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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.11.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-11-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951114023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895111402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895111402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-11
- Tag1895-11-14
- Monat1895-11
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Bieter auch die gegen wärtige Lage des wirthschaftlichcn Lebens noch keine be sonders glänzenden Erscheinungen dar, so mehren sich doch erfreulicherweise in einzelnen Zweigen der VolkS- wirthschaft, besonders auf industriellem Gebiete, die Anzeichen einer erheblich günstigeren Gestaltung der Ver hältnisse. Der schädigende Druck, unter dem die haupt sächlichsten Erwerbsquellen seither gestanden haben, ist augen scheinlich mehr und mehr gewichen. Es ist dies in erster Linie den vorhandenen Friedensgarantien zu verdanke». Bedauerlicher Weise bestehen dagegen die ungünstigsten Constellationen, unter denen die Landwirthschaft zu leiden hat, unverändert noch fort. Es wird nach wie vor das auf richtig: Bestreben Meiner Regierung bleiben, dem Umsichgreifen eines bedrohlichen NothstaudeS auf diesem Gebiete nach Kräften entgegenzuarbeiteu. In Uebereinstimmung mit dem erkennbar gewordenen Aufschwünge der Industrie zeigt auch die Finanz lage des Landes erfreulicher Weise jetzt ein etwas freund lich ers Bild, als am Schluffe der vorjährigen Finanzperiode. Es ist zwar im Hinblicke auf das Anwachsen der Leistungen Sachsens für das Reich leider nicht zu umgehen gewesen, von den für diesen Fall Meinem Finanzministerium im Finauzgesetze ertheilten Ermächtigungen zur Erhebung eines Zuschlags zur Einkommensteuer im laufenden Jahre theilweise Gebrauch zu machen. Unter dem Einflüsse einer günstigen Entwickelung der hauptsächlichsten eigenen Einnahmen des Landes und der Steigerung der Zuweisungen ans den Ueberweisungssteuern deS Reichs ist es aber möglich gewesen, für die nächste Finauzperivde das Gleichgewicht zwischen den Einnahmen und Ausgaben des ordentlichen Etats, eine Fortzugcwährung der seitherigenD o t at io» an die Schulgemeinden ohne Inanspruchnahme eines höheren Zuschlags herzustellen. Berechtigt dieses Ergebnis; auch zu einem gewissen Vertrauen auf die fernere günstige Ent wickelung unseres Finanzwesens, so läßt sich doch nicht verkennen, daß diese hauptsächlich von der Gestaltung des finanziellen Verhältnisses der Bundesstaaten zum Reiche ab hängt und sich eine geordnete Finanzwirthschaft in den Bundesstaaten nicht erreichen läßt, so lange nicht deren finanzielles Verhältniß zum Reiche auf eine sichere, vor unerwarteten Schwankungen schützende Grundlage gestellt ist. Die hierauf gerichteten Bestrebungen der Bundes regierungen haben bisher zu Meinem Bedauern noch nicht zu einem Erfolge geführt. Meine Negierung wird aber fortgesetzt bemüht bleiben, darauf hinzuwirken, daß eine annehmbare gesetzliche Regelung dieses Verhältnisses endlich erreicht und dabei auch den Bundesstaaten eine billige Ent schädigung für die erheblichen Lasten nicht vorenthalten werde, die sie auf Grund der vom Reiche ausgehenden Anregung und im Vertrauen auf die Fortdauer der ihnen früher in reichlichem Maße aus dem Reiche zugeflossencn Zuschüsse ans ihre Etats dauernd übernommen haben. Neben einigen die Znsamnienlegungsgesetzgebuug und einzelne Bestiiiimungen des Civilstaatsdiener- gesetzeS betreffenden Vorlagen wird Ihnen ein Gesetz entwurf über die ärztlichen Bezirksvereine zugehen, der die