerischer Elemente mit Waffengewalt herauslesen will." Diese Betheuerungen des socialdemokratischen Central organs sind, wie die Rede de» Herrn Auer, nichts weiter als ein Schachzug, der ihm zur Zeit angesichts der tief gehenden Entrüstung angezeigt erscheint. Denn daß die Socialdemokratie heute noch genau so kampfbereit und so gewaltthätig geartet ist, wir vor 20 Jahren, vrrräth nicht nur gelegentlich ein unvorsichtige« Provinzialorgan, sondern auch, wie die „Berl. N. N." in einer dankenSwerthen Zu sammenstellung Nachweisen, das Zeugniß weit gewichtigerer Autoritäten. Vor allen Dingen darf auf das noch heute maßgebende Gothaer Programm von 1875 verwiesen werden, worin es früher hieß: „... von diesen Grundsätzen ausgehend, erstrebt die socialistische Arbeiterpartei Deutschlands mit allen gesetzlichen Mitteln den freien Staat und die socia listische Gesellschaft. Abschaffung deS Systems der Lohnarbeit, die Aufhebung der Ausbeutung in jeder Gestalt, die Beseiti gung aller socialen und politischen Ungleichheit." Auf dem Parteicongresse von Wyden im Jahre 1880 wurde da« ge sperrt gedruckte Wort gestrichen und in dieser veränderten Fassung bildet daS Programm noch heute die dogmatische Grundlage der Partei, wobei allerdings auch noch der Satz von den Productivgenossenschaften mit Staatshilfe zu elimi- niren ist. Marx, der Vater des heutigen Socialismus und die als unfehlbar geltende oberste Instanz der Partei, ist während sseines ganzen Lebens ein ausgesprochener Revolu tionair gewesen, der die frühere opportunistische Fassung des Gothaer Programms durchaus mißbilligte. Er schrieb darüber an die deutschen Führer Folgendes: „Zwischen der kapitalistischen und der communistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionairen Umwandlung der einen in die andere. Dieser entspricht auch eine politische Uebergangsperiode, deren Staat nichts anderes sein kann, als die revolutionaire Diktatur de- Proletariats. Um jedes Mißverständniß auszuschließen, hat Engels, der mit Marx' Gedankenleben so vertraut gewesen ist, wie kein Anderer, diese Stelle in seinen, den Marx'schen Brief begleitenden Bemerkungen bei der Veröffentlichung des Briefes in der socialdemokratischen Zeitschrift „Die Neue Zeit" (1891) also erläutert: „Der deutsche Philister ist neuerdings wieder in heilsamen Schrecken gerathen bei dem Worte „Diktatur" des Proletariats. Nun gut Ihr Herren, wollt Ihr wissen, wie Diktatur aussieht? Seht Euch die Pariser Eommune an. Das war die Diktatur des Proletariats!" Kann man noch deutlicher die Socialdeinokralie als die Partei deS gewaltsamen Umsturzes kennzeichnen? Ans den siebziger Jahren ließen sich zahlreiche Parallelstellen in den Reden ebenso maßgebender Häupter der Be wegung anführen. Aber da entgegnet werden könnte, daß inzwischen eine Häutung erfolgt sei, so ziehen wir Belege aus neuerer Zeit vor. Hier ein solcher aus dem Munve Bebel'S, der am 18. December 1880 im Reichstage Folgendes von der Tribüne herabrief: „Ich schreibe dem Volke das Recht zu, den Augenblick, wo es erkennt, daß die Gewalt, welche die Regierungen ausüben, seinem Wohle und seinen Interessen schädlich sind, Liese Regierungen zu beseitigen, sowie das Volk auch das Recht hat, diesen Reichstag zu beseitigen." Bekanntlich wurde der nachZürich übergesiedelte „Social demokrat" unter der Herrschaft des SocialistcngesetzeS zum ofsiciellen Organ der Partei erhoben und heimlich an die Mitglieder versandt. Die Parteileitung bekannte wiederholt, daß sie nur für dieses Blatt die politische Verantwortung übernehme. Im Jahre 1880 schrieb dasselbe: „Wir dürfen uns nicht mehr wie in der ersten Zeit des Socia- listengesetzes mit der Erhaltung der bestehenden Verbindungen be gnügen, sondern wir müssen unsere auf die Revolutiontrung des Volksaeiftes und aus die gründliche Umgestaltung der herrschenden staatlichen' und gesellschaftlichen Ordnung abzielende Agitation nach den Verhältnissen verändern, unsere Organisation den gesetzlichen und ungesetzlichen Schurkenstreiche» unserer Feinde an- passen und i» eine den letzigen und kommenden Umständen ent sprechende KrtegSformatio» umschafsen. Denn wir leben in einem Zustande deS erbittertsten Krieges. Von Friedlichkeit und GLsechtichlelt schweige man u»D»L.