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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.10.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951025025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895102502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895102502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-10
- Tag1895-10-25
- Monat1895-10
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Eorr." schon heute eine Besprechung, in der es heißt: „Gleich vem Reichstagsbaus, dem er als zweiter Monumentalbau des Reiches zur Seite tritt, verkörpert der Reicksgerichls- palaft die deutsche Einheit, die an den großen Tagen des Jahres 1870, in deren Erinnerungskranz die Leipziger Feier sich einflicht, erstritten worden ist. Einheitliche Rechtsprechung, wie sie vom Reichsgerickt aus geht, hat das alte Reich trotz und zum Tbeil wegen des Bestehens zweier obersten Gerichte, des Neichshofraths in Wien und des Neichstammergerichts zu Wetzlar, eigentlich niemals gekannt. Dieser Mangel war eine der Ursachen des politischen Auöeinanderfallciis der deutschen Länder und Stämme, wie seine Beseitigung eine Bürgschaft für ein immer innigeres Jneinanderwachsen der Glieder des neuen Reiches geworden ist. Wenn mit der Ein führung des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Vereinheitlichung des deutschen Rechts im Wesentlichen abgeschlossen sein wird, wird diese nationale Bedeutung des gemeinsamen Gerichts hofes noch erhöht werden, da er dann auch für das Königreich Bayern, den einzigen Bundesstaat, der ein eigenes oberstes Gericht beibehalten hat, die letzte Instanz in Sachen des bürger lichen Rechts sein wird. Das Reichsgerickt ist am Tage der Einführung der deutschen Gericktsorganisalion, dem 1. October 1870, ins Leben getreten. Jedoch schon bei der Gründung des Reiches konnte für ein beschränktes Ncchlsgebiet ei» deutscher oberster Gerichtshof fungiren, indem das von dem Norddeutschen Bunde errichtete BundesoberhandelS- gericht seinen Wirkungskreis aus das ganze Reichsgebiet ausdehute. Ter Sitz dieses Gerichtshofes, Leipzig, ging auf das Reichsgericht über, eine Entscheidung, die nicht ohne Widerspruch erfolgte, mit der man sich aber Wohl jetzt allenthalben ansgcsöhnt hat. Bisher war das Gericht in gemictheteu Räumen untcrgebracht, an deren Stelle nun ein seiner Bedeutung und seiner Aufgabe würdiger Bau tritt, zu dem der Grundstein am 3l. October 1888 gleichfalls in Anwesenheit des Kaisers gelegt worden ist. Möge das Reichsgericht im neuen Heim als Hort des Rechts in edler Volksthllmlichkeit blühen!" In Magdeburg haben bekanntlich die Tocialdemokratcn gegen vie Stellungnahme der soeialdemokratischen Abgeord neten im bayerischen Landtag lebhaft protestirt, und das Organ der Magdeburger „Genossen" fordert mit dürren Worten die Anwendung des Liebknechl'schen Dictnms „Wer sich nicht fügt, stiegt" gegen Grillenberger und Anhang. Der „Vorwärts" verweist der „Magdeburger Volksstimme" diesen „Untcrossicierston" und erklärt, er betrachte die Genossen nicht als Rccruten, die man nach Belieben anschnauze und rechts um! links um! commandire, und einen soeialdemokratischen Parteitag nicht als ein katholisches Concil, dessen Beschlüsse bei Strafe der Excommunication nicht krilisirt werden dürften. An anderer Stelle tritt das Blatt der „Mißdeutung" des Breslauer Be schlusses betreffs des Agrarprogramms entgegen und betont, es sei eine „absolut falsche Darstellung", wenn dieser Beschluß des Parteitags dahin ausgelegt werde, daß mit der „Versenkung der Agrarcommission in den Wellen der Oder" die agrarische Frage für die Social- demokratie auf ewig beseitigt sei. Diese Stellungnahme des „Vorwärts" entspricht vollständig der Haltung, welche Liebknecht und Bebel in Breslau eingenommen haben. In seiner Scklußhetrachtung über de» Parteitag erklärte der „Vorwärts": Es bleibt Alles beim Alten; nur die Agrar commission ist beseitigt. Jetzt bestätigt er diese Auffassung, indem er sich eine Abfertigung der „Magdeburger Volks- stimme" durch das „Hamburger Echo" zu eigen macht, welches als die Quintessenz der Breslauer Verhand lungen und Beschlüsse die Gewinnung einer „sicheren Grundlage für eine befriedigendere Stellung zur Agrar frage" bezeichnet und die Logik der Schlußfolgerung bestreitet, nach der Annahme der Kautsky'schen Resolution sei kein Parteigenosse mehr befugt, seine» vordem zu Gunsten der Bauern eingenommenen Standpunct weiterhin zu ver treten. In der sociaidcmokratlschen Parteileitung betrachtet man demnach die Agrarfrage keineswegs als mit den, Breslauer Beschlüsse abgetban. Bielleicht ist man dorr der Meinung, daß, nachdem der Parteitag in Breslau dem revolulionairen Princip der Partei Genüge geleistet, ein anderer Parteitag sich bereit finden läßt, auch den „taktischen Rücksichten" Rechnung zu tragen, welche Bebel im Interesse der „Bauernfängerei" predigt. Vor derhand soll Denjenigen, welche dieses Geschäft schon bisher theoretisch und praktisch betrieben, kein Hinderniß in den Weg gelegt werden. Daß die Resolution KaulSky ein solches Hinderniß nicht ist, haben wir schon früher betont. Die Reso lution bat eine Fassung erhalten, welche es den Anhängern der Richtung Schvnlank-Bollmar nicht im Mindesten zur Pflicht macht, ihre bisherigen Gepflogenheiten rundweg zu opfern und sich unter allen Umständen de» Bauern als nackte Revolutionaire zu präsentiren. Die Demonstration der socatdemokratischen bayerischen Kammermitglieder richtet sich denn auch vielleicht weit weniger gegen diese Resolution, als gegen gewisse rednerische Leistungen auf dem Breslauer Parteitag. Wenn die „Magdeburger Volksstimme" in dem Tone der Frau Zetkin gegen die Kundgebung der bayerischen „Genossen" donnert unddiese Kundgebung als „im schreienden Widerspruch zu den Beschlüssen des Parteitags" befindlich denunciren zu müssen glaubt, so ist das nur ein Beweis dafür, daß die Gegner Bebel's mit der Resolution KaulSky eigentlich — hinlergangen sind, da diefelbe nicht das aussprichl, was sie gedacht haben. An die Eingabe des Alldeutschen Verbandes an den Reichskanzler, worin die verbündeten Negierungen ersucht werden „rar VXibrnna des Reiches mit aller Energie und ohne jede Rücksicht auf das Mißwollen anderer Staaten die Erwerbung eines aus reichenden, starken und gesicherten Besitzes — sei cs eines Hafens oder einer Inselgruppe — in den chinesischen (Kcuiäffcru zu betreiben", haben wir kürzlich die Bemerkung geknüpft, daß eine solche Erwerbung wohl nur unter dem Drucke einer Mehrzahl von europäischen Mächten sich würde erzielen lasten. In der Münchener „Allgem. Zlg." finden wir nun eine Auslassung, in der ein anderer Weg zum Ziele vorgeschlagcn wird. Diese Auslassung lautet: ,,J» industriellen und gewerblichen Kreise» erhält sich der Glaube, daß es der deutschen Regierung doch »och gelingen werde, dajür, daß sie in