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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.09.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950919012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895091901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895091901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-09
- Tag1895-09-19
- Monat1895-09
- Jahr1895
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Vez«g-Prett W der Hauptexpedition oder de» tm Stadt bezirk und den Vororte» errichteten Au«, aabeslellen ab ge holt: vierteljährlich 4.50, bet twrimaliger täglicher Zustellung tn« hau- >l 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertrljübrlich » 8.—. Directc tägliche Kreu-bandleubnug ins Ausland: monatlich 7Ü10. Die Morgen-Au-gabr erscheint täglich mit Aus. rahme n«ch Sonu» und Festtagen '/,? Uhr, die Abenv-Au-gabe Wochentag« b Uhr. Ne-arlion und Lrpeditiou: Johanne«gafir 8. Dir Expedition ist Wochentag« »nnnterbroche» V-ssnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: Ott» «e»» « Lorttm. (Alfred Hatz,), Untversität-strabr 1, Lo»iS Lösche. -otharinenstr. 14, Port, und Nönlg-platz 7. Morgen-Ausgabe. WMcr TaMalt Anzeiger. Organ fnr Politik, Localgeschichte, Handels- und GtMstsmkchr. M«ze1gea«Pr»ls die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclalii.a unter demRedactionsstrich («ge spalten) b0/^, vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40^. Trägere Schriiien laut unserem Preis« verzecchliiß. Tabellarischer und Ziffern!-»- nach höherem Tarif. Extra-Veilagen (gefalzt), nur mit de, Morgen. Ausgabe, ohne Postbefördenuig 60.—, mit Postbeförderuog ?».->. Annahmeschluß für Anzeige«: (nur Wochentag«) Abend»A»Sgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morge »-Ausgabe: Nachmittag« 4 UhL Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher- Anzeige» find stet« an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 452. Donnerstag den 19. September 1895. 89. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Wie in den letzten drei Jahren, so soll auch tn diesem Jahre in allen Parochiallirchen der Evhorie Leipzig I eine Abendmahlsfeier mit den ernbernfenen Reeruten und ihre«« Angehörigen, an welcher jedoch auch die Gemeinde thcilnchmcn kann, in Verbindung mit dem Hauptgottesdienste oder dem Abend- gotte«dienste am Sonntag, den 22. dieses Monats. abgehalten werden. Das Nähere ist au- den amtlichen kirchlichen Nachrichten zu ersehen. Die im Stadtbezirke wohnenden jungen Männer evangelisch, lutherischen Bekenntnisses, die in diesen Togen zum Dienste der Waffen berufen werden, ihre Angehörigen wie die Gemeinde werden hiermit zu dieser Abendmahlsfeier herztichst geladen. Leipzig, am 10. September 1895. Der Superintendent. I. V.: 0. Hölscher. Bekanntmachung. Wir haben, um Unfällen vorzubeugen, die an dem Geländer des Pleihenmühlgrabens befindlichen Thüren mit Schlössern ver« sehen lassen und verschlossen. Die Schlüssel zu den Thüren sind an den Stellen, die auf den an jeder Thür befestigten Schildern angegeben sind, aufbewahrt und im Bedarfsfälle von dort zu entnehmen. Leipzig, den 14. September 1895. Ter Rath der Stadt Leipzig. Id. 4310. vr. Georgt. Ou. Bekanntmachung. In Gemäßheit der 88- 2 und 7 des Regulativs für Gasrohr- leitungen und Gasbeleuchtungsanlagen in Privatgrnndstücken vom 2. März 1863 machen wir hierdurch bekannt, daß der Schlosser- meister Herr F. G. Töpfer in Leipzig, Kurprinzstraße Nr. 3, zur Ucbernahme solcher Arbeiten bei uns sich angemeldet und den Besitz der hierzu erforderlichen Borrichtungen nachgewiesen hat. Leipzig, den 17. September 