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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.10.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951018028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895101802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895101802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-10
- Tag1895-10-18
- Monat1895-10
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Das Blatt setzt voraus, daß diese Tbatsache die bürger liche Presse nicht überzeugen werde,,und schimpft im Voraus nicht unbeträchtlich auf solche Verstocktheit. Aber selbst verständlich ist jene Albernheit und diese Entrüstung nicht auf die Gegner berechnet, sondern auf die Gefolgschaft, die sich doch auch ihre Gedanken über die fick häufenden Schand- lhaten von der svcialdemokratischen Schule entwachsenen und zur anarchistischen Akademie übcrgegangenen Menschen mackt, und unter der gewiß Tausende waren, die einen und Len andern seine Beiträge zur socialdemokratischen Parteicasse noch leistenden „Genossen" kennen, von dem sie sich sagen: dessen Gehirn wird bei uns auch bald genug so weit verbrannt worden sein, um ihn zu Aehnlichem fähig zu machen. Und wie über das Sedansest, so haben auch über „Befreiungsthaten" wie die Eascrio's recht viele Parteigenossen eine andere Meinung, als Herr Bebel, der voriges Jahr in Stuttgart dem Mörder Earnol'ö eigentlich nur einen error in objecto verargt hat. Da soll vorgebenzt werden, und das wird wohl auch gelingen. Aber den nicht zum revolutionairen Socialismus Borgedrungencn werden die socialdemokratischen Führer weder durch kluge, noch durch dumme Erzählungen die Wahrheit verschleiern, daß in Mülhausen der Mordwaffe eines durch die Social demokratie zum brennenden Haß gegen die Glieder der bürger lichen Gesellschaft entflammten Menschen das Leben eines dieser Glieder zum Opfer gefallen ist. Und ebensowenig die andere Wahrheit, daß bei persönlicher Disposition der Individuen die socialdemoiraiische Lehre den aus Einzel- verbrechcn gerichteten Sinn naiurgemäß erweckt. Tie Socialdemokratie bezeichnet die Gesammtheit der nicht zu ihr Stehenden als reif für das Messer; kein Wunder, daß sich unter ihren Adepten Leute finden, die den Zcitpunct, wo die Partei als solche die Blutarbeit zu verrichten gedenkt, nicht abwarten mögen und unter anarchistischer Anleitung zur That schreiten; aber der socialphilosophische Gegensatz, der zwischen der socialdemokratischen und der anarchistischen Lehre za unbestritten vorhanden ist, besitzt solchen seelischen Processen gegenüber auchnicht daöGewicht eincrFlaumseder und istdesbalb auch völlig bedeutungslos bei der Antwort ans die Frage der Ver antwortlichkeit für Verbrechen, wie die Ermordung des Fabri kanten Schwartz. Das sieht auch die fr eis innige Presse ein, und da ihr die Wahrheit aus wahltaktischen Gründen un bequem ist, so fälscht sic entweder die zur Bcurtheilnng des Mülhausener Falles, theilweise sogar — in einem unbewachten Augenblick — von einem socialdemokratischen Blatte beigebrachten Thatsachen, oder sie vertauscht den Gegen stand der Erörterung, die sich an den Mord knüpft, indem sic sagt: Verbrechen wie dieses kann kein Gesetz gegen die revolutionairen Umtriebe verhindern, weder ein gemeines, noch ein Ausnahmegesetz. Auf der Tborheit, dies zu behaupten, hat sich aber auch Niemand betreffen lassen. Es handelt sich nicht um die