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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.11.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951123023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895112302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895112302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-11
- Tag1895-11-23
- Monat1895-11
- Jahr1895
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E. brachte Pfarrer Burtz, „der den Verstorbenen in seiner Krankheit viel besucht batte", einen Zettel »um Vorschein, welcher unter verschiedenen Legaten ein solches zu Gunsten der OrtSkircke enthielt. Der Zettel batte keine RechtSgiltigkeit. Auf die Anzeige eines Erben, daß im Nachlasse deS Verstorbenen Obligationen im Werthe von 1560 fehlten, verhörte darüber ein Amtsrichter den Pfarrer Burtz, der eidlich aussagte, „er wisse nichts". Später wurde nachgewiesen, daß der Pfarrer im Besitz der Wertpapiere gewesen; er wurde verhaftet und vom Schwurgericht wegen Meineids zu 1 Jahr 3 Monaten Gefängniß verurtheilt. In der Verhandlung gab Burtz zu, daß die Papiere in seinem Besitz gewesen, er verantwortete sich jedoch dahin, daß die Obligationen ihm unter dem Siegel deS Beichtgeheimnisses übergeben worden seien und er deshalb keine Aussage habe machen dürfen. Drei höhere katholische Geistliche, die als Sachverständige geladen waren, bestätigten diese letztere Angabe, was den Staatsanwalt zu der Be merkung veranlagte, „wir lebten nicht in einem Kirchenstaat, ein Geistlicher könne und solle überhaupt nie zu einem Eid im Gerichtssaal zugelassen werden, wenn er sagen dürfe, er wisse nichts, und dennoch durch die Beichte etwas wisse". Gegen diese Aeußerungen deS Staatsanwalts erhob die „Köln. Volksztg." und erhebt jetzt die „Germania" Protest, wobei das letztere Blatt noch ausdrücklich dem Vertheidiger im Proceß entgegentritt, der gemeint batte, Pfarrer Burtz batte statt „Ich weiß nichts" auf die Frage des Richter» antworten sollen: „Ich darf nichts sagen". Das, so betont da» ultramontane Organ, durfte Burtz nicht thun. er mußte so handeln, wie er ge handelt hat. „Wenn der Priester sagte: „Ich weiß nichts davon", so hat er die volle Wahrheit (!) gesagt, auch wenn er von dem Gegenstände der Krage in der Beichte Kenntniß gewonnen, denn er hat davon nur für den Beichtstuhl Kennt niß genommen, und zwar als Beichtvater." Wir batten nach der Mülhausener Gerichtsverhandlung gesagt, die Auffassung der geistlichen Sachverständigen im Proceß könne nicht die der katholischen Kirche sein, denn die Kirche könne unmöglich etne unter Anrufung Gottes vor Gericht gemachte falsche Aussage als erlaubt oder gar als geboten betrachten. Wir haben uns geirrt. Zn der „Köln. Volksztg." wird aus Grund von Aussprüchen kirch licher „Moralisten" und nicht etwa nur solcher, die Mit glieder der Gesellschaft Jesu sind, dargethan, daß die „Germania" im Rechte sei. In dem rheinischen Blatte kommt auch ein katholischer Jurist zum Worte, dem die Lehre der Theologen peinlich ist, der sie aber auch nicht mit Bestimmtbeit für unrichtig zu erklären wagt. Er führt aus, daß der Geistliche, der vor Gericht über Dinge gehört werden solle, von denen er als Seelsorger Kenntniß erlangt, sich der Zeugenaussage entschlagen könne und solle, aber er fährt dann fort: „Man kann sagen, daß der Geistliche von der Beichte nichts wissen soll, daß er nicht einmal an die Beichte denken darf und daß er in diesem Sinne wohl nicht die Unwahrheit sagt(!), wenn erschwört: „Ich weiß nichts". Ob das richtig ist, mag dahin gestellt bleiben". Dieser Zweifel des Juristen wird, wie schon gesagt, vollständig zerstreut durch die unzweideutigen Aussprüche von Theologen. Zur Beurlheilung ihrer Auffassung vom Eide des Beichtvaters mag die Tbatsache dienen, daß