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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.09.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189509160
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18950916
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18950916
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-09
- Tag1895-09-16
- Monat1895-09
- Jahr1895
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.09.1895
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Angebote mit der Aufschrift: VoSenabfnhr IV. 106. sind versiegelt und postfrei bis zu obigem Zeitpunkt einzuretchen. Königlicher Garnison-Vanbeamter. Politische Tagesschau. * Leipzig, 16. September. Endlich ist geschehen, was schon längst hätte geschehen sollen: die konservativen Fraktionen des Reichstags und des preußischen Landtags sind von dem Freiherr« v. Hammerstcin durch dessen MandatSniederlegung befreit und die „Kreuzzeitung" hat sich ihres bisher nur sus- pendirten Chefredakteurs gänzlich entledigt und ihn der Staatsanwaltschaft anheiw'allen lassen, die übrigens, wie die „N.»L. C." meldet, aus die Anzeige des Kreuzzeitungs- Comitös nicht gewartet, sondern schon vor derselben aus den Acten des Beleidigungsproceffes der Frankfurterr „Kleinen Presse" den Anlaß genommen hat, sich mit der Sache zu be schäftigen. ES soll sich nicht nur um die bekannten Unter schlagungen, sondern, abgesehen von anderen Dingen, auch um Fälschungen handeln. Gerade im Augenblicke der vollständigen Katastrophe im Leben seines Freundes und Bundesgenossen tritt Herr Stöcker im „Volk" mit einer Er klärung hervor, über die der Telegraph bereits berichtet bat, die aber so charakteristisch ist, daß sie wörtlich wiebergegeben werden muß. Sie lautet: Eben nach Berlin zurückgekehrt, finde ich die Presse in einer un begreiflichen, zum Theil künstlich hervorgerufenen und zu schlechten Zwecken benutzten Aufregung über einen Brief, den ich im August 1888 an Fchrn. v. Hammerstein gerichtet haben soll. Ob derselbe wortgetreu und vollständig abgedruckt ist, vermag ich nicht zu sagen, da ich bet seinem ganz vertraulichen Charakter keine Abschrift davon genommen habe. Ich erinnere mich desselben nicht, aber ich nehme an, daß er im Wesentlichen richtig ist, da er der Lage von damals und meiner Auffassung derselben entspricht. Immerhin sollten anständige Beuriheiler in der Ausnutzung eines solchen Briefes zurückhaltender sein. Politische Heuchler und Lohnschreiber thun so, als hätte ich mit dem Schreiben diese- Briefes ein grobes Unrecht begangen, und unkundige Leute glauben es wirklich. Ich werde sofort in der „Deutsch-evangelischen Kirchenzeitung" die Vorgänge, welche sich an die sogenannte „Waldersee-Versammlung" knüpfen, historisch genau darstellen und hoffe dadurch alle ehrlichen Leute zu überzeugen, daß ich damals gegen unlautere Bestrebungen mit gutem Recht für Las Ansehen der Krone und das Wohl des Vaterlandes eingetreten bin. Der „Conservativen Eorrespondenz", die ohne genügende Kenntniß der Verhältnisse ein irrthümliches Urtheil abgiebt, erwidere ich, dah die konservative Parteileitung, soweit man darunter Herrn v. Helldors und seine Freunde versteht, die damalig« „Taktik" mißbilligt haben mag, daß aber alle wahrhaft Conservativen, wie das auch nicht anders sein konnte, in der Entrüstung über das illoyale und unmonarchijche Ver- halten der officiösen und mittelparteilichen Presse mit mir völlig übereinstimmen. Zn einer Aeußerung der Partei ist es weder in der einen noch in der anderen Richtung