Geineinjchast mit der russischen und sranzösischen für China einen annehmbareren Frieden durchgesetzt hat, von letzterem auch Concejstonen zu erhalten, die als Erfüllung des langgehegten Wunsches gelten dürfen, einen Slützpunct für die wirthichaslliche Bethätigung Deutschlands in Lslasien zu gewinnen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Rußland Labet ist, sich im Norden Chinas festzusetzen, Frankreich andererseits hat längst die Vorbedingungen geschossen, um ein Gleiches im Süden zu thun. Warum legt da Deutschland, so fragen sich die Kreise, welchen das wirlhjchastliche Gedeihen des Vaterlandes stark am Herze» liegt, nicht die Hand beispielsweise auf Shanghai? Wenn deutscherseits nicht bald Anstalten getroffen werden, um Versäumtes nachzuholen, so dürfte es auch mit dem Handel und der Küslenschissfahrt, aus dem jetzt Deutsche Vortheil ziehen, bald vorbei sein. England hat sich in analogen Fällen nie besonnen, rasch zuzu greifen, und es ist meist gut dabei gefahren. Wir sind in dieser Beziehung kleinmiUhig und verzagt, und haben doch keinen genügenden Grund dazu. Ein unerläßliches Ersorderniß freilich, um draußen etwas zu gelten, bleibt, daß wir mehr Schiffe bauen. Daß wir hierzu zu arm seien, ist nicht wahr; wir müssen nur unsre Mittel anders anlegen als bisher. Und was für eine gute Capitalsanlage der Bau von Schissen ist, zeigt die Geschichte Englands, das zur Zeit der Königin Elisabeth bekanntlich »och ein armes Land und nicht entfernt im Stande war, es mit Deutschland oder Frankreich auszunehmen. Wie unzulänglich unsre inaritimen Hilfsmittel noch sind, zeigt schon ei» Vergleich der Zahl und Größe der Schiffe, welche Rußland und England, Frankreich Und Deutschland augenblicklich in den ostasialischen Gewässern haben. Und nicht nur das. Den gewaltigen Anstrengungen gegenüber, die Rußland zur See macht, halten wir schon, soweit nur die Ostsee in Betracht kommt, nicht mehr Stand. Und die Summen, für welche Frankreich neuerdings Schiffe bauen will, sind jedem Zeitungsleier zu Gesicht gekommen; ja selbst Italien, von dem alle Welt weiß, daß es die Mittel nicht leicht ausbringt, um seine Machtstellung zu be- haupten, leistet in dieser Richtung sehr viel. Nichtsdestoweniger lautet die Devise der deutschen Nationalvertretung im günstigsten Falle nach wie vor: Immer langsam voran! Wenn sich die Regierung aber nicht aus eine genügende Zahl von Schiffen stützen kann, ist sie auch nicht im Stande, Forderungen, die im Juteresse des wirthschasllichen Gedeihens der Nation liegen, kraftvoll und mit dem erforderlichen Nachdruck zur Geltung zu bringen, geschweige denn durchzusetzen." Jedenfalls ist eine Verstärkung unserer maritimen Hilfs mittel unerläßlich, wenn Deutschland in den Stand gesetzt werden soll, Forderungen, die im Interesse des wirthschast- licken Gedeihens der Nation liegen, kraftvoll und mit dem erforderlichen Nachdruck zur Geltung zu bringen. Wenn die verbündeten Regierungen mit ihren Forderungen an China aber warten wollten, bis ' jene Verstärkung zur Thalsache geworden wäre, so würden vielleicht inzwischen Ereig nisse eintreten, die unserer Marine ganz andere Aufgaben stellten. Mit diesem „Wege zum Ziele" ist es also nichts. Andererseits können wir uns der Besorgniß nicht entschlagen, daß die verbündeten Regierungen an dem Passus der Ein gabe des „Alldeutschen Verbandes" „ohne jede Rücksicht auf das Mißwollen anderer Staaten" Anstoß