Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.11.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-11-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951121018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895112101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895112101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Ausgabe ohne Seitenzählung
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-11
- Tag1895-11-21
- Monat1895-11
- Jahr1895
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugSPreiS dt der Hauptexpedittoo oder den tm Stadt bezirk and den Vororten errichteten Nuü» acweslcllrn abgeholt: vierteljährlich^ 4.40, bei zweimaliger täglicher Zustellung mS HauS b.öO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: virrieliährlich 6.—. Direct» tägliche Vtreuzbandiendung i«S Ausland: monatlich 7.ö0. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr. di« Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Ne-action vnd LrveLilion: Aohanne»»asse 8. Die Expedition ist Wochenlags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: vtto Memm'S Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraste 1, Louis Lösche, Katharinenstr. 14, part. und Aöuigsvlatz 7. Morgen-Ausgabe. Anzeiger- Organ fiir Politik, Localgeschichte, Handels- vnd Gesihiistsverkehr. AnzeigenePreiS die 6 gespaltene Petitzeile L0 Pfg. Reklamen unter dem RrdactionSstrich (4g» spalteni 50^, vor den Familiennachrichten (Sgespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Wxtra »Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Postbesörderung vO.—, mit Postbesördernng X 70—, Annahmeschlvß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Marge n»Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Für die Montag-Piorgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zn richten. Druck and Verlag von E. Polz in Leipzig. Donnerstag den 21. November 1895. 89. Jahrgang. 585. Amtliche Bekanntmachungen. Die städtische Sparkasse zu Markranstädt verzinst die Lin» lageu haldmonatlich und zwar m t: 8'. '/-. ExpeditionSzeit jeden Wochentag Vormittag von 9—12 Uhr mit Ausnahme de- Sonnabend«. Svorvertrhr im Monat Oktober: 186 115 81 Einlagen nnd 62 881 58 /H Rückzahlungen. Disponible Gelder liegen zur Ausleihung aus Hypothek und Faustpfänder, sowie gegen Verbürgung zahlungsfähiger Personen irderzeit bereit. Sparkasse Markranstädt im November 1895. Leipziger Studentenbühne im 17. Jahrhundert. -r. Professor H. Kretzschmar hat in seiner Antritts Vorlesung „Sachsen in der Musikgeschichte" u. A. darauf hingrwiesen, daß die Pflege der Musik, wie sie in den lateinischen Schulen seit dem sechzehnten Jahrhundert blühte, meist auch auf der Universität noch eine Fortsetzung fand. Schon im letzten Drittel des sechzehnten Jahrhunderts hatte sich auS den Reiben der Leipziger Studenten ein Oftcrnis musicus gebildet, der bei FestgolicSdiensten und bei akade mischen Feierlichkeiten gern zur Mitwirkung herangezogen Wurde. Der Brauch, die Echulcantorate und alle wichtigeren musikalischen Aemter, die größeren Organistenstellen mit einge schlossen, womöglich mit studirten Leuten zu besetzen, führte der Studentenschaft eine Menge musikalischer Talente zu, und es lag in deren eigenem Interesse, die auf der Schule begonnene Pflege der Musik in möglichst ausgiebiger Weise fortzusetzen. Gelegenheit dazu war nickt nur in den Kirchen musiken geboten, gerade in Leipzig