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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.09.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950926024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895092602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895092602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-09
- Tag1895-09-26
- Monat1895-09
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Wir nehmen trotz der jüngsten Erfahrungen an, daß daS dabei ausgesprochene Verlangen, es sollten über die Handwerkerfragen nicht ausschließlich Innungsmitglieder und solche nur nach einer im Künstlerischen Sinne vollzogene Auslese gehört werden, nicht unerfüllt bleibt. Wie der Vorsitzende berechnete, war aus der letzten Berliner Handwerkerconferenz r/20 bis i/»g der deutschen Handwerker vertreten. Die Freunde der ZwangSinnung selbst müssen ein Interesse daran haben, daß Gelegenheit gegeben werde, die in der Kasseler Versammlung laut gewordene Behauptung, die große Mehrzahl der deutschen Handwerker und Gewerbe treibenden wolle von den Berlepsch'scken Vorschlägen und deren Verschärfungen nichts wissen, sorgfältiger zu prüfen, als dies in cmcm Conventikel von keineswegs unbefangenen Wortführern möglich ist. Einstweilen hat der Kasseler Verbandstag das gewerbliche Bildungswesen als den Cardinalpunct der Hand werkerfrage wieder in den Vordergrund geschoben. Wenn dabei festgcstellt wurde, daß zahlreiche Handwerksmeister, die die Hebung des Handwerks verlangten, sich weigerten, ihre Lehrlinge in die Fortbildungsschule zu schicken, so wurde damit nichts Neues berichtet, aber ein werthvolles Moment zur Beurtheilnng der reactionären Handwerkerbewegung recht zeitig in Erinnerung gebracht. Im klebrigen wird man in der Frage der gewerblichen Fortbildung mehr Anlaß zu Mahnungen an die preußische Negierung als zum Tadel der Handwerks meister im Allgemeinen finden. Preußen ist auf diesem Gebiete, auf dem eine Lebensfrage für eine große Erwerbsgruppe zu lösen ist, hinter den meisten deutschen Staaten und hinter Oesterreich weit zurückgeblieben. Was in neuester Zeit für das Fortbildungs- Wesen geschehen ist, verdient kaum anders als ein Tropfen ans einen heißen Stein genannt zu werden. Die Zahl der vorhandenen Fortbildungsschulen steht noch immer im schreien den Mißverhältnis; z» dem Bedürfnis; und selbst diesen Anstalten fehlt es vielfach an geeignete» Lehrkräften und den nötkigen Lehr mitteln. Inwieweit eine Besserung der Zustände im nächsten Etat vorgesehen ist, bleibt abzuwaeten. Vorläufig scheint der preußische Unterrichtsministcr nicht vor der Möglichkeit zurückzuschrcckcn, daß zu den vorhandenen Mängeln auch derjenige an einem geeigneten Schülermaterial für die gewerblichen Fortbildungsschulen binziitritt. Wie die „Päd. Ztg." meldet, ist in den Regierungs bezirken Königsberg nnd Gumbinnen die Aufnahme und Entlassung der Schulkinder so geregelt worden, daß die Schulpflicht in den Landschulen 7 bis 7^2 und in den Stadt schulen 7>/2 bis 8 Jahre dauert. Damit ist die Schulpflicht in jenen Landestheilcn für die Hälfte der ländlichen Jugend um ein Jahr und für die ankere Hälfte und einen Theil der städtischen Jugend gegen die bisherige Norm um ein halbes Jahr verkürzt. Bisher wurden, wenn überhaupt eine Befreiung statlsand, in der Regel nicht mehr als ein bis drei Monate von der mit zurückgelcgtcm l4. Lebensjahre endenden Schulpflicht erlassen. Wie angenommen wird, soll die Herabmindernng der Schulpflicht sür das