^r« handelt sich nicht mehr um „Recht", nur um die pure Gewalt!" Daß Lieb kn echt im Jahre 189 l am Jahrestage der Com mune im Namen des Parleivorstanbes eine Adresse an den Nationalrath der französischen socialistischen Arbeiterpartei richtete, worin der 18. März als internationaler Feiertag verherrlicht wurde, gehört auch zu den untrüglichen Merk malen revolutionairer Tendenz, die von keinem ehrlichen Manne in Abrede gestellt werden können. Aber leider hat die große Masse derer, die in fliegender Eile an den Tages erscheinungen vorbeihasten, für solche Vorkommnisse nur ein sehr kurzes Gedächtniß, und darum findet ein so unverstän diges Gerede wie die Behauptung von der gutartigen Meta morphose der Partei wohl noch bei Manchem willigen Glauben. Umsomehr ist eS angebracht, ab und zu das Schuld buch der Partei auszuschlagen und daraus ihre wahre Be schaffenheit zu zeigen. Die Ernennung Wtffmann'S zum Gouverneur von Deutsch ostafrika scheint mehr zum Zweck der Beschwichtigung der über die militairische Wirthschaft in der Colonie verstimmten Colonialsreunde als zu dem der radikalen Besserung der Zu stände erfolgt zu sein. Die „Köln. Zlg." schreibt nämlich: Wissinann sei in Tanga ohne Sang und Klang ans Land ge stiegen. kein Kriegsschiff sei erschienen, keine Truppe habe dem frühe ren siegreichen Führer Ehren erwiesen, wie sie Soden und Scheele i» ausgiebigstem Maße dargebracht worden seien. Nur die Eingeborenen hätten ihre Hütten geschmückt. Dasselbe Schauspiel habe sich in Dar - es - Salaam wiederholt. Die „Köln. Ztg." sagt, es scheine geflissentlich hervorgehobe» zu werden, dag nur ein Civilgon verne ur sein Amt antrete. Sollte aber neben Wissinann noch eine von ihm unabhängige militairische Macht bestehen, so würden die deutschen Colonialsreunde sich besinnen, ob sie derartige Verhältnisse weiter unterstützen sollten. Die „Kölnische Zeitung" schließt: Sollte Wissmann, durch kleinliche Ränke ver anlaßt, in gerechtem Unwillen den Posten ausgeben, so werde die von mancher Seite erstrebte militairische Organisation für Ost- asrika nothwendig; wie sich hierzu das deutsche Volk und der Reichstag verhalten werden, bcdürse keiner Erklärung. Diese Sprache des im vorliegenden Fall ohne Frage voll ständig uuterrichtcten Blattes läßt keinen Zweifel daran aufkomnien. daß i» Ostafrika eine Verwaltnngskrisis aus- gebrochen ist, die ein sofortiges Eingreifen des Reichskanzlers nothwendig macht. Hoffentlich belhätigt Fürst Hohenlohe bei seiner Entscheidung das Interesse am deutschen Colonial wesen, dessen Vorhandensein er in seiner Programmrede ver sichert hat. Inzwischen hoffen wir, daß Wissmann nicht so schnell die Flinte ins Korn wirft, sondern den Kampf im Interesse unserer Coloniaipolitik aufnimmt. Von einem Kenner Ostasiens wird der „Nat.