ward auf die musikalische Ausstattung akademischer Festlichkeiten ein Gewicht gelegt, wie sonst an keiner anderen Universität. Die Ehren- und PromotionScantaten der Leipziger Universität bilden noch 176l im Breitkopf'schen Katalog einen besonderen Berlagsartikel. AuS dem genannten Otivrus wuüicus sind schon im sechzehnten Jahrhundert viele bedeutende Musiker hervor- aegangen, so der berühmte Musiktheoreliker und Componist SophuS CalvisiuS, der 1594 Cantor an der TbomaSschule und Musikdirector der Leipziger Hauptkirchen wurde, und Neander, einer der bedeutendsten Cantoren der Dresdner Kreurschule. Ader nicht nur musikalische Aemter in Kirchen und Schulen sind durch Mitglieder deS Leipziger Lstorug mugicus besetzt worden, auch Opernsänger unk Operncomponisten sind aus dieser Bereinigung bervorgegangen. Als der Dresdner Capellmeister NicolauS Strungk, der schon von Dresden auS zur Meßzeit in Leipzig Opern zur Ausführung gebracht batte, 1696 seine Dresdner Stelle aus gab nnd nach Leipzig übersiedelte, um sich ganz der Opern- direction zu widmen, meldeten sich bei ihm sofort Studenten, um als Opernsänger einzutreken, auch mehrere Coniponisten unter den Studenten boten dem neuen Direktor ihre Dienste an. Unter Anderen begannen ihre Laufbahn bei Strungk F. Reinhard Kaiser, später der berühmteste Componist der Hamburger Oper, der ersten öffentlichen Oper in Deutschland, die schon seit 1678 bestand, ferner David Heimchen, der 1718 Hofcapellmeister Auguft'S des Starten wurde, und Christoph Graupner, seit 1706 an der Hamburger Oper unter Kaiser, seil 1710 Capcllmeister in Darmstadt. Wie einen Olioiu8 musicus, io gab cs im siebzehnten Jahr hundert auch eine „Schaubühne einer studirenden Gesellschaft" in Leipzig, und wie in jenem die auf der Schule empfangenen musikalischen Anregungen forlwirkten, so erwiesen sich hier die Anregungen wirksam, die die Schule mit ihren Schul- dramen gegeben batte. Tie Schultramen batten anfangs nur der Uebung der Schüler in der lateinischen Sprache gedient, seit rer Mitte deS sechzehnten JahrbunbertS führte man aber auch deulsche Uebersetzungen der Dramen von Plaulus, Terenz und Seneca u. a. in den Schulen auf, und dazu kamen lateinische und deutsche Dramen zeitgenössischer Dichter, zumeist der Rectoren nnd Lebrer der betreffenden Schulen. Als die von Meistersängen! und jungen Haudweiksgejellen auf Markt plätzen und Angern, in städtischen Ballhäusern und in Wirtbs- bauesälen ausgeführlen Fastnachtsspiele allmählich aushörten, suchten die Bürger in den von ihren Söhnen ausgesübrien Schuldramen Ersatz und Befriedigung ihrer Schaulust. Die Aufführung der Schuldranien wurde zu diesem Zwecke in die Nakhbaussäle und an andere Orte, die einen größeren Zuhörer kreis aufnebmen konnten, verlegt. Und führte man zur Uebung der Schüler lateinische Dramen auf, so sorgte man durch deutsche „Argumenta", die man den einzelnen Acten voraufgehen ließ, dafür, daß auch die des Lateinischen nickt kundigen Zuhörer mit dem Inhalte des Stückes ver traut wurden und dem Gange der Handlung folgen konnten. Don den Schulbramen bis zu Slurentenvramen ist nur ein Schritt. Man dürste vermntben, daß die Schüler, die vor den Natbsberren und Bürgern ihrer Vaterstadt in giößeren oder kleineren Rollen ausgetreten waren, die, wie von den Schülern zu EnsiSbeim im Elsaß gerübmt wird, „acht bis neun Wochen für daS Spiel geübt und zweibunderl bis achthundert und mehr Reimen gelernt