das deutsche Gesetz das Beichtgebeminiß durchaus respectirt. Roch mehr, per Geist liche kann l», Strafverfahren sein Zeugniß verweigern in An sehung besten, was ihm als Seelsorger — also nicht nur bei Anhörung der Beichte — auvertraut ist. Und der Geist liche kann, wie der katholische Jurist der „Köln. Volksztg." ausfübrt, die Zeugnißverweiaerung so rechtzeitig ankündigen, daß nicht der Verdacht erweckt wird, ein Beichtkind habe sich in der zur gerichtlichen Klarstellung stehenden Sache vor dem Geistlichen einer Schuld bezichtigt. Die auf diese Möglichkeit gegründete Entschuldigung der falschen Aussage ist umsomehr hinfällig, als daS Gericht das Schweigen deS Beichtvaters deshalb nicht zu Ungunsten des Beichtkindes deuten kann, weil eS weiß. Laß der Priester auck nicht zu dessen Gunsten das Beichtsiegel brechen darf. Die Forderung der „Germania", „die Verpflichtung des Priesters zur Wahrung des Beichtgeheimnisses müsse in ihrer ganzen Strenge auch vor Gericht gellen", wird in der deutschen Gesetzgebung vollkommen erfüllt: dein Priester ist Schweigen gestaltet. Daß sein Privileg nicht auch die Besugniß, einen Falscheid zu leisten, umfaßt und deshalb die Bemerkung des Mülbausener Staatsanwalts ihrem Inhalt nach zutrisft, geht aus dem Gesetze hervor. Die Strafproceßordnung bestimmt ausdrücklich, daß der Priester, ohne sich strafbar zu machen, sein Zeugniß verweigern kann, wenn ihn die Aussage mit seiner Seelsorger-Pflickt in Widerspruch bringen würde. Halte der Gesetzgeber auch den von einem Geist lichen im Interesse der Wahrung des Beichtgeheimnisses geleisteten Meineid für straflos erklären wollen, so würde er nicht unter lassen baden, auch dies „n Strafgesetzbuch auszusprechen. Da dies nicht geschehen ist, bei den herrschenden Rechts- und SittlichkeitSanschauungen auch nicht geschehen kann und darf, so wüßten wir nicht, welcher andere Ausweg bliebe, als der vom Staatsanwalt in Mülhausen bezeichnete. Die „Ger mania" reclamirt für die Geistlichen das Recht der falschen zeugen ei blichen Aussage vor Gericht auf Grund der Verfassung, die der katholischen Kirche Religionsfreiheit garantiert! Ist Meineid Religionsfreiheit? Als der Staat die Religionsfreiheit garantirte, konnte er unmöglich voraussetzen, daß an diesem Punct, mit dem ultramontanen Blatte zu reden, „göttliches und welNicheS Gesetz in Widerspruch gerathen" könnten. Denn das Gesetz über den Meineid ist zwar ein Gesetz deS Staates, aber rS ist von diesem recipirt auS dem göttlichen Gesetze der zehn Gebote, es bedroht die schwere Sünde der Anrufung Gottes bei dem Aussprecheu einer Unwahrheit. Wenn hier ein Conflict vorhanden ist, so dröhnt die Verkündigung vom Berg Sinai für den Staat und gegen die Kirche. Wie der „Schwab. Merk." meldet, wird der Abbä Winter er, der in dein Mülbausener Proceß als Sachver ständiger geladen war, den Fall zum Gegenstand einer Inter pellation im Reichstag machen. Stellt sich bei der Be sprechung das Cenlruin auf den Boden der „Germania" und ihrer kirchlichen Gewährsmänner, so wird nichts Anderes übrig bleiben, al« die katholische Geistlichkeit von zeugen eidlichen Aussagen vor Gericht auSzuschließen. «I Feuilleton. Ver Kampf ums Dasein. Roma« von A. von Gersdorsf Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Versunken waren die goldenen Luftschlösser. Die Hoff nung, bald mit dem über Alles Geliebten vereinigt den Kamps mit dem Leben aufnehmen zu dürfen, mit ihm vereint zu streben und zu arbeiten, bitter zerschellt. Ach! sie hatte zu fest, zu sicher gerade auf diese Arbeit gebaut! Sie war ihr nach ihrer Ansicht so ganz gelungen. Und nun eine so kurze, fast unhöfliche Ablehnung auf einem schon vorgedrucklen Formular, daS zugleich in derselben Art an hundert Andere verschickt wurde! Ein Entsetzliches ging eiskalt durch