diesen Vereinen gestellten Aufgaben entsprechend ;n er weitern und unter Anderem die Grenze der diesen Vereinen be züglich ihrer Mitglieder und der Aerzte überhaupt zustehenden Disciplinarbefugnisse einheitlich zu regeln bezweckt. Die schon vor Jahrzehnten hervorgetretene und seither in steigendem Maße empfundene Unzulänglichkeit der im Land Hause zu Ihrer Verfügung stehenden Räume, der auch durch einen Erweiterungsbau nur unvollkommen würde abgeholfen werden können, sowie andererseits die Unmöglichkeit, daS im Laufe des nächsten Jahres frciwerdende alte Dienst- gebände des Finanzministeriums in geeigneter Weise einem anderen Zwecke dienstbar zu machen, haben Meine Negierung dazu geführt, an Stelle dieses Gebäudes unter Mitverwendung veS anstoßenden, in seinen wesentlichen Theilen zu erhaltenden Brühl'scheu Palais die Errichtung eines neuen Ständehauses in Aussicht zu nehme», wo durch Ihnen ein Heim geschaffen werden soll, das Ihrer hohen Bedeutung, als derverfassungsmäßigcn Landesvertretung,würdig ist. Eine hierauf bezügliche Vorlage wird Ihnen alsbald nach der Fertigstellung des noch in der Bearbeitung begriffenen Planes zugehen. Auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens nimmt das Fortschreiten der hiesigen Bahnhofs-Umbauten das öffent liche Interesse noch immer in hervorragender Weise in Anspruch. Nachdem einige der neugeschaffenen Anlagen bereits dem Betriebe übergeben worden sind, steht zu erwarten, daß sich der weitere Umbau planmäßig vollziehen werde. Obwohl hierzu die verfügbaren technischen Kräfte stark herangezogen werden müssen, wird cs sich Meine Regierung doch angelegen sein lassen, die Verkehrsbedürfnisse der übrigen Landestheile auch ferner entsprechend zu berücksichtigen. Es wird Ihnen der Bau verschiedener neuer Eisenbahnlinien, sowie die Erweiterung einiger wichtiger Verkehrsanlagen vorgeschlagen werden. Auch ist es im Interesse der Abrundung unseres Eisenbahnnetzes räthlich erschienen, auf den Erwerb von zwei Eisenbahnlinien zuzukommen, von denen die eine schon früher von unserer Eisenbahnverwaltung betrieben wurde, die andere aber innerhalb unseres Landes gelegen ist. Die hierauf bezüg lichen Verträge werden Ihnen zur Genehmigung vorgelegl werden. Auf Grund des zwischen Meiner Regierung und einem früheren Landtage vereinbarten Gesetzes ist am 1. April d. I. das neu errichtete Amtsgericht Olbernhau in dem dafür neu errichteten Gebäude eröffnet worden. Von den auf dem vorigen Landtage aus den verschiedenen Lanbestheilen eingegangenen Petitionen um Errichtung weiterer Amtsgerichte waren die der Gemeinden Lausigk und Reichenau Meiner Regierung zur Erwägung überwiesen worden. Mit Rücksicht hierauf werden Ihnen die diesen beiden Petitionen entsprechenden Gesetzes- und Be- willigungsvorlagen zngehen, ebenso ist die aus dem vorigen Landtage Meiner Regierung zur Kenntnißnahme überwiesene Petition der Lehrer an den staatlich unterstützten Real schulen um Aufbesserung ihrer Gehalte für begründet er achtet worden. Es istdahercine anderw eite GehaltS scala für diese Lehrer entworfen und, um die hierdurch entstehende Mehr belastung der verpflichteten Gemeinden zu erleichtern, eine hierzu bestimmte Summe in Len StaatShanShaltsetat ein gestellt worden. So mögen denn die Verhandlungen auch dieses Landtags zum Heile und Segen des Landes gereichen!" Gleichzeitig mit der Thronrede wurde ein von der Staats- regicrung veröffentlichter eingehender Bericht über die Aus führung der auf dem letzten ordentlichen Landtage 1893/94 von den Ständen gefaßten Beschlüsse unter den Mitgliedern des Hauses vertheilt. Besonders erfreulich in