und lieblich und anmütbig mit lustigen, sormdlichen geberden erzrll und ge- spiit" hatten, auch als Studenten noch zu gleichen Ver anstaltungen Lust und Neigung gehabt haben, selbst wenn uns darüber sichere Zeiignisse nicht erhalten wären. Es wird uns aber u. A. berichtet, daß zu Lutber'S Lebzeiten in Wittenberg regelmäßig dramatische Aufführungen von Stu denten veranstaltet wurden. In einem Briefe vom 17. Februar 1525 ladet Luther seinen Freund Spalatin zu einer solchen Aufführung ein. Im siebzehnten Jahrhundert gab es eine Studentenbühne in Leipzig, über die wir leider Genaueres nicht in Erfahrung bringen konnten, deren Vorhandensein aber durch mehrere Büchenirel verbürgt wirb, auS denen wir erfahren, daß etliche Dramen, ebe sie gedruckt wurden, bereits auf der Slukenlenbühiie aufgefübrt worden waren. CbrislopboruS Kormart, Magister zu Leipzig, veröffent lichte 1672 ein Trauerspiel „Maria Stuart: Oder Gemarterte Majestät, nach dem Holländischen Jost van Voneels." Es ist gedrückt „In Verlegung Job. FickenS Witbe" zu Leipzig und trägt aus dem Titelblatt? die Bemerkung: „Auf Anleitung und Beschaffenheit der Schaubühne einer Slubireuven Gesellschaft in Leipzig ehemals auffgefübrek." Ein anderes Trauerspiel desselben Verfassers, „Die ver wechselten Prinyen oder Heraclius und Mautian unter dem Tyrannen Phocas", gedruckl zu Dresden 1675, trägt aus dem Tikel die Bemerkung: „Aufs der Swau-Bühne einer studiren- den Gesellschaft in Leipzig ekemals aufgesühret". Und von dem erst.n, >669 erschienenen Trauerspiele Kormari's, dem „Polyeuctus vier christlicher Märtyrer. Meist aus dem Frautzösischen des Corneille ins Deutsche gebracht", wird erzäblt, daß darin Johann Velthen (nicht Veltheim, wie er länge Zeit fälschlich genannt worden ist) neben anderen Leip ziger Studenten zum ersten Male ans die Bühne getreten sei, derselbe Veltben, der später am Cckam'pielberufe so viel Geichmack gewann, daß er der Leiter einer meist aus Studenten zusammengebrachten berumziebenken Schauspielergesellschafi wurde, einer Gesellschaft, die in der Geschickte des deutschen Theaters zu großem Ruhme gelangt ist, weil sie sich vor ähnlichen niä t nur durch bessere künstlerische Leistungen, sonde> n, was für jene Zeit noch mehr sagen will, auch durch anständigeres Benehmen ihrer Mitglieder auszeicknete. Die studentische Schaubühne, von der in den hier ange zogenen Titelbemcrkungen die Rede ist, wird auch gemeint sein aus dem Titel eines Dramas von Andreas Stiefel, rer seit 1673 in Leipzig studirle, später Tertius an der Leipziger Nicoiaischule war und als Conreclor der Tbomasschule 1697 emeritirt wurde. Von ihm erschien 1683, gedruckt zu Leipzig, ein Drama unter dem Titel: »Lvlutio eLptlvitLtis, d. i. Aus führung deS menschlichen Geschlechts aus SatanS Reick, so durch Christum geschehen ist, welche durch die Endschafl der babyl. Gefängniß aufs Osterfest 1683 mit der studirenden Jugend in Leipzig aus dem Theatro in einem poetischen Schau spiele präsentiren wird Mz. Andreas Stiefel, Conreclor." Wird durch riese Büchertitel das Vorhandensein einer studentischen Schaubühne in Leipzig erwiesen, so ist wohl auch die Annahme eine nickt allzu gewagte, daß des Leipziger Magisters Johann Georg Schoch „Comöria vom Sturenten-Leben" auf dieser Bühne aufgesükrt worden sei. WaS hätte auch die Studenten mehr zur Ausführung reizen sollen als dieses lebensvolle Bild des studentischen Lebens, daS seinerzeit