Verhütung und Repression von Unthaten, die von den bestehenden Strafgesetzen getroffen werden, sondern einmal darum, daß die bürgerlichen Elemente die Social demokratie nickt in ihren Bemühungen unterstützen, die Mög lichkeit des Zusammenhanges der socialdemokratiscken Agitation mit anarchistischen Verbrechen zu bestreiten, sodann um das Anfsinden von Mitteln und Wegen, um eine Propaganda einzudämmen, die die ihr Verfallenen unausgesetzt mit Ge danken der Gewalt erfüllt, so daß Einzelne selbst über daS von der Socialdemokratie vorläufig gewollte „Maß der Energie" hinansgehen. Daß der augenblicklicken Lösung der gesetzgeberischen Aufgabe die innerpolitischcn Verhältnisse ent gegenstehen, ist eine von uns oft geäußerte Ueberzeugung, die, wie aus seinem Telegramm an den Statthalter von Elsaß- Lothringen hervorgeht, auch vom Kaiser gclheitt wird. Die „Nordd. Allg. Zeitung" spricht sich heute in gleichem Sinne aus, nur daß sie die Initiative der Regierung in einer Art nebensächlich behandelt, die für die veramwortlichen Leiter des Staates ebenso wenig schmeichelhaft, als für die Bevölkerung beruhigend ist. Wenn unter Initiative lediglich die Vor legung irgend eines Gesetzes gegen die Socialdemokratie ver standen wäre, so würden wir uns, manches Schiefe, was das Regierungsblatt über die Geschichte der letzten zwölf Monate vorbringt, mit Stillschweigen übergehend, in Anerkennung der Tbatsache bescheiden, daß der Reichs tag an dem Fehlschlagcn der im vorigen Jahre ein geleiteten „Action" mindestens ebenso stark betheiligt war, wie die Negierung. Aber daS Negicrungöorgan schiebt auch ausschließlich dem Volke die Ausgabe zu, einen Wandel herbeizuführen, der künftigen Unternehmungen — vernunftgemäß tonnen darunter nicht nur solche gegen die Socialdcmokralic, sondern überhaupt Leistungen positiver Art verstanden werden — das Gelingen sickert. Diese Ucberwälzung beruht auf einer Verkennung der Pflichten der Regierenden, die — cS ist ihnen das gerade oft genug gesagt worden — die Bedingungen eines strafferen Zusammenfassens der nationalen Kräfte schaffen müssen. Die Initiative in diesem Sinne dem Volke überantworten, würde einer Abdankung der Negierung glcich- kommen, denn „regieren" bedeutet „leiten", „lenken". Tie ultramoutanc „Köln. VolkSztg.", die sich ans Zwcck- mäßigkeitsgründen den Anschein giebt, an einen Zerfall der Socialdemokratie zu glauben, und die von einem energischen Vorgehen gegen die Umstürzler, so lauge dabeb nicht das Beste für die uliramontancu Macktgemsic aöfallk, nichts wissen will, schreibt: „Nicht allein Ausnahmegesetze schützen die Partei vor Spal tungen, anch Ausnahnicbeha» dlung wirkt als „eiserner Reifen". Darum ist cs eine große Thorheit, wenn gewisse Blätter sich immer jo sehr darüber ereifern, daß man die Soezaldemokratie als gleich berechtigte Partei behandele, statt sic überall in Acht und Bann zu tbun." Ei, warum bat denn das Ccntrum, wenn cs so gesonnen ist, nach dem 23. März nicht Herrn Singer zum ersten Vicepr äsidenten des Reichstages gemacht und statt seiner ein Mitglied der winzigen Vvllöpartei gekürt? Die numerisch in Betracht kommende Partei war, da die National- liberalen und die Eonservativen sich weigerten, Männer zu stellen» unstreitig die Socialdemokratie. Nickt einmal den geforderten Schriftsührerpoftcn hat ihr die Partei der für Gleichberechtigung schwärmenden „Köln. Volksztg." bewilligt. Das Alles aber kann