gekommen. Was den Vor. Wurf gewisser liberaler Ehrabschneider betrifft, ich hätte Freiherrn von Hammerstein in der Angelegenheit eines für mich bestimmten Fonds durch eine unwahre Erklärung decken wollen, so bemerke ich. daß ich sofort, als ich im Abgeordnetenhause von der Sache erfuhr, noch in derselben Stunde brieflich Aufklärung forderte. Freiherr von Hammerstcin bestritt in seiner Antwort den ihm in Betreff des Fonds gemachten Vorwurf und zahlte nach wenigen Tagen den Rest desselben ans. Ein Theil davon war schon Monate vorher, ehe de: Fall Hammerstein irgendwie in dt« Oeffentlichkett kam, zur Au«, zahlung gekommen. Berlin, 14. September 189b. Adolf Stöcker. Herr Stöcker bekennt sich also im Wesentlichen zu dem Inhalte deS vom „Vorwärts" veröffentlichten Briefes und gesteht ru, daß es im August 1888 seine und seines Freundes Hammerstein „Taktik" gewesen ist, zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bismarck Zwietracht zu säen. Nach diesem Zugeständniß und den Ehrentiteln, die der ehemalige Hofprediger seinen Gegnern anhängt, kann man sich die von ihm in Aussicht gestellte „historisch genaue" Darstellung der Vorgänge, die sich an die sogenannte Waldersee-Versammlung im herbste 1887 knüpfen, selbst conslruiren. Herr Stöcker, der in seinem Dünkel und seiner Skrupellosigkeit sich für be rechtigt gehalten hatte, die von dem Kaiser gebilligte Cartelpolitik zu durchkreuzen und den Kaiser durch jene Versammlung für eine Stöcker-Hanimerstein-Politik einzufangen und auf eine solche sestzunageln, wird dar legen, daß Fürst Bismarck trotz seiner Eigenschaft als verantwortlicher Leiter der deutschen und der preußischen Politik nicht berechtigt gewesen sei, jene Absicht des „neuen Luther" zu vereiteln, daß Alle, die gleich dem Fürsten und mit ihm das Attentat auf die kaiserliche Willensfreiheit abzuwehren suchten, das Anseben der Krone und das Wohl de» Vater landes zu schädigen trachteten und daß es mithin seine heilige Pflicht war, alle „Jntriguen" des Fürsten und seiner heuch lerischen und nichtsnutzigen Helfershelfer durch schlaues, nicht zu durchschauendes Säen von Zwietracht zwischen dem Monarchen und seinem verantwortlichen Rathgeber zu Schanden zu machen. Immerbin kann die in Aussicht gestellte „historisch genaue" Darstellung der Waldersee-Versammlung und ihrer Folgen zu recht interessanten und lehrreichen Enthüllungen führen, denn es leben noch andere Leute als Herr Stöcker, die alle jene Vorgänge genau kennen, aus naheliegenden Rücksichten bisher geschwiegen haben, aber diese Rücksichten fallen lassen werden, sofern das augenscheinlich lückenhafte Gevächtniß des ehemaligen Hofpredigers — er kann sich an seinen Brief nicht erinnern — ihn im Stiche läßt. Dem Zusammentreffen der Hammerstein-Katastrophe mit der Stöcker-Erklärung kommt eine politische Bedeutung nicht zu, denn der „Fall Stöcker" hat mit dem CrinnnalfaUe Hammerstein nichts zu thun, Wohl aber ist eS deshalb fatal für den wahrheitliebenden „Retter des Vaterlands ," weil sein Brief an Hammerstein ihn hinsichtlich der politischen Moral auf derselben Stufe zeigt, auf der die Welt seinen entlarvten Freund und politischen Genossen erblickt. Stöcker ist von Hammerstein nickt zu trennen, und wenn die conservative Partei dieser Erkenntniß sich verschließen sollte, so würde sie es bitter zu bereuen haben. Die „Kreuzzeitung" ist noch nicht so weit vorgedrungen, um das einzuseben. Sie findet „nicht den mindesten Grund, die schweren Eindrücke persönlicher Natur, die uns betroffen haben", auf das poli tische