ganze Gebiet der Monarchie eintreten. Nun ist auf der Kasseler Ver bandsversammlung als ein Mittel zur Hebung des Gewerbes gefordert worden: „Erhöhte Pflege des Zeichenunterrichts an den Volksschulen, auf denen die weitaus größte Mehrzahl der Handwerker ihre all gemeine Ausbildung beginnt und beendet." Wie aus dieser Fassung hcrvorgeht, handelt es sich nicht allein um den Zeichenunterricht, wenn dieser auch ausdrücklich bervor- gehoben wird, sondern um die einzige „Gelegenheit zur all gemeinen Ausbildung der größten Mehrzahl der Hand werker". Es wird auch nirgends bestritten, daß die bessere oder schwächere Erfassung des auf der Volksschule gebotenen sonstigen Unterrichtsstoffes von Einfluß auf die gewerbliche und insbesondere auch auf die für den Handwerker so nölhig gewordene kaufmännische Ausbildung ist. Ist das aber richtig, so ist der Augenblick für die Einschränkung des Volksschul unterrichts schleckt gewählt. Man wende nicht ein, daß die Kürzung der Schulzeit vorzugsweise aus die Verhältnisse des flachen Landes berechnet sei. Die Landbevölkerung stellt ein sehr großes Contingent zu den Gewerbetreibenden und die Landschule bietet aus Gründen, die kaum zu beseitigen sein werden, ohnehin weniger als die städtische, deren Leistungen durch die Verkürzung der Schulpflicht übrigens gleichfalls berabgemindert werden. Man sollte meinen, der preußische Handelsminister hätte gegründete Ursache, sich mit der ge planten oder gar schon angeordneten Neuerung zu befassen. In Bayern, wo der wirthschaftliche Gegensatz zwischen den Vaucrnbütidlcrn und dem Centrum, seltsamer Weise „Patrioten" genannt, die denkbar schroffsten Formen an genommen hat, haben die Bauernbündler jetzt einen Schritt unternommen, der als in hohem Maße bedenklich bezeichnet werden muß, da ein Fortschreiten auf dem betretenen Wege zum rückhaltlosen Kampf zwischen Stadt und Land in jeder Beziehung führt. Ein Beispiel, das hoffentlich vereinzelt bleiben wird, bietet ein Vorgang gegen die Stadt Straubing. Der bayerische Bauernbund bat nämlich im Landkreise Straubing einen landwirthschaftlichcu Consumverein mit beschränkter Haftpflicht gegründet, der darauf ausgeht, den Landwirthen den Bezug möglichst aller ihrer materiellen Bedürfnisse zu ermöglichen. Derselbe soll die Landwirthe mit Eisenwaaren und Materialwaaren, Colonialwaaren und Kleiderstoffen, Brennmaterial und Kunstdünger, kurz, mit Allem versehen. Die Führer des Bauernbundes sind zu dieser Gründung geschritten, weil gerade ein großer Theil der Bevölkerung der Stadt Straubing sich den Bestrebungen der Landwirthe direct feindlich gezeigt hat. Daher soll der Verein porläufig auch nur bis zum Jahre 1899 dauern, um aukgehoben zu werden, wenn dann bei den Landlagswahlen die Stadt wieder bauernfreundlich gewählt hat. So viel auch -unzweifelhaft Consnmvereine ftir sich haben, so muß doch auf das Schärfste das Verfahren verurtheilt werden, eine derartige Vereinigung zn gründen, nicht in erster Linie im Interesse der eigenen Mitglieder, als vielmehr zu dem Zwecke, die städtischen Kreise in empfindlicher Weise fühlen zu lassen, daß ohne die Kaufkraft der Landwirthe zahlreiche wirthschaftlich selbstständige Existenzen mit dem Ruine be droht sind. Diese Maßregel ist besonders insofern bedenklich, als sie gerade dem reellen Handel am schwersten sich fühlbar macht und nicht nur solche Kreise betrifft, welche den be rechtigten Wünschen der Landwirthschaft gegenüber völlig taub und abweisend sich verhalten, sondern auch diejenigen, welche