ihr Denken, viel schlimmer al» der jäbe Einsturz ihrer Liebesboffnungen — der Zweifel am eigenen Urtheil, am eigenen Können! Hatte sie geirrt? War sie nicht so begabt, wie sie und Andere gedacht? Oder war sie schon am Ende? Manche Schrift stellerlaufbahn ist kurz. Hatte sie sich ausgeschrieben? Es kam vor. ES gab berühmte Größen, die batten nur wenige Werke geschaffen, ein einziges hatte sie berühmt gemacht, von den anderen sprach kein Mensch. Sie schauderte. WaS dann, wenn die Arbeit, die Lust daran sie verließ? Konnte Helmuth, konnte d>e Liebe über haupt allein ihr Leben ganz auSsüllen, eine« Menschen Leben, der den Gott in seiner Brust, das Schaffen verloren batte oder aufgehört hatte, an ihn zu glauben? O still, still! Nicht so heftig, nickt so verzweifelt, dazu ist kein Grund vorbanden. Eine zirrückgewiesene Arbeit drückt ja immer für eine Weile die Schaffenslust nieder, schmerzt die selbstbewußte Empfindung der eigenen Kraft. Ja, ja, die Bäume waren auch in, Begriff gewesen, in den Himmel zu wachsen. Nun war dafür gesorgt, daß sie daS nicht konnten. Es war nur der Rück schlag — Sie würde sick bald wieder gefaßt baben. Wie furchtbar, beute in Gesellschaft geben zu sollen und sich nichts merken zu lassen. Ja, ja, da» mußte heimlich überwunden werden! ES gab Leute, sie wußte es, die ihr ihre raschen Erfolge neideten, Leute, die sich recht herzlich freuen würden, daß sie von diesem großen, reichen Verlage nicht anerkannt wurde und ganz einfach, wie jeder Backfisch, der einen ersten Ver such einschickt, mittelst derselben Art Formular gebeten wurde, ihre kostbaren Geisteskinder für sich zu behalten. Es gab sogar Leute, welche ihr das vorhergesagt — wie stolz und kübl batte sie gelächeltl — die durchaus vielerlei Schwächen und Fehler in ihren Arbeiten tadelten und sogar so weit gingen, ihr zu sagen, daß sie immer nur ein kleine- Publicum haben würden. Ihre Arbeiten seien fast zu eigenartig. Ob die Leute Wohl recht hatten? Sie kniff den Brief zusammen in Falten und Figuren, wie einst in längst vergangener Kinderbett, da ein Schiff, ein Hut, nun ein Pferd, ein Frosch, die schonen gedrehten Wachs kerzen brannten herunter, rasch, rasch, sie waren nur zur Zierde, nicht zum Gebrauch bestimmt. Sie tropften schwer und die rochen und goldenen Rosen darauf sanken in dicken, blutrothen Thränen nieder, nieder; ein ganzer See lag schon auf der Glasmanschette. Iakoba fuhr auf auS ihrem grübelnden, ziellosen Denken; die Klingel schrillte rasch zwei Mal hintereinander. Helmuth'« Zeichen. Aber jetzt! Er wußte, daß sie in Gesellschaft ging, mußte sie längst fort glauben. Und er hatte ihr gesagt, daß ver Vater nicht ganz wohl war und daß er den Nachmittag und Abend bei ihm verbringen muffe. Er batte ibr auch vor einer Stunde die Fuchsien geschickt mit einem schönen Gruß unv viel Vergnügen! War dem Vater etwas passirt? GingS ihm schlecht?! Schattenhaft zuckten diese Gedanken durch ihren Geist, als sie nach der Thür eilte, um zu öffnen. Eine wunderliche Vorstellung hatte dann noch ihre erregte Phantasie gefaßt: Sv klingelt da» Unglück! Mit dem blauen Mantcl auf den schultern, dem rotben Kranz im Haar, da« nach rückwärts noch wie von einem wallenden Brautschleier mit dem Spitzengewebe bedeckt war, stand sie phantastisch schön mit idrem marmorblassen Gesicht, ihren weit geöffneten, bange fragenden Augen vor Helmuth „WaS ist geschehen?" „Nichts. ES ist gut, daß Du noch da bist!" sagte er ab gebrochen und küßte flüchtig ihre Hand, statt sie wie sonst mit einem Ruf deS Entzückens in seine Arme zu schließen. „Nichts?" Sie folgte ihm inS Zimmer, wohin er, auch gegen seine Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. November. Erfreulicherweise mehrt sich von Tag zu Tag die Zahl der Stimmen, die es als eine Pflicht deS Reichstags