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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.09.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950917018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895091701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895091701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-09
- Tag1895-09-17
- Monat1895-09
- Jahr1895
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Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzelchllib. Tabellarischer and Ziffrrnfatz nach höherem Tarif. Grtra.Beilagen (gesalzt), nur mit de, Morgen«Ausgabe, ohne Postbefördenma >l 6lX—, mit Postbeförderung Ännahmrschluß für Anzeigen: (nur Wochentag») Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei dea Filialen und Annahmestellen j« ein« halbe Stunde frührr- Liizetgen find stets an dir Er-edition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. M. Dienstag den 17. September 1895. 89. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. DaS 9. Stück des diesjährigen iücsctz- und Verordnungs blattes für das Königreich Sachsen ist bei uns cingegangen und wird biS zum 5. Oktober 189s aus dem Nathhausjaale zur Einsichtnahme öffentlich aushängen. Dasselbe enthält: Nr. 42. Verordnung, eine Abänderung der Verordnung über den Staatssorstdienst vom 9. Mai 1871 betreffend; vom 19. August 1895. Nr. 43. Bekanntmachung, die Heranziehung des Einkommens aus ärztlicher Praxis zu der in den Königreiche» Preußen und Sachsen bestehenden Staatsemkommen- steuer betreffend; vom 26. August 1895. Nr. 44. Bekanntmachung, die Vornahme einer ErgänzungS. wähl für die I. Kammer der Slündeverjammlung betreffend; vom 30. August 1895. Nr. 45. Verordnung, die Vornahme von Wahlen für die II. Kammer der Stündeverjammlung betressend; vom 30. August 1895. Leipzig, am 14. September 1895. Ter Rath Ser Stadt Leipzig. 1)r. Gevrgi. Krumbiegel. Bekanntmachung. Die Herstellung einer 30 om im Lichten weiten Thonrohrschlcuße in der verlängerten Elisabeth-Allee in Leipzig-Lindeiian soll an einen Unternehmer verdungen werden. Die Bedingungen für Liese Arbeiten liegen in unserer Tiefbau» Verwaltung. Rathhaus, 2. Obergeschoß, Zimmer Nr. 23, aus und können dort eingesehen oder gegen Entrichtung von 50 die auch in Briefmarken eingesendet werden können, entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Thonrohrschlcustc in der verlängerten Elisabeth-Allee in Leipzig-Lindcnan" versehen in dem oben bczeichnclcn Geschäftszimmer biS z»M 2 t. dS. MtS., 5 Uhr Nachmittags cinzureichen. Der Rath behält sich das Recht vor, sämmtliche Angebote abzulehnen. Leipzig, den 13. September 1895. Des Rathcs der Stadt Leipzig Io. 4899. —- Stratzenbandeputation. Qu. Bekanntmachung. Die Macadamisirnng und Kuszwrghcrstellnng in der verlängerten Elisabeth-Allee in Lcipzig-Lindenan soll an eine» Unternehmer verdungen werden. Die Bedingungen für diese Arbeiten liegen in unserer Tiesbau- Verwaltung, Rathhaus, 2. Obergeschoß, Zimmer dir. 23 aus und können dort eingesehen oder gegen Entrichtung von 50^, die auch in Briefmarken eingesendet werden können, entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Macaöamifiriiiig und Fnszivegyerstellung in der Eiisabcth- Ällcc in Lcipzig-Linoenan" versehen in dem obenbezeichneten Geschäftszimmer bis ZNM 21. VS. MtS. 5 Uhr Nachm, eüizureichen. Der Rath behält sich das Recht vor, sämmtliche Angebote ab- zulehnen. Leipzig, den 13. September 1895. Te» NatheS der Stadt Leipzig Io. 4299. Bekanntmachung. Die Asphallirung des Platzes