-Ztg." ge schrieben, daß schon vor mehr als 25 Jahren die Erwerbung der (shnsan-Jnscln für Tcutschlan», welche jetzt angeblich England annecliren will, befürwortet worden sei. Die Auf merksamkeit der deutschen Regierung sei durch einen jetzt in Berlin lebenden, mit den Verhältnissen in China sehr bekannten Gelehrten auf die Inseln gelenkt worden und bald darauf habe der deutsche Consul in Shanghai zuerst allein, dann an Bord eines Kriegsschiffes die Inseln besucht und über deren Lage, sowie ihre Wichtigkeit für Handel und Verkehr mit Ostasien eingehend Bericht erstattet. Namentlich der Besitz der größten dieser Inseln, Cbusan oder nach dem darauf liegenden Städtchen auch Tinghai genannt, würde den Handel mit dem mittleren und nördlichen China ebenso und noch vollkommener beherrschen, als dies für Südchina seitens Hongkong der Fall ist. Ein Handelsplatz in Chufan würde tatsächlich den gesammten Handel der Hangtsee-Häsen, Shanghai« und Ningpos an sich ziehen und damit auch Len Verkehr mit Tschifu und Tientsin und der sibirischen Küste bis hinauf nach Wladiwostok beherrschen. Gleichzeitig mit diesen Mitteilungen berichtete der Commandant deS genannten Kriegsschiffes über den vortrefflichen Hafen von Tinghai, über das gute Fahrwasser zwischen den Inseln, sowie über die Leichtigkeit, den ersteren stark zu befestigen und dort eine Kohlenstalion erster Größe anzulegen. — „Wie kommt eS," fragt die „Nat.-Ztg", „daß jetzt England seine Hand auf die Inseln zu legen versucht? Als vor einigen Monaten die Nach richt bekannt wurde, daß die deutsche Negierung im Verein mit Rußland und Frankreich der übertriebenen Anmaßung von Japan Einhalt geboten und damit dem vollständigen Versal des chinesischen Reichs vvrgebeuat hatte, stimmten alle Kenner ostasiatischer Verhältnisse diesem Vorgehen freudig zu, natürlich in der Voraussetzung, daß Deutschland für seine Hilfe auch eine Entschädigung erhalten würde. Rußland und Frankreich haben in Wirklichkeit auch ihren reichlichen Lohn davongetragen. Jetzt „entschädigt" sich auch England. Und Deutschland? Es wäre doch geradezu unverantwortlich, wenn die deutsche Vertretung in China jene vor fünfundzwanzig Jahren gegebene Anregung nicht weiter verfolgt hätte." Die „Nat.-Zkg." schließt ziemlich pessimistisch, daß sie vorläufig wenig Vertrauen zu einem energischen Vorgehen der Reichs regierung habe, und scheint darin durch die Meldung des Berliner Berichterstatters des „Standard" unterstützt zu werden, welcher behauptet, er sei ermächtigt, das Gerücht, Deutschland beabsichtige eine Colonie oder Kohlen- lation in China zu erwerben, als Schadloshaltung für die Erwerbungen, nach denen Rußland, Frankreich und England dort trachten, als unbegründet zu bezeichnen. Wir legen der „Standard"-Meldung kein Gewicht bei, denn wir halten es für ausgeschlossen, daß die allein competente Stelle in Berlin den Berichterstatter eines fremden Blattes zu einer solchen Erklärung ermächtigt hat. Ob die Auslassung der „Nordd. Allg. Ztg": „Wir dürfen das Zutrauen zu unserer Regierung haben, daß sie, auch ohne gedrängt zu werden, die Verhältnisse und Thatsachen aufmerksam verfolgt und daß Schritte, für die ein erkennbares nationales Bebürfniß vorliegt, im geeigneten Augenblick nicht unterbleiben werden" für officiös zu nehmen ist, läßt sich nicht feststellen; ist sie eS, so ist damit freilick wenig gesagt und unsere schon einmal ausgesprochene Besorgniß, Deutschland werde so lange auf den geeigneten Augenblick paffen, bis es denselben verpaßt habe, beute erst reckt am Platze. Sollte sich bestätigen, was den „North China Daily News" aus Tientsin geschrieben wird, daß die chinesische Regierung der deutschen „für alle Ewigkeit" ein Stück Land abgetreten habe, das am Peiho- flusse gelegen, einen Kilometer lang und etwa 400 Meter breit ist und direct an die englische Colonie anschließt — zu verwundern wäre nur, daß man von diesem staatsrechtlichen Acte in Deutschland erst aus ausländischen Correspondenzen Kunde erhalten muß —, so wäre das schon etwas, denn bisher waren