Gebiet zu übertragen, sie stellt sich schützend vor die Person Stöcker'« und deutet an, an dem System Hammer- stein-Stöcker festhallen zu wollen. Daß das Blatt damit nicht die Absichten der Partei widerspicgelt, geht mit voller Bestimmtheit aus der jüngsten Kundgebung zur Sache im Parteiorgan hervor. Diese verwarf die in dem Stöcker'schen Briefe empfohlene Taktik. Stöcker ließ sie in seinem Organ als einen Versuch, ihn abzuschütteln, kennzeichnen und wendet sich in seiner Erklärung noch persönlich gegen sie. Indem er sein von den Conservativen verurlheiiteS Verhalten als den Ausfluß der Treue gegen Krone und Vaterland Preist, erweitert und vertieft er natürlich noch den Gegensatz, den die Kundgebung der „Eons. Corr." feststellen wollte. Kann eS mithin unmöglich wahr sein, daß die „Kreuzzeitung" im Einklang mit der Partei Stöcker zu halten sucht, so darf man andererseits auch den Werth der Erklärung der „Eons. Corr." nickt überschätzen. Auffassungen und Absichten der conservativen Partei kund zu thun, ist heute Niemand im Stande, auch die Parteileitung nicht, auf die die „Ab- schüttelung" im Parteiorgan zuruckweist, und die Partei leitung vielleicht am allerwenigsten. Die schweren Schläge, die in rascher Aufeinanderfolge auf die Partei niedersausten, haben völlige Rathlosigkeit, mehr als dies, eine Deroute bervorgerusen, und die Wiederkehr der Entschlußfähigkeit wurde gehindert durch die von der im Falle Hammerstein bekanntlich zuerst unterrichteten demokratischen Presse genährte Besorgniß, daß der Kelch der Enthüllungen noch lange nicht bis auf die Hefe geleert sei. Dies gilt von Denjenigen, die nichts weiter zu befürchten haben, als eine weitere Schädigung ihrer Partei, und natürlich in noch viel höherem Grade von Parteimitgliedern, die sich vor der persönlichen Verflechtung in den Scandal ängstige». Die von dem Comittz der „Kreuzzeitung" gegen Hammerstein erstattete Strafanzeige beweist keineswegs das Vorhandensein eines allgemeinen Sicherheitsgefühls, Denn einmal können die Mitglieder jenes ComittzS sehr wohl in Unkenntniß über die schlimmsten Thaten des früheren Rcdacteurs geblieben sein — von einem derselben wissen wir es zufällig gewiß, daß er nach einem die Zustände in der „Kreuzzeitung" schildernden Vortrag des Majors Scheibert „wie aus den Wolken gefallen war" —, und zweitens war das staatSanwalt- schaftliche Einschreiten schon vor der Anzeige des Comit^s erfolgt. Eine stärker fließende Quelle der Besorgniß, als daS amliche Berfahren, ist übrigens der Frankfurter Beleidigungsproceß, von dem allerdings nicht sicher ist, daß er zu einer Schluß verhandlung heranreifcn kann. Es versteht sich von selbst, daß eine solche Situation der Festigkeit deS Vertrauens nicht günstig ist, und schon hieraus wird es sich hinreichend erklären, wenn Entschlüsse über die inneren und äußeren Verhältnisse der Conservativen in nächster Zeit nicht gefaßt werden sollten. Der „Reicks bote", ein Blatt, das im Lande einflußreicher ist, als in der Fraktion, markirt die Aufgaben der Partei nach beiden Rich tungen, indem er seiner Forderung nach einem strengen sitt lichen Selbstgericht die Betonung der Nothwendigkeit einer ..Revision der politischen Methode" folgen läßt. DaS Eine wie das Andere ist aber zunächst eine Persvnenfrage, und darin liegt die Schwierigkeit. Daß aber, wenn anders die conser vative Partei nicht dauernd ein Spielball der Selbstsucht werden soll, die „Revision" erfolgen muß, ist eine Ueberzeugung, die von mittelparteilicher Seile durchaus nicht, wie die „Kreuz