an der Ostseite des Reichsgerichts ist vergeben worden. Die nicht berücksichtigten Bewerber werden aus ihren Angeboten hierdurch entlassen. Leipzig, Len 14. September 1895. Ter Rath der Stadt Leipzig. Io. 4368. vr. Georgi. Qu. Diebstahls-Bekanntmachung. Gestohlen wurden laut hier erstatteter Anzeige: 1) eine goldene Ta,«en-Nrinontoir-Uhr. inwendig gravirt: „2um ^ucleulrsn an cieiuen Lruäer Okarles, IVeiimaoktou 1882" (oder 1883), ein Kreuz von schwärzet» geschliffenen Stein mit Goldsassung auf der Vorderseite, einigen Perle» und schwarzer Stein- Oese mit schwache»» goldenen Kettchen, vermuthlich vom August dis December 1894; 2) ein Opernglas» schwarz, etwas abgenutzt, in schwarzem Leder-Etui mit lila Futter und Glanzleder-Rienien, Ende August; 3) ein Damrnniantcl. graumelirt, ohne Kragen, mit 2 Reihen grauen Steinnußknüpfen und ein grünes RiPSklciv mit geblümtem Taillen, und schwarzem Rockfuttcr, im Juli oder August; 4) ein dunkelblaues Mannsjackrt mit braune» Knöpfen und schwarzem Futter (an der linken Brustseite mit Vorrichtung zum Anbringen von Auszeichnungen), am 7. September; 5) ein langer Uebcr.zieher, blaugrau, mit hellgrauem Futter, braunen Perlmutterknöpfen und Riegel, am 9. September; 6) ein Mnsterkoffer von braunem Segeltuch, ca. 40 om lang und 30 cm hoch, mit Lebkuchcnproben, am 24. August; 7) 2V Stück neue braun- und blauwollene Herrenwelten in 4 verschiedenen Größen mit einer und bez. 2 Reihen Knöpfen, am 1. September; 8) ein Sommerübcrzichcr, hellgelb, mit gelbem Futter, einer Reihe Knöpfe und der Firma ,,8edmiät L I-'runkeubors-" unter dem Henkel, rin Herrenschirm mit Stahlslab und grauem Holzgriff, am 15. September; 9) ein Handwagen» 2rädrig, braungestrichcn, auf Federn, mit Lattenboden, gelbgestrichenen Rädern und mit dem etwas undeutlichen Firmenschild „Otto Lublmann" am 31. August; 10) rin kleiner 4rädriger Handwagen, mit Brettaufsatz, am 31. August; 11) ein Pncumatic-Rover, ziemlich neu (Fabrikat „tülaus L Vienne, Llüdlliausen"), mit der Nummer 10857 und der Firma ,L. kitlirlein, voiprip;" in Goldschrift, schmaler Lenkstange mit Korkgrifsen, om 13. September; 12) ein sogen. Sandwage»» groß, vierrädrig, ungestrichen (an der linken Seite fehlt eine Runge), ain 9. September. Etwaige Wahrnehmungen über den Verblieb der gestohlenen Gegenstände oder über den Thäter sind ungesäumt bei unserer Eriminal-Abtheilung zur Anzeige zu bringen. Leipzig, den 16. September 1895. Tas Polizetamt der Stadt Leipzig. - Bretschneider. Ml. Die städtische Sparkasse beleiht Werlhpapiere unter günstigen Bedingungen. Leipzig, Len 1. Februar 1895. Tic Sparcassen-Tevntation. Erledigt hat sich unsere Bekanntmachung vom 25. vorigen Monats, den Maurer Johann Friedrich August Höpner betressend. Leipzig, am 11. September 1895. Der Rath Ser Stadt Leipzig. Arincnamt, Abth. LI a. ä. k. IVa. 1392c. Ludwig.Wolf. Hr. Erledigt hat sich unsere Bekanntmachung vom 12. August d. I., den Hand« arbeiter Robert Paul Sleincrt aus Penig betreffend. Leipzig, den 13. September 1895. Ter Rath der Stadt Leipzig. 8to. 310,71. R. II, I, Nr. 3788. Armcnamt. Ludwig.Wolf. Kaniß. Die Abstthr der auf dem Cajernengrundstück. 106, in Möckern, an der Aeußeren Halleschen Straße lagernden Vovcilinasscn soll im Wege öffentlicher Ausschreibung verdungen werden. Der Termin wird Sonnabend, den 21. September, Vor mittags 10 llhr im Geschäftszimmer des Garmson-Baubeamten, Alexanderstratzc 10, I., abgehalten, woselbst die Verdingungs. unterlagen zur Einsicht ausliegen. Angebote mit der Aufschrift: Bobciiabfuhr IV. 106. sind versiegelt und postfrei bis zu obigem Zeitpunkt einzureichen. Königlicher blarnison-Banbcmntcr.