die fremden Niederlassungen, soweit der Handel in Betracht kommt, thatsächlich auf das britische Gebiet beschränkt, das lange nicht mehr den Bedürfnissen genügte. Man beabsichtigt, Baumwoll- und Wollspinnereien, Lob gerbereien, Zündholzfabriken und dergleichen auf der neuen deutschen Niederlassung, die sich natürlich auch einer eigenen Verwaltung erfreuen wird, einzurichten. Das wäre, wie ge sagt, Alles sehr schön, vermöchte aber die Bedeutung eines mililairischen StützpuncteS nicht auszuwiegen, wie ihn eine Kohlenstation bieten würde. Ueberall in Schweden wird gegenwärtig für den vom Marincministerium ausgearbeiteten Plan zur Vermehrung der schwedischen Flotte eifrigst Propaganda gemacht. Alle Anzeichen lasten darauf schließen, daß die Regierung mir der bestimmten Absicht umgehe, dem im Januar nächsten Jahres zusammentrekenden Reichstage eine hierauf bezügliche Gesetzesvorlage zu unterbreiten. In manchen Kreisen spricht man sogar davon, daß die Regierung zu diesem Behufs möglicherweise den Reichstag zu einer außerordent lichen Session einberufcn werde. Da in einer solchen ver fassungsgemäß keine andere Angelegenheit behandelt werden darf, als diejenige, zu deren Berathung der Reichstag sich versammelt, so würde ein solcher Schritt die der Marinevorlage zukommendeBedeutung besonders markiren. Ein Gleiches ist, wie erinnerlich, vor wenigen Jahren geschehen, als die neue Heeres ordnung zu erledigen war. Bei dem Regiernngsplan zur Reform der Marine handelt es sich um einschneidende Neuerungen. Nach der Ansicht der Regierung müßte die schwedische Flotte, Wenn sie im Stande sein soll, einen feindlichen Landungs versuch zurückzuweisen, über 15 Panzerschiffe, 30 Torpedo boote 1. Classe. 20 Torpedoboote 2. Claffe und 6 Aviso fahrzeuge oder Torpedojäger verfügen. Gegenwärtig stehen der schwedischen Flotte jedoch nur 4 Panzerschiffe, 6 Torpedo boote 1. und 9 2. Classe zu Gebote, wozu noch einige, theilweise gepanzerte, aber ganz veraltete Kanonenboote kommen. Die Gesammtausgaben für die verstärkte Flotte werden auf 40 bis 45 Millionen präliminirt, dieselben dürften Fritilletsn. 71 Schwere Kampfe- Roman au« dem groben Krieg e. Von Carl Tauera. (Fortsetzung.) Nachdruck verbot«». „Nur sehr flüchtig, Herr Lieutenant. Erst gestern Abend theilte mir meine Schwester mit, daß rin bayerischer Officirr um sie anhalten werde. Ihren Besuch bei meinem Vater und dessen ablehnende Antwort auf Ihren Antrag erfuhr ich erst vor wenigen Minuten, als me,n Vater mich beauftragte, zu Ihnen zu gehen. Ich kenne also nur die Schlußthatsachen, bin jedoch nicht weiter ringeweiht." „Sie wissen also nicht, daß ich Fräulein Renate leiden schaftlich liebe und begründete Ursache habe, auzunehmeu, daß mich Ihre Schwester wieder liebt?" „Ich wiederhole, daß mich Renate nicht zu ihrem Ver trauten gemacht hat. Es liegt dir- auch gar nicht in ihrer Art. Sir ist so verschlossen, daß sie auch mir, obwohl wir in bestem Einvernehmen leben, nie ihre inneren Empfindungen offenbart." „So dürfen Sie eS mir glauben, daß unS eine tiefe un auslöschliche Neigung vereint, obwohl sich Fräulein Renate noch nicht offen darüber erklärt hat. In Fragen de- Herzen- braucht eS aber keine mündlichen oder schriftlichen Bestäti gungen. Da sprechen Blick« genug, und Liebende fühlen, daß sie für einander geschaffen sind und sich für da« Leben an gehören, auch wenn sie sich nicht gegenseitig aussprechen können. Vielleicht wissen Sie die- an- eigener Erfahrung. Sind Sie denn verheirathet?" „Nein, mein Vater erlaubt nicht, daß ich vor oem 30. Jahre an die Gründung eine« eigenen Hausstand«« denke." „Nun, so glauben Sie meinen Worten. Ebenso wie ich von mir weiß, daß kein andere« weibliche« Wesen