beliebt genug war, um von 1657 bis l668 vier Auslagen zu erleben, und daS noch beute als eine der vornehmsten Quellen zur Geschichte de- deutschen Studenten iliums gilt. Es war ein Griff ins volle Leben, den der Dichter mit diesem Drama getban hatte, und es erscheint sehr begreiflich, daß die Studenten die ihnen hier borge- sckriebenen Rollen ebenso gern gespielt haben werden, wie das Publicum mit Vergnügen zuzebört haben wird. Von dieser Sludenien-Comödte, wenn die Redaction es erlaubt, ein ander Mal. Das Kloster Zella. Etwa 20 Minuten von der Stadt Nossen entfernt, liegt an der Waldbeimer Straße daS Dorf Zella. Nock jetzt siebt man, von Nossen kommend, recht- von der Straße die umfangreichen, starken Mauern deS ehemaligen Klosters Zella. Innerhalb dieser Mauern, die eine kleine Start z» umfassen vermöchten» sinken wir noch die Ruinen deS einstigen C'sterzienserklosters Zella. Ter fromme Markgraf Otto der Reiche hatte sich schon längst vorgencnimen, einen Tbcil der Ausbeute der neu entdeckten Freiberger Silberbergwerke zur Erbauung eines Klosters und zur Gründung eines Erbbegräbnisses seiner Familie zu verwenden. Im Jabre 1162 verwirklichte er seinen Plan; denn am 9. Mai dieses Jahres wurde der Grundstein zum Kloster Zella gelegt. Die Stiftung des Klosters hatte den sehr edlen Zweck der Volksbildung in Vcr bindung mit der Gastfreundschaft. Wie sehr die Gastfreund schart von den Mönchen gepflegt wurde, gebt daraus hervor, daß innerhalb eines Zeitraums von etwa drei Jabre 14 000 Reiter und 20 000 Fußreisende im Kloster beherbergt und verpflegt wurden. Das Kloster gekörte, wie schon oben an gedeutet wurde, dem Orden der Cisterzienier an, in den sich 1209 sogar der Kaiser Otto IV. aufnebmen ließ. Im Jabre >262 begonnen, standen die meisten Gebäude deS Klosters doch erst nach 13 Jahren, also N75, vollendet da, und am 26. April desselben Jabres hielt der erste Abt seinen Einzug. Gleich bei der Gründung be schenkte Otto ver Reiche das Kloster mit 800 Hufen (etwa 24 000 Acker) Landes. Die Gebäude waren so geräumig, daß der vornehmste Fürst mit der zahlreichsten Hofhaltung in ihnen hätte bequem wolmen können. Ganz besonders prachtvoll war die Abtei, die Wohnung de- Abtes. Die innerhalb der Ringmauern befindlichen wichtigsten Gebäude waren: 1) die Abtei, ein (ehr geräumiges Haus mit an gebauter Hauscapelle (die Ruinen dieses Gebäudes sind jetzt noch zu sehen); 2) das Capilelhaus, in dem die Mönche ihr« Versammlungen abkielten; 3) das Möncksbaus (das Wobnbaus der Mönche); 4) das Dormitorium (der Schlafsaal der Mönche; MönchSbaus und Feuilleton. Litte, recht freundtich. Don A. vom Rhein. Vor mehreren Jabren lernte ich in einem mittleren Städtchen einen jungen Photographen kennen, der sich in jeder Hinsicht als ein Mann von bester Lebensart erwieS. WaS Wunder, daß er recht hübsch zu tbun batte und sein Geschäft ungemein rasch aufbliihte, zumal da er nicht nur äußere Vorzüge besaß, sondern auch seine Kunst wirklich vortrefflich verstand. An einem Sonnabend, den ich nicht besser zu verbringen wußte, wandert» ich zu meinem neuen Bekannten, um mein gewichtiges Ich in einer neue» Pose der Nachwelt zu erhalten. Der Photograph — nennen wir ihn Herr Schulze — saß in seinem Atelier vor einem umfangreichen Retouchirpult und war so in dir Verschönerung seiner Bilder vertieft, daß er mich gar nicht eintreten körte. Erst als ich gegen dir weit geöffnete Tbllr pochte, blickte er auf