billig und gerecht denken und von der Interessengemeinschaft aller productiven Stände überzeugt sind. Ein derartiges Borgeben kann nur dazu dienen, die bedauerliche Entfremdung, die zwischen den productiven Ständen zum Theil eingetreten ist und von gewisser Seite geflissentlich genährt und verschärft wird, noch zu erweitern. Es würde dadurch ein Kampf er öffnet, der schließlich Handel und Wandel zum Schaden der Allgemeinheit in empfindlichster Weise beeinträchtigte. Wir müssen uns siegen einen derartigen Boycott mit derselben Entschiedenheit erklären, wie gegen den Terrorismus der Socialdemokraten. Von manchen deutschen Blättern wird die Ueber- weisung eines Landstreifens von Seiten der chinesischen Regierung an die deutsche Vertretung in Tientsin so aufgefaßt, als wenn das in Frage kommende Territorium Seitens der chinesischen Regierung an die deutsche Regierung abgetreten sei und eine Art Äeguivalent für die Seitens anderer Nationen aus dem japanisch-chinesischen Friedens schluß gezogenen Vortheile darstellen soll. Eine solche Auf fassung entspricht in keiner Weise den thatsächlichen Verhält nissen. In den Verträgen, welche China bei Eröffnung der Vertragshäfen mit den betheiligten Nationen schloß, ist in jedem einzelnen Vertragshafen außerhalb der Chinesen- stadt den am Handel meist betheiligten Nationen je ein Ge- bietstheil eingeräumt worden, aus dem sich die Europäerstadt zusammensetzl. Solche Settlements erhielt seinerzeit Eng land, Frankreich und Amerika. Deutschland war beim Ver tragsschluß nur durch hanseatische Handelshäuser — Bremer und Hamburger — in den chinesischen Häfen vertreten und hat seinerzeit infolge dessen kein eigenes Territorium in den einzelnen Vertragshäfen sich überweisen lassen. Die deutschen Handelshäuser sind auch heute noch in den er wähnten englischen, französischen und amerikanischen Settlements verstreut. Eine Aenderung in diesen Verhältnissen würde in den meisten Vertragshäfen sich heute nur unter Schädigung der Interessen der deutschen Kaufhäuser durchführen lassen; auch bieten die Fragen der communalen Verwaltung der ein zelnen Settlements keinerlei Ursachen oder Handhaben zu Streitigkeiten. Die Deutschen in den chinesischen Vertrags- Häfen unterstehen selbstverstänvlich, einerlei in welchem Settlement sie wohnen, der deutschen ConsnlargericktS- barkeit. Eine Ausnahme von den angedeuteten Ver hältnissen macht augenblicklich nur die Hauptstadt Peking rücksichtlich deS Territoriums der deutschen Gesandtschaft. Tie Errichtung eines deutschen Stadttbeils mit eigener Verwaltung in Tientsin ist der örtlichen Ver hältnisse wegen durchführbar und erscheint im gegenwärtigen Augenblick sowohl wie für die Zukunft von Wichtigkeit. Tientsin ist die Hauptstadt des Vicekönigthums Petschili, der Sitz des Vicekönigs Li-Hung-Chang. Von Tientsin aus müssen und werden alle in China in Aussicht stehenden, Reformen ins Werk gesetzt werden. Da sich erwarten läA, daß Deutschland an diesen Reformen einen gewissen Antheil nehmen wird, sei es in Rücksicht auf die Ausbildung der chinesischen Truppen oder der chinesischen Marine, sei eg durch die Anlage gewerblicher Etablissements — staatlicher oder privater Natur — für Kriegs- oder Friedenszwecke, so steht ein Anwachsen der deutschen Colonie gerade in Tientsin in Aussicht. Die Sammlung der deutschen Elemente in einem besonderen Theile der Europäersladt unter deutscher Verwaltung erscheint daher angezeigt und vortheilhaft. Der Wiederzusammentritt der französischen