binnen sechs Wochen gut gemacht werden. Wir wollen sehen, ob cs geschieht. Es würde vielleicht die ganz erwünschte Wirkung haben, dem deutschen Volke nicht nur über die Folgen seiner unseligen Lauheit gegenüber dem Ansturm der Umstürzler, sondern anch über die Berechtigung der Rcnommage des Centrumsapostcls vr. Lieber» das katholische Volk sei allein im Stande, die Welt vor den Gewalten des Umsturzes zu bewahren, die Augen gründlich zu öffnen. In Frankreich scheint der Plan der Schaffung einer Colonial arm er festere Gestalt anzunehmen. Die Fehler und üblen Erfahrungen, die man bei der Einleitung der Ex pedition gegen die Howas gemacht hat, tragen das ihrige dazu bei, die Frage brennend zu machen, und so ist kaum zu zweifeln, daß sich demnächst auch die Volksvertretung mil ihr zu befassen haben wird. Die öffentliche Meinung in Frankreich ist beun ruhigt durch die Art der Kriegführung, die bei den Feldzügen in Tunesien, Tonkin, Dahomcy und Madagaskar zur Anwen dung gekommen ist, und erklärt cs für gefährlich, die heimat lichen Armcecorps zu schwächen, um die überseeischen Colonien zu vcrthcidigcn. Man verlangt, daß die großen Opfer, die das Land zur Sicherung seiner militairischen Macht zu tragen hat, endlich im vollen Umfang ihrem wahren Zweck dienstbar gemacht werden: „der nationalen Ver theid ignng". Was man unter diesem Ausdruck in Frank- rcick versteht, ist bekannt genug. Schon während des Kriegs in Tonkin erhob sich von vielen Seiten die Klage, daß man in Hinterindien die nationale Kraft vergeude, statt unaus gesetzt auf das „Loch in den Vogesen" zu schauen. Dem Wunsche, der Wehrkraft des Mutterlandes durch die Colonial politik und ihre Folgen kein Titelchen entzogen zu sehen, ent stammt auch der Gedanke der Schaffung eines besonderen ColonialhcereS. Das ergiebt sich ohne Weiteres ausdemHaupt- pnnct des Cavaignac'scheu Vorschlags, der darin besteht, das jetzt in Algerien und Tunis liegende l9. Armeecorps mit einer Friedensstärke von nicht weniger als 70 000 Mann zu zerlegen und seine französischen Bestandtheile nach Frankreich übcrzusühren. Aus den in Afrika frei werdenden Truppen- theilen (8 Infanterie-Regimenter, 2 Cavallerie-Regimenter und 2 Artillerie-Regimenter) will Cavaignac ein neues Armeecorps bilden, das, ebenso wie das bereits bestehende Corps Oli, möglichst nahe an die Ostgrenze gerückt werden soll. Das ist des Pudels Kern und die Rechenkünste Cavaignac's, die sich den Anschein geben, vor Allem ans eine Ersparniß hinzuzielcn, können ihm kein anderes Gesicht verleihen. Die grundlegenden Artikel des Ca- vaignac'schen Entwurfs enthalten u. A. folgende Be stimmungen: „Die Aufgabe der Cvlonialarmce besteht darin: die innere und äußere Sicherheit der französischen Colonien und der unter Frankreichs Schntzherrschaft gestellten Länder mit Eiuscklnß Algeriens und Tunisiens zu verbürgen; die uölbigen Truppen für die überseeischen Expeditionen zu liefern, cintretenden Falls bei der D ertheidigung des Mutterlandes mitzuwirken." Diese letztere Bestim mung interessirt uns Deutsche bei dem ganzen Project am meisten. Ucber den am Kongo ausgebrochcnen Militairaufsta nd und seine Folgen veröffentlicht die Congvregierung in der „Etoile" hock interessante Aufschlüsse. Der Aufstand ist im Juli in Luluaburg ansgebrochen, und die meuterischen Batelela- Soldatcn waren, nachdem sie den wegen seiner unmenschlichen Härte verhaßten Capitain Pelzer ermordet hatten, mit Waffen und Munition nach dem Osten abgezogen. Der bereits gemeldete Tod der belgischen Ofsiciere Bollen und Shaw beweist, baß die Meuterer ihr Heimatbland Batelela erreicht haben und im Werke sind, die Eingeborenen, deren Sprache sie sprechen und auf welche sie Dank ihren Hinterladern großen Einfluß ausüben werden, zum Aufstande zu bewegen. Die Bestrafung der Schuldigen ist sicher, aber sie wird mörderische Kämpfe und neue Menschenleben kosten. Bollen und Shaw sind in Kabinda, nach dem eingeborenen Häuptling auch Lungu genannt, am Ufer des Sankurn getödtet worden. In Kabinda stand Shaw mit 50 regelmäßigen Soldaten; die Meuterer, welche in Len Magazinen von Luluaburg nur 150 Hinterlader gefunden halten, griffen Kabinda an, um sich auch dort der Gewehre zu bemächtigen. Inzwischen hatte Capitain Gillain aus Lusambo den Lieutenant Bollen mil 500 nur mit Percussions gewehren ausgerüsteten Schwarzen dem Shaw zur Hilfe gesendet, aber die trefflich bewaffneten Meuterer siegten, tödteten die beiden Ofsiciere, und ihr Tod war das Signal zur Zersprengung der Congotruppen. Die Meuterer sin auf Hand», das Herz Batelelas, marschirt. Der daselbst nn. mit einem schwachen Posten stehende Lieutenant Augustin Hai sich zweifellos nach Osten zurückziehen müssen. Es ist siche , daß der Congostaat der Meuterei Herr werden und t Meuterer exemplarisch bestrafen wird, denn schon ist ihnen Commandant Mickaux mit 400 regelmäßigen, den Batclcl: ganz fremden Soldaten auf den Fersen. Ueberdies treten den Meuterern bei ihrem weiteren Vormarsche große cong.- staatliche Truppenmassen entgegen, welche inNyangue Capitain Stevelineck, in Kassongo Capitain Doorene und in Kam bambaro Lieutenant Hambursin befehligen. In Lusambo bürgl der Commandant Gillain gegen jede Erhebung der Ein geborenen. Bei dem Ausbruche des Aufstandes stand die Maß: der Eingeborenen den Weißen treu zur Seite. Der Häup! ling der Zapozap rettete mit seinen Leuten dem schon ver Mundeten Lieutenant Cassart das Leben und schützte die Station Luluaburg und ihre Missionen. Die Anweisungen der Congvregierung sind am Congo nicht beachtet worden. Sie hatte die Verwendung von Soldaten in einem Bezirke, aus dem sie herstammcu, verboten, die Batelela durften nick: in Luluaburg stehen. Nach dem dortigen Ausbruche des Aufstandes haben die belgischen Ofsiciere sofort in berechtigter Vorsicht die noch treu gebliebenen Batelela entwaffnet und per Dampfer nach Leopoldville gesendet; aber diese Maßnahme hat die Verfolgung der Meuterer verzögert, und das räckl sich. — Capitain Dhanis ist mit einer Mission im Osten des Congostaatcs betraut. In Abefsynieil scheint ein Stillstand eingetreten zu sein. General Baratieri hat allerdings den Ras Mangascha rasch vor sich hcrgctricben und ganz Tigre in seine unmittel bare Gewalt gebracht, jetzt steht die italiensche Negierung aber vor der Entscheidung, ob man in den Kampf gegen den Ncgus Regest Mcnclit ciutrclen soll oder nicht. Wie er scheint, ist der Kaiser vou Aethiopien, wie er sich in den nach Europa gerichteten Schriftstücken nennt» sehr zum Frieden geneigt. Anch in Rom wird die Regierung wohl auf solche Verhandlungen eingehen; denn nach dem Aussprüche des Generals Baratieri selbst würde man die italienischen Truppen in Eriträa gerade verdoppeln müssen, uni in einem Kriege mit Menelik die strategischen Puncte, die man im Rücken läßt, hinreichend besetzen zu