dieser königlichen Kundgebung ist der Hinweis auf die „vorhandenen Friedensgarantien", doppelt erfreulich in einer Zeit, in der es nicht an erfolg reichen Versuchen gewissenloser Spcculanteu fehlt, den Glauben au die Fortdauer des Friedens zu erschüttern. Aus die von König Albert bezeugten Friedensgarantien gründet sich auch die Hoffnung, daß die von der Thron rede constatirte günstigere Gestaltung der Verhältnisse besonders aus industriellem Gebiete erhalten bleibe. Auck die Landwirthschaft, deren schwere Nothlage die Thron rede rückhaltlos anerkennt und tief bedauert, wird Vortheile aus der Erhaltung des Friedens ziehen, besonders wenn das Bestreben der Regierung fortdauernd auf die Milderung und Beseitigung dieses Nothstandes bedacht ist und der Landtag, wie wir hoffen und erwarten, die Regierung in diesem Bestreben nach drücklich unterstützt. Erleichtert und begünstigt wird dieses Bestreben erfreulicherweise durch den Stand der Staats finanzen, der für die nächste Finanzperiove das Gleich gewicht zwischen den Einnahmen und Ausgaben herstellt und die Fortgewährung der seitherigen Dotation an die Schulgemeinden ohne Inanspruchnahme eines höheren Zuschlags ermöglicht. Ist aber auch die Finanzlage eine verhältnißmäßig günstige, so dürfte dock mit Rücksicht auf die erwähnte Noth lage der Lanvwirthsckaft sorgsam zu erwägen sein, ob die in Aussicht genommene Errichtung eines neuen Ständehauscs eine unabweisbare Nothwendigkeit ist oder ob die im alten Landbause zu Tage getretenen Unzulänglichkeiten nicht noch eine Weile ertragen werden können. Es würden im letzter» Falle zur Hebung der Landwirthschaft Mittel frei werden, die nicht nur diesem wichtigen Zweige unseres Erwerbslebens, sondern auch dem ganzen Lande zu noch größerem Vortheile gereichen dürften, als die Errichtung eines neuen Ständehauses. Eine Verschiebung dieser Errichtung würde sich Wohl auch deshalb empfehlen, weil, so lange die finanziellen Ver hältnisse der Einzelstaaten zum Reiche nicht auf eine sichere, vor unerwarteten Schwankungen schützende Grundlage gestellt sind, solche Schwankungen in jedem Jahre eintreten können. Es ist erfreulich, daß die Thronrede ein fortgesetztes Hin wirken der königl. sächsischen Regierung auf die reichsgesetzliche Errichtung solcher Grundlagen in bestimmte Aussicht stellt. Wir hoffen auck', daß die sächsischen Reichstagsabgeordneten, so weit ihnen überhaupt die finanzielle Sicherheit ihres engeren Vaterlandes am Herzen liegt, nach Kräften da- Bestreben ihrer Negierung unterstützen werden. So lange aber dieses Bestreben von einem Erfolge nicht begleitet ist, dürfte doch von der Errichtung eines neuen Ständehauses, so gern wir der Landeshauptstadt eine solche neue Zierde gönnen möchten, Abstand zu nehmen sein. Dringlich ist dagegen die in Aussicht gestellte Erhöhung der Gehalte der Lehrer an den staatlich unterstützten Realschulen, und eS ist mit Genugthuung zu begrüßen, daß die königliche Regierung zu diesem Zwecke eine Summe in de» Etat eingestellt hat. Sie wird schwerlich einer Ein wendung im Landtage begegnen. Dasselbe gilt von den in Aussicht genommenen Mitteln zum Bau neuer Eisenbahnlinien und zur Erweiterung einiger wichtiger Verkehrsanlagen. Ob der Erwerb von zwei Eisenbahnlinien dem allgemeinen Landes interesse dient, wird zu erwägen sein. Jedenfalls wird im ganzen Lande die Versicherung der Thronrede begrüßt werden, daß trotz der starken Inanspruchnahme der technischen Kräfte bei den Dresdener Bahnhofs-Umbauten auch die Verkehrs interessen der übrigen Landestheile entsprechende Berück sichtigung finden sollen. Hoffentlich gilt diese Versicherung