be zeichnen, den Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuches baldigst in den sicheren Hafen zu bringen. Auch die „Krenzztg." hat sich jetzt davon überzeugt, daß der Reichstag eine schwer« Schuld auf sich lade:, würde, wenn er die Durchberatbung des Entwurfes verschleppte oder gar sein Scheitern herbei- fübrte. In einem längeren Leitartikel führt das konservativ« Blatt zutreffend aus, daß, wenn der Reichstag überhaupt an eine eingehende Einzelberaihung des ganzen Entwurfs, sei eS im Plenum, sei eS in der Evmmission, geben sollte, auf daS Zustandekommen des Werkes verachtet werden müsse. Der Reichstag werde daher zunächst vor dir negative Frage gestellt werden, ob er es verantworten könne, durch die Art der geschäftlichen Behandlung das Zn« standekoniinen des Entwurfs zu vereiteln. Die Aussicht, daß der Reichstag, wenn er sich in alle Einzelpuncle emlasse, eine brfsere Arbeit liefern werde als die Commission, scheine nach Lage der Sache ausgeschlossen. Unter diesen Umständen erwachse dem Reichstag die Pflicht, sich von großen Gesichts punkten leiten zu taffen. Er werde erwägen müssen, daß an dem Entwurf unsere besten Juristen mehr als zwanzig Iabre hindurch gearbeitet und daß ihnen in den letzten Jahren Mitglieder des Parlaments, Männer des praktischen Lebens zur Seite gestanden haben. Ta gefährde er sein Ansehen sicherlich nicht, wenn er sich selbst beschränke und Bedenken untergeordneter Natur zurückstelle. Hvffenllich wird auch die deutsch-conservative Reichslagsfraction für die Durchführung dieser durchaus berechtigten Mahnung der „Kreuzzeitung" geschlossen eintreten. Als vor längerer Zeit bekannt wurde, daß die Ueberreste der durch Major Lothai re zersprengten Etokes'schen Karawane sich vor den Verfolgungen der Belgier aus deutfches Gebiet hatten retten können, hat die Regierung sogleich dem Gouverneur von Ostafrika den Auftrag ertheilt, diesen Leuten den Marsch an die Küste zu erleichtern und sie sobald als möglich gerichtlich zu vernehmen. In dieser Woche sind sie nun in Sadani aiigekominen und nach Dar-es-Salaam übergefübrt worben. Die von ihnen gemachten Angaben werden als Grundlage dienen zur Feststellung der Ersatzansprüche, die Deutschland dem Eongostaate gegenüber geltend machen wird. Die „Köln. Zlg." glaubt zu wissen, daß die Eongo regierung Deutschland gegenüber ebenso wie England gegen über jeden Versuch aufgegeben hat, sich der Verpflichtung zu entziehen, die durch die Verbrechen Lothaire's geschädigten deutschen Schutzbefohlenen materiell in befriedigender Weile zu entschädigen, wodurch natürlich die criminelle Bestrafung Lokhaire's nicht berührt wird. Bekannltich hat die Eougo- regierung zu veranlassen beschlossen, daß Lothaire vor ein belgisches Kriegsgericht gestellt werbe. In einer Note der Eougoregierung an die Blätter heißt es darüber: „Wie erinnerlich, hatte die Regierung des Congostaates früher beschlossen, den Generalcoinmissar der arabischen Zone vor das zu- ständige Gericht zu verweisen. Aus die Aussordernng des brilischen Auswärtigen Annes, die Gerichtsbarkeit zu bezeichnen, di« dazu berufen würde, über den Falt des Hauptmanns Lothaire zu urtheNen, antwortete Staatsjecrelair Van Eeivclde, das Berufungsgericht zu Boina erscheine ihm ganz selbstredend zuständig, um den Fehler zu beurtheilen, der in der begangenen Ungesetzlichkeit liegt. Die britüche Regierung erklärte jedoch, dieses Gericht scheine ihr nicht die nothwendigen Bürg, schäften für ein unparteiisches Verfahren zu bielen. Unter dielen Umständen hatte die Regierung d«S (Longostaatcs nur dir Wahl zwischen folgenden beiden Lösungen: ein Ausnahmegericht einzu- setzen oder aber zu veranlassen, daß Haupttiian» Loibair« vor die belgisch« Justiz gestellt würde. Wie lchmerzlich auch diese Zwangs wahl war, so hat die