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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.11.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951107017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895110701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895110701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-11
- Tag1895-11-07
- Monat1895-11
- Jahr1895
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BezugS'PreiS i» der Hauptexpedition oder den im Stadt« bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau« 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland uud Oesterreich: viertel,ahrlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung in- Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/,7 Uhr, dir Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Nedartion und Lrpedition: J-hanneSgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochi» geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Dito Klemm'» Tortim. (Alfred Hahn). Universitätsstraße 1, Louis Lösche» Kathan'nenstr. 14, Part, und Königsvlatz 7. Morgen-Ausgabe. eiWM TaMalt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Anzeigen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich !4ge- spalte») 50-4, vor den Familirnnachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60—, mit Postbesörderung X 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morge u-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Für die Montag-Morgen-Ausgabr: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pvlz in Leipzig. 54V. Donnerstag den 7. November 1895. 89. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung, die Stadtverordneten-Wahl betr. Die Listen der für die bevorstehende Ttadtverordneten-Wahl stimmberechtigten Bürger der Stadt Leipzig liegen vom 8. bis mit 21. dteses Monats u. an den Wochentage» von 8 Uhr Bormittags dis 1 Uhr Mittags und von 2 bis 0 Uhr Nachmittags, t». an den Tonn- und Festtagen, am 10., 17. nn» 20. dieses Moiiats von 10 Uhr Bormittag» nnunter- brochen bis 2 Uhr Nachmittags an folgenden Stellen zur Einsicht aus: 1) Tie Listen für die l. und II. Abtheilnng im Stadt- Hause, Lbstinartt 2, 21 die Listen für die IN. Abtheilnng: n. für die in Alt-Leipzig — ausschließlich der nachstehend unterL genannten Straßen —, für die in Leipzig-Connewitz» Letpztg-Lötzntg und Eilenburger Straße 1—9, Friedrich-Auguststraße, Gerichtsweg, Gutenbergslraß», in Hospitalstraße, Leipzig- Johannisallee, Reudnitz, Ostplatz, Ranftsche Gasse 5, 8 und 10, Aeußere Tauchaer Sir. 13—21 und 2—14 sowie für die außerhalb Leipzigs wohnhaften Stimm berechtigten i« Stadthause, vbstmarkt 2; L. für die in Lcipzig-Entritzsch, Leipzig-Gohlis und in folgenden Straßen Alt-LeipzigS, als: Blumcnslraße 1—15 und 2—24, Delitzscher Straße 1—19 und 2—16, Erlenstraße, Aeußere Hallesche Straße 2—20, Mechlerstraße und Theresienstraße Wohnhaften Stimmberechtigten im vormaligen Gcmetndcamtsgebiinde zu Leipzig-Gohlis, Kirchplatz 1, I. Stock; L. für die Stimmberechtigten in Leipjig-Angcr-Erottendorf, - Rcurendnitz, - Ne»,chiineseld. - ReuscUerhausen» -) Neustadt, - Reudnitz — ausschließlich der oben unter ^ genannten Straßen —, - Sellerhausen, - Thonberg und - BolkmarSVorf im Nathhanse zu Leipzig-Bolkmarsdorf, Mrchstratze 42, I. Stock und v. für die Stimmberechtigten in Leipzig-Kleinzschocher, - Lindenan, - Plagwitz und - Lchlcutzig im Rathhause zu Leipzig-Plagwitz, Alte Straffe 22, Erdgeschoh. Die auf Grund der Bestimmung in 8 7 unseres Ortsstatutes nach der Fassung des Nachtrags zu diesem Statute vom 26. Oktober 1894 zum Zwecke der Wahl vorzunehmen gewesene Eintheilung der stimmberechtigten Bürger in drei Abtheilungen hat, wie