und erhob sich dann sofort, um mir mit gewinnendem Lächeln entgegenzutreten und nach meine» Wünschen zu fragen. „Hm, was kann man wohl wünschen, wenn man zu Ihnen kommt?" meinte ich und ließ meinen Blick zu einem Haufen fertiger Bilder schweifen, die auf einem linksseitig stehenden Tischchen lagen. „Verewigen möchte ich mich lasten." „Sckön, wie soll das Bild sein? Visit- oder Cabinet- format, Brustbild oder ganze Figur?" „Schwere Frage. Wozu rathen Sie in Ihrer Eigenschaft als Sachverständiger?" „Die Gesckmäcke sind sehr verschieden) »S wird am besten sein, ich lege Ihnen eine Reihe von Bildern vor und Sie wählen dann selbst." „Gut." Herr Schulze rückte einen Sessel an den Tisch, holte mehrere AlbumS herbei uns ick vertiefte mich in daS Studium der tbeilS fremden, theilS bekannten Gesichter. Während ick noch mühsam mit einem Entschlüsse rang, ob ich meine kost bare Person in ihrer ganzen Größe oder nur einen Tbeil derselben der lichtempfindlichen Platte einprägen sollte, traten drei Damen «in, welche erklärten, ein gemeinsames Bild zu wünschen, aber nur wenig Zeit zu haben. „Wenn dir Auf- nabme sofort stattfinden kann", erklärte die Sprecherin, ein« Brünette mit leuchtenden Augen und frisch-roiben Wangen, „so ist «S un» recht, »m ankeren Falle müssen wir leider ver zichten, da wir in einer halben Stunde mit dem Zuge fort wollen." „Der Herr hier, meine Damen, war vor Jbnen da", erklärte Herr Schulze, „wenn er Ihnen den BorlriU ge währ» " „Natürlich, natürlich", versicherte ich lebhaft und machte einen weltmännisch»vollendeten Knir vor den drei Ver treterinnen de» schönen GescklrcbtS. „Es ist mir eine Freude, den Damen einen kleinen Dienst erweisen zu können. Ick werde während der Aufnabme in daS Nebenzimmer treten und so lang« meine pdystogaomischen Studien forfetzen, bis an mick die Reihe kommt." ,,Möchten Sie nicht den Arm um die Taille ihrer Nack- Hann legen", hörte ich Schulze sagen, „da« Bild wird als dann gefälliger. Nur nicht steif auSseheo, das wäre daS Schlimmste. Meine Aufmerksamkeit für daS vor mir liegende Album wurde geringer. „So, jetzt noch den Kopf etwas mehr heben und etwa hierher schauen", klang die Stimme des Pbotograpben wiederum an mein Obr. „Nur nickt den Blick zu Boden richten, das Auge ist daS Belebende bei den Menschen." „Ganz recht, so ist'- gut. Jetzt bitte, recht freundlich, meine Damen." Einen Augenblick war eS ruhig, dann sprach Schulze: „Ich danke Ihnen. Wie das Bild geworden ist, werte ick mir gestatten, Ihnen schriftlich mitzutheilen, wenn Sie die Güte haben, mir Ihre Adresse zu geben. Auf die Entwicklung würden Sie jetzt nicht mehr warten können, ohne Gefahr zu laufen, den Zug zu versäumen." „Donnerwetter, Herr Schulze, Sie haben doch ein höchst angenehmes Geschäft", begrüßte ich den Pbotograpben, als ich neuerdings da» Atelier betrat. „Bei Ihnen giebt'S nur hübsche junge Damen und lackende Gesichter. Während man sonst im Leben nur allzu viel griesgrämige Visagen sehen muß, präsentiren sich Ihnen nur Sonntags-Physiognomien." „Hahabal WaS Eie denken. Gerade wir Photographen ärgern unS schwarz und blau. Soviel wir uns auch be mühen, die Gesichter zu verschönern, eS genügt den Leuten, namentlich dem weiblichen Geschlecht, noch nicht." „Nicht möglich! Sie können doch Keinem ein anderes Gefickt macken, als er bat." „Allerdings, aber e- wird verlangt. Apropos, wissen Sie noch nickt, daß sich jeder Mann für einen Adonis und jedes