Budget com Mission hat als Borläufer deS neu beginnen den parlamentarischen Lebens immer seine Bedeutung; iunter den gegenwärtigen Umständen aber erscheint die Thätigkeit des genannten Factors von besonders actuellem Interesse, da ihre Ausgabe darin besteht, die Anforderungen an das Budget in besseren Einklang mit der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes zu setzen, als dies zur Zeit der Fall ist, während anderer seits die Tendenzen der Tagespolitik eher darauf hinauögehen, den Steuerzahlern noch größere Opfer abzuverlangcn. Denn Frankreich hat ans internationalem und colonialem Gebiete eine Menge schwebender Engagements, vor deren Abwickelung, wie die Chauvinisten behaupten, gar kein Gedanke an Herab minderung der weitaus hauptsächlichsten Ausgabeposten, der jenigen für Heer und Flotte, sein kann. Als der jetzige Vor sitzende der Budgetcommission, Lockroy, im Mai d. I. sein Amt antrat, erklärte er, seit langer Zeit sei die Finanzlage Frankreichs keine so ernste gewesen, nnd seit vielen Jahren habe keine Budgetcommission eine so schwierige und verwickelte Aufgabe zu lösen gehabt als die gegenwärtige. Inzwischen haben sich die allgemeinen Verhältnisse aber nick: im Mindesten geändert, oder, wenn doch, nur in pejm. Während des ersten Halbjahrs 1895 hat der Staatsschatz 16 Millionen Francs weniger vereinnahmt, als budgetmäßig veranschlagt war, während im Vergleich mit den Ein nahmen im gleichen Zeiträume des Vorjahres die diesjäh rigen Minbereingänge sogar den Betrag von 53'/r Millionen erreichen. Und daS ist noch eine Kleinigkeit im Ver hältnisse zu den Nachtragsforderungen, !mit denen die Regierung gleich nach Eröffnung der Herbsttagung an die Kammern herantreten wird. Der erste Vorsitzende der Rechnungskammer, Boulanger, bezifferte schon vor etlichen Monaten den voraussichtlichen Fehlbetrag des laufenden Budget jahres auf ca. 300 Millionen, und heute würden sich die er fahrensten Kenner des Budgets glücklich schätzen, wenn das Deficit sich nicht noch um die Hälfte vergrößert. Dazu kommt, daß man noch nicht einmal annähernd den finanziellen Effect der Steuerreformen berechnen kann. Wenn der Senat die von der Deputirtenkammer genebmigte Getränkestcuerreform so wie sie ist, votirt, was er aber schwerlich thun wird, so bedeutet vas für den Staatsschatz einen Einnahmeausfall von 207 Millionen. Derselbe soll allerdings durch anderweitige Maßnahmen, insbesondere durch die Erhöhung der Branntwein steuer, wieder eingebrachl werden, aber alle Schätzungen beruhen auf ganz willkürlichen Boraussetznngeu, und es werden sich zweifel los eine Menge Mindererträgniffe Herausstellen, namentlich bei den Declarationen der Eigenbrenner. Alles in Allem wird in den Ausführungen budgetkundiger Parlamentarier die Finanz lage der Republik gegenwärtig nicht nur als „ernst", soneern als bedenklich charatlerisirl. Mit Ersparnissen im großen Stil, das geben alle reelle» Politiker zu, ist auf absehbare Zeit nichts zu machen, weil an den Stellen, wo allein große Ersparnisse erzielt werden könnten, weder nach dem Willen der betreffenden Ressortminister, noch der öffentlichen Meinung, gespart werden soll. Es bleiben also die Noth- behelfe. die kleinen Mittel, die Umrechnungen und Ver schleierungen, von denen ja auch bisher schon ei» ausgiebiger Gebrauch gemacht worden ist. Aber damit kommt man aus die Dauer auch nicht zum Ziel, um so weniger, alö die natürliche Vermehrung des Nationalreichthums neuerdings ein sichtlich langsameres Tempo