nehmen und seinetwegen die Eingabe ablehnen. Es dürfte sich deshalb, wenn die Eingabe im Reichstage zur Be sprechung gelangen sollte, empfehlen. >enrn Vast»« ,,rria)cn voer durch ebnen anderen zu ersetzen, der die ver bündeten Regierungen ausford ert, sich die Unterstützung oder doch die Neutralität der betreffenden Mächte zu sichern. Im Vatikan ist der „Winter unseres Mißvergnügens" eingezogen, man bat dort üble Laune und nickt ohne Grund, denn mit den weilschweifenden Plänen des Papstes, welche auf die Wiedervereinigung aller christlichen Kirchen unter dem römischen Krummstab hinauslaufen, gebt es nicht recht vor wärts, in Frankreich baben in der Bestcuerungsfrage die Congregationen den Kürzeren gezogen, in Ungarn ist den „kirchenl'chänderischen" Ehegesetzen die letzte Sanction zu Tbeil geworden, in Italien hat man den 21. September, den Ge denktag der nationalen Einigung gefeiert, und die Hoff nungen, welche der Papst auf Rußland und die Ernennung eines russischen Gesandten beim Latican gesetzt hat, erweisen sich, wie wir das seiner Zeit vorausgesagl haben, als trügerische. Bekanntlich hat unlängst, was die Be ziehungen zwischen Nom und Petersburg des Nähere» betrifft, die russische Negierung eine Verordnung er lassen, nach der die Zöglinge der katholischen Semi nare vor ihrem Eintritte ihre Kenntniß der russi schen Sprache auszuweisen baben. Der betreffende Ukas schreibt weiter vor, daß die Seminaristen während ihres Studienganges jährlich vor staatlichen Funetionairen eine Prüfung aus dem Russischen ablegen müssen, und ihre Zu lassung zur Seelsorge wird in Zukunft von der vollständigen Beherrschung der russischen Sprache abhängig sein. Dieser vom Zaren und dem Procurator der heiligen Synode, Msgr. PobjedonvSzew, Unterzeichnete Ukas, von welchem der Papst Kenntniß erhielt, hat auf diesen einen sehr peinlichen Eindruck gemacht. Leo Xlll. hat seiner tiefen Verstimmung über diese „vexatorische" Maß regel Ausdruck gegeben, welche von der Curie als ein „neuer Act der Intoleranz" der russischen Re gierung gegenüber der katholischen Geistlichkeit in Polen aufgefaßt wird. Der Papst war (wie die „Pol. Corr." verrälh) von dieser Verordnung umsomehr überrascht, als an die Thronbesteigung des Zaren Nicolaus II. und an die Ernennung des Grafen Schuwalow zum Generalgouverncnr von Warschau „freundliche" Hoffnungen mit Bezug auf das Schicksal der katholischen Geistlichkeit in Polen geknüpft wurde». In den kirchlichen Kreisen RomS wird angesichts jenes Ukases die Bemerkung laut, daß die russische Negierung die vom Cardinal-Staatssecretair Nampolla schon so oft an den Tag gelegte russenfreundliche Haltung schlecht lohne. Wie verlautet, wird Rampolla an den russischen Gesandten bei dem Vatican, Jswolski, wegen der erwähnten Verordnung eine Beschwerde richten. — Einen Erfolg hat der Barican allerdings zu verzeichnen, der König von Portugal hat seine Reise nach Rom und seinen Besuch im Quirinal aufgegeben, weil der Papst drohte, er würde, falls der Besuch stattfände, den Nuntius aus Lissabon abberufen. Aber cs scheint ein Pyrrhussieg zu sein, denn möglicherweise knüpfen sich an denselben für den Vatikan noch sehr unangenehme Conseguenzen. So schreibt man der „Franks. Zlg." aus Rom: „Italien scheint vor einem Culturkampf zu stehen, dessen Vorspiel der portugiesische Zwischenfall war. Die „Tribuna" bringt »äinlich einen ernsten Artikel, der eine energische Kirchenpolitik