Eongoregierung sich in di« zweite Lömng ergeben müsse»; die Einsetzung eines Ausnahmegerichts hatte den Widerspruch der gesitteten Weit heroorgrrusen, welche die von dem »ivderuei. Recht anerkannte Bürgschaft, daß Jedermann von den ordentlichen Gerichten abgcurtheilt werde» must, nach Gebühr zu würdige» weist. Es blieb^ somit nur hie belgische Gerichtsbarkeit. Damit letztere mit der Stokes'jchen Angelegenheit beiastl würde, genügte es, dost der unabhängige Congostaal Belgien aussorderte, vom Hauptmann Lothaire wegen de» Mordes, den man ihm vor. wirst, ui» Eongo begangen zu haben, Rechenichasl zu verlangen. Da nun der Generalcominissar der arabischst, Zone Lsficier in der belgischen Armee ist, kan» er nur vor Las Üciegsgkiichi zur Ver» aiilwortuiig gezogen werden. Vor diesem Gericht wird er gsio sofort nach seiner Rückkehr nach Belgien erscheinen." Wie im heutigen Morgenblatt mitgetbeilt wurde, ist eS indessen noch zweifelhaft, ob Belgien wünscht, in die fatale Angelegenheit verwickelt zu werden, auch bleibt noch cibzu- warten, ob Lotbaire die Zuständigkeit des belgischen Kriegs gerichts anerkennen wird; eine Verbindlichkeit hierzu liegt nicht vor, Lotbaire ist in seiner Eigenschaft als Beamter oes Congostaates nur diesem verantwortlich. Laut Artikel 8 der belgischen Verfassung kan» Niemand dem Richter, den ihm das Gesetz zuweist, entzogen werben. Immerhin ist es wahrscheinlich, daß Lothaire sich dem belgischen Kriegsgericht stellen wird, sobald ihn die Nachricht von dem gegen ihn eingeleiteken Verfahren erreicht bat. In der am Donnerstag eröffneten italienischen Ka y, m er hätte eS, wenn es nach dem Wuniche der Opposition gegangen wäre, gleich während der ersten Sitzung heftige Scenen gegeben, wenn Crispi nicht der angekiriibigten Interpellation über den Fall Giolitti zuvorgekommen wäre und die Vor legung der Acten dieses berüchtigten Proceffes in sichere Aus sicht gestellt hätte. Hatten gewisse Kreise bis jetzt noch den Eindruck, daß Crispi selbst die Veröffentlichung dieser Actenstücke aus gewissen Gründen ebenso zu scheuen habe, wie sein Vorgänger Giolitti, hatten bisher alle schlimmen Ge rüchte über noch nicht aufgebrllte Puncte in der unglückseligen Angelegenbrit leichten Glauben ge funden, so können die Gemülber sich jetzt beruhigen, und man darf annehmen, daß CriSpi sich Giolitti gegenüber seiner Sacke sicher fühlt. Au Scankal wird eS aber trotzdem der Kammer nicht fehlen. Die äußerste Linke wird ihren Angriff mit der Aufwerfung der „Moralfragt" durch Eavalloni be ginnen,verangeblick, wieberein Bünvrl nieberschmetiernverBiitze gegen das Haupt CriSpi'S gesammelt hat. Braucht man nun auck, da die Cavallvtti'scken Ungewitler sick zu oft schon als Theaterdonner ausgewiesen, die neueste Drohung durchaus nicht so tragisch zu nehmen, so durfte das Auftreten des neuen Calo doch nicht ohne Spectakel vorübergehen. Mit dem Hinweis auf die gespannte äußere Lage werden die Regierung und ihre Kammermehrbeit es ablehnen, der äußersten Linken auf dieses Kampfselb zu folgen, und auch die Rechte wird kaum umhin können, die Gefolgschaft Cavallolti's im Sticke zu lassen, um nickt in de» Sckein nnpalriotiscker Partei- selbstsucht zu gerathen. Die Negierung wird, wie Crispi bereits angekündigt, die Verlängerung der Ausliabmegesetze gegen den Anarchismus, deren Ablauf nahe bevorslehi, um ein Jahr verlangen. Hierüber dürfte sich ein heißer Kampf enlspinnen Vielleicht vorher noch wird Baron Blanc oder Crispi selbst die betreffs der Orienifrage eingebrachten An fragen beantworten unv einen VertrauenSbeschluß verlangen, den die Volksvertretung ibm nicht verweigern kan», obne die wichtigsten Interessen des Landes zu gefährden. Zu scharfen sonstige Gewohnheit, voranging. Er warf einen Blick nach dem Schreibtisch, wo die bunten