zeitung" es darstellt, in der Hoffnung und in dem Glauben, mit einer regenerirten conservativen Partei heule oder morgen zum Cartel gelangen zu können, geäußert wird. Dazu bedarf eS zunächst mehr: vor allen Dingen emer leistungsfähigen Regierung WaS zunächst gewünscht und trotz — wie wir anerkennen — großer Hindernisse für möglich erachtet wird, ist die Abkehr von dem jetzt die Partei beherrschenden System der rücksichts losen Vertretung von persönlichen und Gruppeninteressen. WaS die anderen Parteien, die für eine künftige Neichspolilik in Betracht kommen, zur Förderung des im allgemeinen Interesse gelegenen NeubildungsprocesseS thun können, ist unseres ErachlenS die Beobachtung einer gewissen Zurück haltung gegenüber den thalsächlichen Vorgängen innerhalb der kranken Partei und die völlige Nichtachtung des elenden Klatsches, der im demokratischen Parieiinteresse oder auS privatwirthschaftlichen Erwägungen heraus von einem Theil der Presse aufgetischt wird. Die Enthüllungen über die Vorgeschichte des -cutsch-französischcn Krieges nehmen kein Ende. Jetzt tritt der damalige französische Gesandte in Berlin, Benedetti, mit einer Rechtfertigungsschrift hervor, in welche der Pariser Correspondent der „Franks. Ztg." Einsicht erhalten hat. Nach dieser die Mission Bcnedetti's in Ems be leuchtenden Schrift, die demnächst in der „Revue de Paris" veröffentlicht werden wird, schiebt dieser zwar die moralische Verantwortung für den Krieg BiSmarck zu, indem er die unbewiesene Behauptung aufstellt, BiSmarck habe die bolien- zollernsche Throncandidatur geschaffen, um einen Krieg berbci- zusühren; aber Benedetti legt ausführlich dar, daß die im mittelbare Verantwortung den Herzog Gramont trifft. Ob wohl Gramont durch Benedetti's Miltheilungen wußte, daß König Wilhelm seine persönliche Zustimmung zum Rück tritte des Prinzen Hohenzollern ausdrücklich erklären würde, verschwieg er dieS der Kammer und ließ außer dem durch den preußischen Gesandten in Paris an den König jene Forderung von Garantien für die Zukunft stellen, welche den Abbruch der Verhandlungen herbeisührte. Bene detti erklärt diese Forderung verhängnißvoll und überflüssig, da er in Ems alles durchgesctzt hätte, was die französische Regierung verlangt hatte. Benedetti versichert, König Wilhelm habe ihm nicht die Thür gewiesen. Entgegen den Behaup tungen BiSmarck'S habe eS in Ems weder einen Beleidiger »och einen Beleidigten gegeben. — Man wird den Wortlaut der Rechtfertigungsschrift abwarten müssen, um sich ein Urtbeil über den Werth dieser „Enthüllung" zu bilden, die zum Theil Bekanntes bestätigt, zum Theil aber Nectificirungen in den „Hamb. Nackr." Hervorrufen wird. Eigenthüinlich ist, wie die Ratbgeber Napolevn's einander die Schuld an dem Sturz des Kaiserreichs zuschieben, an dessen Fall sie alle in gleicher Berblendung gearbeitet haben. Der italicnischcn Nat ionalfeier wird wirkungsvoll durch den soeben in Rom stattsindenden nationalen Tiirncr- congreß präludirt, bei dessen Eröffnung besonder« die deutschen Delegirten auf das Lebhafteste nnd Herzlichste von der Be völkerung begrüßt und vielfach ausgezeichnet wurden, und bei der eS zu einer bedeutungsvollen Kundgebung kam. indem, wie an anderer Stelle gemeldet wird, der Führer der Berliner- Turner Hoppe, den der Vorsitzende des Congreßausschnsses, Senator Todaro, zum feierlichen EröffnungSacte an seine Seite gerufen hatte, an daS Banner des römischen Turn Vereins ein Band in den italienischen und deutschen Farben knüpfte und mit einer Schleife in den österreichischen Farben