folgt, stattgrfunden: ES waren Anfang August dieses Jahres 27 420 Bürger vor handen, welche zusammen 4 098 044 82 städtische Einkommen steuer und städtische Grundsteuer auf das Jahr 1895 zu entrichten hatten. Hiervon sind 1385 Bürger mit 2 298610 70 -4 Gesammtsteuer der ersten Abtheilung, 4167 Bürger der zweiten Abtheilung und 21 868 Bürger der dritten Abthetlung zuzuweisen gewesen. Die erste Abtheilnng schließt mit dem Steuerbetrage von 630 die zweite Abtheilung wird von den Bürgern gebildet, welche einen Steuerbetrag von 629 99 bis 117 ^ 60 entrichten, während die dritte Abtheilnng die Bürger umfaßt, welche Steuerbeträqe von 117 ./( 59 -4 an abwärts zahlen. Hierbei sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der vorstehenden Berechnung nur dir städtische Einkommensteuer nnd die städtische Grundsteuer zn Grunde zu legen gewesen sind, die persönliche nnd dingliche «irchenstener sowie die Staat«- fteuer somit «»«„Or zu bleiben hatten. Bis zum Ende des siebenten TageS nach Bekanntmachung und Beginn der Auslegung, also bis mit Tonnerstag, den 14. November dieses Jahres, Nachmittags 6 Uhr steht jedem Betheiligten frei, gegen die Wahlliste sowohl, als auch gegen die Zuweisung zn einer der zu bilden gewesenen Wahladtheilungen bei dem Unterzeichneten Rathe schriftlich oder im Stadthaus», vbstmarkt 2. LH. Stock, Zimmer 151, zu Protokoll Einspruch zu erheben, über welchen dann bis zum Schlüsse der Liste, den 21. djeses Monats, Entschließung gefaßt und dem Betreffenden eröffnet werden wird. Den bis zum Schluffe der Liste etwa noch nicht erledigten Sin sprüchrn ist für die bevorstehende Wahl keine weitere Folge zu geben, auch können Bürger, welche in -er geschloffenen Lifte nicht eingetragen sind, an der diesjährigen Wahl nicht theilnrhmen. Zeit und Ort der Wahl, sowie die Bildung der Wahlkreis« und Wahlbezirke werden noch bekannt gegeben werden. Leipzig, am 5. November 1895. Ter Ratb »er Stadt Leipzig. vr. Georgt. Aollg. Freiwillige Zähler betreffend. Ebenso wie frühere Zählungen, soll auch die am 2. December dieses Jahres stattfindende Volkszählung Lurch freiwillige Zähler erfolgen. Das Amt des Zählers ist ei» Ehrenamt, welches der zu dem selben ausersehenen Person in dem Vertrauen übertrage» wird, daß sie mit Umsicht und Eifer die wichtigen Zwecke dieser Zählung zu fördern bereit sein werde. Der Zähler ist berufen, als Organ der Behörde an seinem Theile dafür Sorge zu tragen, daß die Volks zählung vorschriftsmäßig und rechtzeitig vollzogen werde. Da die Stadt Leipzig rnit ihren einverleibten Vororten in gegen 2000 Zählbezirke zu zerlegen, für jeden Zählbezirk ein Zähler zu bestellen, nicht minder auch dafür Sorge zu tragen ist, daß sür den Fall der Verhinderung eines Zählers alsbald ein Vertreter desselben eintreten kann, macht sich die Wahl von mehr als 2000 freiwilligen Zählern nöthig. Die diesmalige Zählung wird eine weit einfachere sein, als die Berufszählung vom 14. Juni d. Jrs., ja als die meisten früheren Volkszählungen. Wir fordern deshalb die Bewohner unserer Stadt einschließlich der einverlcibten Vororte aus, sich recht zahlreich und baldigst, spätestens aber bis 18. November d. I. zur Uebernahme dieses Ehren amtes bereit zu erklären. Meldungen sind mündlich oder schriftlich unter Angabe von Name, Stand und Wohnung zu richten an unser statistisches Amt, Thomas kirchhof 25, I. Leipzig, den 5. November 1895. Ter Rath drr Stadt Leipzig. 8t. -4. 1928,95. 1>r. Georgi. 