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. X. 5030. vr. Georgi. Wotsr. Bekanntmachung. Wegen Einlegung von Gleisen für die elektrische Straßenbahn wird die Straßenkreuzung der Goethe, und Grimmaischen Straße — um Augustusplatz — von allen an dieselbe anschließenden Straßen strecken her vom IS. dieses Monats ab auf die Dauer der Arbeiten für alle» Fährverkehr gesperrt. Leipzig, am 18. September 1895. Ter Rath der Stadt Leipzig. IX. 5063. vr. Georgi. Stahl. Bekanntmachung. Die Steinmetzarbeiten, Zimmerarbeiten, Schmiedearbeiten, Träger« lieserung und Eisenconstructio» zu dem Jnfanterie-Lasernement, den Proviant - Amts- und Garnisonverwaltnngs » Bauten der neuen Easernenanlagen in Möckern sollen in 8 Loosen tn Accord ver düngen werden. Die Kostenanschlagssormulare, Bedingungen und Zeichnungen für diese Arbeiten liegen in den Geschäftsräumen der Bauverwaltung auf dem Bauplatze in Möckern'scher Flur, Landsberger Chaussee, aus und können daselbst ringesehen, beziehentlich gegen Entrichtung der Gebühren von 2^li für jedes LooS der Steinmetz, und Zimmerarbeiten, 0,80 ... . » Schmiedearbeiten, und 1,50 ... » Trägerlieferung und Eisenconstruction entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt mit der Aufschrift „Steinmetz, bez. Zimmerarbeiten rc. für die ... . Easernenbauten", Loos 1—8 betr., versehen in der Nuntiatur beS RathhauseS (I. Obergeschoß), und zwar bis zum 2«. September er., Nachmittags 5 Uhr ein zureichen. Wir behalten uns das Recht vor, sämmtltche Angebote abzulehnen Leipzig, den 18. September 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. I» 4429. vr. Georgt. Lindner Ausschreibung. Am Erweiterungsbau des Armenhauses in Leipzig-Lonnewitz an der Bornaischen Straße soll die Ausführung, bezw. die Lieferung vergeben werden: a. der JsolirungS- uud HolzeementbedachungSarbetten, d. - »iegeldeckerarbetten, o. - der Mempnerardetten. ä. - -er BlitzablettuugSanlage, e. - der schmtedeetserucn Anker u. s. w. Die Bedingungen und Arbeitsverzeichnisse für diese Arbeiten ebenso die Pläne u. s. w. liegen bei unserer Hochbauverwaltung Rathbau-, 2. Obergeschoß, Zimmer Nr. 7 au» und töunea dort eingesehrn, auch die ersteren gegen Entrichtung von — ^l> 80 ^ zu » und o, 1 . — . » o, — - 50 - - ä und o, die auch in Briefmarken, unter Zuschlag de« Rückporto«, eingesandt werden können, entnommen werden. Di« Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: .Armenhaus L-Lonnewttz, Äs«lir»ng«arbetten re.", bezw. » - Ztegrlbecket arbeite«", - - Klempnerarbette»", - - Blitzabl«itu«g»anlage". - schmtedeetserne Anker n. s. w." an obengenannter Stelle portofrei btS zu« 20. d. M. g« 10 Uhr etnzureichen. Auswahl unter den Bewerbern und dt« Th«ilung der Arbeiten, sowie die Ablehnung aller Angebote wird Vorbehalten. Leipzig, am 17. September >895. Der Rath her Etaht Leipzig. Id. 4392 vr. Georgi. Etz versehen, Pormitta Die Erledigt hat sich unser« Bekanntmachung vom 20. October 1892, den Handel« mann Karl August Schilp au« Annaburg betreffend. Leipzig, den 14. September 1895. Der Rath her Stadt Leipzig. 5047. ArmrneAmt. ^ITIÜ». L.L.ll.I.Nr. Ludwig Wolf. Kantß Ausschreibung. Am Neubau der LehrerbtlSnngSanstalt für Knabeuhand- arbeit an der Scharnhorst-Stratzc hier soll die Aussübrung bez. die Lieserung vergeben werden: a. üer JsolirnnnSarbctten, b der chinicdceisernen Anker rc., e. der Blitzavlcitnngsantage, der Zicgeldcckcrarbcitkn, s. der Klempnerarbeilcn. Die Bedingungen und Arbeitsverzeichn iffe für diese Arbeiten, ebenso die Pläne u. s. w. liegen bei unserer Hochbau-- Verwaltung, Rathhaus, II. Obergeschoß, Zimmer Nr. 7, aus und können daselbst eingesehen, bez. auch die ersteren gegen Entrichtung der Gebühren im Betrage von 0,30 zu n., 0,50 zu d. und e-, I ^ z» ü. und s, die auch in Briefmarken, unter Zuschlag des Rückportos, eingesandt werden können, entnommen werden. Die Angebote sind versiegelt und mit der entsprechenden Aufschrift: „Lehrerbildungsanstalt — Jsolirnngsarbeitcn rc. versehen, an obengenannter Stelle portofrei bis z»m 2t». Sep tember dieses Jahres, Vormittags 10 Uhr einzureichen. Wir behaiten uns die Auswahl unter den Bewerbern, bez. die Theilung der Arbeiten und die Ablehnung säinmtlichcr Angebote vor. Leipzig, am 17. September 1895 Der Rath der Stadt Leipzig. In. 4403. vr. Georgi. Etz- Gefunden oder als herrenlos angemeldet resp. abgegeben wurden in der Zeit vom 1. bis 15. September 1895 folgende Gegenstände: Geldbeträge von 10 und » Mark, Portemonnaies mit 10 47 und 4 .<6 81 2 Portemonnaies mit Trau ringen, 2 goldene Tameniilircn mit silberner und bezw. mit schwarzer Jetkette, eine silberne Tamcillihr, eine dergl. mit Nickelgehäuse, ein goldener Klemmer, eine Brille, eine silberne Uhrkcttc mit einem 2-Tlialcrstück, einige Arm- reife, eine preuß. Verdienstmedaille» 2 Kricgsdenkmünzen, ein Combattanten-Festzeichen, eine goldene Brosche, eine silberne Brosche(Krönungsthaler), ein goldenes Medaillon, eine Corallen- nadel. eine 2reihigri5orallcnkcttc,2Pompadours und 2Ledcr. täschchen theils mit Geld und einem Ring, eine Anzahl Lcih- hansscheinc, verschiedene Schlüssel, eine Anzahl Schinne, einige Spazierstöcke, 2 verschiedene Damensckulterkragen, ein schwarzer Filzhut, 1 Kinderschuh, ein neuer Herren-Hausschuh, ein Paar Herrenstiefeletlen, neu ausgebessert, 1 Paar Damen lederschuhe, 2 getragene Mannsjackets, 1 Baumscheere, eine Messingwagenkapsel, 1 Packet Bindedraht, 1 Packet Hand werkszeuge für Zimmerleute, 3 Billardbälle, ein Colli mit einem großen Teppich, ein kleiner biaugestrichener -trädrtger und ein größerer 2rädriger Handwagen, letzterer mit Kastenaufsatz, ein eingefangencr Falke. Zur Ermittelung der Eigenthümer wird dies hierdurch bekannt gemacht. Gleichzeitig fordern wir auch Diejenigen, welche im Juli und August 1894 Fundgegenslände bei uns abgegeben haben, auf, die selben zurückzufordern, andernfalls darüber den Rechten gemäß verfügt werden wird. Leipzig, den 17. September 1895. Das Poltzci-Amt der Stadt Leipzig. Bretschneider. Ml. In Gemäßheit von 8- 17 der Leipziger Sparcassen-Ordnung, beziehentlich 8- 19 der Leipziger Leihhaus-Ordnung werden die als abhanden gekommen angezeigten n. Sparbücher Ser. II Skr. 87225 126935 140363 200385 237530, d. Quittungsscheine über die Sparbücher Ser. II Nr. 218623 227882, o. Pfandscheine Vit. I. Nr. 55983 58304 58749 58643 61469 61901 67307 89708 92727 vir. v. Nr. 4317 hiermit sür ungiltig erklärt. Leipzig, den l7. September 1895. Die Verwaltung des Leihhauses und der Sparkasse. Lchwememlirkt zu Biebertwolkwih Mittwoch, den 2. Lctober 18S5. Abgaben werden nicht erhoben. Der Gemein berat b. Dyck. Moderne Raubritter. 8. ?r. ES ist eigenthümlich, dah daS größte Handelsvolk der Erde, als daS wir ohne Zweifel doch die Engländer be zeichnen müssen, in seinem Handelsrecht noch auf einer vie niedrigeren Stufe steht, als andere Völker, deren Handel lange nicht die Ausdehnung besitzt, wie der englische. Die Natur des Handels aber bringt es mit sich, daß ein mangel haftes Handelsrecht in einem handeltreibenden Staate auch den übrigen Staaten zum Nachtheil gereicht. Es ist darum im Interesse aller handeltreibenden Völker darauf hinzu- arbeiten, daß in England Mißstände im Handelsleben beseitigt werden, welche nicht allein in England