^ Bekanntmachung. Die letzte Ausgabe der Synagvgenkarte» findet Dienstag, de» 17. September 1895, Nachmittags 3—4 Uhr, im Synagogengebäude, eine Trevpe hoch, statt. Wir bitten bei Empfangnahme der Karten die bisherige» Karten und die diesjährige» Gemcindrftenerquittungen mttznbringcn. Leipzig, l6. September 1895. Ter Vorstand der Israelitischen ReligionSgcmcinde zu Leipzig. Die konfessionellen Verhältnisse im veichsland. -L> Wenn man von dem fast durchweg katholischen Lothringen, das neben 449 000 Katholiken nur annähernd 53 000 Evan gelische bevölkern, absieht, so wird man überall im Reichsland den Eindruck gewinnen, daß der eigentliche Vertreter des reichsländischen Volkscharakters der Protestant ist. Ueberw'egea auch im Elsaß die Anhänger des KatholicismuS die des Protestantismus nicht unbeträchtlich (jene zählen 382 000 gleich 6l,50 Proc., diese 270 000 gleich 35,40 Proc.), so war die Intelligenz deS Landes doch immer mehr aus pro testantischer Seite als aus katholischer zu finden, und demzufolge hat das protestantische Element bis in die jüngste Vergangenheit hinein auch die Führung in wissen schaftlicher, cullureller und politischer Beziehung in der Hand gehabt. Darin zeigen sich heute noch die segensreichen Folge» der mächtigen Bewegung der Geister durch die Ideen der Resorinalion, die gerade das Elsaß mächtig ergriff und von Straßburg aus es zu einem fast protestantischen Lande machte, das cs heute noch wäre, wenn die Gegenreformation unter Ludwig XIV. nicht das Ihrige gethan hätte, um mittels Dragonaden und anderer Vergewaltigungen die Protestanten zu decimiren. Aber wenn man auch die Bekenner der Reformation zu Tausenden „zurückbekekrte", den Geist der Reformation, d. h. den Geist der Freiheit und des Fortschrittes, vermochte man nicht zu dämpfen, er weht auch heule noch im Elsaß. Die riesige, von Mülhausen ausgehende und sich in die tiefsten Vogesenthäler hineinziehende, ja bis in den äußersten Norden sich ausbreitende Industrie ist beinahe ausschließlich im Be sitze der Protestanten, die sie geschaffen haben und leiten, und die Vertreter der geistigen Cullur, die in Straßburg ihren Hauptsitz hat, sind der Mehrzahl nach Protestanten. Schon daraus erklärt es sich, daß der KatholicismuS und namentlich der Ullramontanismus im Elsaß sehr lange sich eine weitgehende Selbstbeschränkung aufgelegt und sich ziemlich ruhig verhalten hat. Aber nicht das allein ist der Grund dafür, daß seit den Zeiten der Revolution die beiden Consessionen friedlich nebeneinander gelebt haben, eS lag auch an der Stellung, welche das jetzige Reichsland bis 187 i im französischen Staatsganzen eingenommen hat. So war z. B. Straßburg, um nur auf dieses zu exemplificiren, so lange das Elsaß zu Frankreich gehörte, die Präfeclurstadt des Departements des Niederrheins, eines Landstriches, der unter den damaligen französischen Gebietstheilen den allergrößten Procentsatz von Evangelischen hatte. Diese Protestanten batten selbstverständlich infolge ihrer Bildung auch einfluß reiche Beziehungen zu Paris, und da die jeweiligen liberalen Regierungen in Frankreich sich gern aus die Protestanten stützten, so fühlte man auch die Rückwirkung dieses Vorganges in Straßburg selbst, wo die Protestanten fast in allen städtischen Fragen den Ausschlag gaben. Seit der Annexion aber, und darauf wird in einer erst dieser Tage bei Vomhoff in Slraßburg erschienenen Schrift: „Nach fünfundzwanzig