verschlang. Der jubelnde Beifall, mit welchem diese symbolische Handlung von der Menge ausgenommen wurde, zeigte, daß die Idee des Dreibundes an Popularität in Italien noch nicht das Geringste eingebüßt hat. Im Vatican wird man von dieser „politischen Demonstration" natürlich im höchsten Grade peinlich berührt sein, denn man ersieht a»S ihr von Neuem, daß, so lange die Fahncnbänder der drei Länder ver schlungen bleiben, der nationale Bestand des Königreichs Italien gegen alle vatikanischen UnterwühlnngSversuche gesichert und an eine Rückgabe der heiligen Stadt au ibrcn „rechtmäßigen" Besitzer nicht zu denken ist. Sehr ernstlich entrüstet man sich in klerikalen Kreisen auch darüber, daß angeblich die auswärtigen Vertretungen beim Quirinal beschlossen hätten, an dem für Italien so wichtigen Tage die Flaggen zu bissen. Diese Entrüstung entbehrt jedoch aus zwei Gründen jeder Berechtigung. Wenn nämlich Erzbischöfe und Bischöfe in Deutschland, Oesterreich und Frankreich oder sonstwo, sich für befugt, ja für verpflichtet erachten, gegen Italien und sein Einigungswerk zu demonslrircn und dadurch bei den Italienern Anstoß zu erregen, so brauchten die mit Italien befreundeten Mächte wahrlich nickt Bedenken zu tragen, ihren Sympathien für König, Negierung und Volk durch Beflaggung der Botschasts- oder Gcsandschafls Hotels Ausdruck zu geben. Aber die Klerikalen regen sich sckon deßhalb ohne Grund auf, weil, wie von bestunterrichteter Seite verlautet, ein solcher einmüthiger Beschluß des diplomatischen Fenilleton. Schwere Kämpfe. Roman aus dem aratzen Kriege. 18s Von Carl Tanera. Nachdruck verboten. lFortsetzuna.) In diesem Augenblick ging Wihelberger vorbei. Horn'S Compagniechef, und damit auch seiner, sah ihn und rief: „Witzelberger, kommen Sie einmal hierher." Im eiligsten Lauf rannte der Bursche herbei, stellte sich stramm vor dem Officier auf und rief: „Was befehlen der Herr Hauptmann?" „Betrachten Sie einmal Ihren Herrn. Sehen Sie ihm nichts an?" Der Bursche machte ein etwas verlegenes Gesicht, weil Horn nicht- sprach, sondern ihm nur zutächelte. Er bemerkte: ,,I' kann nix sehg'n, Herr Hauptmann." „Ihr Herr ist Oberlieutenant geworden." Nun brach eS loS. „WaS, wir san Oberleutnant wor'n. If deeS a Freidl Inh, jub" und im Nu schlug er ein Rad, patschte in die Hände, schrie noch einmal: „juh", trat dann auf Horn zu und sprach in ziemlich dienstlichem Ton: ,,I' gratulir halt recht schön, Herr Oberleutnant." Alle Osficiere lachten Uber daS komische Gebühren deS Burschen so laut loS, daß Horn den Tadel ob des un» vorgeschriebenen Radschlagen« vergaß, ihm die Hand gab und ihm herzlich dankte. Witzelberger blieb aber noch stehen und machte ein Gesicht, al« ob er noch etwas sagen wollte. Horn merkte eS und fragte, während die anderen Osficiere erwartungs voll den Jäger ansahen, WaS er noch wolle. Dieser bemerkte fragend: .Herr Oberleutnant, wo krieg'» wir denn die Zwoat'n Litz'n her für die neie GradauSzeichnung?" (In Bayern trugen damals ein Unterlieutenant eine, ein Ober lieutenant zwei und ein Hauptmann drei goldene oder silberne Litzen am Kragen als GradauSzeichnung. Der Verfasser.) Ehe Horn antworten konnte, rief ein anderer Oberlieutenant: „Bravo! Der Witzelberaer hat recht. DaS ist jetzt da» Wichtigste. Ich kann aber aushelfen. Ich habe ein Paar Reservelitze» bei mir. Die kann ich gleich abgeben." „Ausgezeichnet", bemerkte der Compagniechcf Horn'S. „Ich (affe sofort meinen Compagnieschneider kommen, und dann wird Horn jetzt gleich hier vor unseren Augen in den neuen