selbst, sondern in weit höherem Grade außerhalb der britischen Grenzen, insbesondere auch bei uns in Deutschland, Schädigungen im Handelsverkehr erzeugen. Die Basis eines geordneten Handelslebens ist ohne Zweifel darin zu erblicken, daß nach gesetzlichen Vorschriften die Firmen in ein Handelsregister eingetragen werden und überhaupt das Firmenwesen gesetzlich geregelt und von dazu bestimmten Organen controlirt wird. Ohne Vorschriften, wie wir sie in Artikel 12 bis 40 des Handelsgesetzbuchs besitzen und wie sie sich auch im französischen Eove de commerce vor sinken, läßt sich eine gedeihliche Entwickelung und Aufrecht erhaltung deS Handelslebens in unserer Zeit überhaupt nicht denken. In England aber giebt eS kein gesetzliches Firmenregister, in welches ein Kaufmann sich eintragen lassen müßte, und es giebt auch sonst keine Vorschriften über die Führung von Firmen, wie sie das deutsche Handelsrecht kennt. Man kann also in England eine Firma führen welche man will. Man kann die Firma über Nacht wechseln, wie man will. Man kann einen beliebigen Namen, den man zar nicht trägt, auf die Firma setzen, durch mehrere Namen n der Firma den Anschein erwecken, als seien mehrere Ge chästSinhaber vorhanden, kurz, es herrscht im Lande der un '«schränkten Handelsfreiheit auch eine Freiheit im Firmen- wesen, die einer vollständigen Anarchie gleichkommt. Noch schlimmer aber ist eS, daß im Lande des Manchester- thum« auch keine An- und Abm eldepflicht existirt ES kann also Jedermann von einem Ort zuin andern ziehen, ohne daß die Behörde Kenntniß davon hat, ja man kann in London selbst beliebig au« einer Straße nach der andern über siedeln, ohne daß die Stadtverwaltung eine Ahnung von dem Wohnungswechsel bat. Damit ist den Gaunern und Schwind- ern die handhabe geboten, wenn ihnen an einem Orte oder in einem Äadttheile der Boden zu heiß wird, auSzurückcu und an anderer Stelle daS Schwindelgeschäft schwunghaft vrtzusetzen. ohne daß sie der Arm der Gerechtigkeit er reichen kann. . Dazu kommt, daß es in England auch keinen Staats anwalt giebt, der Pflicht,,läßig aus eigenem Antriebe auf Kosten des Staates eingriffe und den Verbrechen und Ver gehen „achspiirte, sondern daß Jeder, der geschädigt wurde, ven Betrüger und Bankerotteur auf eigene Hand und mit außerordentlich großen Geldopfern verfolgen muß, um in den meisten Fällen obendrein nichts zu erzielen. Das hat die ge prellten Kaufieute kopfscheu gemacht; sie lassen den Gauner, der sie gerupft hat, einfach laufen. Ein betrügerischer Bankerotteur bat in England sein Dorado. Er macht einfach das Geschäft zu, zieht nach einer anderen Straße und macht es dort unter anderer Firma wieder auf. Nun mag ihn der Gläubiger in der Millionen- tadt suchen! Findet er ihn, so gehen die Geldopfcr los, um den Gauner vor den Richter zu bringen, und wenn gar nur ein einfacher Bankerott vorliegt, muß obendrein die Forderung erst ausgeklagt und dann auf Grund des erwirkten Urtheils ein umständliches Bankerott-Verfahren eingeleitet werten. Dies geschieht aber auch nur, wenn die Kosten vom Gläubiger vorher erlegt sind. Diese Kosten aber sind so hoch, daß die Meisten sie gar nicht erschwingen können und namentlich deutsche Geschäftsleute lieber von einer Verfolgung ihres Anspruches absehen, als diese Geldopfer noch an die zweifelhafte Ein treibung ihrer Forderung zu wagen. DaS Gerichtsverfahren selbst ist eben so schwerfällig, daß cs hohe Kosten Hervorrufen muß. Zunächst muß Jeder, auch der Ausländer, persönlich vor Gericht erscheinen und bei Unbekanntsckafl mit dem englischen Proceßrecht obendrein einen Nechtsbcistaud mitbringen. Dieser Solicitor geht aber nur mit, wenn er wenigstens zehn Pfund Vorschuß in der Tasche hat. Der Solicitor aber darf die Partei nicht einmal vor Gericht ver treten. Er instruirt wieder einen Anwalt, der bann die Vertheidigung vor dem Central Criminal Court, wenn es sich um eine Criminalsache handelt, führt, oder die Vertretung vor der Queens Bcnch Division, dem großen Civilgerichtshof, übernimmt. Dadurch entstehen doppelte Kosten, Kosten, die oft den Betrag der Forderung bei Weitem überschreiten, so daß es, ähnlich wie in Schweden, Rußland u. s. w., ein Unsinn wäre, sein Recht zu verfolgen. Diese schreienden Mißstände ziehen das Lumpenthum in der Kaufmannschaft in England groß und führen dazu, daß der deutsche Kaufmann, der nach England exportirt, in unzähligen Fällen, wo er sich zu einer Creditertheilung verleiten läßt, schmählich betrogen wird. Diese unhalt baren Zustände, die zu einem Protest seitens der euro päischen Handelsvölker herausfordern, haben in England das sogenannte Schlittenfahrerthum, die modernen Raub ritter, groß gezogen, über die seiner Zeit der Kaufmann und Schriftsteller Reuschel unter dem Namen „Rollo" Ent Hüllungen in der „Kölnischen Volkszeitung" brachte, die all gemeines berechtigtes Aufsehen hervorriefen und zu einem Processe in London führten, der das Treiben der „schwarzen Bande" mit einem Male zu ihrem und der gesammten Handelswelt Schrecken enthüllte. Man sah mit einem Male, was man nicht hatte glauben wollen, daß man in England sich einem Heere von Gaunern gegenüber befand, das mit den schärfsten Waffen bekämpft werden muß, wenn der Export nach England auf Credit nicht gänzlich ausgehoben werden soll. Rollo-Reuschel hat jene Artikel und verschiedene andere, sowie den Gang des Protestes jetzt auch in einem Buche veröffentlicht, das ein werthvolles Material zur Bekämpfung des internationalen, speciell aber des englischen kaufmännischen Hallunkenthums bildet und das Interesse des zanzen Handelsstandes verdient. Alle Schliche der „Schlitten- ahrer" werden hier bloßgelegt, die Principien, nach denen sie „arbeiten", offen und an der Hand authentischer Doku mente dargestellt und damit zugleich die Wege gezeigt, auf denen man vorwärts gehen muß, wenn man die Burgen der Raubritter drecken will. Nach London, sagt Reuschel, kommen täglich vom Continent die merkwürdigsten Leute, und namentlich liefert Deutschland eine große Zahl von Einwanderern. Von den jungen Deutschen, die hierher kommen und sich in den großen HandlungS-Comptoirs für die spätere Selbstständigkeit aus- bilden wollen, von den Handwerkern, namentlich Kürschnern, Drechslern, Schuhmachern, Schlossern und Bäckern, von den Künstlern, Lehrern rc. muß man absehen, wenn man die Persönlichkeiten sucht, die zu Recruten der Schlittenfahrer- Armee werden. Diese recrutiren sich vielmehr aus Commis, welche in ihrer Heimatb plötzlich „abgereist" sind, Buchhaltern, mit denen die Cassen ihrer Principale durchgingen, Bankerotteuren, welche daS Zuchthaus mit dem Aermel streiften, mit einem Worte aus Angehörigen derjenigen Classcn, welcher die Ehrlichkeit am meisten mangelt und die es als über ihre Kräfte gehend finden, ehrlich zu sein. In den WirthShäusern, deren „Governor" ein Deutscher ist, trifft der Fremde alle die catilinarischen Existenzen, welche leben, ohne zu arbeiten, und deren unterhaltende Geselligkeit fesselt. Ein „brauchbarer" Neuling entgeht den erfahreren Augen eines echten SchtittenfahrerS nicht. Letzterer weiß bald, ob und wozu der Mann ihm nützlich sein kann. Besitzt der Neuling ein ansprechendes Aeußere, weiß er Bescheid in ver Heimath, wo bei Firmen noch etwas zu holen ist, hat er schon drüben vertrauenerweckende „Sckiebungen" gemacht, so wird ein neues „Geschäft" begründet und der neue „Schlittenfahrer" ist fertig. Als Mitglied der „langen Firma" hat der Neuling unter seinem Namen für den alten Schlittenfahrer, der stiller Theilhaber der Firma ist, zu „arbeiten", d. h. durch falsche Vorspiegelungen, falsche Referenzen und alle denkbaren Schliche den gut- müthigen, unerfahrenen Fabrikanten des ConlinentS Maaren abzulocken und mit seinem stillen Compagnon zu theilen. Er gehört bald zu Denen, welche gegen Vergütung Wechsel acceptiren, giriren und fälschen, mittelst deren unsolide Firmen in Deutschland sich auf große Pleiten vorbereiten und mit denen die Agenten und Reisenden der Schlittenfahrer- Zunft die Opfer bezahlen. Ein Schlittenfahrrr kann Alle« gebrauchen und fast Alles unter tüchtiger Leitung erlangen, ebenso wie er Alles absetzen kann, hauptsächlich in London, wohin selbst die erschwindelten Maaren aus Birmingham, Manchester, ja Amsterdam und Brüssel zum Verkauf ge bracht werden. Sobald ein einträgliches Geschäft gemackt ist, wird die Firma gelöscht und eine andere auf ebenso schwindelhafter Grundlage errichtet. Dies ist das Geschäft der Maaren- und Wechselschwindler, welche der Schrecken der continentalen Fabrikanten sind. Aber die Geschäfte werden auch in England selbst gemacht. Sie sind dann kürzer und gefährlicher, aber immer einträglich. Es wird irgend ein offener Laden gemiethet oder ein Wirths- hauö, ein Hotel oder eine Fabrik gegründet oder übernommen, kurz, ein Geschäft, das möglichst großer Waarenposten bedarf. Oft geben die „-schärfer" (slwrpvrs), d. h. Leute, welche er schwindelte Waaren ankaufen, das Geld dazu her. Ein Neuling wird unter Obhut eines „gewiegten Kaufmanns" eingejetzt und er schiebt nun auf den in England üblichen MonatScredit hin an Waaren in das neue Geschäft hinein, was nur immer aufzutreiben ist, eine Manipulation, welche um so leichter auszuführen ist, als die Schlittenfahrer immer wissen, wo etwas zu holen ist, und stets ihre Provisions reis enden bei der betreffenden Firma einzuschmuggeln wissen. Zwei besondere Specialitäten in der edlen Schlitten fahrerei sind die „Professoren der Musik", welche mit dem Verkauf von Pianinos und anderen Instrumenten sich befassen, und die Importeure von deutschem Lager bier. Zu den „musikalischen Schlittensahrern" gehört inLondon unter Ändern ein „Professor Arnstein, 15 Cliflon Street, Flinsbury Square," der als „Geigenmarder" seinen Unter halt verdient, indem er sich werthvolle Violinen zur Probe zusenden läßt, diese aber weder zurückgiebt, noch den Kauf preis zahlt. Die „Professoren der Musik" laufen in London fast in Heerden herum und es ist sicher, daß davon ein Drittel zur Classe der musikalischen Schlittenfahrer zu zähle» ist. Der eine macht in Pianos, der andere in Zittern, der dritte in Drehorgeln, aber alle nehmen sie, was überhaupt von Instrumenten zu bekommen ist. Manchmal wissen die Schlittenfahrer allerdings selbst nicht, wohin mit der geschobenen Maare. So erzählt Reuschel, dessen Buch wir diese Schilderungen entnehmen, daß vor einem Jahre so viel deutscher. Leim in London gewesen sei, daß man die Welt hätte zusammenleimen können, wenn sie aus den Fugen gegangen wäre. Wieviel deutsche Fabrikanten waren da „auf den Leim gekrochen!" Schweizerkäse war eine Zeit lang zu 40 bis 30 pro Pfund nicht unter zubringen. Alljährlich zweimal halten die Schlittenfahrer ihre inter nationalen Congresse in London ab. Irgend ein feines Hotel ist der Platz ihrer geheimnißvollen Sitzung. Da sitzen denn die würdigen Inhaber aus Paris, Brüssel, Kopenhagen, Amsterdam, Antwerpen, Manchester, Liverpool, London, Brad ford rc. und berathen die nächste Campagne. Dann bezieht man aus Westfalen Schinken, aus Nürnberg Spielzeug, aus Aachen Tuche, aus Schlesien Leinwand und sogar „Grün berger". Reuschel führt allerdings Fälle an, wo selbst Alt meister der Schlittenfahrerzunft geprellt werden, oder, was gar nicht selten vorkommt, einander hinter das Licht führen. Was aber vor Allem den Schlittenfahrern in die Hände arbeitet, ist der Umstand, daß auch immer Auskunfts bureaus sich finden, welche mit den Schwindlern gemeinsame Sache macken. Die Enthüllungen Neuschel's über das Aus- kunflswesen in England sind ganz danach angcthan, das Miß trauen der Exporteure auf ven höchsten Grad zu steigern. In dem berühmtesten Muster der Schwindel-Auskunftsbureaus werden „die schwierigsten Sachen ohne Apparate" ausgefübrl. Das Bureau arbeitet zugleich unter einem anderen Namen was den Vortheil mit sich bringt, daß es in geeigneten Fällen über sich selbst günstige Auskünfte geben kann. Der Inhaber hat eS verstanden, sein AuSkunflsbureau in Deutschland derartig zu accrediren, daß hervorragende Aus kunflsstellen sich seiner wieder bei ihren Auskünften bedienten, bis endlich das Schwindelgebahren deS gewissenlosen Burschen an den Tag trat. Er machte mit den Schlittensahrern gemeinsame Sache. Die Letzteren beriefen sich bei ihren Fischzügen auf daS berühmte Auskunstsburcau, oder sie wandten sich an Firmen, von denen sie durch das Bureau wußten, daß sie ihre Auskünfte bei diesem einholten. Nun erging sich der Inhaber in Empfehlungen über die angefragte Firma, und wenn ja einmal eine zweite eingeholte Auskunft der seinigcn widersprach, so wußte er durch seine langathnngen Schreiben doch die auswärtige Firma zu beruhigen. Mit seiner Hilfe sind dem deutschen Handel alljährlich große Summen ab geschwindelt worben. Aber jeine Tvätigkeit war eine internationale und er ist auch an den großen Schlittcnfahrcr- Scandalen in Neapel betheiligt gewesen. Man muß einen Einblick in die ganze Geschäftspraxiö des Mannes haben, um begreifen zu können, wie ein derartiger Schwindler sich jahrelang in London halte» konnte. Er hat seine Bildung in Berlin genossen, wo er sich mit einer Chansonnette vom Reichshallen - Theater verheiratbete, die ihm in London bei seinem Vigilanten Geschäftsbetrieb wacker Beihilfe leistete. Er versah dreiundzwanzig kontinentale AuskunftSbureauS mit Auskünften, so daß in den meisten Fällen auch die von verschiedenen BureauS eingeholten Auskünfte übereinslimmten. Das gab ihm immer Wasser auf seine Mühle. In die erschwindelten Waaren theilte er sich mit den Schlittensahrern. Schrieb nun seine Kundin an ihn, daß der Abnehmer der Waare nicht zahle, oder daß ein eingesandter Wechsel mit Protest zurück gekommen sei, so trat der große Stratege immer einen geordneten Rückzug an und seine Kunden blieben ihm treu. Er ließ sich dann Vollmacht zur Beitreibung der Forderung geben und tbat nun, als ob er die Sache mit größtem Eifer betriebe. Die Berichte lauteten natürlich von diesem Zeit punkt ab immer ungünstiger, bis zuletzt die Hiobspost ab- aing, der Schuldner sei durch Andere ruinirt worden und nach Indien oder sonstwohin abgekämpft. Die Firma batte das Nachsehen, der Auskunftertheiler aber saß mit dem Schuldner in London beim Champagner. Der Proceß, den er gegen Reuschel angestrengt hat, wird hoffentlich dahin führen, daß in England reine Wirthschaft gemacht wird. Die englischen Fabrikanten, sagt Reuschel sehr richtig, sollten daraus hinwirkrv, daß von der englischen
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