verlangt, und den Schluß der Rede Crispi's bei der Einweihung des Garibaldidenkmals. Das Blatt knüpft daran die Bemerkung, der Kampf sei vom Vatican aufgezwungen worden. Man brauche nicht das Garansiegesetz auszuheben; aber ps sei nöthig, gegen die Schaarcu! vor- „v» vu»vu» ouviknoer, womit die poli'tisirende Geistlichkeit gemeint ist. Das Blatt beruft sich auf das Beispiel Oesterreich-Ungarns und Frankreichs. Auch die Frage der Ehe» scheidnng und eines Civilgesetzes bedürfe der Regelung. Ein Ge- jchehenlassen sei gleichbedeutend mit einer Abdankung des Staates. Ter jetzige Zustand und der llebermuth der Kirche und der Kirchen» genossenschafren entstamme der allzugroßen Toleranz des Staates. Beachtenswerth ist auch, daß die private „Agenzia Jtaliana" einen halbamtlichen Artikel bringt, in dem gesagt wird, die Regierung sei entschlossen, ein Gesetz über die höhere Geistlichkeit und die Land- psarrcr einzubringen, wodurch diese von den Bischöfen unabhängiger würden. Gleichzeitig wird angedeutet, daß auch das Garantiegesetz revisionssähig sei." Nach der Haltung der ofsiciösen italienischen Presse hat cs allerdings den Anschein, als schicke Crispi sich dazu an, gegen den Valican von jetzt ab eine schärfere Tonart an zuschlagen. Die jüngsten Depeschen aus Dokobama schildern die Situation in Korea als recht ernst, sowohl das Reuter'sche Bureau wie die New-Aorker „World" lassen die Schuld der Japaner an den revolutionairen Vorgängen in Soeul, Schwere Kümpfe. Rom au aus -cm grotzen Kriege. 47j Von Carl Tanera. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Diesen Herren zeigte man alles SebenSwertbe, kneipte mit ihnen und fand somit stets von Neuem Gelegenheit zu üppigen Festen. De» Glanzpunct in Allem bildete das Leben in Versailles. Auch Horn ritt öfter nach dieser schönen und unterhaltenden Stadt. Zu seiner größten Freude fand er seinen Freund Thorstraten noch dort, der sich in der Rcconvalcöcenz befand. Er hätte Wohl zu seinem Trnppcn- tbeil zurückkehren können. Jetzt aber, wo es dock nichts zu thun gab, folgte er dem Rath seines Arztes, blieb noch in Versailles und heilte sich gründlich aus. Später, als die Friedensaussichten immer greifbarere Gestalt annabme», meinte der Arzt, er solle überhaupt die beschwerliche Reise nach Le Mans gar nickt mehr unternehmen, sondern in Versailles abwarten, bis sein Regiment aus dem Süden zurückkehre und er sich dann anschließen könne. Er that es, und darum sahen sich die beiden Freunde noch öfter und verlebten schöne Stunden mit einander. Sie lernten sich gegenseitig täglich mehr schätzen und traten sich immer näher. 21. Obwohl im Laufe des Waffenstillstandes wiederholt Ge rüchte auftauchte», daß nach Ablauf desselben die Feindselig keiten wieder eröffnet würden, weil die Franzosen een Prä liminarfrieden nicht unterzeichnen wollten, so befestigten sich dock am 20. Februar die FriedenSbvffnungen derart, daß der Waffenstillstand verlängert wurde. Vom l. März an sollten drei Staffeln von je 30 000 Mann den schönsten Theil von Paris bis zur Unterschreibuug des Friedens besetzen. Für die dritte Staffel waren die Sachsen, die Bauern des CorpS von der Tann und die Württemberger in Aussicht genommen. Man hatte bereits alle Vorbereitungen getroffen und sprach beim Stabe der 3. Brigade am 1. und 2. März von nichts Anderem mehr als von dem für den 5. angeord neten Einmarsch. Da traf am 2. Nachmittags der telegraphische Befehl ein, daß der Einmarsch der 2. und 3. Staffel nicht stattfinde, da die Franzosen den Friedcnsvertrag schneller, als man erwartet, unterzeichnet hätten. „Das ist doch zu ärgerlich. Nun war alle Freude vergebens. Jetzt hätten die Franzosen auch noch einige Tage zögern können." Es ließ sich aber nichts ändern. Etwas mißmuthig brachten die Herren des Brigadestabes den Abend in Maison Alfort, wo sie nunmehr einquartiert waren, zu. Gegen 7'/jj Ubr meldete sich ein preußischer Ulan und fragte nach dem Oberlieutenant Horn. „Ich bin es. Was wünschen Sie?" „Herr Lieutenant Thorstraten sendet mich von Versailles hierher, um den Herrn Oberlieutenant aufzufordern, morgen früh 8 Uhr mit ihm nach Paris zu reiten. Wenn der Herr Oberlieutenant Urlaub erhalten könnten, so möchten sich die Herren pünctlich zur genannten Stunde am Ostausgang von Bas Meudon treffen. Ter Herr Lieutenant läßt um Antwort bitte»." Der Ulan batte die Meldung im Kreise der Ossiciere des BrigadestabeS so laut vorgebracht, daß der General jedes Wort verstand. Daher fügte Horn nur bei: „Herr General, darf ich auf Grund dieser Aufforderung für morgen ganz gchorsamst um Urlaub bitten?" „Meinetwegen, Sie Glückspilz. Wir werden morgen wobl obne Sie auskommcn. Nehmen Cie sich aber in Acht, damit Ihnen nichts zustößt, und erzählen Sie uns übermorgen, was Sie erlebt!" „Ich werde den Herren genauesten Bericht erstatten." Er entließ nun den Ulanen mit einem reichen Trinkgeld und gab ihm einen kleinen Brief für den Lieutenant Tbvr- straten mit. Hierauf ordnete er Alles für den morgigen Ritt an. Da es für ein Pferd eine zu große Anstrengung sein würde, Vormittags über Meudon nach Paris, dann »ack Versailles und Abends zurück »ack Maison Alfort zu traben, so mußte Witzelberger den arabischen Schimmel Horn s in aller Frühe »ach Bas Meudon bringen. „Wirst Du Dich denn gut dorthin finden?" „Hamm S' koa Sorg' »it, Herr Oberleitnant. Wann S' mir nur die Name vun dene Ort, durch die i' kemma muß, a bisserl afschreib'n that'n, aba deitsch, damit i' s' les'n kan», nachcr gehts scho'." „Gut. Du reitest hier über die Seinrbrücke. Dann passirst Du folgende Orte: Schantilli (Gentilly), Monrusch (Montrouge), Wanv (Vanves) und Jssy. Tort wendest Du Dich links aus dem Ort und bist in etwa 20 Minute» am Ostausgang von Ba MLdon (BaS Meudon). Mit Hilfe dieses Zettels kannst Du Dich bei Mannschaften und Ofsicieren turchfragen. Marschire um 3 Uhr Nachts ab, dann wirst Du etwa um 7 Ubr dort sein." „Wer'n wir scho' mack'n, Herr Oberleitnant. I' nimm aa oan Haber mit un gib 'm Schimmel nomal z' fress'n, eh daß S' kemma." „Recht so. Leg' Dich jetzt gleich nieder und schlaf noch einige Stunden. Der Mayer soll mir morgen früh 5 Uhr den Braunen bereit Hallen. Gute Nacht." „Guat Nacht, Herr Oberleitnant." Um Viertel wor 8 Uhr trabte Horn am 3. März aus Jfsy gegen Bas Meudon. 10 Minuten später tras er dort selbst ein. Er erkannte schon von Weitem seinen getreuen Witzcl- berger und seinen munter fressenden Schimmel. Im gleichen Augenblick, in dem er hielt, trabte aus Meudon Lieutenant Thorstraten heraus. „Guten Morgen, Gustav! Das nenn ich pünctlich!" „Na, ich werde doch Pünktlichkeit in meiner Dienstzeit ge lernt haben. Guten Morgen» Ludwig! Können wir gleich weiter reiten?" „Sofort. Ich wechsle nur das Pferd." Bald war Horn bereit. Wiyclbcrger durfte auf dem Braunen nach Maison Alfort zurückreiten. Thorstraten begann: „Ich babe mich sehr genau