1>r. Haffe. Bekanntmachung. Das 38. Stück des diesjährige» Reichsgesetzblattes ist bei uns eingegangcn und wird bis zum 20. dS. MtS. auf dem Rathhaus saale zur Einsichtnahme öffentlich aushängen. Dasselbe enthält: Nr. 2271. Verordnung, betreffend die Einberufung des Reichstags. Vom 30. Oktober 1895. Leipzig, den 4. November 1895. Ter Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Krumbiegel Bekanntmachung. Der BorbcreitungögotteSdieiist sür den diesjährigen zweiten Bußtag findet Dienstag, den 10. Rovember, Abends S Uhr, n der Thomaskirchc statt. Leipzig, am 1. November 1895. Tie Ktrchcn-Jnsvcction für Leipzig. Der Superintendent. Ter Rath der Stadt Leipzig. I). Pank. Or. Georgi. vr. Just Lekanntmachnng- Mit Zustimmung der Herren Stadtverordneten haben wir bc schloffen, den Preis für zum Kochen und Heizen, sowie zu gewerb lichen Zwecken au» den städtischen Leitungen bezogenes GaS vom 1. Januar 1896 ob von 15 skr peil vbm auf 12 ^ hcrabzusrtzen. Auskunft über etwa gewünschte Anichlüssc an die städtischen Gas leitungen wird in der Geschäftsstelle der Gasanstalten (Kurprinz slraße 14) während der GesckästSstunden ertheilt. Leipzig, den 2. August 1895. Io. 3725 Der Rath -er Stadt Leipzig. 1276. Or. Tröndltn. Aff. Bis. Vermißt wird seit 5. Juni or. der am 5. August 1853 in Namslau in Schlesien geborene Dachdecker Carl Robert verthold. welcher am genannten Tage seine Familienwohnung, Lindenau, Harkortstraße 27, unbekannt wohin, verlassen hat. Seine An- lehörigen vermuthen, daß er sich das Leben genommen hat. verthold ist von mittlerer Gestalt (l,70 m groß), hat dunkelblonde öaare, blonde Augenbrauen, hellblonden Schnurrbart, hohe Stirn, anges Gesicht, rothe Gesichtsfarbe, blaue Augen, vollständige Zähne, pitzes Kinn. Am linken Fuße sind 2 Zehen zusammengewachsen. Bekleidet war er mit dunkelblauem Jacketanzug, gestreiftem Barchent- Hemd, grauem Filzhut und hohen Lederstieseln. Alle Wahrnehmungen über den Verblieb des p. Berthold bitte» wir ungesäumt zur Kenntniß unserer Criminal-Abtheilung — Wüchterslraße 5, Part., Zimmer 68 — zu bringen. Leipzig, am 5. November 1895. Das Polizciamt der Stadt Leipzig. VII. 3986. Bret sch neider. vr. Finde. Die Ltöckerei gegen den Prinzen und Kaiser Wilhelm II. und gegen den Fürsten Bismarck, 1887 bis 1890. ii. „Als Stöcker dies schreiben ließ", fährt Hanö Blum auf S. 580 seines Werkes fort, „war ihm längst klar ge macht worden, daß nicht bloS Fürst Bismarck, sondern der Kaiser selbst höchst „intolerant", d. h. ungehalten über die kirchliche Verhetzung und Splitterrickterei der Mucker sei. Denn schon am 4. Oktober hatte Graf Douglas, ein Ver trauter des Kaisers, vor seinen Landtagswählern in Aschers leben eine Rede gehalten und dort ausgesprochen: „Das Vertrauen des Kaisers zum Fürsten Bismarck und die pietätvolle Anerkennung, die er diesem von jeher gezollt hat, bilden die sicherste Gewähr dafür, daß der Kaiser keine Parteiregierung will und kennt. Dazu ist sein Blick viel zu weit und unbefangen... Ec bat wiederholt ausgesprochen. Laß sein Leben den, ganze» Volke gehört, ohne Unterschied des Glaubens, der Abstammung oder der politischen Parteistellung. Der Kaiser kennt nur einen Maßstab in dieser Beziehung, die treue Liebe zum Valerlande und zum Throne. Dieser Maßstab allein entspricht dem monarchische» Grundsätze. . . Darum wird auch unser Kaiser der Staatsgewalt nie etwas ver- geben, weder hierarchischen »och anderen Strömungen und Richtungen gegenüber. Die alte Ueberlieferung der Hohenzollern, die religiöse Duldung in ihren Landen zu pflegen, hat keinen sichereren und besseren Beschützer als unseren Kaiser. Die Lösung der Schwierigkeiten, welche an die Berufung des Professors vr. Hariiack an die Berliner Hochschule sich knüpften, bewies unwiderleglich die Unbefangenheit, i»it der unser Staatsoberhaupt sich kreuzende Strömungen dieser Art zn beherrschen versteht, und sie bekundet zugleich in erfreulichster Weise das Festhalte» des Kaisers an dem alten Hohenzollern'schen Grundsätze, daß die Wissenschaft frei und von den Strömungen der Parteien unbeeinflußt bleiben soll." Ter Redner erinnerte dann weiter daran, wie die Theilnahme de» Prinzen Wilhelm a» der Waldcrsee-Versammlung „dazu au» gebeutet wurde, um den Prinzen in der öffentlichen Meinung zt verdächtigen und ihn mit den politischen Partetbestrebungen hoch kirchlicher Kreise, insbesondere mit denen de» Hospredigers Stöcker, zu identisiciren. All« dies« Versuche, dem Kaiser eine persönliche Stellungnahme zu Gunsten bestimmter Parteianschauungen zuzu- schreibeii, beruhen auf positiver Entstellung der Wahrheit... Ich halte es gerade gegenüber den versteckten Angriffen, welche gegen unseren Kaiser au» Anlaß der damaligen Versammlung noch jetzt er- hoben werden, für geboten, festzuslellen, Laß die Beziehungen, welche der Kaiser Wilhelm zu dem Hojpredlger Stöcker unterhalten hat, nur sehr vorübergehende waren, welche sich nur aus die echt menschlichen und christlichen Bestrebungen ,ener Versammlung beschränkten. Dar- über hinau« bat keine Verbindung mit dem hosprediger Stöcke, be- standen, und am wenigsten huldig» uni», Kaiser den extremen poli tischen und konfessionellen Anschauungen, welche man an den Namen dieses Abgeordneten zu knüpfen pflegt. Darüber besteht volle, un zweideutige Klarheit. Und wenn versucht wird, de» Kaiser sogar init der antisemitischen Bewegung i» Verbindung zu bringen, so ist auch dies eine Dreistigkeit, der ich aus das Bestimmteste entgegen- tretcn muß." Graf Douglas bestätigte dann, daß der Kaiser betreffs dieser Bewegung dein Sinne nach sich dahin ausgesprochen habe (wie die „Berliner Börsenzeitnng" berichtet hatte): „Ich kenne nur Baterlandsfreunde und Gegner unserer staatlichen Entwickelung. Unsere ganze Gesetzgebung ist von menschlichen Grundanschau ungen erfüllt. Wer dies verkennt und die Geister gegen einander hetzt, gehöre er welcher Richtung immer an, bat aus meinen Beifall nicht zu rechnen. Es giebt wahrlich Ernsteres zu thun!" Die Stöckerpresse war über diese Rede geradezu entsetzt. Ein wahrer Sturm brach dagegen los. Aber daran vermochte doch auch in diesen Kreisen Niemand ernstlich zu zweifeln, daß Graf Douglas die HerzenSmeinung seines erhabenen Vertrauten treu wiedergegeben habe. Denn der Kaiser selbst ließ ihm nach dieser Rede die deutlichsten Be weise seiner Huld zu theil werden. Namentlich lud er den Grafen zur Begleitung auf der Friedensreise nach Italien, nach Rom und Neapel ein. Derselbe Sturm tobte dann im Winter 1888 in der Slöckerpresse noch einmal, als im De cember die officiöse Schrift Konstantin Rößler's erschien: „Die Vorgänge der inneren Politik seit der Thronbesteigung Kaiser Wilhelm s II.", und hier abermals bewiesen wurde, daß der Kaiser jede Gemeinschaft mit derStöckerei ablehne. Aber auch dieser Sturm verlobte ohne die gewünschte Wirkung; er riß vielmehr Den dahin, der ihn erregt hatte. Denn als das neue Stöcker'sche Organ, „Das Volk", im März 1889 gar auf einer Liebäugelei mit dem Welsenthum sich ertappen ließ, ward die politische Laufbahn des demagogischen Hospredigers sehr wider seinen Willen plötzlich abgeschlossen, indem Stöckee durch höchsten Befehl genvthigt wurde, seine politische und kirchliche Verhetzung auszugeben. Dieser Mann scheute aber nicht vor der Lästerung zurück, sich in seinem eigenen Blatte „Das Volk" bei diesem Anlaß mit Christus vergleichen zu lassen: „Was Christum kreuzigte und was den Hofprediger Stöcker seit dem erste» Tage seines Auftretens mit tausend Nadelstichen, mit zahlreichen Verleumdungen, mit noch mehr Verdächtigungen, mit ungezählten Bosheiten verfolgte, ist im i Grunde ein und dasselbe." I „Mit derselben Entschiedenheit wie gegen diese Ver hetzung nahm der junge Kaiser auch gegen die reactionair- junkerliche Verhetzung Stellung. Das Cartell von 1887 war den Leuten vom Schlage Stöcker's und der „Kreuzzeitung" natürlich ein Dorn im Auge. Ihr Ideal wäre ein feudal- fierarchisches Bündniß mit dem Centrum gewesen, und des >alb gab die „Kreuzzeitung" schon im Juli 1888 für die Anfang November bevorstehenden preußischen Landtagswahlen die Losung auS, das Cartell mit den Nationalliberalen auf »heben. Das Junkcrblatt sprach dabei von einem „Cartell taü", von „CarteUträumereien" rc. Dagegen trat zunächst das Organ Bismarck'«*), die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung", mit Nachdruck für die Aufrechterhaltung des Cartells auch bei den preußischen Landtagswahlen in die Schranken, indem ie die trennungslustigen Junker an die Worte des Königs und Kaisers in seiner Landtagsthronrede vom 27. Juni 1888 er innerte: „Ich vertraue, daß es uns auch in Zukunft gelingen wird, in gemeinschaftlicher, von gegenseitigem Vertrauen ge- rigener und durch die Verschiedenheit grundsätzlicher An schauungen nickst gestörter Arbeit die Wohlfahrt des Landes zu fördern." Auch die „Conservalive Cvrrespondenz", das Organ der konservativen Parteileitung, machte gegen die lunkerlichen Treibereien entschieden Front, indem sie zutreffend schrieb: „Das Cartell hat, wie man weiß, einen Reichstag geschaffen, der das zum Ausbau unserer Wehrkraft, zur Sicherung unserer vater ländischen Grenzen und zum Schutz des europäischen Friedens Er forderliche ohne Zögern bewilligte. Welcher konservative Gedanke ist durch den Abschluß des Cartells und unter der gegenwärtigen Reichstagsmehrheit zum Stillstand verurlheitt gewesen, und was hätten wir Conservalive praktisch bei einer Zusammensetzung des Reichstags wie vor dem 21. Februar 1887 mehr erreichen können?" „Als darauf der extrem-conservative „Reichsbote" sogar eine Aufforderung aus Hannover abdruckte, bei de» Neuwahlen in dieser Provinz „selbstständig der »ationalliberalen Partei gegenüber zu treten", schrieb die „Nordd.Allg.Ztg.": „Daß der „Reichsbote" ein derartiges Programm ausstellt, nimmt unS nicht wunder, das genannte Blatt treibt aber keine nationale Politik, sondern die Politik einer Handvoll von Parlamentarier», für welche das Fractionsintereffe bas oberste Gesetz bildet." Wie aber der Kaiser selbst vom Cartell und ressen Gegnern denke, sprach Graf Douglas in seiner bereits erwähnten Rede in AscherSleben am 1. Oktober aus: „daß der Kaiser entschlossen ist, bei seiner Regierung ohne Rück sicht aus die specielle Parleifärbung die Unterstützung aller Derjenigen in Anspruch zu nehmen, welche i» den Grundfragen mit ihm einig sind. So lange nicht auch bas Eentrum, die Freisinnigen nnd Andere, wozu leider wenig Aussicht vorhanden ist, sich aus den gleichen Boden stellen, jo lange sind die CarleUparteien diejenigen, auf welche die Regierung des Kaisers sich allein stützen kan» und tützen muß. Lange genug hat es gedauert, bis die tiefen Gegen- ätze, die zwischen diesen Parteien bestanden, einen Ausgleich ge- unden haben. Die gemeinsame Liebe zum Baterlande, die Erkennt- »iß, daß die höchsten Interessen aus dem Spiele standen, wen» die Einigung nicht ersolgie, haben den Kitt gebildet, der das Cartell zu Stande gebracht hat. Und dieser Kitt wird trotz aller Versuche, das gemeinsame Band zu sprengen, halten. Auch bei den bevor stehenden Landtagswahlen soll die Losung sein: das Vaterland, nicht die Partei I" „Die am 6. November 1888 vollzogenen preußischen Land- tagSwahlen bewiesen, daß die große Mehrheit des preußischen Volkes hinter der „Cartrllpolitik", d. h. auf dem maßvoll versöhnlichen und vaterländischen Standpunct seines Königs stand. Denn die Cartellparteien gewannen zadlreiche neue Sitze j», Lbgeordnetenhause, während die Cartellgegner rbensoviele verloren. Al« unter diesen günstigen Anzeichen daß schwere Dreikaiserjahr zu End« ging, da sandte der Kaiser am 3l. December 1888 seinen, Reichskanzler folgendes Neujahrsglückwunschschreiben: „Lieber Fürst! Das Jahr, welches uns so schwere Heimsuchungen und unersetzliche Verluste gebracht bat, geht zu Ende. Mit Freude *) Der Brief Stöcker's an Hammersteilt vom 14- August 1888 laßt keinen Zweifel darüber, daß Bismarck's Festhalten am Cartell den politischen Beweggrund z»r Abfassung dies» samosen Epistel bildet». Ter Verfasser und Trost zugleich erfüllt Mich der Gedanke, daß Sie Mir treu zur Seite stehen und niit irischer Krast in das neue Jahr eintreten. Von ganzem Herze» ersiehe Ich sür Sie Glück, Segen und vor Allem andauernde Gesundheit und hoffe zu Gott, daß es Mir noch recht lange vergönnt sein möge, mit Ihnen zusammen für die Wohl fahrt und Größe unseres Vaterlandes zu wirken." „Die Kreuzzeitungspartei aber wagte, trotz dieser kaiserl. Kundgebung, Anfang Januar 1889 noch einmal den Versuch, den Kaiser durch Verleumdung des Reichskanzlers von dem Letzteren zu trennen. Dieser Plan wurde ausgeführt durch einen Artikel der „Kreuzzeitung" vom 20. Januar über „das monarchische Gefühl". Dieses leide unter Bismarck unheilbaren Schaden; zum Beweist dafür wurde angeführt, „die rücksichtslose Dreistigkeit" der Cartell- brüder zur Zeit der „Kanzlerkrisis" unter Kaiser Friedrich, „welche unter der Losung .Kein Wciber-Regiment!' die intimsten Familien angelegenheiten unseres Herrscherhauses einer giftigen Kritik preis- gab", nachdem dieselbe Presse, „einschließlich der jüdisch-liberalen, nach der Walderjec-Veriainnilniig der Welt das traurige Beispiel verschämter Kritik und hämischer Verdächtigung von Mitgliedern der kaiserlichenFamilie gegeben". An tveitereii.Herabwürdigungen des „mon archischen Gefühls" unter der von Bismarck geleiteten Regierung zählt der Artikel auf: „die taktlose Hereinziehung der Person unseres jetzigen kaiserlichen Herrn durch Graf Douglas, Konstantin Rößler und andere . . . die schamlose» Erörterungen der freisinnigen Presse ge legentlich der Veröffentlichung des kronprinzlichen Tagebuches und die Veröffentlichung der Anklageschrift im Proceß Gesscken mit dem sie begleitenden Umständen". Der Artikel schließt: „Der Grundsatz: Autorität, nicht Majorität, die Grundlage des christlichen Staates, kommt ins Wanken." „Die konservative Parteileitung ging mit aller Schärfe gegen dieses Treiben vor. In einer gemeinsamen Sitzung der Vorstände der Partei im Reichstag und Landtag wurde das Bedauern über diese Leistung der „Kreuzzeitung" ausgesprochen, „ans deren Leitung die Partei keinen Einfluß besitze". Auch wurde dein Kaiser sowohl als dem Fürsten Bismarck von diesem Beschlüsse „in angemessener Weise Mittheilung erstattet". Der Kaiser sprach Anfang Februar in einer Unterredung mit dem sreiconservativen Ab geordneten Landrath Kelch seine entschiedene Mißbilligung über die Haltung der „Kreuzzcitunz" unter der Leitung des Abg. Freiherr« v. Hamnierstein aus." „Dieselbe Augriffsdewegung unternahm die Junkerpartei aber noch einmal im Herbst 1589, jedoch mit noch üblerem Erfolg. Diesmal handelte es sich um die Frage, ob das Cartell für die im Februar 1890 bevorstehenden Reichstags wahlen erneuert werden solle. Von Mitte September bis zum October bringt die „Kreuzzeitung" gegen das Cartell eine ganze Reihe giftgeschwollener Artikel unter der gemein samen Ueberschrist: „Die Monarchie und das Cartell", unter dem anmaßlichen Vorgehen, „wieder einmal das alte historische Banner der wahren konservativen Königstreue zu entrollen". Da beißt es (am 