mich für den Elster-Saale-Eanal, obgleich er in der Thronrede nicht erwähnt ist. Die Errichtung von Amtsgerichten in Lausigk und Reichenau entspricht, soweit wir beurtheilen können, einem Bedürfnis;, ein Gesetzentwurf über die ärztlichen Bezirks- Vereine desgleichen. Aber cs wurde auch einem Bednrs nisse entsprochen haben, wenn eine Vorlage über die Anpassung der B erg sch i ed s g e r ich t e an das Gcwerbegerichtsgesetz in Aussicht gestellt Worten wäre. Etwas befremdlich ist cs endlich, daß die Thronrede eine Vorlage über die Einrichtung eines Ver waltungsgerichtshoses nicht erwähnt, obgleich bereits verlautete, der Entwurf einer solchen Vorlage sei ausgcar beitet und compctenten Behörden zur Begutachtung überwiesen. Hierüber, wie über so manches Andere wird der Landtag Klar heil sich verschaffen müssen. Im Großen und Ganzen eröffne! ihm die Thronrede Aussichten ans eine arbeitsvolle, aber auch fruchtbringende Tagung, vorausgesetzt, daß der Geist der Sachlichkeit und Emmüthigteit, der die staatscrhaltcnten Elemente dieser Vertretungskörperschasten stets auSgczcichuel hat, auch in dieser Tagung über unseren Kammern schwebt. Politische Tagesschau. * Leipzig, l I. November. Mit der halbamtlichen Mittheilung, daß dem Bundes rath ein Gesetzentwurf über die Errichtung von Handwerker- kammcr» zugcgangen sei, ist die Handwerksorganisation m den unseres Erachtens zu großen Kreis gesetzgeberischer Auf gaben gezogen, die dem Reichstag in der künftigen Tagung zugedacht sind. Volles Licht über die seit langer Zcii im Halbdunkel gehaltenen Pläne der Regierung ver breitet jene Mittheilung allerdings nicht. Weiß man dock, nicht einmal, woher der Entwurf in den Bundesrath gekommen ist, ob aus dem preußischen Handelsministerium oder aus dem Neichsamt des Innern. Herr v. Berlepsch nämlicb bat einen Handwerkerkammerentwnrf ausgearbeitet und Herr v. Boetticher desgleichen. Höchstwahrscheinlich baudctt es sich um den letzteren Entwurf, da das Elaborat des preußischen Handetsministcrs wobl kaum ohne seine sonstigen Organisationsvorschläge dem Bundesrath zugegangen wäre. Herrn v. Boetticher'S Entwurf hingegen stand von Anfang an für sich allein und weist den Kammern hauptsächlich die "Aus gabe zu, die definitive Organisation zu begutachten, be ziehungsweise sie in die Wege zu leiten. Genaueres über Frnilletsn. Oer Kampf ums Dasein. 14s Roman von A. von Gersdorsf Nachtruck verboten. (Fortsetzung.) Berlin, den 13. Deeember 18 . . Hochzuverehrender Herr Oberst! Oder darf ich noch sagen: Lieber Herr von Andor?! Ach! ich fürchte, ich weiß, die Ueberraschung, mit welcher Sie den Namen unter diesem Schreiben lesen werden, wird keine freudige sein. Nur wirklich dringende Gründe können die stolze Earola Geffren dazu zwinge», sich dem aufopfernden, treuesten Freund ihres unseligen Gatten, dem ritterlichen Vertheidiger ihres Rufes, ihrer Ehre nach langen, kummervollen Jahren wieder in Erinnerung zu dringe». Ich hätte todl sein müssen für Sic, wie ich todt bin für die Gesellschaft. Aber ich habe keine Wahl. Die Roth steht zu drohend vor meiner Thür. Man sagt wohl, jeder Mensch, der arbeiten will, findet Arbeit. Aber auch eine alte, kränkliche Frau?! Die nichts gelernt hat, die gelebt hat in den höchsten Kreisen der Gesellschaft, um in den niedrigsten zu sterben?!" Die Frau legte die Stirn in die Hand und sah mit düsterem Blick darunter hervor zu dem süßen Frauenbilde hinüber, daS über dem Sopha an der Wand hing. Sterben! Sic schauderte. Hier sterben, und Niemand bei ihr, als der da! Und sie war nicht gesund. Sie wußle cS. Ihre Beleibtheit war krankhaft. Mit dem so zufällig