orientirt. Wir traben über die Pontonbrücken hier bei Bas Meudon; dann wenden wir »nS durch Billancourt und Boulogne, ein Stück durch das Bois und hierauf durch die Porte de Passy in die Stadt selbst. Innen müssen wir schnell den Are de Triompbe erreichen, denn gegen Mittag verlassen die letzten Truppen Paris." „Also loS." In langem gestreckten Trab kamen beide Ossiciere nach kaum einer kalben Stunde an dem Sladtthor von Paris an. Die dortigen französischen Nationalgardenposten sahen sie ver wundert an, ließen sie aber unangefochten vorbei. Immer in schlankem Trab passirten sie die lange R»e de Passy. Wenig Menschen standen auf der Straße und blickten erstaunt den beiden deutschen Ofsicieren nach. Auf dem Trocadsro-Platz war jedoch eine Kopf an Kopf gedrängte Masse versammelt, die aber von Sergrants de Ville verhindert wurde, auf die westlich« Hälfte des Platzes zu treten. „Wir wollen jetzt Schritt reiten, sonst meint der Mob, wir hätten Angst." Auf diese Aufforderung Horn's parirten Beide die Pferde und ritten langsam an der Menge vorbei. Sie bekamen alles nur Mögliche zu kören. Von dem einfachen Hinweis: ,.VoiIä ckeux ollicier8 prusbiens!" bis zu den gräulichsten Schimpsworten wurde ihnen eine ganze Stufenleiter von Be zeichnungen zugerufen. Beide »baten aber, als ob sie keine Silbe französisch verständen. So kamen sie durch die da malige Avenue Josephine auf den Nond Point de l'Etoile. „Ab, das ist herrlich!" Jedes Deutschen Brust mußte sich auch vor Entzücken bebe», als er diesen Anblick genoß. In der Mitte des großen schönen Platzes der mächtige Are de Triomphe; rings herum prunkende Paläste und breite, jetzr freilich noch blätterlose Alleen; nach der Stadt hinein die herrlichste Avenue, die man sich denken kann, die Cbamps ElyseeS, und nach allen anderen Seiten strahlenförmig wette, unabsehbare Avenuen, eine schöner wie die andere! Was aber diesem prächtigen Städtebilv einen für Deutsche wnnrcr- baren Zauber verlieh, daß war die heutige Sraffage durch die deutschen Truppen. Bor der Ausmündung der Cbamps Elysses hielt je eine halbe Batterie preußischer Artillerie. Hutter den Geschützen standen Husarensckwadronen »ist gezogenen Säbeln. Auf dem nördlichen Tbeil hielt ei» preutzischer Divisions-General mit einer überaus glänzenden Suite von etwa bunkert Ofsicieren und nahm den Vorbei marsch seiner gerade berauSmarschirenden Division ab, und aus den Champs Elysses schob cs in lange» dunklen Colonnen beran. Es waren die im Parademarsch Paris verlassenden Truppen. Ei, wie die Pariser Angen machten, als sie einen so strammen Marsch sahen! Und das waren noch dazu Truppen, die einen siebenmonatige» Feldzug hinter sich batten. Horn und Thorstraten fühlten sich in höchstem Grate begeistert. Nachdem sie sich das packende Bild genugsam vom Platz auS angesehen hatten, trabten sie die Cbamps Elysöes hinab. Zuerst die hohen, reich ausgestatteten Häuser, dann die Prachtbauten dcö Cirque de l'Jmperatrice und dcs PalaiS de l'Jndustrie, und zuletzt die unvergleichlich schone Place de la Concorde mit dem hoben Obelisken von Luksor, den Statuen der Städte und den Brunnen, im Hintergrund der Tuileriengarte» mit dem gewaltigen Kaiserschloß machten einen tiefen Eindruck auf die beiden freunde. Sie sahen sich möglichst um und ritten dann neben einer RegimentSmusik wieder nach dem Are de Triomphe zurück. Dort marschirten
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