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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.05.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-05-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-193005172
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19300517
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19300517
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10 X! 113, 17. Mai 1930. Kantate-Nummer Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. Meine Tätigkeit an der Deutschen Bücherei. Vortrag von Earolyn A. Walker, Uokeronee-I^ibrarian der dlerriam Uidrar>- in Framingham (Mass.j, Austanschbibliothckarin an der Deutschen Bücherei. Wenn ich mir die Freiheit nehme, Ihnen in einem kurzen Vor trage über die Gründe meines Hierseins zu berichten, sowie einige kurze Vergleiche zwischen meiner heimatlichen Bibliothek und der Deutschen Bücherei zu ziehen, so mag als eine Art Entschuldigung die Tatsache dienen, das; ich hier stehe, einem Wunsch meines Herrn Direktors folgend. Auch in dem Bewußtsein, daß cs für Sic vielleicht nicht ohne Interesse ist, den frischen Eindruck einer Fremden über Ihre, in der ganzen Welt bekannte Stadt und Ihre nicht weniger berühmte Deutsche Bücherei zu hören, spreche ich zu Ihnen. Ich hatte immer den Wunsch, das deutsche Volk, dessen Blut in meinen Adern fließt, von Angesicht zu Angesicht kennenzulernen. Da war eine gewisse Kenntnis des Deutschen eine Notwendigkeit und Sie können sich keinen Begriff machen, mit welchem heißen Bemühen ich mich mit den Schrecken der deutschen Sprache, über die mein be rühmter Landsmann, Mark Twain, in seinen »Iramps ^.droaä« so lustig plaudert, herumschlng. Sicherheitshalber verbrachte ich vor meinem Antritt hier einige Monate bei Freunden in Hamburg, denen ich es in erster Linie ver danke, wenn ich heute, mit Erwin Rosen zu reden, »ein schreckliches, aber verständliches Deutsch« spreche. Jeden Vormittag hörte ich an der Hamburger Universität Vorlesungen über die deutsche Dichtung, Volkswirtschaft und Erziehungswissenschaft, während ich die Nach mittage mit deutschem Sprachunterricht ausfüllte. Natürlich besuchte ich auch jene Bibliotheken, die mir von Interesse zu sein schienen, so die Staats- und Universitätsbibliothek, die Bibliothek des Hamburgi- scheu Weltwirlschastsarchivs, die Öffentliche Bücherhalle und die Kultnrwissenschastliche Bibliothek Marburg. Herr Professor vr. Wahl, Direktor der Staats- und Universitätsbibliothek, der ja, wie Ihnen allen bekannt ist, der erste Direktor der Deutschen Büche rei war, erzählte mir schon vieles über deren Geschichte, ihren Ball und ihre vorbildliche, moderne Einrichtung. Eine kleine, aber wun dervoll organisierte und mit ausreichenden Mitteln versehene Biblio thek lernte ich in der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Marburg kennen. Besonderen Eindruck machte mir hier der Sachkatalog, der, ähnlich wie in Amerika, auch Teile eines Buches verzeichnet, wenn der sachliche Inhalt des Buches durch den Titel nicht eindeutig festgc- legt ist. Wir nennen diese Art der Katalogisierung, bei der also unter Umständen sechs und mehr Karten im Sachkatalog eingeordnet werden, OataloZing«, d. h. auslösende Katalogisierung. Der Inhalt wird dabei in seine sachlichen Bestandteile ausgelöst. Am 31. August war die schöne Zeit in Hamburg beendet, und ich mußte nun zum ersten Mal ganz allein quer durch Deutschland reisen, um meinen Dienst in Leipzig anzutretcn. Endlich war der Tag gekommen, an dem ich die Deutsche Bücherei, von der ich schon so viel gehört hatte und die seit Monaten vor meinen Augen stand, vor mir sah. Mit einem gewissen iunercn Zagen sah ich meinem ersten Zusammentreffen mit dem Leiter der Deutschen Bücherei ent gegen, fürchtete ich doch, daß er auf Grund meiner kümmerlichen deutschen Kenntnisse mir raten würde, das nächste Schiff nach Boston zurück zu nehmen. Sie können sich daher meine angenehme Ent täuschung vorstellen, als ich in ihm einen freundlichen, gar nicht sehr- alten Herrn fand, der mich schnell beruhigte und der mich durch ein behagliches Kaffeestündchcn die erste Schüchternheit überwinden ließ. Am 2. September begann ich mit meiner neuen Arbeit, und wenn ich jetzt an den ersten Tag zurttckdenke, muß ich lächeln. Um 8 Uhr war ich zur Stelle, und mittags um 12 Uhr war ich schon ganz verwirrt. Zwischen 9 und 12 Uhr lernte ich die vielen Beamten der Deutschen Bücherei kennen. Von allen, die ich traf, wurde ich begrüßt und wurde etwas gefragt. Jeder sprach anders, jeder fragte etwas ande res. Anfangs versuchte ich zu antworten, als aber zu viele fragten, mußte ich meine Antworten notgedrungen kurz fassen, sonst hätte ich wohl nie alle kenncngclernt. Es dauerte aber nicht lange, und ich fühlte mich hier recht wohl, auch habe ich bald so ziemlich alle Be amten kcnnengclcrnt, und das ist bei einer Zahl von 170 keine Kleinigkeit. Einer der ersten Unterschiede, die ich in der Deutschen Bücherei bemerkte, war die Anordnung der Katalogkästen. Während hier die Anordnung unten anfängt und erst von links nach rechts geht, fängt unser System oben links an, erst nach unten gehend und