je da« Bild Ihrer Schwester an- meinem Herzen zu verdrängen vermag, so bin ich auch überzeugt, daß Renate keinen anderen Mann mehr lieben wird. Ein so fertiger bestimmter Charakter wie Ihre Schwester, giebt sich schwer einer so tief einschnei denden Empfindung, wie die Liebe r« ist, hin. Geschieht e« abrr, dann wurzelt auch diese Empfindung auf immer im Herzen, und so ist es bei uo« beiden geschehen." „Da- würde ich für Sie beide aufrichtigst bedauern." „Warum, Herr Thorstraten?" „Weil ich Sie nach dem, waS ich von meinem Vater über Sie hörte, und waS ich aus den wenigen Minuten unserer beiderseitigen Bekanntschaft selbst zu urtheilen ver mag, für einen Mann von festen Grundsätzen halte, der seine Ansichten nicht wegen erlangbarer Vortheile und sei eS sogar die Hand eines geliebten Mädchens ändern wird. Wenn Äie dies aber nicht thun, ist eine Ehe zwischen Ihne» und Re nate durchaus unmöglich, denn mein Vater wird nie die Zu stimmung zur Verheiratung meiner Schwester mit einem Officirr geben." „Glauben Sie, daß diese engherzige Anschauung nicht be siegbar ist?" „Nein, daS halte ich nicht für möglich. Denken Sie nur, er ist so starr in seiner vorgefaßten Meinung, daß er mir verboten hat, mich zum Reserveosficier Vorschlägen zu lassen. Ich habe als Einjähriger bei den 76ern in Altona gedient, bekam eine- der besten Zeugnisse und wäre sicher zum Vice- feldwebel und Reserveosficier befördert worden, wenn mein Vater mir erlaubt hätte, die dazu vorgeschrirbene Erklärung, daß mir dies erwünscht sei, abzugrben. Er hätte mich gar nicht dienen lassen, wenn nicht nach dem Jahre 1800 seit der Einführung der Militair-Convention Hamburgs mit Preußen alle Gesetze so streng gehandhabt worden wären, daß mir kein Weg übrig blieb, als ganz an- Deutschland auSzuwandern oder mein Jahr abzudieoen/ „Nun gut, dann werden wir ohne die Genehmigung Ihres Vater» heirathen." „DaS ist nicht möglich, Herr Lieutenant, denn Renate besitzt nur rin ganz kleine«, von unserer Mutter stammendes Vermögen von 15 000 Thalern, und selbst über diese« hat sie erst nach einem halben Jahr, wenn sie nämlich volljährig wird, die freie Verfügung." „WaS sagen Sie. sie besitzt 15 000 Thaler?" „Ja, Herr Lieutenant. Meine Mutter war sehr arm. Sie brachte nur 60 000 Thaler in die Ehe mit. Davon fiel nach ihrem Tode die eine Halste an meinen Vater und die andere Hälfte an un« Geschwister. Sir sehen, daß wir Beide vollständig von unserem Vater abhängen." „Aber, Herr Thorstraten, 15 000 Thaler sind ja weit mehr, al« ich zur Stellung der HeirathScaution hrauchel" „DaS ist wohl möglich. Aber leben können Sie mit einer Frau doch nicht davon." „Ich habe ja auch noch meine Gage." „Wenn auch. Das würde zusammen ja nicht einmal ge nügen, daß Sie allein standesgemäß leben, geschweige mit einer Frau." „Oh, Herr Thorstraten, das lassen Sie nur unsere Sache ein. Erstens lebt man bei uns in Bayern als Officier sehr be- cheiden, und zweitens wird die Liebe auch Renaten lehren, ich trotz ihrer Verwöhnung in der Jugend doch als Frau de» einfachen Verhältnissen zu fügen, wie sie in unseren Officierkreisen herrschen. Für das, was ihr in materieller Beziehung entgeht, wird sie durch manche andere Bortheile äußerer Art entschädigt. Und glaube» sie nicht, daß ein Wesen wie Renate zufrieden ist, wenn sie ein stilles be scheidenes Glück im eigenen Heim findet?" „Das würde ich wohl glauben. Aber Sie vergessen immer daS Wichtigste, Herr Lieutenant." „WaS wäre daS, Herr Thorstraten?" „Der Wille unseres Vaters, dem wir von Jugend auf gewohnt sind, uns unbedingt zu unterordnen." „DaS ist ja gewiß schön und gut. Ich bin auch der letzte, der ein Kind gegen den eigenen Vater aushetzen möchte. Es