Weib für eine kleine Benu» hält?" „Na, na, so schlimm wirk'» nickt sein." „ES ist wie ich Ihnen sage. Wenn Sie sich überzeugen wollen, dann verweilen Sie gerade beute nur ein paar Stunden bei mir und Sie werden schon sehen, was man sagt, wenn Bilder abgebolt werden." „Schön, da« interessirt mich; freie Zeit habe ich in Hülle und Fülle und so werde ich denn mit Ihrer Erlaubnis stummer Zmckauer sein." „Gestatten Sit, daß ich während Ihrer Anwesenheit retouchirr? Ich habe einige eilig« Bilder; reden kann man übrigens dock." „Selbstverständlich, will Ihnen doch keine Zeit stehlen. Tims i» mvllvy." * * » Mein Ich war verewigt. Ick saß vor einer Collection Bilder und rauchte gemütblick eine Cigarette. Eine Frau in den vierziger Jabren trat «in. „Herr Schulze", begann sie und hielt dem Photographen «in Bild hin, „da» soll ich sein?" „Freilich." „Aber so alt sehe ich doch nicht auS Alle meine Be- kannten versichern, da» Bild tauge nicht», ich säht im Leben um zehn Jabre jünger auS." „Man schmeichelt Ihnen nur." „Schmeicheln, wa—waa»? Nein, Herr Photograph, man schmeichelt mir nicht. Ich bin noch ein« stattliche Frau und nehme eS mit einem jungen Mädchen aus." Ich verbarg mein Gesicht hinter dem Album, um die würdige Dame durch mein Lächeln nicht noch mehr auf- zubringen. „Tie Bilder nebme ick nickt an. Geben Cie mir mein Geld zurück. Und so'» schiefes Maul mir anzuphotograpbircn. Pfui, daS ist ja scheußlich." „Ich kann Sie nicht ander« macken, als Sie sind. Ver bänden Sie den pboloarapischen Proceß, so wüßten Sie, daß cS nicht in meiner Möglichkeit liegt, Ihnen ein anderes Gesicht zu machen, als Sie es im Momente der Aufnahme zeigten." „Sie können nicht photograpbiren", raisonnirte die Frau. „Ihr College bat mir ganz andere Bilder gemacht. Ich schenke Ihnen die Bilder und auch das Geld", schrie sie und wars die Photographien auf den Tisch. „Pboivgrapkiren können Sie nickt, daS sage ick Ihnen." Damit eilte sie davon. „WaS sagen Sic jetzt?" fragte Schulze. „Hm, ei» rappelige« alte« Weib." „Sie sollten einmal sehen, welche Retouchirarbtit ich zerade an der Platte dieser Fc^u leistete." Ein junger Bursche von ca. zwanzig Jahren erschien im Tbürrakmen. „Sind die Bilder fertig?" „Wenigsten« rin Prodebild." Schulze hielt ihm daS Letztere bin. „O weh, so'n Schnurrbart I Da« sind man ein paar Haare. In Wirklichkeit siebt doch mein Bart ganz anders auS. Lieber gar keinen Bart, als so einen." „Einen stärkeren Schnurrbart, als Sie haben, kann der beste Photograph Ihne» nicht machen, dagegen will ich Wohl den Bart ganz entfernen, wenn Sie da« wünschen." „Seien Sie dock kein Tbor", mischte ich mich in da- Gespräch. „Lieber ein nettes kleine« Bärtchen, als gar keinen. Mit einem Bart ans die Welt gekommen ist noch Keiner." Der Bursche wurde verlegen. Erst schaute er mich, dann Sckulze und endlich wieder daS Bild an. Schließlich meinte er: „Ack, lasten Sie dann nur den Bart wie er ist und machen- mir iechS Bilder bald fertig." „DaS war noch einer von den Gemütblicken", meinte Schulze, als rer junge Mann draußen war. „Die Männer sind überhaupt iiiimer noch viel leichter zu behandeln, al» die Damen." „Scheint so, sie werfen wenigsten« dem Photographen nicht gleich den Bettel vor die Füße." Auf der Treppe stolperte e« ganz gefährlich. ,,Hübsch dir Veilchen heben, mein Engel", körten wir eine weibliche Stimme sagen. „So, nun sind wir oben." Mutter und Töchrerche» treten ein. „Aber, Herr