angenommen hat und auch die Steuern so schleppend eingehen, daß dieser Umstand den Schluß aus eine vorhandene Müdigkeit der Steuerzahler gestattet. Die Herstellung des Gleichgewichts zwischen Ein nahmen und Ausgaben wird sich daher schon bald zu einer Carvinalfrage für die Republik gestalten. Die Nichtbetheiligung der auswärtigen Ver tretungen an der Feier des 20. Tc-tembcr in Rom hak nachträglich in einem Theile der italienischen Presse einen Sturm entfesselt, der sich, nachdem schon bei der Feier selbst beklagenswertbc Demonstrationen beim Vorüberziehen vor der österreichisch-ungarischen Botschaft vvrgekommen, vor nehmlich gegen Oesterreich-Ungarn kehrte. Dabei wird Oesterreich außer der Nichtbeflaggung seiner Botschaft vor Allem noch der Umstand zur Last gelegt, daß in Triest eine Feier deS 20. September untersagt worden ist. Es versteht sich von selbst, daß man es in Wien für sinnlos er klärt, gerade Oesterreich-Ungarn zur Zielscheibe von Angriffen zu machen, während doch auch die anderen fremden Ver tretungen mit Ausnahme der unmittelbar am Schauplatz des Festes gelegenen englischen Botschaft nicht geflaggt FrnrlleLsi». Schwere Kämpfe. Noma« ans dem grossen Kriege. 82s Vo» Carl Tanera. . Nachdruck verboten. (Fortsehnna.) „Huber, do schaug hin, dort kimmt a —!" „Achtung! Hochs G'webr! Vorwärts marsch! Dicht auf schließen!" Die vorne gaben ein gehöriges Tempo an, die Anderen folgten fast im Laufschritt nach. Nun rief der Hauptmann Zimmer über seine Compagnie hinweg: „Jäger, jetzt gilts! Macht mir und Euch Ehre! Ich verlasse mich auf Euch." Dann trabte er wieder an die Spitze. „Sakra, dees is' ja zum Narretwer'n. Die schieaß'n, un man sieahgt nit wohin, un' wir renne, nn' weit un' breit sicahgt un' hört man koan Franzos'»." Half ihm nichts, dem dicken Niederer; er mußte noch warten unv seine Ungeduld bezähmen. Mit einem Male — „Ah, ah! Dees is' ja großartig. So was hat man si' ja goar nit trama lasi'n." Es war auch großartig. Das weite Thal von Beaumont lag vor den Jägern. Da unten aber befand sich ein min destens vier Kilometer langes französisches Lager, und auf dieses wetterte» in unübersehbarer Linie die deutschen Ge schütze vom Höhenraud hinab. Dort wimmelte es wie in einem Ameisenhaufen, in den man mit einem Stock herum- stört, durcheinander. Plötzlich aber krachte es auch auf der jenseitigen Höhe, dann noch einmal, dann dutzendmal zugleich, und nun begann auch dort drüben ei» gewaltiges Artillerie- fencr; Granaten sausten herüber zur deutschen Ariillerie, Shrapnells platzte» in der Luft, gleich darauf stürzten zwei Jäger blutend zusammen, der Sturm begann. Die Schlacht brach los. „Laufschritt! vorwärts marsch!" Im Trab jagte das Bataillon durch das Dorf Sommauthe hindurch in den großen Wald, der den Abhang bedeckte. Kaum war man einige Hundert Meter gelaufen, so erschollen die Commandos: „Die ersten Züge der Kompagnien aus schwärmen, die dritten und vierten Züge als Unterstützungen folgen." Alles geschah im Laufschritt, Alles rannte vor. Kaum war auch Horn mit seinem, dem zweiten Zuge an-- geschwärmt, so sah mau eine Lichtung, und ehe man Weitere- unterscheiden konnte, vernahm man den Ruf des Oberst- tteutenants Schmidt: „Vorwärts, meine Jäger, vorwärts! Hurrah, hurrah!" Wie wenn seine Stimme den jenseitigen Wald lebendig gemacht bätte, so stand in einem Nu der ganze dortige Rand der Lichtung in Feuer, und krachend und sausend pfiffen die französischen Geschosse über die Jäger hinweg. Wie die aber antworteten! Nicht mit den Büchsen. Nein, kein Schuß fiel. Aber „hurrah" brüllten sie, wie die wahren Teufel, und darauf stürzten sie wie eine plötzlich losgebrochene Lawine im Schöllenenthal. Der Niederer schrie wie besessen: „Jetzt wiff'n wir's do', wo s' sann, hurrah, hurrah!" und der Huber und der Heeg nnd der Waldstätter und alle, alle schrien und rannten, wie sie noch nie in ihrem Leben geschrieen hatten und noch nie gerannt waren. Voraus sausten die Officiere, mit den Säbeln die Richtung bezeichnend, und so fiel das ganze Bataillon wie ein Hagelschlag plötzlich auf die ob solchen Ungestüms total überraschten Franzosen. Nun ging ein Hauen und Stechen los; nun krachten auch Jägerbüchsen. Dagegen schwiegen die französischen Chassepols immer mehr, denn Erschlagene können nicht mehr schießen, Gefangene dürfen es nicht, Fliehende haben dazu keine Lust, und kämpfende Gegner gab es bald nicht mehr. In unverhältnißmäßiger Zeit hatten die Jäger die ihnen gegenüber stehenden weit überlebenen Franzosen gänzlich geworfen und drangen nun hinter ihnen durch den Wald vor. Nunmehr mischten sich auch Infanterie abtheilungen, die auf Abschneidungswegen vorgekommen waren, in ihre Linien, und es begann ein wahres Wetttreiben zwischen den Jägern und Infanteristen auf die armen, immer mehr ge hetzten Franzosen. Rechts von Horn befehligte ein Infanterielieutenant, dessen Gesicht dem Oberlieutenant bekannt erschien, einen Zug. Er batte aber nicht Zeit, den Herrn genauer anzusehen. Der Sturm dauerte bis an den jenseitigen Waldrand. Dort mußte man halten, denn erstens ging den Leuten der Athem aus — sie mußten etwas Lust schöpfen — und zweitens er- öffnete eine französische Batterie von der jenseitigen Höhe ein wohlgezieltes Granatfeuer auf alle aus dem Wald vor brechenden Bayern. Diese schossen nun ordentlich hinüber und als die Leute etwas ausgeruht hatten und die Franzosen durch ein energische« Gewehrfeuer ziemlich erschüttert schienen, brach die ganze Bayernlinie abermal« vor. „Die Geschütze müssen wir haben! Hurrah, hurrah l" Neben Horn und seinen Jägern lief wieder der dem Obrrlieutrnant schon ausgefallene Infanterieofsicier. Man batte bereits die Hälfte der Entfernung zur feind lichen Artillerie zurückgelegt. 4 Geschütze derselben waren entkommen, 2 standen noch. Sie konnten nicht weiter, weil ihre Pferde erschossen neben den Protzen lagen. Das sahen die Bayern und abermals begann ein Wettlaufen zwischen den Jägern und Infanteristen. Da stieß Horn unseliger weise mit seinen Leuten auf einen vorher nicht bemerkten, sehr breiten und tiefen Drainirungsgraben. Man mußte hinunter springen und drüben hinaufklettern. Das hielt be deutend auf. Bei den Infanteristen hatte es kein Hinverniß gegeben. Dadurch gewannen diese einen Vorsprung von mehr als 60 Metern. Horn und seine Leute mükten sich ab, was sie konnten. Zu allem Unheil gerietben sie auf eine nasse Wiese. DaS hielt wieder auf. Sie konnten die Infanteristen nicht mehr einholen. Als sie endlich bei den von den Franzosen im Stich gelassenen Geschützen ankamen, standen die Infanteristen bereits dort, ihr Ossicier hatte soeben seine Visitenkarte auch in daS Zündloch ver zweiten Kanone gesteckt. Mit ziemlich höhnischer Miene wandte sich letzterer zu dem fast aihemloS ankommenden Oberlieutenant Horn und bemerkte: „Wenn ich auch sonst Ihnen nachstehen mußte, Herr Oberlieutenant, hier in der Schlacht bin ich Ihnen zuvorgekommen. Meine Visitenkarte steckt bereits in beiden Kanonen. Sie sind zu spät daran." Nun erkannte Horn mit einem Male den Ingenieur von Hast, der als Landwehrlieutenant vor ihm stand. Frei lich ärgerte sich Horn sehr. Er konnte aber nichts machen. Der Mann war in seinem Recht, und waS er gesagt, enthielt ja keine Beleidigung. Mit den Worten : „Ich ersuche Sie, ihre Leute ebenfalls das Feuer auf die abziehenden Franzosen richten zn lassen" schnitt er jede» etwaig außerdienstliche Gespräch ab und wandte sich zu seinen Jägern, indem er commandirte: „Auf jene zu rückmarschierende Colonne, Visir 500 Schritt! Schnellfeuer!" Lange konnte man nicht mehr schießen, denn der Feind verschwand bald aus dem Gesichtskreis. Nun trafen auch die übrigen Infanteristen und Jäger auf der Höhe bei den er beuteten Geschützen ein. Ein Befehl des Generals befahl zu kalten, da man an und für sich sehr weit vorgekommen war. Wie hier aus dem linken Flügel, so verstummte auch bald rechts daS Feuer. Die Franzosen des vollständig überraschten V., sowie deS VII. Corps der Armee Mac Mahon'S waren so schnell wie möglich in nördlicher und nordöstlicher Richtung entflohen, die Deutschen ve» IV. preußischen und I. bayerischen Eorp- hatten bei Beaumout einen glänzenden Sieg erfochten. Da derselbe überdies mit sehr wenig Opfern erkauft war, so herrschte am 30. August Abends in dem bis la Besace vorgeschobenen Biwak lautester Jubel und die glücklichste Stimmung. Besonders war dies bei den l. Jägern der Fall, weil man bald erfuhr, daß deren glänzender, so überaus schneidiger Angriff einen höchst gefährlichen Flankenstoß der französischen Division Conseil Dumcnil so lange zum Stocken gebracht hatte, bis diese Division durch das Eingreifen der ganzen 3. Brigade «('gewiesen wurde. Nur Horn konnte seinen Aerger über das Mißgeschick bei den beiden Kanonen unv über die höhnische Bemerkung des Herrn von Hast noch nicht überwinden. Daher war er vielleicht der einzige Unver wundete im ganzen Bataillon, der mißvergnügt noch bis spät in die Nacht im Biwak umberging und auch, als er sich auf sein freilich ziemlich schlechtes Lager legte, trotz der durchgcmachten Anstrengungen und des erlebten Sieges fast die ganze Nacht kein Auge zumachte. 10. Am frühesten Morgen nach dem Siege vom 30. August waren sämmtliche deutsche Truppen wieder bereit, um dem geschlagenen Gegner zu folgen. In dem waldigen und sehr bergmen Gelände konnte man aber die Cavallerie nur auf den Straßen verwenden. Neben denselben mußten Infanterie patrouillen aufklärcn. Auch daS 1. Iägerbataillon erbielt Befehl, verschiedene solche zu entsenden, als sich gegen 6 Uhr die 2. Division über Flaba, Rauconrt und Haraucourt gegen Remilly in Bewegung setzte. „Corpora! Waldstätter, Sie plänkeln mit zwei Jägern als linke Seitenpatrouille durch den Wald von Rauconrt und sehen, daß Sie über die Höhen von Maisoncelle, deren höchste Spitze wohl jene dort vorn sein wird, wieder an die Hauptstraße etwa zwischen Rauconrt und Haraucourt heraiikommen. Den Kirchturm des ersten Ortes sehen Sie hier über den Wald hervorragen. Haraucourt liegt etwa eine Wegstunde nördlich davon. Links von unS marschirrn Preußen. Vor uns ist die 1. Division. Der Wald ist schon abgesucht. Es könnten aber noch feindliche Nachzügler darin stecken. Für diesen Fall Meldung an mich. Ick niarschire beim Herrn Oberstlieutenant. Die Kompagnie bildet beute die Spitze des Bataillons. Haben Sie Alles verstanden?" „Jawohl, Herr Hauptmann!"*) ') Die vreutzisch« Form: „Za Beseht" wurde erst 1873 t, Bayern eingeführt.
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