Jahren", Reiseeindrücke aus dem Elsaß, nachdrücklicbst auf merksam gemacht, ist das Verhältniß der Eonsesstonen allmählich ein anderes geworden und zwar nicht zum Vor theil des Protestantismus. Der Verfasser, Fritz Hoffet, der sich als „Mitglied des englischen Unterhauses" einführt, aber ein in weitesten Kreisen bekannter protestantischer Altelsässer ist, führt in seiner an scharfen Beobachtungen und beachtenswerthen Vorschlägen in der noch immer nicht völlig gelösten Frage der Ver schmelzung der Altelsässer mit dem Deutschthum sehr reichen Broschüre etwa Folgendes aus: Seit 1871 sind die Beziehungen StraßburgS mit der Centralleitung der Republik abgeschnitten. Zwischen Berlin und Straßdurg ist ein geringer Gedankenaustausch. Zudem ist Slraßburg selbst Hauptstadt geworden und zwar Haupt stadt eines Gebietes, in welchem die Katholiken einen viel größeren Procentsay bilden, als in Lein bisherigen Departement. Die katholische Geistlichkeit der Stadt, die früher ein ver- hältnißmäßig zurückhaltendes, friedliches Benehmen zeigte, fühlt sich nun als die Vertreterin der ganzen reichsländischen Geistlichkeit und auS Opposition gegen die Anglieberung des Elsaß, namentlich aber Lothringens an daS protestantische Deutschland veranlaßt, der Allmacht der römischen Kirche wieder auf die Füße zu verhelfen. In der That, seit der Verbindung des Elsasses mit dem protestantischen Kaiserreiche ist der dortige Klerus mit einer Alles überbielcnden Kraft an der Arbeit, das bis dahin so gut wie ausgegebene Terrain zurückzuerobern. Katholische Vereine werden gebildet, auffälliger kirchlicher Pomp entfaltet, die Massen werden zur Betheiligung an den Wahlen aufgerufen, und eine rührige Presse läßt es sich angelegen sein, die con- fessionellen Unterschiede zu betonen, die Bevölkerung zu ver hetzen und die religiösen Unterschiede und Gegensätze schließ lich auch in rein materielle geschäftliche und gewerbliche Fragen hineinzutragen und dort Unheil zu stiften. Hoffet spricht die Regierung nicht völlig frei von der Schuld, daß die Dinge eine solche Entwickelung genommen haben, denn sie hätte bei der Uebernahme des Landes den mächtigen Einfluß, den der Protestantismus besaß, nickt genügend berücksichtigt und beim Regieren Centrumspolitik treiben zu müssen geglaubt; allein er kann andererseits zu ihrer Entschuldigung ansühren, daß die Protestanten sie vielfach nicht so unterstützt haben, wie sie es hätten tbun können und sollen. Nicht allein daß die protestantische Kirche im Elsaß in drei einander schroff gegenüberstehende Parteien zer spalten ist, doppelt gefährlich in einem Lande, wo eine pro testantische Minorität einer kampflustigen katholischen Majorität gegenübcrsteht, hat der reichsländische Protestantismus sich bisher gegenüber dem ungestümmen Drängen des Klerikalismus von einer Weitherzigkeit und Duldung gezeigt, wie sie sich nur aus der Kurzsichtigkeit der deati pEickontes erklärt, welche sich der sie bedrohenden Gefahr noch nicht bewußt ge worden sind. WaS den Antheil der Schuld betrifft, der auf das Conto der deutschen Regierung kommt, so wirft ihr Hoffet vor, daß sie nicht immer das richtige Taktgefühl bewährt hat. DaS noch im Reichsland geltende französische Kirchen recht kennt keine Landeskirchen im deutschen Sinne, sondern lediglich religiöse Corporationen, die nur in ganz indirecter Beziehung zu dem religionslosen Staate sieben. Die liberalen sranzösiscken Regierungen haben nun diesen Gedanken kon sequent durchgeführt und die religiösen Corporationen völlig gleichwerthig behandelt. Unter deutschem Regime wurde das anders. Die Regierung glaubte der katholischen Kirche, welcher die Mehrzahl der Bewohner der Reichslande angehört, besonders entgegenkommen zu müssen, und sie hat es in einer das Maß des Erforderlichen vielleicht über schreitenden Weise gethan. So hat der erste Statthalter Manteuffel, dessen Verdiensten der Verfasser im klebrigen sehr wohl gerecht wird, den Katholiken erlaubt, am Feste der un befleckten Empfängniß das Münster zu schmücken, und doch mußte er wissen, daß in einer paritätischen Gemeinde jede derartige öffentliche Kundgebung einer „religiösen Genossen schaft" als im Widerspruch mit dem Geist des Gesetzes empfunden werden würde. Und weshalb, fragt Hoffet, hat man gestattet, daß bei jeder großen Festlichkeit der katholischen Kirche am Münster die päpstlichen Fahnen prangten, weshalb ließ man bei der Weihe des Bischofs und seines Weihbischofs sogar die beiden Kirchenfürsten die Straße vom Münster bis zu ihrem Palaste im vollen Ornate durchschreiten und den Zuschauern den bischöflichen Segen spenden? Mag der Verfasser nun mit dem Vorwurf allzuweiten Entgegenkommens Recht haben oder nicht, jedenfalls ist cs Thatsache, Laß die frühere einflußreiche Stellung der Pro testanten heute bedeutend gelitten hat. Allerdings geht ja die oft gehörte Klage protestantischer Geistlicher, daß der Pro testantismus durch die Wiedervereinigung mit Deutschland zurückgegangen sei, in dieser Formulirung über das Ziel hinaus, denn die Zahl der Protestanten ist seit l871 in raschem Wachsen begriffen — etwa 100 000 Seelen ohne Hinzurechnung der Militairbevölkcrung —, und dann ist es doch unleugbar, daß der Protestantismus im Reichs land durch die allmähliche Annäherung seiner Vertreter und Verbände an diejenigen in Alldeutschland an Kraft zu genommen und mit jedem Tage mehr zunimmt, aber anderer seits kann man nicht übersehen, Latz der Protestantismus heute eben doch nicht mehr der alleinige Träger der Cultur im Reichslande ist. Zahlreiche Protestanten fühlen daS, sie schieben die Schuld daran allein der neuen Verwaltung zu, und daher haben wir, wenigstens ist das eine der Ursachen, neben dem klerikalen auch noch ein protestantisches Protestlerthum. Dies, meint Hoffet vielleicht nicht ohne allen Grund, hätte die deutsche Verwaltung nicht brauchen aufkommen zu lassen, und es wäre jedenfalls auch nicht gescheben, wenn sie bei dem protestantischen Protestlerthum die Mittel angewandt hätte, die sie bei dem bartnäckigen Rom verschwendet hat. Sie hat eine enge Verbindung zwischen den katholischen Kreisen Deutschlands und den elfässischen herzustellen gesucht: auf den Bischofsstuhl in Slraßburg wurde ein Altdeutscher berufen, der vermittelst seiner weitgehenden Machtbefugnisse den KatholicismuS von innen heraus verdeutschen sollte. Ob dies mit der Zeit zum Ziele führen wird? Möglich ist es ja, aber das Wahrscheinlichste ist, daß die „verdeutschte" Geistlichkeit Elsaß-Lothringens einst zu den fanatischen Centrums leuten im deutschen Reich gehören wird. Nicht die Angliederung der katholischen Bevölkerung Elsaß-Lothringens an die Centrumsleute Deutschlands kann, und darin stimmen wir mit Hoffet durchaus überein, ein Gewinn für das Reich sein, sondern einzig und allein die Ueberwindung des ultra montanen Geistes im Reichslande durch die Ueberlegenheit eines selbstbewußten, lebendigen, festen deutschen Protestan tismus. Deutsches Reich. * Leipzig, 16. September. Aus der Lausitz wird unS geschrieben: Die „Berl. N. N." berichten von einem im „Gonjec" veröffentlichten, für einen Lausitzer unglaublichen Aufrufe an die Polen und geben dessen Inhalt mit solcher Bestimmtheit wieder, daß man es ihnen glauben muß, sie haben den „Gonjec" gelesen. Der „Gonjec" soll „den Aufruf eines in Bautzen bestehenden Comit6S veröffent licht haben, an dessen Spitze der Propst vr. Karl Kalich von der St. Michaelkirche steht, nach welchem im Namen deS Vereins „Maöica Serbska" um freiwillige Beiträge sür die Errichtung eines eigenen wendischen Vereins- und Versamm- lungshauseS ersucht wird." Ohne nur irgendwie zu prüfen, wie eS damit steht, sehen die „Berl. N. N." in diesem Aus rufe einen erneuten Beweis für Beziehungen der Wenden zu den Polen, die „bekanntlich schon seit längerer Zeit Versuche gemacht haben sollen, unter den Wenden eine großpolnische Agitation zu entfalten", und daran knüpft das genannte Blatt die Forderung an, daß „gerade in diesem Jahre, wo auch von tschechischer Seite aus unter den Wenden eine leb hafte Propaganda für die großslawische Idee gemacht wird, mit allen gesetzlichen Mitteln verhindert werden sollte, daß in die sonst so königstreue wendische Bevölkerung durch slawische Agitatoren eine Beunruhigung getragen wird, die vom nationalen Standpunkte aus und im Interesse des inneren Friedens niemals geduldet werden kann." Da die ganze Weisheit, welche hier den Lesern aufgetischt worden ist, ein auf einem kleinen Sleinchcn Wahrheit aufgebauter Lügenban ist, so muß sie widerlegt werden, obwohl sie die Wenden nicht im Geringsten beunruhigen würde, wenn sie davon er führen. Vor mehreren Jahren hatte ein polnischer Rechts anwalt, der auf einer Reise durch die Lausitz Interesse für die Wenden gewonnen hatte, einen in Bautzen in den „Serbske Nowiny" gelesenen Aufruf der „Maöica Serbska" an die Wenden auf eigene Hand ins Polnische über setzt und im „Gonjec" mit der Aufforderung an die Polen veröffentlicht, mit für das wendische „Mutterhaus" in Bautzen zu sammeln, ohne daß in Bautzen Jemand etwas davon wußte. Damals knüpfte die „Schles. Ztg." an den Ausruf im „Gonjec" mit der gleichen Leichtgläubigkeit die gleiche Verdächtigung gegen die Wenden wie letzt die „Berl. N. N." Die „Schles. Zlg." hat damals auf die von wendischer Seite gegebene Erwiderung nichts antworten können, sondern hat sich jammervoll blamirt; daS gleiche Schicksal wird den „Berl. N. N." nicht erspart bleiben, denn auch der jetzige Aufruf im „Gonjec" — vorausgesetzt, daß die „Berl. N. N." nicht den Aufruf aufgewarml haben, der vor mehreren Jahren von der „Schles. Ztg." als will kommene Gelegenheit aufgegriffen wurde, eine Hetze gegen das ahnungslose Wendcnvolk lvsznlassen — auch der jetzige Aufruf im „Gonjec" geht nicht von Bautzen aus; das ist sür einen Wendenkenner ganz selbstverständlich, und eine be hördliche Untersuchung, wie sie damals von dem Herrn Kreishauptmann von Bautzen und von Herrn Pastor vr. Kalich voraenommen wurde, wäre überflüssig, sie würde zu demselben Ergebniß führeq. In Bautzen besteht kein Coniil6, das unter den deutschfeindlichen Tschechen oder unter den armen Polen milde Gaben für die gutsituirten und reichs deutsch gesinnten Wenden sammeln ginge. Wie wenig sich die „Berl. N. N." um die Wahrheit gekümmert haben und wie schlecht sie die Verbältnisse kennen, über die sie urtheilen, beweisen schon die Irrthümcr, Herrn Pastor vr. Kalich vom Oktober ab Superintendent in rer deutschen Stadl Oschatz als Propst und die evangelische Michaeliskirchc seiner jetzigenParochiealsSt. Michaeliscapelle zu bezeichnen. Die „Maüica Serbska", an deren Spitze Herr Pastor vr. Kalich kurze Zeit gestanden hat, bat sich die Aufgabe gestellt, durch Sammlung unter den Wenden die Errichtung eines wendischen Mutterhauses (Maöicny Dom) zu ermöglichen, welches die wendische Sammlung und die Bibliothek aufnehmen soll, welche jetzt fast obdachlos sind. Das Interesse für wendische Alterthümer ist unter den deutschen Gelehrten zum Mindesten ebenso groß wie unter den slawischen, denen wohl kein Be sonnener das Recht streitig machen wird, in Deutschland ihrer Wissenschaft nackzugehen. Es ist wahr, daß die Maöica einige Gulden aus Böhmen erhallen hat, wo hier und da ein Unbekannter, ob Panslawist oder nicht, den Beutel für die Wenden zieht, und es mag möglich sein, daß der pol nische Rechtsanwalt schon einige polnische Groschen nach Bautzen geschickt hat. Wer aber behaupten will, daß das wendische Volk, das solche Gaben dankbar annimmt, sich dnrck slawisches Geld erkaufen lasse, seine deutschnationale Ge sinnung aufzugeben, der muß zuvor die Wenden kennen lernen. Auch aus der Hand vieler Deutscher, welche die Wenden kennen und darum lieben, sind schon reichliche Gaben für das wendische Mutterhaus ge flossen, und diese Geber haben damit wahrlich nichts gegen die Pflicht ihrer Nationalität gethan. Die Wenden sind lönigs- lreu gesinnt, konservativ, ein frommes nnd biederes Volk, das erhaben ist über Anfeindungen, welche der unbegründete Haß Unkundiger gegen sie richtet. Für Freisinn und Social demokratie ist in der wendischen Lausitz nichts zu gewinnen. ES herrscht ein schöner Geist unter den wenigen Gebildeten, welche die geistigen Führer dieses kleinen Volkes sind, vor Allem auch in der Jugend, die sich für Literatur, Gesang und Tanz der Heimath begeistert, ohne eine Spur von Pan slawiSmuS, diesem Hirngespinste, das in fanatischen Slawenköpfen nistet, aber m keinem der slawischen Einzel- Völker HeimathSreckt hat, am wenigsten unter den Wenden. Hier ist von Feindschaft gegen die Deutschen keine Spur. „Der preußische Soldat ist der beste Soldat", so singe» die Mädchen im Spreewalde, und am 2. Oktober wird aus dem wendischen Gesangsfesle in Bautzen das Lied gesungen werden: „Regimenter und Schwadronen, ihr Männer des Sieges, Preußen und Sachsen, Friede segne König und Vaterland und Ruhmesglanz unseren Kaiser!" II OelSnit; t V., 16. September. Der gestern hier ab- gehaltene socialdemokratische Parteitag des 23. säch sischen Reichslagswahlkreises nahm u. A. auch Stellung zu dem Entwürfe eines Agrarprogramms und beschloß folgende Resolution: „In Erwägung, daß der Entwurf der Agrarcommission dem landwirthschaftlichen Proletariat, sowie dem Kleinbauernstand nichts bietet, dem Großgrundbesitz aber bedeutende Vortheile auf Kosten aller anderen Gesellschafts klassen bringen würde, wenn er zur Annahme gelangte, in fernerer Erwägung, daß die socialdemokratische Partei keine Veranlassung hat, den ökonomischen EntwickelungSproceß durch solche Maßregeln, wie sie hier vorgcschlagen werden, aus zuhalten, empfiehlt der in OelSnitz tagende Parteitag des 23. sächsischen RcichstagswahlkreiseS dem Parteitag in Breslau, diesen Entwurf ab zu lehnen." ^ Berlin, 16. September. Die „deutsche Rechts partei", die vor einigen Tagen in Frankfurt a. M. die Schicksalswürsel rollen ließ, hat beschlossen, „zur Ausbreitung ihrer Gedanken" eine Versammlung in einer bayerischen Stadt abzuhalten. Das ist «ine glückliche Idee, deren Ver wirklichung, wie zu hoffen siebt, der in Frankfurt leider noch
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