gefundenen Namen Andor war einen Moment das ganze Entsetzen wach geworden, das sie in ihrer glänzenden Jugend vor dem grausen Elend solcher Ver kommenen wohl empfunden hatte, welches durch Gewohnheit langer Jahre, durch stusenweiseS Sinken sich abgestumpft hatte. Wenn er sie zu sehen verlangte?! Niemals. Sie hob die Feder und wollte ihren Brief vollenden, als sich rasche feste Schritte der Thür näherten. Kathinka trat ein. Sie sah sehr schön aus. Ihr schwarzes Haar war diadem- artig in schweren Flechten über ihrer Stirn geordnet. Die großen Augen mit den langen, gebogenen Wimpern leuchteten in ungewöhnlichem Glanze, und die warme, bräunlich reine Hautfarbe ihres vollen Gesichts war reizvoll von einem leisen Roth durchschimmert. Sie hatte ihr Sonntagskleid an. ein einfaches dunkelrothes Wollkleid, das ihre prächtige Gestalt herrlich zur Erscheinung brachte. Der Chemiker sah geblendet mit blinzelnden Augen auf von seinen falschen Wechseln, und die Baronin nickte ihr freundlich zu. „Nun, schöne Katbi, was bringt Sie denn daher? Sie sehen ja wie daS Glück selber aus!" sagte sie, mit dem Wohl gefallen, das sie jeder Zeit am Schönen empfunden, das Mädchen betrachtend. „Ach — Glück! Das wohl noch nicht!" meinte Kathinka verlegen, die Hand neben der Baronin auf den Tisch stützend. „Aber die Aussicht, die allerbeste Aussicht darauf — ja, die habe ich Wohl!" Wie hoffnungsreich der schöne, sonore Klang ihrer jungen Stimme durch diesen Raum drang! „Nun, liebes Kind, nun?" „Ich komme nämlich mit einer Bitte, Frau Baronin, einer furchtbar großen Bitte, aber ich weiß, Sie werden sie mir erfülle», denn Sie waren immer gut gegen mich —" „Versteht sick, von selbst. Alle Achtung vor Ihnen!" nickte die Baronin. „Und ich komme zu Ihnen, weil ich wirklich — Sie wissen das ja auch — eigentlich keine anständigen Leute kenne, denen die schöne Kathi aus der Destillation „Zur schwarzen Katze" mit einem solchen Ansuchen kommen könnte", fuhr daS Mädchen immer rascher und athemloser fort. — „Ich möchte Sie nämlich bitten, ob Sie nicht erlauben wollten, daß ich hier bei Ihnen meinen Bräutigam eine Stunde sprechen dürfte!" Die Baronin hob den Kopf von dem Briefe, über den sie ihn wieder geneigt hatte, und richtete einen so vornehm fragenden Blick auf das junge Geschöpf, daß Jedermann sofort die wirkliche ^zraucko Dame." in dieser mit trödelhaft verblichener Eleganz gekleideten, schlecht geschminkten Frau erkannt hätte. „Um HimmelSwillen — Sie dürfen nichts BöseS von mir denken, liebe Frau Baronin!" bat Kathinka erschreckt. „Sie kennen mich doch und wissen, daß jich gar nicht ver trauensvoll bin und keinem Menschen meinen Bräutigam nennen würde, der eS nicht Werth ist. Daß Herr Wächter wirklich mein verlobter Bräutigam ist und nichts Anderes, daS brauch' ich Ihnen doch nicht erst zu sagen." „Schon gut. Ich glaube Ihnen. Es war nur so im ersten Moment, daß ich der Sache nicht traute. Es ist ja ohnehin ein Wunder, daß Sie nicht zu der Gesellschaft gehören, die so im Allgemeinen die Schnapskneipen ziert. Können sich eigentlich bei Ihren unbekannten Ettern be danken, Sie armes Findelkind. Anständige Gesinnung ver erbt sich." Herr Derflinger aber zog die kahle Stirn in bedenkliche Falten. „Na, kören Sie mal", erklärte er, „der Wächter, wenn das der Franz Wächter ist, der hier unten bei Ihnen ver kehrte, das ist ja ein ganz gewaltthätiger Mensch, ein halber Mörder, der schon mehr als eine Unthat aus dem Gewissen haben soll und die Leute am Hellen, lichten Tage im Thier garten überfällt, mir nichts, dir nichts — neulich einen Officier, einen Lieutenant von Andor, halbtodt