Sckulze", leitete die Dame da« Gespräch «in, „daS soll mein« Hedwig sein und dafür soll ich 12 be zahlen? Sedrn Sie sich doch mal den Mund an und ver gleichen Sir damit mein Töcbterchen. Hat sie nickt ein Gesicht wie ein Engelchen nnd lackt immer, wäbrend sie aus dem Bild dreinschaut, al- ob sie Essig getrunken bat»:!" „DaS Pkolograpbiren stimm» fl« anscheinend so sauer, nädige Frau. Ich kann nun einmal auch keine anderen Ge- cktrr dervorzaubern, al- sie im kritischen Augenblick der Auszunehuienbe macht." „Aber so'n Gesicht hat meine Hedwig nicht. DaS Bild kann ich nicht nehmen; nehmen Sie mein Kind lieber neu auf." „Wie Sie wünschen." Sckulze traf die nöthigen Vorkehrungen, aber allemal, wenn das „Engelcken" rubig sieben und ein freundliches Gesicktchen machen sollte, war eS aus Rand und Band und gedertete sich wie ein Straßenkind. „Ich gebe die Versuche auf, gnädige Fran", erklärte der Photograph schließlich resignirt. „Das Kind hält nicht rubig, unk wenn es gezwungen wird, sich zu verkalken, wie man eS sonst gewöhnt ist — er markirte die letzten Worte —, so wird das Gesicht abeimalS so sauertöpfig, wie Sie eS auf dem fertigen Bilde seben. „Ich verzichte", erklärte die Gnädige und rauschte zur Thür hinaus. DaS „Engelcben" polierte hinterdrein. „Was meinen Sie jetzt?" wandte sich Schulze an mich. „Erscheint Jbnen mein Beruf noch beneidenswerth?" „Nickt mehr besonders." Eine dralle Bauernmaid tauchte auf. „Sind die Bilder fertig?" „Jawohl, Fräulein." Sckulze holte sie b«rbei und bielt sie dem Mädchen bin Sie betrachtete ihr Conterfei von allen Seiten, dann meinte sie: „A wenig schöner hättet Sie mi scko macke derfc." „Äcköner?" lackte Schulze. Wollen Sie denn nicht auS sehen, wie Sie sind?" „O uf'm Bild mueß wer doch ebbeS besser anSschau'n." „Natürlich bleibt dock immer am schönsten, aber daS nächste Mal mache ich Ihnen rin Engelsköpschcn, Fräulein", spottete Sckulze. „No ja, im G'sckäs« schaut mer doch grausig g'nug auS." DaS Mävcken zahlte und ging. „Ist es nicht merkwürdig, daß die Menschen alle hübscher sein wollen, als sie in Wirklichkeit sind?" fragte der Photograph. „Allerdings. Aber giebt'S denn keine Ausnabmen?" „Doch, aber nur vereinzelt. Die Wenigsten begreifen, daß eine retouchirte Pboiograpbir nickt- weiter, als eine schön? Lüge ist. Wer noch di« Wabrbeit liebt, verschmäht die Netouche. Was gäben wir darum, wenn die letztere weg fiel«; wir machten dir Bilder gern um ein Erkleckliches billiger." „Potz Blitz, daS muß man dem Publicum klar machen. Die Wahrheit muß doch schließlich siegen." „Aber nicht in diesem Punkte. Die Eitelkeit ist mächtiger, als die Wabrbeit; wir müssen retouckiren. Der Photograph, welcher sie absckaffen wollte, würbe verhungern." „Glauben Cie?" „Ich bin überzeugt davon." „dlunckus cnlt ckocipi, ergo üociplntur." Aber wenn ick jemals «ine Frau suchen sollte, so muß mir eine unretouchirte Photographie vorgelcgt werden, da» verspreche ich Jbnen. „DaS wäre ein gutes Mittel, allmählich zur Wahrheit zurückzukebrrn, aber nur Wenige werden daran denken, ein Gleiche» zu fordern. Heute schmeichelt die halbe Welt, auch der Pdotograpb soll schmeicheln." „Hm, beginnen wir für die Wabrbeit im Bilde zu kämpfen. Also mein Bild ohne jegliche Retouche." Schulze lachte. „So ist'S reckt", scherzte ich und reichte ihm dir Hand .Kleine Retouche mehr, aber immer — recht freundlich "
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite