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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951127028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895112702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895112702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-11
- Tag1895-11-27
- Monat1895-11
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Tabellarischer and Aiffernsatz »ach höherem Tarif. Ostr»-Beilage« (gesalzt), nur mit der Morgen«Ausgab«, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.- Annahmeschluk für Anzeigen: Abeud-Ausgab«: Bormittag- 10 Uhr. Morge n«Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Für die Montag.Morgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck nnd Verlag von E. Polz in Leipzig. ^ 577. Mittwoch den 27. November 1895. 89. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. November. Als Deutschland im Jahre 1891 die Zuckcrbesteucrung auf eine andere Grundlage stellte, indem es die Rüben - steuer gänzlich beseitigte und eine Verbrauchsbesteue rung an ihre Stelle setzte, brach es gleichzeitig mit dem System der ÄuSfuhrprä mienzewährung. Jedoch wurde für ein Uebergangsstadium eme Prämie in der Höbe voa 1,25 für den Doppelcentner mit der Maßgabe fest gesetzt, daß dieselbe von Mitte 1395 an auf 1 ^ herab- zufinkea und Mine 1897 gänzlich in Wegfall zu kommen bade. Die Gesetzgebung Uetz sich dabei von der Er wartung leiten, die die Befürworter der Abrüstung in einem einzelnen Staat erfüllt: die Anderen würden eS nachmachen. Die Hoffnung, mit der an sich nicht zu rechtfertigenden und der technisch hochentwickelten deutschen Zuckeriubuftrie keineswegs erwünschten Prämienwirtbschaft in ganz Europa aufgeräumt zu sehen, war vor vier Jahren bestimmend für den Verzicht, nicht die Reform der Zucker steuer, die nur die äußere Veranlassung zum grundsätzlichen Verlassen de- bisberigen BodenS bot. Am allerwenigsten wollte man die Prämien aus dem Grunde fallen lassen, weil man glaubte, die deutsche Zuckerproduktion werde aus die Dauer konkurrenzfähig auch dann bleiben, wenn die anderen Wett- bewerbslänver an der Begünstigung der Ausfuhr ihres Er zeugnisses durch Gewährung von Ausfuhrprämien festhielten. Daß dies nicht der Fall war, stellt der damalige Reichsschatz, secrelair Freiherr v. Maltzahn-Gültz ausdrücklich fest, indem er erklärte, Deutschland ginge nur um des guten Bei spiels wegen voran, behalte sich aber die Rückkehr zur Prämie vor, falls die anderen Staaten nicht folgen würden. Diese Vor aussetzung ist nicht eingelroffeu, Frankreich hat eine enorme Prämie beibehalten, Oesterreich-Ungarn bat mit der seinigen, die deutsche weit übersteigenden daS Gleiche gelhaa und Belgien ist sogar mit einer Erhöhung vor gegangen. Die Folge war ein stetige- Heravsinken der Preise bis auf einen Staad, auf dem in der Regel nur noch Fabriken, die sich alle technischen Fortschritte zu eigen zu machen und bei einer sehr großen Ausdehnung der Production an Geueralunkosten sehr Erhebliches zu ersparen vermochten, mit Gewinn oder doch ohne Verlust arbeiten konnten. Ob wohl der Zuckerpreis sich seit dem vorigen Jahre etwas gebessert hat, ist die Gefahr für die deutsche Industrie, der Concurrenz der durch weit höhere Ausfuhrprämien bevor zugten ausländischen Production zu erliegen, kaum in weitere Ferne gerückt. Der Niedergang der Zucker- Industrie würde aber nicht- weniger als eine livUrte wirlhschaftliche Calamität zu bedeuten haben. Die Land- wirthjchasl kann in einer Periode tiefster Getreidepreise auf einen einigermaßen rentablen Rübenbau nicht verzichten, ohne die herrschende Krisis aufs Bedrohlichste verjchärft zu sehen. Unmittelbar an der Zuckerfabrikation interessirt sind ferner nahezu 50 000 Arbeiter. Dazu tritt das mittelbare Interesse zahlreicher Erwerbszweige. Die deutsch« Zuckerindustrie verbraucht jährlich gegen 60 Millionen Dvppelccntner Kohlen und 6 Millionen Doppelcentner Kalk, sie versorgt durch ihren Bedarf an Chemikalien. Maschinen und Maichinenbestandtbeilen, Verpackungsartikeln u. s. w. eine große Reihe voa Unternehmungen und deren Arbeiter mit Arbeit und Verdienst und übt erheblichen Einfluß auf die Einnahmen der Eisenbahnen. Der Schwerpunkt dieser Industrie liegt aber bei der Ausfuhr. Sie exporlirt etwa zwei Drittel rhrer Erzeugnisse; die dafür im Jahre 1891 nach Deutschland geflossene Summe betrug 206 Millionen Mark. Daß man em solches Gewerbe, für das alle natürlichen Bedingungen deS Gedeihens gegeben sind, nicht mit verschränkten Armen durch künstliche Bevorzugungen, die andere Staaten ihrer Zuckerproduktion angedeiben lassen, in seinem Weiterbestand gefährden lassen darf, braucht nicht erst erörtert zu werden. Deutschland muß sich Waffen für den Kampf, den die Concurren.länder mit gesteigerter I Rücksichtslosigkeit zu führe» fortsuhren, schmieren, nachdem es durch das Aufheben der Prämie seine Bereitwilligkeit ge zeigt batte, ausschließlich die natürlichen Faktoren im Wett bewerb entscheiden zu lassen. In der verflossenen Neickstags- sesfion wurde der Entschluß, sich zu wehren, angekündigt durch ein Gesetz, welches die Beibehaltung der Prämie von 1,25 >^, die nach dem Gesetz von l89l am 1. August d. I. hätte herabgesetzt werden müssen, bestimmt. Man war sich klar darüber, daß diese niedrige Prämie gegenüber den weil höheren Aussuhrvergütungen der anderen Länder unzureichend sei, boffte aber, mit diesen zu einer Verständigung über die allgemeine Beseitigung der Ausfuhrprämie zu gelangen. Die deswegen geführten Verhandlungen haben jedoch bisher ein Ergebniß »och nicht gehabt, einfach aus dem Grunde, weil eine deutsche Prämie von 1,25 ^ für Frankreich, Oester reich Ungarn u. s. w. nichts Schreckhaftes bat. Es handelt sieb also darum, die am höchsten prämiirenden Staaten die Wirrung ihrer Prämien durch eine annähernd hohe deutsche am eigenen Leibe verspüren zu lassen und sie auf diesem Wege zu einem „Zuckerfrieden", b. h. zum Auf geben der ungesunden Prämienwirthschast zu bewegen. Ein anderer Weg, der zum Ziele führen könnte, zeigt sich nicht mehr. Der soeben bekannt gewordene Zuckersteuergesetz- enlwurf trägt dieser Zwangslage Rechnung, indem er einen Ausfuhrzuschnß von 4 für den Doppelcentner Rohzucker festsetzl. Daß diese Prämie lediglich als Kampfmittel ge dacht ist. gebt ans der Bestimmung berver, welche den BundeS- ratd ermächtigt,den Zuschuß zu ermäßigen oder ganz zu beseitigen, sobald die anderen Rübenzucker erzeugenden Länder ihre Aus fuhrprämien ermäßigen oder ausheben. Mit dieser Kampf maßnahme an sich wird man sich grundsätzlich einverstanden erklären müssen, wenn man überhaupt zur allgemeinen Be seitigung der Prämien ohne den vorhergängigen Ruin der deutschen Exportzuckerindustrie gelangen will. Die Zuschutz erhöhung zieht aber nothwendig andere Veränderungen mit sich, über deren Art und Maß zur Zeit eine begreifliche Meinungsverschiedenheit herrscht. Tie Erleichterung der Eon currenz mit der fremdländischen Industrie birgt die Gefabr einer gesteigerten Ueberproduction in sich und macht darum eine Erschwerung der Erzeugung nothwendig; sie ist gleichzeitig mit einem erhöhten Aufwand von Staats in itteln verbun den, dem eine Mehreinnabme gegenüber gestellt werden muß. Die Vorlage will beide Zwecke durch die Schaffung einer staffel- förmigen Belriebssteuer, die zugleich den Wettbewerb der kleineren und mittleren Fabriken mit dem Großbetrieb er leichtern soll, sowie durch die Erhöhung der Abgabe für den im Jnlande verbrauchten Zucker erreichen. Daß solche wirth- schaftlich und social lief einschneidende Vorschläge auch außer halb deS Kreises deS Doktrinarismus und der gewohnheits mäßigen Negation nicht allsogleich allgemeiner Zustimmung begegnen, wird Niemand überraschen. Zuvörderst bleibt ab- zuwarten, wie der BundeSrath sich zu ihnen stellt. Wieder einmal, wie gewöhnlich kurz vor Beginn der par lamentarischen Thäligkeit in der ReichSbauplsladt, durch schwirren Krisengerüchte die Luft. Die Mehrzahl der Ber liner Zeitungen läßt von der Gesammtheit der preußischen Minister nur den Fürsten Hohenlohe und vr. Miquel fest auf ihren Stühlen sitzen. Allen übrigen wird von den Blättern das Leben aberkannt. Jedoch keineswegs gemeinsam. Vielmehr hat jedes Organ seinen eigenen „Stürzenden" und zeigt seine volle Verachtung der Unkenntniß der journa listischen Mitkaffeeschwester, die einen ankern Rücktritts- Favoriten bat. Es braucht nicht gesagt zu werden, daß die wirkliche Presse den Unfug nicht mitmacht. Begreiflicherweise har die Hauptkosten der Unterhaltung Herr v. Bo etlicher zu tragen, von dessen Rücktritt schon oft die Rede gewesen ist. Vielleicht ist auch diesmal nichts an dem Gerücht. Sollte es sich jedoch bewahrheiten und der Slaatssecretair deS Reichsamts des Innern sich binnen einiger Monate ans einen Oberpräsidentenposten zurückziehen — vacant ist zur Zeit ein solcher nicht —, so würbe daS Ereigniß kaum, wie in Berliner Blättern zu lesen ist, mit der Frage der Haud- wcrksorganisation, sondern doch wohl mit den Differenzen im Arbeiterversicherungswesen Zusammenhängen. Der Erwähnung werth ist noch, nicht eine Berliner Zeitungsmeldung von dem Rücktritt des preußischen Kriegsministers, aber die That- jache, daß die „Hamb. Nachr." fick) mit außerordentlicher Schärfe über Schwierigkeiten auslassen, die Herrn v. Bronsart ihrer Ansicht nach offenbar bereuet werden. Wir haben schon früher Gelegenheit gebabt, auf die Hindernisse hinzudeuien, denen der Minister in der Angelegenheit der M ilitairstras- proceßordnung, und zwar nicht nur auf militairischer Seite, begegnet. Vielleicht ist hierin eine Verschärfung ein getreten. In den letzten Tagen ist versucht worden, die Stellung Deutschlands zu der Krisis in der Türket in falschem Lichte erscdeinen zu lassen. Bekanntlich ist die Meldung des „Hamb. Corr.", wonach der deutsche Kaiser sich gegen eine Flotten- demonstration vor Konstantinopel geäußert habe, von der „Nordd. Allz. Zlg." lemeniirt worben. Jetzt wird demselben Hamburger Blatte über eine Unterredung deS Konstantinopeler Correspondenten der „Franks. Ztg." mit Riiaat Pascha, wonach der Großvezier sich mit geradezu demonstrativer Freundlichkeit über die Haltung der deutschen Diplomatie und den Kaiser ausgesprochen haben soll, von Berlin geschrieben: „An sich ist die gute Meinung, welche der Sultan und sein Großvezier von Deutsch land haben, ein sehr erfreuliches Symptom; der Sultan bat ja auch unlängst bewiesen, welchen Werth er auf die Ratbschläge einer bei der Lösung der Oiientfrage direct nicht iotereisirteo Macht legt. Indessen könnten die Bemerkungen de- GroßvezierS auf Feroerstebende leicht den Eindruck machen, als ob die deutsche Diplomatie den Wunsch und daS Bedürsniß habe, aus ihrer bisberigen Zurückhaltung bervorzutreten, um eine Sonderrolle zu spielen. Das ist thatsächlich bisher nickt der Fall und wird auch in Zukunft nicht der Fall sein, schon deshalb nicht, weil andern falls die Türkei zu der gefährlichen Auffassung verleitet werden könnte, daß das Einvernehmen oer Großmächte eine Lücke habe. Andererseits beruht es auch auf einer falschen Auffassung, wenn in Berliner oder auswärtigen Blättern von einer Ucber- tragung des ostasiatischen Dreibundes — Deutschland, Frank reich und Rußland — auf das Gebiet der türkischen An gelegenheiten die Rede ist. DaS ist schon durch die Rücksicht auf die Interessen Oesterreichs auf dem Balkan ausgeschlossen.— Wenn deutscherseits kein zweites StationSschisf nach den Dardanellen geschickt wird, so hat da- lediglich seinen Grund in technischen Erwägungen." Die Absichten ArankreichS auf de» chinesischen Markt treten immer deutlicher erkennbar hervor. Man wird sich noch erinnern, daß vor nickt gar langer Zeit sich in Marseille eine von Delegirten der bedeutendsten französischen Handels kammern beschickte Commission einschifftr, deren Aufgabe in dem Studium der Consum- und Absatzverhällnisse der au dem oftasiatischen Cvlonialbesiy Frankreichs angrenzen den Provinzen Süd-CbinaS bestehen sollte. Die öffent- icke Meinung Frankreich- wendete diesem Unternehmen äußerst rege Tbeilnahme zu, in deu beim Abschieds- liankett der Delegation gehaltenen officiellen Reden wurde ganz offen die Nothwendigkeit betont, der Macht stellung Frankreichs in Ostasien einen weiteren Auf schwung zu sichern und zwar ohne Verzug, um bei der zu gewärtigenden Verschiebung nicht nur der politischen, sondern auch der wirthschaftlichen Machtsphären de- fernen Ostens nicht inS Hintertreffen zu geratben. Noch ist die Commission nicht auf dem Schauplatze ihrer künftigen Tbätigkeit ange langt und schon rüstet sich Frankreich, die Zahl seiner in China fnngirenden Consularbeamten erheblich zu vermehren, während China für den Pariser Posten eine besondere Ge sandtschaft einricktet. Man dürfte in der Annabme kaum feblgehen, daß alle diese Maßregeln dem französischen Wett bewerb uni den chinesischen Markt die Wege zu ebnen bestimmt sind, ja daß sie auf Grund bestimmter, zwischen Peking und Paris getroffener Be»ständigling erfolgen. Wie Rußland seine Absichten bezüglich Nord-ChinaS, so verfolgt Frankreich die seinen im Hinblick auf Süd-Cbina. Beide Mächte haben in ihrem eigenen, dem chinesischen Reiche nnmiitelbar benachbarten Länderbesitz, die feste und sichere Operationsbasis für Actionen, die je nach Ausweis der Con- stellation bald einen politischen, bald einen commerciellen Charakter hervorkebren können. Frankreich betont zur Zeit das letztere Moment, man darf aber nicht bezweifeln, daß seine Absichten weitergebende sind. Auch Frankreich will sein „Indien" baben, ein Colonialreich, welches in sich selber die Bedingungen seines Bestandes und seiner Fortentwickelung findet und eine Quelle dauernder Einnahmen für das Mutter land zu werden fähig ist. Der jetzige ostasiatische Colonial- besitz der Republik erscheint dafür nicht ausreichend, seine Erweiterung nur eine Frage der Zeit. Was sich auS der Erweiterung der französisch-chinesischen Beziehungen unter diesem Gesichtspunkte noch alle- entwickeln mag, läßt sich einstweilen mehr ahnen als im Einzelnen genau definiren. Jedenfalls bat die französische ExpaojiouSpolitik in Ostasien ihr letztes Wort noch nicht gesprochen. Wie schon gemeldet wurde, wird da« der Italienischen Kammer vom Schatzministrr Sonnino gegebene, an anderer Stelle bereits mitgelheilte Fin a nzexpos«, welches für daS laufende Etatsjahr einen Ueberschuß von etwa 1'/« und für das nächste sogar einen solchen von 8 Millionen Lire in Aussicht nimmt, von den tonangebenden italienischen Blättern mit lebhafter Genngthuung begrüßt. Selbst die gemäßigteren oppositionellen Preßorgane erkennen an, daß die Regierung allen Grund habe, sich dieses Erfolges zu rühmen, und daß derselbe obne Zweifel dazu beitragen werde, ihre Position zu befestigen. Aber auch das Land darf sich zur endlichen Wiederherstellung deS so lauge und so empfindlich gestört gewesenen budgetären Gleichgewicht- aufrichtig beglückwünschen; deno wenn auch die AuSgabedudgetS bis zur äußersten Grenze deS Zulässigen ge kürzt worden sind — beim Militairetat soll man nach der Ankündigung sackkundiger Kreise über diese Grenze sogar nicht unerheblich hinauSgegangen sein —, so hat doch durch Ersparnisse allein da- zu abnormen Dimensionen angewachsene Deficit nicht beseitigt werden können, eS hat vielmehr noch sehr erheblicher Anforderungen an die patriotische Opser- willigkeit der Steuerzahler bedurft, um die Sünden früherer Jahre, in denen man auch auf finanziellem Gebiete leichten Herzens „Großmachtpolitik" treiben zu können glaubte, wieder gut zu machen und den schwer geschädigten Staatscredit aufs Neue zu consolidireu. In welchem Maße die- ge- Feuilleton. Der Lamps ums Dasein. L«j Roman von A. von ErrSdorsf Nachdruck verbot«». (Fortsetzung.) Er schloß sie zärtlich in seine Arme, ohne ihre raschen Fragen gleich zu beantworten. AlS sie ins Zimmer traten, betrachtete sie ihn forschend. „Helmutb", sagte sie mit sinkender Stimme, „Du siehst aber nickt glücklich auSl Mein Gott, lieber Helmuth, ist eS am Ende wieder nicht»?" „Geliebtes Närrchen, Wohl ist eS etwa-. Ich schrieb Dir doch gestern, daß ich sofort eingetretrn wäre." „Holt sei Dank! Du bist doch wohl? Du siehst schlecht au»!" Er setzte sich und sah lächelnd zu ihr auf, die vor ihm stehen blieb, die ganze liebende Seele lag in ihren Augen. „Ich bin nur etwas ermüdet und angestrengt, mein Lieb, von ungewohnter Arbeit. Habe gestern und heute den ganzen Tag gebückt gestanden über Büchern und Rechnunaen." „und wo bist Du, Helmuth? WaS bekommst Du dafür?" „Ich bin bei Schmidt'- Zeitung." „Nicht möglich!" „Ja. Nack der Neuorganisation de» Blatte- reicht da« Personal lange nicht au«, Schmidt hat eine Menge Hilf»- arbeiter eingestellt." „Ach! Dann ist da« also nicht auf di« Dauer?" „Nun, da« wohl nicht. Uber daraus kann möglicherweise eine dauernde Stellung hervorgehen, vorausgesetzt, daß meine Leistungen genügen." „WaS bezahlen fie Dir denn?" fragte Jakoha nach einer Neinrn Pause, in welcher Helmuth mit leicht geschlossenen Augen, den Kopf an die Wand gelegt, still dasaß. Wie angegriffen er »»«sah! „Ich bekomme vorläufig nur -0 Mark monatlich." „SO Mark?! Aber da» ist ja furchtbar wenig. Mich wundert, daß Schmidt einen so geringen Preis zahlt für angestrengte Arbeit. Du bist doch gewiß fast den ganze» Tag dort?" „Jetzt — langer! Du mußt bedenken, daß ich nicht der Einzige bia. E« sind über zwanzig neue Arbeiter eingestellt, die ebenso bezahlt werden müssen. Ich gebe jetzt Morgen» um 8 Uhr hin und arbeite mit zwei Stunden Mittagspause bi« 10, auch 11 Uhr Abend«." ,M)irst Du denn da« auShalten?" „Auf die Dauer weiß ick allerdings nicht, aber e« dauert diese Ueberstunden-Arbeil höchsten- bi» zum 1. April, und die Ueberstunden werden extra bezahlt — mit 50 Pfennigen!" Helmuth lächelte. Iakoba streichelte zärtlich sein blondes, glänzendes Haar, daS sich an den Schläfen so zierlich kräuselte. „Daun sind wir allerdings nicht viel weiter als vorher!" sagte sie traurig. „Im Gegentheil, möchte ich sagen. Ich sehe Dich nun vielleicht fast gar nicht mehr. Du bist ja den ganzen Tag beschäftigt." „Gottlob, Iakoba. Wir müssen die» eben als deu ersten Schritt betrachten. Auf eine Höbe hinausfliegen kann keiner der sterblichen Menschen. Man muß eben klettern!" „Du bast recht, mein Helmutb. Wie oft muß ich Dich jetzt bewundern in Deinem Fleiß, Deiner rubigrn Ausdauer - und dabei immer guter Laune! Vielleicht ist dies« ganze Noth wieder einmal, wie so oft im Leben, ein tiefer GottrS- srgen gewesen, der uns Beide vereint und verbunden bat — im besten, edelsten Sinne — wie wir eS sonst nie geworden wären. Es war der Traum meine« LrbenSglückcS, zu meinem Gatten aussebrn zu könne»! Den hast Du mir erfüllt." Sie kniete leise an seiner Seite nieder und legte ihr blonde« Haupt an seine Brust. „Geliebte! Geliebte! Wie glücklich machst Du mich! Auf die» Wort habe ich so eifersüchtig gehofft und geharrt Und bei Gott und meiner Ehre — Du sollst wahr gesprochen haben — Du sollst r« immer können, mehr »nd mebr, mein Leben will ich dafür «insetzen, daß Dein Traum Wahrheit werde!" Durch die Fenster fluthrte da- gvldia-rothe Abendlicht in breiten Strömen, und durch eine geöffnete Scheibe kam e« wie duftiges Weben — Frühlingsluft, FrichlingSglanz, Früh- lingShoffea und -Locken. Doch auf. wach auf, D» Menschenkind, Laß Dich der Len» nicht schlafend find'!" „Last Du denn schon gegessen. Helmuth?" „3a. Im Vorbeigehen einen Bissen — in einem Neinrn Local bier in der Näbe. Ich habe von heute früh 7 Ubr an nicht» genossen als ein GlaS Wasser in der Expedition/ „Du mußt Dir immer etwa» mitnrymea, um zu frühstücken, Liebster DaS ist nickt gesund, so lange zu arbeiten, ohne dem Magen etwa» anzubieten. Du überhungerst Dick." „DaS ist auch wahr. Ich hatte trotz de- Fastens jetzt gar einen Appetit. Aber wie soll ich« machen, ich armer Jung geselle!" „Ganz einfach. Ich bringe eS Dir hin — zu einer be- kimmten Stunde — wie die Frauen von den Pserdebahn- kutschern, weißt Du!" Sie lachten und Helmuth sah nach der Uhr. „Noch eine kalbe Slunde, dann muß ich fort. Ich habe auSnabmSweise heute von 4 bis 6 Ubr Mittagspause, weil Schmidt in seiner gütigen Weise mich fragte, wann ich zu gehen wünsche. Ich sagte natürlich: „Ick gebe wie die Anderen, Herr Doctor." Da lächelte er so etwa- und meinte: Von den Anderen sei Keiner mit einer so beschäftigten Schriftstellerin verlobt, aus deren Arbeit»- und Ruhezeit er Rücksicht zu nebmen hätte! Ader nicht wahr, Iakoba — Du meinst doch auch, daß ich in keiner Weis« von deu anderen Arbeitern eine Ausnahme machen kann!?" „Unter keinen Umstanden! Ich bi» ja glücklich, wenn ich Dich überhaupt sehe! Ach, Helmuth — wann endlich können wir daran denken, ein gemeinsames Leben und Streben zu haben, in einem Neste zusammen, wo ich Dich begen und pflegen könnte, daß Du gesund und kräftig zur Arbeit bleibst! Eine geregelte Häuslichkeit, mit guter, nahrhafter Kost, pünktlich und ordentlich, daS ist «in solcher Segen für den Arbeitenden." „Mein Lieb, da» ist eine Frage der Zeit. Hoffentlich nicht allzu langer! Gott weiß, wie recht Du hast, wie sehr ich da- Bedürfniß habe nach einem behaglichen Heim, »ach herzlicher Aussprache am Abend nach de» Tage» Arbeit, in Deiner treuen Liebe und Theilnabme zu ruhen und meine Gedanken über Alles mit deu Deinen auSzutauicken. Aber von hier muß ich ja immer so zeitig fort de» Abend», auch wenn ich später um 8 Uhr schon frei sein sollte." Iakoba zog ihn anS Fenster und hier aneinauder gelrhut, in den goldig vrrschwimmenden FrüblingShimmel mit de» rasch dahinsegelnden rosigen Abendwölkcken, durch die de» MoudeS blasse Sichel schimmerte, hiuaussehend, erzählte sie ihm von der Warnung, welche sie voa der gütigen Frau Vierte empfangen. Wie sie gedacht, war Helmuth tief erschreckt von dem Gedanken, daß Iakoba ihr liebe» Heim «uflöseu und ru Bierke'S hiazirhea solle. Alle priuvollen Eousequenzen malte er ihr au». „Nein, da« ist unmöglich. Wohl hat die Frau recht, aber daß Du jetzt statt meine Gattin und Hausfrau Bierke'S überwachtes, vor mir behütetes Kind werden sollst — das kannst Du nicht von mir verlangen! Dazu kann ich meine Zustimmung nicht geben." Iakoba seufzte. „Ja, aber, Liebling — WaS soll dann werden?!" „Wir müssen sehen — müssen Nachdenken, müssen eine Möglichkeit finden, müssen uns irgendwie wenigstens das Recht, zusammen zu wohnen, verschaffen und unS rinrichten, wie wir können." „Ach — da seb' ich keine Möglichkeit. Hätte ich meine Arbeit verkauft, dann bätten wir wenigstens eine kleine Baar- summe, um etwas anzusangen. Aber so? Nicht-als Schulden — die ich bezahlen muß, wenn ich Honorar bekomme. Dann bleibt zunächst nicht viel." Und Heluiutb'S Gedanken gingen sofort wieder den Weg, den sie gewohnt waren, seit laugen Jahren zu gehen, als er noch ein kleiner Schuljunge gewesen und irgend ein geliebtes Spielzeug zerbrochen war, bis heute, wo er, ein reifer Man», mit der Geliebten seiner Seele vor unlösbarer Schwierigkeit stand. „Vielleicht weiß der Vater Rath!" Als Iakoba auf dem Flur vo» Helmuth Abschied nabm, fragte sie ihn, wie er denn eigentlich zu Schmidt gekommen wäre. „Ach, da» ist auch ein Ereigniß. Denke Dir, durch Bergmann. Er war bei mir und fragte mich ganz schüchtern und zaghaft, ob ich wobl in der Lage wäre, seinem Freunde Schmidt meine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, und deutete in zarter, taktvoller Weis« die Möglichkeit an, daß dort vielleicht mit der Zeit sich eine Stellung für mich schaffen ließe. Wirklich, das «st ein liebenswerther Mensch!" „O — Helmutb, wer hätte gedacht, vor einem halben Jahre noch — daß Du heute so sprechen würdest — so klar urtheilen I" „DaS ist kein Verdienst! Dies« beiden Menschen, Schmidt und Bergmann, die bolen sich di« Herzen, wie di« Räuber Gold und Juwelen siebten. Sir brechen einfach bei Einem ein — ebe man eine Ahnung davon hat. Und wie klug sprach er zu mir — so einfach, als wenn er selbst in meiner Lage gewesen wäre. „Ich war zeitlebens ein Kämpfer", sagte er mir, „ich habe physisch und geistig gehungert und gedürstet, und: verzichte», immerdar verzichte»! war die Losung meines Lebens. Jetzt bab' ich Vieles erreicht, WaS einst meinem Leben unsagbare» Glück hätte geben köaaeu — e« kommt zu
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