Lichter flackerten und ihre rothen Thränen fielen. „Ich dachte, die ließen sich nickt brennen. Warum hast Du sie angezündet?" fragte er tonlos, während sein Blick auf den Brief fiel. Sie antwortete nicht und sab ibm angstvoll inS Gesicht, dicht neben ihm sieben bleibend, wie er ibn aufnahm und las. Er sagte kein Wort und legte ihn wieder hin. Dann, in seiner fast pedantischen Ordnungsliebe, richtete er die Lichter gerade. Sie batte sich auf den Stuhl niedergelaffen und sah seinem mechanischen Tkun zu. Nichts! batte er gesagt. Sie erhob sich wieder. Jetzt sah er sie an. „Schön bist Du beut, — sehr schön", sagte er mit einem zerstreuten Lackeln, während sein Auge rasch abgleitcnd wieder den Boden suchte. „Helmuth, was ist Dir?" „Ick wollte Dick nur einen Moment sprechen. Ich dachte, Du könntest vielleicht noch da sein —" „Ja. Und —?" „O, Du bist doch nicht besorgt? ES ist nichts." Er nahm ibren Fächer, der auf dem Schreibtisch neben dem Brief lag und spielte damit. „Da ist eine Stange zerbrochen. Ich werde sie Dir machen lassen. Ich habe eben einen Brief von Meyer." „Ach! Sagt er Dir ab?!" „N—nein, lieg doch!" Er nahm den Brief aus der Brusitasche seines Paletots und reichte ihn ihr. Sie laS, während der seiden» Mantel leise zischend von ihrer Sckulter zur Erde glitt. „Sehr geehrter Herr BaronI ES wäre in unserem beiderseitigen Interesse erwünscht, wenn Sie morgen zwischen 9 unk 10 Ubr mir Ihren werthen Besuch schenken wollten! Die Angelegenheit hat eine Wand lung erfahren, welcke mir unerwartet kommt. Doch gebe ich mich der sicheren Hoffnung hin, daß Vas Geschäft sich noch zu unserer beiderseitige» Zufriedenheit wird regeln lassen. Ihr Sie hochschädender E. W. Meyer (in Firma Meyer u. Berger)". Sie legte den Brief zu dem andern aus den Schreibtisch und sah Helmuth nicht an. Sie sprach auch nickt und blickte nur mit einem eigen- lhüinlich stillen Ausdruck in ihrem blaffen Gesicht auf die Briefe nieder. Helmuth batte den Mantel ausgenommen. „Willst Du geben?" „Laß doch!" Sie nahm ibm den Mantel ab und warf ihn auf den Divan, wo er den Fächer hingelegt hatte. Dann setzte sie sich am Schreibtisch nieder, zog ein Fach aus, nahm einen Briefbogen und ein zierliches Couvert heraus und legte es zum Schreiben zurecht. Er stand auf und sab sie an. Sie sab wie eine Braut anS, in dem weißen, schlickten Gewände mit dem Spitzensckleier — nur das phantastische rotbe Gerank im goldfl>mmernken Haar veränderte den Ein druck in einen rätbsclhafien. „Ich bin überzeugt, daß nichts daraus wird. Meyer'S Brief ist ein Vorläufer, eine höfliche Umschreibung für Das, was morgen präcisirt wird!" sagte sie leise, den Blick auf das leere Blatt vor ihr geheftet. „Du meinst, er wird mir definitiv absagen?" „Ich bin überzeugt davon." „Da» kann er doch aber gar nicht mehr!" „Hat er Dir den Eontract geschickt?" „Nein. Aber unter Ebrenmännern —" „DaS ist keine Ehrensache. Da» ist Geschäft. Ein Ge- sckäslSmann in Geschäften ist nicht gebunden durch Das, Wa der Partner glaubt oder glauben mußte. Papier und Tinte und Un'ersckriflen — das bindet in Geschäften." „Herr Meyer soll aber auch in unserem Sinne ein höchst nobler Mensch sein." „Daß er das ist, beweist Dir die entschuldigende, ver bindliche Form seines Briese». Mehr kann er nicht tkun. Er kann Dich nicht im Geschäft veiwenrcn, wenn er Dick nicht brauchen kann, mir, weit er Dir Hoffnungen erregte." Helmuth setzte sich auf den Divan und sah jetzt feine Braut voll an. „DaS bedeutet dann den Zusammenbruch unserer Hoff nungen." „Vorläufig ja." „An wen willst Du schreiben?" „An Bierke, daß ich in letzter Minute durch dringend« Gründe am Erscheinen heut Abend verhindert diu." „Wie gut D» bist, wie lieb! Du glaubst nicht, wie Du mir damit wohUhustl"
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