Oberlieutenant verwandelt." Wie ausgemacht, geschah eS. Oberlieutenant von Rhein aus brachte seine Reservelitzen, Witzelberger holte im Galopp den Schneider, Horn mußte den Waffenrock auszieben und während der Neubeförderte in Hemdärmeln allen ihm zu trinkenden Kameraden Bescheid geben mußte, wurden die alten Litzen des UnterlieutenantS abgetrennl und die neuen OberlieuteuantSlitzen aufgenäht. Kaum hatte Horn den Nock wieder angezogen, so brachte der älteste anwesende Hauptmann ein Hoch auf den Beförderten auS, in das alle Osficiere und auch Witzelberger und der Compagnieschneider, welche beide von jungen Officieren gefüllte Becher erhielten, lebhaft ein stimmten. Nach einiger, mit lustigem Kneipen verbrachten Zeit theilte eine Ordonnanz des Adjutanten den Herren mit, daß nunmehr der Oberstlieutenant von der Versammlung beim Brigadestab zurückaekehrt sei und die Osficiere zu sprechen wünsche. Horn eilte auf seinen Platz und zog sich schnell dienstgemäß an, um sich als Neubeförderter bei seinem BataillonScommandeur zu melden. Dieser ein äußerst wohlwollender Mann und großer Menschenkenner wußte Wohl, daß im Innern des lungcn Ofsiciers seit dessen Commandirung nach München ein großes Leid vorherrschend sein mußte, um auS dem bisher so lebenS- lustigen Lieutenant in so kurzer Zeit einen ernsten, ja düsteren Menschen zu machen. Er gratulirte ihm herzlichst und fügte bei, daß die Freude, die jeder tüchtige Mann über einen wohlverdienten so großen Erfolg, wie eS eine solche Bevor zugung im Avancement sei, hegen müsse, auch ihm die alte Heiterkeit wiedergeben werde, die er, der Commandeur, zu seinem Bedauern seit letzterer Zeit a» ihm vermisse. Einige warme Worte der Anerkennung erhöhten den Glückwunsch des biederen Oberstlieutenants. Horn freute sich aufrichtig darüber. Nun wurden eine Menge dienstlicher Angelegenyeiten besprochen. Dann saßen die Osficiere, jetzt auch der allgemein sehr beliebte Comman deur unter ihnen, noch bei ewigen Gläsern Wein um ein Biwakfeuer herum, und wiederholt wurde dem neuen Ober lieutenant von verschiedenen Seiten zugetrunken, und er mußte Bescheid geben. Ziemlich spät trennte man sich und legte sich auf sein Strohlager. Heute schlief Horn zum ersten Male ein, ohne düsteren Gedanken vorher nachzuhängen. DaS bewirkten theils die Freude über die unerwartete Be förderung, theilS aber auch der vorzügliche Pfälzer Wein. 6. DaS I. bayerische Armeecorps blieb bis zum 4. August früh morgen« im Lager von Germer-Heim liegen. Jetzt war cs vollzählig und wandte sich südwestlich, um sich in directe Ver bindung mit den beiden preußischen Corps zu setzen. Mit diesen dem II. bayerischen CorpS, den Württemberg«», Badenern und der 4. preußischen Cavallerie-Division gehörte es zur III. deutschen, dem Kronprinzen von Preußen unterstellten Armee. Leider hörte am 4. August Vormittags daS gute Wetter auf, und es begann jene 11 tägige Negenperiode, während welcher es jeden Tag mindestens einmal meist aber wiederholt und mehrere Tage unausgesetzt herunter goß, was nur möglich war. Der Himmel umwölkte schon ziemlich, als das 1. Jäger-Bataillon, an der Spitze der Brigade marschirend, den Höhenrücken bei Langenkandel erreichte und über die Nheinebenr hinweg gegen Äergzabern und Weißcnburg blicken konnte. Wie ganz anders sab der heutige Marsch gegen die bisherigen auS! Auf allen Straßen und Feldwegen wälzten sich lange dunkle Linien gleich unheimlichen endlosen Schlangen vor. Hier und da, wenn ein Sonnenstrahl zwischen dem Gewölk hindurchbrach und eine der Colonnen traf, dann