26. September): „Schon zu lange sind sie erfolgreich an der Arbeit gewesen, die Tüncher und Färber, die Putzer und Poliere, welche sich selbst und die Welt betrüge», indem sie aus natwnalliberale Waaren konserva tive Stempel und Firmenzeichen anbringen. Das Gold altpreußisch- conservativer Grundsätze hat bezw. soll eine verderbliche Lcgirung erfahren mit unedlem Metall aus der Schatzkammer des Liberalismus." „Weiterhin verwechselt sich dann die „Kreuzzeitung" mir der Krone selbst, indem sie die gegen die „Kreuzzeitung" ge richteten Angriffe als Verletzung der Allerhöchsten Gefühle bezeichnet! Ja, mittelbar bekämpft sic den Grundgedanken der gesamimen preußisch-deutschen Gesetzgebung seil 1867: „den Ausgleich, die „Lcgirung" des überlieferten Gedankens fester monarchischer Staatsordnung mit den Ideen der modernen Bildung". Zur vernichtenden Zurück weisung dieser unverschämten Bevormundung deSKaisers durch das Junkerblatt und dieJunker Partei brachte der „Neichsanzeiger" am 2. October folgende Bekanntmachung: „Se. Majestät der Kaiser und König hat von dem Inhalt der „Kreuzzeitung" vom 26. v. M. Kenntniß genommen und die darin ausgesprochenen politischen Auffassungen und Angriffe auf andere Parteien lebhaft gemißbilligt. Se. Majestät gestatten keiner Partei, sich das Ansehen zu geben, als besäße dieselbe das kaiserliche Ohr... Se. Majestät sieht in dem Cartell eine den Grund sätzen seiner Regierung entsprechende Gestaltung und vermag die Mittel, mit welchen die „Kreuzzeitung" dasselbe an- greift, mit der Achtung vor der Allerhöchsten Person und vor unseren verfassungsmäßige» Einrichtungen nicht in Einklang zn bringen." „Eine Zeitlang ließ sich die „Kreuzzeitung" durch diese Abscrligung zum Schweigen bringen. Jbre Anhängerschaft bröckelte ab oder „streikte", trat von der politischen Bühne zurück, wie Herr Stöcker. Herr v. Hammcrstein, der Leiter des Blattes, schied aus dem conservativen Partei vorst ande aus. Aber trotz ihres Bekenntnisses zur „Autorität" und zur „Monarchie" nahm die „Opposition von rechts" dock, bald wieder die Feindseligkeiten gegen Regierung und Cartell aus. Das Stöckerblatt „DaS Volk" erklärte sogar: Wir müssen dreinschlagen aus die Andringlinge, welche sich auf das kaiserliche Wort berufen!" Aber alle wirklich königstreuen Glieder der Partei mußten sich durch dieses Treiben tief verletzt und angewidert fühlen. So kam denn Anfang December das Wahlcartell der drei Ordnungsparteien zConservative, Freiconservative, National liberale) für die ReichstagSwablen von 1890 abermals zn Stande. Als nun aber trotz alledem im Wahlkreis Bielefeld im Januar l890 die Nachricht verbreitet wurde, der Kaiser habe die dortige Candidatur Hammerstein's ge billigt, er sei im innersten Herzen mit den in seinem Namen gegen die „Kreuzzeitung" erlassenen Kundgebungen nicht einverstanden und habe sich nur au« Schonung für die Re gierung und den Reichskanzler einen solchen Anschein ge geben, er lese die „Kreuzzeitung" mit Vorliebe rc. — da miß billigten die „Politischen Nachrichten" am 10. Januar 1890, offenbar >m direkten Auftrag des KaiserS diese „den Kaiser verletzenden Umtriebe" in schärfster Weise und schloffen mit den Worten: „Dieser Mißbrauch der kaiserlichen Autorität zur Beeinflussung der Wahlen nnd die darin liegende Jdentisicirnng des Kaisers mit den Tendenzen der „Kreuzzeitung" sind, wie wir von zuverlässiger Seile ersahren, zur Kenntniß «>r. Majestät gelangt nnd haben Allrrhöchstdessen Mißfallen erregt. Seine Majestät der Kaiser hat deshalb einen Befehl ergehen lassen, wonach die „Kreuzzeitung" in den königlichen Schlössern üderbaupt nicht mehr ausltegen oder ge» halten werden soll."
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