können. Italien würde sich wohl zu einem Friedensschlüsse bereit finden lassen, wenn Menelit auf gewisse Bedingungen eingeht. An erster Stelle verlangt man in Rom die Anerkennung der italienischen Oberhohcil über das abessynische Reick. E>ie war schon im 1889er Ver trage von Utschalli stipulirt, wonach Abesshnien mit den europäischen Mächten nur durch Italien verhandeln sollte. Menelik erkannte das aber von Anfang an nicht an. Ferner müßte das Land Tigre ganz an Italien abgetreten werden und der Negus sich zur Abrüstung entschließen. Die Frage ist nur, ob Menelik die Bestimmungen und Ver pslichtungen des neuen Vertrages besser als früher halten würde. AuS dem jetzigen Feldzuge des Generals Baratieri gegen Ras Mangascha geht noch in stärkerem Maße als im Frühjahr hervor, daß die Abeffynier nicht im Stande sind, den italienischen Truppen Stand zu halten. Wenn man bc denkt» daß die Abeffynier vor fast 20 Jahren die egyptische Armee unter dem Prinzen Hassan vollkommen vernichteten, den Prinzen selbst gefangen nahmen und daß Ras Alula mir seinen Banden fast ein Jahrzehnt lang den Schrecken der Egypter am Rothen Meere bildete, dem Niemand Widerstand zu leisten wagte, so hat sich die innere Kraft dieses Volkes wesentlich verändert. Dazu kommt FenNlet»«. Schwere Kämpfe. Roman aus dem grasten Kriege. 41s Von Carl Tanera. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Herr Oberleitnant! Verschaff'« S' mir a so a grvßi Portion Opium oder a anders Pülvcrl, daß es mi' umbringt. Dees schütt'n S' mir ins Wasser, un' gebn S' es mir z'trink'n." „Huber! Wo denken Sie hin? So schlimm steht es mit Ihnen noch nicht." „Ja, Herr Oberleitnant, so schlimm stebt's scho'. Sehgn S' nur die zwo« Stump'» an. Was soll i denn mit dene no af der Welt mach'n. I' bin ja z' goar nix mch' nutz. Und a Braut Hab' i' aa. Dere kann i' do' nit zuamuath'n, daß oan solch'n Krüppel heirath'. S' is' es Gscheidt'st, i' geh' weg vun der Welt." „Nem Huber. Das ist noch lang nicht nöthig. Sie können auch ohne Hände noch einen Beruf erfüllen. Sie werden Aufseber in einem königlichen Schloß oder in einem Museum werden, wo man einen ehrlichen, verlässigen Menschen braucht, auch wenn er keine Handarbeit mehr ver richten kann. Für Ihr Leben wird der Staat sorgen, und ich will mir alle Mühe geben, daß man Sie so gut ent schädigt, wie es nur möglich ist. Sie sollen keinen Mangel leiden. Und Ihre Braut! Die wird so ehreuwerth sein, daß sie Sie doch nimmt." „O mein, Herr Oberleitnant. Sell ii' all's nit gwiß. Sie woll'n mi' blos tröst'n. Na, na, für mi' is' es am best'n, i' fahr' ab. Wann S' mi a bisserl gern Hamm, nacher erfüll» S' mei' Bitt." „Nein Huber. Das kann ich nicht. Haben Sie denn noch gar nicht daran gedacht, welche Sünde Sie begehen wollten? Vergessen Sie, daß Sie vielleicht die ewige Seligkeit aufs Spiel setzen, wenn Sie sich selbst umS Leben bringen würden?" Diese Worte schienen dem Jäger mehr als alle anderen Trostgründe zuzusetzen. Ganz leise flüsterte er: „An deeS Hab »' freili' no' nit denkt." Horn erfaßte diese Stimmung de- armen Menschen sofort und sprach zu ihm so ganz in dem frommen Sinne, wie die Söhne der Hochalpcn, deren einer Huber auch war, erzogen sind. Nachdem er ihm die schwere Sünde deS Selbstmordes noch wiederholt vorgestellt, erzählte er ihm umgekehrt vou der Belohnung durch den gerechten Gott, von den Freuden, die einen frommen Dulder im Jenseits erwarteten rc. Durch solche Worte brachte er es wirklich dazu, daß der so schwer Verwundete sich faßte und zuletzt ihm versprach, in Geduld sein schweres Geschick zu ertragen. Horn theilte ihm noch mit, daß er einen leicht Verwundeten beauftragen werde, ganz zum Dienste Huber's bereit zu sein, streichelte ihm die Wange und wollte dann gehen. Huber rief ihm noch mit halb durch Thränen erstickter Stimme nach: „Herr Obcr- leitnant, Sie Hamm mir mehr zu g'sproch'n als wie a irdisches Wesen, 's woar mirj als ob i 'n Herrn Pfarrer un' mei' selige Muattern z'gleich g'hvrt hält'. Dees mög Ehane der lieab Herrgott vergelt'n. I' kanns ja do' nit." Tiefbewegt streichelte der Officier nochmals seinen Jäger, winkte ihm noch einen Gruß zu und verließ dann die Stube. Nun bat er den Arzt, ihm einen nur am linken Arm ver wundeten Jäger der 3. Compagnie herbcizurufeu und befahl diesem, immer bei Huber zu bleiben und für ihn wie für einen Bruder zu sorgen. „Wenn ich erfahre, daß Sie bei ihm ausgehalten haben, bis er in einem großen Lazareth in durchaus sicherer Ver sorgung ist, so soll es gewiß nicht Ihr Schade sein." „Der Herr Oberleitnant derf'n si' af mi' verlass ». I' Hab' ja den Huber sell' so gern. Es soll ehame nix sebl'n." „Ich vertraue Ihnen. Gute Besserung. Adieu, Brechtcln. Auf Wiedersehen." Jetzt setzte er sich wieder auf seinen von Witzelberger bereit gehaltenen Orleans und ritt seiner Brigade nack. „Donnerwetter. Das hat mich doch angegriffen. Hätt' auch nie gedacht, daß ich wie ein geistlicher Herr zureden müßte." Weiter konnte er sich aber mit der erlebten Scene nicht mehr beschäftigen. Der Dienst forderte von Neuem die volle Aufwendung aller Körper und Geisteskräfte deS OfficierS. Man marschirte ja svieder gegen den Feind, in die zweite Schlacht von Orleans. 20. Das Wetter hatte sich aufgeheitert. Ein freundlicher blauer Himmel wölbte sich über der weiten Schneelandschaft, und auck die Kälte ließ einigermaßen nach, wenngleich das Thermometer immer noch mehrere Grade unter Null zeigte. Horn ritt längs der Marschkolonne langsam vor, um sein Pferd zu schonen. Wer wußte, ob es nicht heute noch genug angestrengt werden würde! So kam er allmählich zum 2. Bataillon des 3. Regiments. Er beabsichtigte, sich nach dem Verhalten des Landwehrlieutenants von Hast bei dessen Hauptmann zu erkundigen und fragte nach ver 8. Compagnie. „Sie marschirt heute an der Spitze." „Danke vielmals." Er trabte vor und wollte den ihm gut bekannten Chef der Compagnie fragen. „Wo ist denn der Hauptmann Heigl?" Auf seinen Ruf drehte sich der vor der ersten Section reitende Officier um, und Horn erkannte zu seiner wenig angenehmen Ueberraschung wieder den Lieutenant von Hast. Dieser antwortete etwas malitiös: „Hauptmann Heigl ist gestern bei Chäteau Goury gefallen. Ich führe die Com pagnie. Wenn Sie gekommen sind, um sich wie ein Auf seher nach dem Betragen des gestern auf Vorposten gestandenen Zugführers zu erkundigen, so müssen Sie jetzt wohl oder übel mich selbst fragen." „Herr Lieutenant, ich komme nicht als ein Aufseher, wie Sie doch etwas stark geschmacklos meinten, sondern als älterer Officier, um zu erfahren, ob ein jüngerer Kamerad es wieder gut gemacht hat, daß er sogar vor dem Feind einige Zeit seine Pflicht vergaß. Ich bitte, daß Sie sich dies scharf in Erinnerung bringen." Herr von Hast errvtbcte aus Aerger über die abermals erhaltene Lehre und enlgegnete nichts mehr. Horn grüßte ihn ceremoniell, ritt stumm an ihm vorbei und erkundigte sich bei dem Bataillonscommandeur in unauffälliger Weise über den Landwebrlicutenant. Zu seiner aufrichtigen Freude erfuhr er nur Günstiges. Herr von Hast war während der ganzen Schlacht ein gutes Beispiel eines tapferen Soldaten gewesen. Nunmehr machte sich Horn keine Skrupel mehr, weil er den Lieutenant nicht zur Anzeige gebracht hatte. Er vermied es aber auch, noch einmal mit dem unsympathischen Menschen zusammen zu treffen, und ritt weiter zu seinem General. Die Schlacht vom 2. hatte im Stabe der 3. Brigade fürchterlich aufgeräumt. Der General selbst war mit einen leichten Prellschuß durch- ekommen, der ihn zwar schmerzte, aber doch nicht ver- inderte, im Dienst zu bleiben. Der Generalstabsofficier war aber so verwundet worden, daß er in einem Wagen nach fahren mußte, der Brigadeadjutant hatte den Heldentodt gefunden, und ein anderer dem Stabe zugetheilter Officier war ebenfalls schwer verwundet worden. Dadurch häuften sich die dienstlichen Aufgaben für Horn immer mehr. Er konnte daher vorerst nicht daran denken, zu den 76ern zu reiten, um Thorstraten Genaueres mitzutheilen. Er mußte sich beschränken, auf einer Feldpostkarle in allgemeinen, nur dem Leser verständlichen Ausdrücken ihm zu erzählen, was sich ereignet hatte. Ob und wann dieser die Karte finden werde, war zweifelhaft. Während des Reitens schrieb Horn auch eine Karte au seine Mutter und theilte ihr in Kurzem die Erlebnisse der letzten Tage mit, so weit sie für sie Interesse hatten. Sie sollte wenigstens auch durch ihn selbst erfahren, daß er noch lebte. Es war dies ja ein weit besserer Trost, als wenn sie nur seinen Namen nicht in den durch den Telegraphen der Heimath mitgethcilten Verlustlisten las. Mehr konnte er nicht thun. Zu einem längeren Brief gab es jetzt keine Zeit. Der Vormarsch der Brigade endete bald. Gegen lO Ubr Vormittags hörte man dunipfe, tiefe Schläge. „Was ist daS? Das sind doch keine Geschütze, wie wir sie bisher vernahmen?" „Nein, meine Herren. Das werden schwere Festungs geschütze sein. Die Franzosen solle» ja um Orleans herum eine Art von befestigtem Lager angelegt haben." „DaS kann der Fall sein Nun, wir wollen sehen, ob sie in Schanzen uns besser Stand halten können. Ich glaube es nicht, denn unsere Leute brennen ja darauf, wieder in ras verlockende Orleans einzuziehen. Die können wir jetzt auch gegen Feldwerke zum Sturm vorführen." Ein ansprengender Ordonnanzofficier des Divisionsstabes unterbrach das Gespräch. „Die dritte Brigade bat in der Mulde nördlich Songy in Bereitschastsstellnng aufzumarschiren. Sie bildet die Reserve des Armcecorps." Die Bewegung war schnell auszeführt. Hieraus ließ der General die geschlossene Brigade bis in die Nähe einer flachen Höhe vorrücken. Hier konnte man sie von der französischen Seite aus nicht sehen. Plötzlich flog ein dicker schwerer Gegenstand mit einem an das Rollen eines Eisenbahn Wagens erinnernden Geräusch über die gan^e Brigade hin weg, schlug auf, sauste nochmals in die Höhe, siel wieder zur Erde, spritzte Schmutz und Schnee nach allen Seiten um sich und blieb dann liegen. Es war eine der dicken Festungsgranaten, welche in ihrer Gestalt lebhaft an einen großen Zuckerhut erinnerten und daher auch bald von allen Leuten so benannt wurden. Sie crepirte nicht, so daß nach einigen Minuten mehrere Ofsiciere
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