ist aber ein großer Unterschied, ob es sich um alltägliche Kleinigkeiten, um Verhältnisse, die die Familie oder deren Vermögen betreffen, oder ob es sich um die ganze Zukunft eines der Glieder der jungen Generation handelt. Ihr Vater hat sein Leben hinter sich. Wenn er starr an alten Anschauungen hängen bleibt, so schadet dies wenig, so lange eS sich nur um seine Person handelt. Tiefe An- schauungen aber auch auf seine Kinder übertragen und an ihnen verwirklichen zu wollen, obwohl deren Leben noch vor ihnen steht, ist nicht nur ein thörichter Eigensinn, sondern ein directeS Unrecht. Einem solchen sich zu widersetzen, ist keine Sünde, sondern ein Gebot der Sorge für sich selbst. Das wird auch Renate einsehen und demgemäß bandeln." „Ich fürchte, Sie täuschen sich in diesem Puncte. In unserem Hause gab eS stets nur einen Willen; da« war der unseres Vater«. Noch nie hat irgend jemand auch nur dir kleinste Opposition gegen ihn gewagt, sobald er einmal er klärte, so und nicht ander- wünsche er, daß etwas geschehe." „Sie haben eben den ernsten Fall eines selbstständig sprechenden Herzens noch nicht erlebt. Glauben Sie mir, ein Mädchen, welche« wahr liebt, kennt kein anderes Gebot als das, die Vereinigung mit dem Auserwählten zu erstreben. Dagegen tritt sogar eine so strenge Erziehung wie die in Ihrem Hause zurück." „Ich kann hierüber nicht streiten, Herr Lieutenant, aber ich glaube eS nicht. Welche Schritte beabsichtigen Sie nun zu unternehmen?" „Ich bin mir noch nicht darüber klar. — Gestatten Sie mir nun eine offene Frage?" „Bitte, Herr Lieutenant. Ich stehe zu Ihren Diensten." „Muß ich Sie als Gegner ansehen oder darf ich Sie als einen Verbündeten betrachten?" „Keines von beiden, Herr Lieutenannt. So sehr ich mich freuen würde, wenn meine Schwester an Ihrer Seite das Glück finden könnte, von dem Sie vorhin sprachen, und so sehr ich für meine Person der Wahl Renatens meine vollste Zustimmung geben würde, so habe ich doch keinerlei Ver anlassung, mich dem klar ausgesprochenen Willen meines Vaters entgegen zu stellen, da mich die Sache erst dann näher angeht, wenn ich von meinen Angehörigen direct um meine Meinung befragt oder zu einer entschiedenen Stellungnahme innerhalb der Familie aufgefordert werde. Ich bin auch über zeugt, daß Renate einen sogenannten Verbündeten gar nicht braucht, da sie doch ganz nach ihrem eigenen Ermessen handeln wird." „Aber Das könnten Sie mir doch zum Gefallen thun, daß Sie mir eine Gelegenheit verschaffen, mit Renaten zu sprechen." „Das ist nicht schwer, wenn meine Schwester selbst damit einverstanden ist. Ich kann mit ihr eine Spazierfahrt nach dem Uhlenhorster Fährhau« machen, wo wir Sie treffen würden. Ich habe dort Gelegenheit, mich in eine Menge von Zeitungen zu vertiefen, während Sie sich mit meiner Schwester auSsprecken." „Wenn aber Ihr Vater etwa« davon erfährtl" „Oh, wir sagen es ihm vorher. Heimlich unternehmen wir nie einen solchen Schritt." „Dann wird er eS aber Renaten untersagen, mit mir zusammen zu treffen?" „Nein, Herr Lieutenant, darin beurtheilen Sie meinen Vater falsch. Wenn Renate eine Unterredung mit Ihnen wünscht, wird er keine Silbe dagegen rinzuwenden haben. Kleinlich ist er nie gewesen, und wenn er auch stet« verlangt, daß im Großen Alle« nach seinem Willen geschieht, so bat er in Nebendingen unS immer ganz freie Hand gelassen. Inner halb der un« zugewiesenen Sphäre sind wir durchaus selbst ständig erzogen. Vielleicht wird er es sogar gern sehen, wenn Sie und Renate sich noch einmal sprechen." Für Horn waren solche Anschauungen so fremdartig, daß er gar nickt recht wußte, wa« er dazu sagen sollte. Er dacht«
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