geschlagen hat und ihm den Säbel zerbrochen, was weiß ich! Den hier in die Stube zu lassen, das können Sie nicht verlange». Danke schönstens, man ist ja seines Lebens nicht sicher!" „Bist Du nun fertig?" fragte die Gemablin mit einem unsäglich verächtlichen Blick ihrer wasserhellcn Augen. Dann wandte sie sich ruhig wieder an Kathinka, die ganz blaß ge worden war. „Gut also. Sprechen Sie Ihren Bräutigam in Ruhe und Frieden hier bei mir. Ich gehe heute Abend aus. Derflinger wird nicht zu Hause sein." „Aber ich —" „Du bist nicht zu Hause. Also, wenn Sie wollen, so um 7 Uhr stehen Ihnen die Salons hier zur Verfügung. Wie hat sich die Sache denn gemacht?" fragte sie wohlwollend, den frohen Dank Kathinka's ablehnend. „Ach — cS ist so ganz allmählich gekommen, oder eigent lich ist eS gleich beim ersten Mal so gewesen, wie eS heute ist, nämlich, daß wir unS lieb hatten und uns sehr gefielen", erzählte sie, vertraulich neben der Baronin stehen bleibend. „Kann ich mir denken. Er kam dann wohl öfter? Sieht übrigens gut aus. Ich habe ihn im Vorbeigehen ein paar Mal bemerkt. Klug und kräftig. Man hat das Gefühl, der kann ein schweres Stück Arbeit fertig bringen, wenn er eben will." Er will! Darauf hin allein haben wir un« ja „So. Nun, dies wäre nicht bei jeder Verlobung zu empfehlen. Aber ich begreife Ihr Zutrauen, der Mann hat etwas Vertrauenerweckendes." Herr Derflinger brummte eine Zwischenbemerkung, welckc das Gegenthcil versicherte, während er die Lupe vor sein Auge hielt, um eine einsam überwinternde Fliege zu be trachten. „Und nicht wahr", fragte Kathinka lächelnd, „Sie finden es doch nicht gefährlich, daß Franz hierher in Ihr Zimmer kommt?" „Nein. Derflinger ist ja nicht zu Hause", war die bos hafte Entgegnung. „Den kann er mir also nicht umbringen." „Ach, das sind doch Alles Lügen. Er hat überhaupt noch nie Eine» umgebracht, nicht einmal halb! Das bat blos der Strolch, der Fino, aus reiner Mißgunst und Nieder tracht so 'rum gebracht! Und die Geschichte mit dem Lieutenant ist auch nicht so bös gewesen. Sonst liefe der Franz doch nicht frei herum. Er hat ja blos ein paar Tage bekommen wegen nächtlicher Ruhestörung — dem Ofsieicr ist kein Finger gekrümmt, und dein Fino, dem Lumpen, auch nicht. Eine ganze Weile hat mich der übrigens in Ruhe gelassen und hat sich nicht in der „Schwarzen Katze" sehen lassen, weil er Angst gehabt hat, daß ihm der Wächter die Polizei aus den Hals Hetzen würde. Aber der sagt, er hätte überhaupt gar nicht an ihn gedacht, so schrecklich un glücklich ist er gewesen über die Geschichte! Der Lieutenant ist ja weggejagt worden vom Militair!" „DaS nun wohl kaum", meinte die Baronin aufmerksam werdend, „aber den activen Dienst wird er wohl auittiren müssen. Ein Andor — hm — wie sonderbar! Ob das wohl ein Sohn von ihm ist?" murmelte sie, die Seite» de» Adreßbuches wieder umblätternd, ob da nicht noch Andere deS Namens in Berlin wohnhaft seien. „Ja", sagte Kathinka, die ganz mit ihrer Liebes-Angelegen- heit beschäftigt war und auf die Bemerkung der Baronin nicht weiter achtele, „ja, das kommt von dem schrecklichen Getrinke! Mein Franz kann nämlich rein gar nichts vertragen. Na — er hat eS »nr neulich in die Hand geschworen, nie mehr will er was anrühren, außer Dünnbier, seit der Ge schichte. Die geht ihm furchtbar nahe. Ich hatte ordentlich Angst vor ihm — so schrecklich verzweifelt war er, daß er den Lieutenant umS Brot gebracht, denn der soll arm sein und nun selber Arbeit suchen. Franr weiß eS von dem alten Schreiber, zu dem er immer geht. Der kennt die Braut von dem Lieutenant."
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