dann rechts fortschreitend. Nachdem ich mich daran gewöhnt habe, finde ich die deutsche Einrichtung ebenso vorteilhaft wie unsere. Ferner fiel mir auf, daß ein Katalog, in dem die Titel der Bücher alphabetisch geordnet sind, fehlt. Es kommt oft vor, daß ein Buch be stellt wird, welches als Verfasser einen Herrn Schulze oder Schmidt hat, und wenn bei diesen Namen keine Vornamen angegeben sind, so ist es sehr schwer, Anfragen schnell zu erledigen. Wir haben für solche Fälle in unserem Titelkatalog ein gutes Hilfsmittel, das durch seine sorgfältige Ausarbeitung selbst dann Auskunft geben kann, wenn der Titel nicht genau bekannt ist. Der Verleger- und der Sachkatalog haben mich sehr interessiert. Letzteren zu gebrauchen war allerdings recht schwer für mich, da ich die deutsche Sprache doch noch nicht so gut beherrsche, wie ich es wünschte und wie es zum wirklichen Gebrauch des Sachkatalogs nötig wäre. Anders verhielt es sich mit dem biblio graphischen Handapparat, obgleich cs auch hier sehr schwer für mich war, mich zurechtzusindcn. Aber nachdem ich mir dieses System an Hand des übersichtlichen »Schneider« klar gemacht hatte, konnte ich die Bücher sehr bald, schnell und mit dem richtigen Verständnis ge brauchen. Ganz besonders überraschte es mich, so viele neue englische Bücher ins Deutsche übersetzt hier vorzufinden. Bücher, die erst kurz vor meiner Abfahrt von Amerika herausgekommen waren, fand ich hier bei meiner Ankunft in Leipzig fix und fertig übersetzt. Es scheint mir, daß der Deutsche weit mehr liest als der Amerikaner, und vor allem liest er auch in der Hauptsache wertvolle Bücher, was leider der Durchschnittsamerikaner nicht tut. Die Arbeit in der Ausleihe hier unterscheidet sich in manchen» von der in meiner Heimat. Der Hauptnnterschied ist wohl der, daß die Deutsche Bücherei eine wissenschaftliche Präsenzbibliothek ist, während die meine eine Volksbücherei ist und die Bücher nach Hause entleiht. Die Bücherausleihe in Amerika zerfällt in zwei Gruppen: die neuen Romane, genannt »one >veek boolrs«, »veil sie nur für acht Tage verliehen werden, und die übrigen Schrif ten, die der Benutzer vier Wochen behalten darf. Es können an den Benutzer 10 Bücher zugleich ausgeliehen werden, darunter aber unr ein Roman. Die Magazine sind für die Benutzer zum Aussuchen der Biicher geöffnet, die entnommenen Bände müssen dann am Schalter zum Stempeln vorgelegt werden. Dies ist eine verhältnismäßig neue Einrichtung, hat sich aber, wie ich aus Erfahrung sagen kann, sehr- gut bewährt. Unsere Befürchtungen, daß wir viele Bücher ver missen würden, haben sich nicht bewahrheitet. Durch diese Einrich tung, dein Pnblikum die Magazine offenzuhalten, ist cs notwendig, daß die Bestände sachlich sehr ausführlich gegliedert sind. Ich konnte es mir gar nicht vorstellen, daß es Bibliotheken gibt, die ihre Be stände nicht s y st e in a t i s ch anfstellen. Erst in der Deutschen Bü cherei und in der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden, die seit 1927 die mechanische Aufstellung eingefiihrt hat, habe ich gesehen, daß diese viel Raum spart. Für Bibliotheken, deren Magazine den Be nutzern geöffnet sind, ist aber die systematische Ausstellung die einzig mögliche. Daß die Bestände von den Benutzern nicht durcheinander gebracht werden, wird nur so erreicht, daß die vom Benutzer herausgenommenen Bücher nur vom Beamten selbst wieder einge stellt werden. Herr Direktor Uhlendahl hatte mir vorher gesagt, daß ich bei meiner Arbeit in der Ausleihe Fortschritte in der deutschen Sprache machen würde, und ich kann ihm nur znstimmcn. Wenn un erwartete Fragen an mich herantratcn, so mußte ich wohl oder übel deutsch antworten. Auf diese Weise habe ich viel dazugelernt, be sonders, da mich selbst die Benutzer korrigierten. Die Arbeit war sehr interessant, aber die lange Arbeitszeit war für mich viel zu an strengend. Sicher ist cs zu viel verlangt, von 2 Uhr nachmittags bis 10 Uhr abends an der Ausleihe durchgehend zu arbeiten. In einer amerikanischen Bibliothek würde diese Arbeitszeit nicht einmal einem Mann zugeteilt werden, während hier sogar aus Mangel an Arbeitskräften die jungen Praktikantinnen so lange ar beiten müssen. Als ich meine Tätigkeit im Vormerkungsdienst be gann, sagte mir der Leiter dieser Abteilung, daß ich hier einen Ein blick in fast alle Abteilungen der Deutschen Bücherei gewinnen würde. Und so war es auch. Meine Hauptaufgabe bestand jetzt darin, die gewünschten Bücher zu finden oder festzustellen, warum sie zur Zeit nicht verfügbar waren. Auf diese Weise kam ich im ganzen Hause herum und lernte Abteilungen kennen, in die ich sonst nicht ge kommen wäre. Den Leihverkehr der deutschen Bibliotheken halte ich für eine sehr gute Einrichtung. Der Benutzer erhält in Kürze für eine Gebühr von 10 Pfennigen das gewünschte Buch. In meiner Bibliothek mnß der Entleiher die Kosten des Portos selbst tragen. Besonders bemerkenswert dabei war es mir, daß man sich für 10 Pfennige im Auskunftsbüro der Deutschen Bibliotheken in Berlin die Auskunft holen kann, in welcher Bibliothek das gewünschte Buch vorhanden ist.
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