glitzerte und blitzte es, als ob diese Schlange ihre Schuppen sträubte. Das waren die blinkenden Bajonette und Gewehrläufe oder belle Kanonenrohre oder glänzende Säbelscheiden, welche den Strahl der glühenden Himmelskönigin zurückwarfen. Weiter hinten verkündeten himmelanstrebende Staubwolken, daß dort lange Traincolonnen folgten und für die Tausende und Aber tausende von Feuerschlünden Munition, für die Hundertausende von Menschen und Thieren Lebensmittel herbeischleppten. Der Compagnieschreiber Huber meinte, als er diese Un masse von Truppencolounen sah, hier rücke die ganze deutsche HeereSmachl an. Er wurde aber von dem Unterofsicier Haunrieser, der sckon den Feldzug von 1868 mitgemacht hatte, eine« Bessern belehrt. „DaS sind die Abtheilungen von höchsten« drei Armeecorps. Wa« vor uns marschirt, wcr'n die Preußen des XI. und V. CorpS sein. Hinter uns i»' unsre 2. Division, links von uns die Kürassterbrigade. WaS dort recht« marschirt kann i' nit unterscheiden. Ä' glaub', das ist preußische Cavallerie. Die I. und II. deutsche Armee sollen ja nördlich von uns über Kaiserslautern Vorgehen. Herr OberNeutenant, woaß ma' no nix Nähere« von unfern andern Armeen?" „Ich habe nichts gehört. Wahrscheinlich werden sie in der Richtung auf Bitsch vorstoßen, um den Anschluß an uns zu erreichen." Mil einem Male hörte man südwestlich ein donnerähnliches Geräusch. Der Jäger Niederer rief ärgerlich: „O mein, jetzt kommt a Gewitter aa noch." Alles lauschte. Der Donner wiederholte sich deutlicher. Da rief der Hauptmann Zimmer über die Compagnie hinweg: Jäger, das ist Kanonenfeuer. „Unsere Kameraden stehen dort vorn im Kampfe!" Ei, wie da jeder sich streckte, um etwas zu seben. ES war aber unmöglich» nur daS Geringste zu entdecken. Der Kanonen donner klang auch nur schwach und sehr entfernt. Sofort wurden die verschiedensten Muthmaßungen laut. „Es kann von Barbelroth oder Otterbach kommen. DaS wäre noch drei bis vier Stunden entfernt." „Nein, es ist weiter. Wir haben Südwestwind, und der treibt den Schall gerade auf uns zu. Vielleicht kämpfen sie bei Schaidt an der Grenze! Vielleicht sogar schon im Franzö sischen!" Der Marsch wurde von Minute zu Minute schneller. Auf die Jäger wirkte der immer mächtiger vernehmbare Geschützdonner wie ein gewaltiger Magnet. Die Osficiere riefen jeden vorbeireitenden Adjutanten oder Ordonanzoffieier an, ob er denn nicht Näheres wisse: aber keiner konnte Be scheid geben. DaS CorpS war eben Neservecorps »nd batte vorläufig keine andere Bestimmung, als in südwestlicher Rich tung vorzurücken. Unterdessen begann eS zu regnen, und dadurch wurde der Schall deS Kampsgetöses etwas gemildert. Es klang nur »och wie das Grollen eines abgezogenen schon ziemlich entfernten Gewitters. In den Leuten steckte aber der kolossale Eifer der mächtigen Erregung, die jeden Menschen ergreift, wenn er im Krieg den ersten Kanonenschuß vernimmt, wenn er der bevorstehenden Fenertanfe entgegen eilt. Alles beschleunigte den Schritt so sehr, daß die Hinteren Sektionen fortwährend laufen mußten. Keiner fühlte aber eine Svur von Er müdung, keiner klagte. Gut, daß der Regen die Luft abgeküblt batte. Sonst wäre bei diesem Hetzen wohl mancher dem Hitzschlag erlegen. Der Adjutant der Brigade sprengte jetzt dem Obcrst- lieutenant Schmidt entgegen. „Herr Oberstlieutenant, die Jäger sollen südwestlich von Langenkandel in Bereitschaftsstellung aufmarsckieren und warten. DaS 3. Regiment kommt neben Ihr Bataillon, da« 12. dahinter zu stehen."
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