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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.12.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-12-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951203022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895120302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895120302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-12
- Tag1895-12-03
- Monat1895-12
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Ihre Ar beiten fallen in die Tage der Erinnerung an die gro ße Zeit, in welcher vor einem Bierteljahrhundert die Frucht der ruhmreichen Kämpfe erwuchs, deren Andenken wir unlängst gefeiert haben. — Die Begründung des Reiches, die Einheit und Machtfülle des Vaterlandes war der SiegeSpreis, der unter des großen Kaisers Führung durch das treue Zusammensteheu der deutschen Fürsten und Völker, den Heldenmuth unserer Heere, die Weisheit unserer Staatsmänner errungen wurde. In dankbarem Rückblicke auf jene Tage sich des Besitzes der schwer erworbenen nationalen Güter neu bewußt zu werden, getragen von diesem Bewußtsein, den Sinn auf das Ganze, daS Einende in allem Streite der Meinungen und Interessen gerichtet zu halten, solches ziemt dem deutschen Volke und dem deutschen Reichstage, der selbst eine Errungenschaft jener Kämpfe ist. Ihm liegt es ob, gemeinsam mit den verbündeten Regierungen auf dem vor fünfundzwanzig Jahren gelegten Grunde weiter zu bauen in der von der Verfassung vorgezeichneten Richtung zum Schutze und zur Entwickelung des nationalen Rechts und zur Pflege der Wohlfahrt deS deutschen Volkes. In dieser Richtung, geehrte Herren, liegen auch die Be- rathungsgegenstände, die Ihre Thätigkeit in Anspruch nehmen werden. Als bei dem Schlüsse der Session, in welcher die großen Proceßgesetze zur Verabschiedung gelangten, der hoch- selige Kaiser Wilhelm am 22. December 1876 den Reichstag um sich versammelte, gab er der Hoffnung Ausdruck, daß der damals erreichten Einheit ans dem Ge biete der Rechtspflege die Rechtseinheit auf dem Gebiete deS gesammten bürgerlichen Rechts folgen werde. Diese Hoffnung soll jetzt ihre Erfüllung finden. Im Laufe der Session wird Ihnen der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches vorgelegt werden. Durchdrungen von der Bedeutung, welche der endlichen Beseitigung der großen Verschiedenheiten auf dem Gebiete deS bürgerlichen Rechts für das Ansehen deS Reiches und für die wirtbschaftliche Entwickelung deS Volkes beiwohnt, haben die verbündeten Regierungen bei Prüfung des nach mühevoller Arbeit vollendeten Entwurfs bereitwillig Opfer ihrer Wünsche und ihrer Ansichten gebracht. Sie geben sich der Hoffnung hin, daß der Reichstag in gleichem Geiste an die Berathung herantreten und daß eS so gelingen werde, zum Segen des Vaterlandes das große Werk zum Abschluß zu bringen. Der Versuch, in das gerichtliche Stra fverfahr en neue Bestimmungen einzuführen, welche die Schnelligkeit und die Gerechtigkeit der Strafverfolgung erhöhen, hat in der vorigen Session nicht zum Ziele geführt. Es wird Ihnen von Neuem ein Gesetzentwurf zugehen, durch welchen die erforderlichen Aenderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafproceß- ordnung in Vorschlag gebracht werden. Neben diesen Aufgaben im Bereiche nationaler Rechts entwickelung wird Ihre Mitwirkung für eine Reihe von Vorlagen in Anspruch genommen werden, die der Wohl fahrt der Erwerbsstände zu Gute kommen sollen. DaS Handwerk, dessen Gedeihen zu fördern die ver bündeten Regierungen als eine ihrer vornehmsten Aufgaben an» sehen, entbehrt zum weitaus größten Theile einer geordneten Vertretung, während den Regierungen für die der Lösung harrenden schwierigen Organisationöfragen der mitwirkende Beirath zahlreicher Kreise des Handwerkerstandes fehlt. Zur Beseitigung dieses Mangels und zugleich als erster Schritt zur Lösung der Organisationsfrage ist eine Gesetz vorlage über die Errichtung von Handwerkskammern bestimmt. Mit dem Börsenhandel, dessen entwickelte Formen bei der heutigen Ausdehnung des Umsatzes von Maaren und Werthen nicht entbehrt werden können, sind Gefahren verbunden, die sich zum Schaden des Volkswohlstandes oft genug fühlbar gemacht haben. Auch Volkskreise, die sich an Börsengeschäften nicht zu betheiligen pflegen, namentlich die Producenten landwirthschaftlicher Erzeugnisse, können durch den preisbildenden Einfluß der Börse in ihren wirtbschaftlichen Interessen betroffen werden. Solchen Mißständen nach Möglichkeit zu begegnen, bezweckt der an die Vorschläge der Börsen-Enquete-Commission anknüpfende Entwurf eines Börsengesetzes, der Ihnen nebst einer ergänzenden Vorlage über das kaufmännische Depot- wesen unverweilt zugehen wird. Gegen eine Gruppe von Auswüchsen im Handel tmd Wandel richtet sich ein Nnem Beschlüsse deS Reichstages ent gegenkommender Gesetzesvorschlag zur BekämpsungdeS unlauteren Wettbewerbes. In ähnlicher Richtung bewegt sich eine Vorlage, welche die gesetzlichen Vorschriften über den Verkehr mit Ersatzmitteln für Butter im Interesse der Molkereiproduction zu erweitern unternimmt. Da die an daS geltende Zuckersteuergesetz geknüpfte Erwartung einer internationalen Aushebung der Ausfuhrzuschüsse sich bisher leider nicht erfüllt bat, und im Hinblick aus die ungünstige Rückwirkung, welche die allgemeine Lage des Zuckermarktes auf die landwirthfchaftlichen Erwerbsverhält nisse auSübt, hat sich der lebhafte Wunsch nach einer umfang reichen Reform der einschlägigen Gesetzgebung geltend gemacht. Die schwierige Aufgabe ist zur Zeit Gegenstand der Er wägung der verbündeten Regierungen. Schon in ver letzten Tagung ist Ihnen ein Gesetzentwurf vorgelegt worden, der die Gewerbeordnung unter Anverem in den auf das Wandergewerbe bezüglichen Vorschriften abzuändern bezweckt. Dieser Entwurf ist einer wiederholten Prüfung unterzogen worden und wird Ihrer Beschlußfassung von Neuem unterbreitet werden. In den am 1. April d. I. in Kraft getretenen Vorschriften über die Sonntagsruhe der gewerblichen Arbeiter erblicken die verbündeten Regierungen einen bedeutsamen Schritt auf dem Gebiete der Fürsorge für das Wohl der arbeitenden Elasten. Mit Genugthuung darf hervorgehoben werden, daß diese Vorschriften im Allgemeinen ohne Benach- theiligung berechtigter Interessen durchgeführt sind. Bei sorgfältig vorbereitetem schrittweisen Vorgehen wird auch die noch auSstehrnde Ausführung der auf den Schutz der Arbeiter gegen gesundheitsschädliche Ueberanstrengungen abzielcnden Bestimmungen der Gewerbeordnung sich, soweit dafür ein Bedürfniß anzuerkennen ist, ermöglichen lassen. Die Entwürfe der Haushaltpläne des Reichs und der Schutzgebiete für das nächste Etatjahr werden Ihnen unge säumt zugehen. Trotz sparsamer Bemessung der Ausgaben waren die allen Bundesstaaten gemeinsamen Matricular- bei träge nicht unerheblich höher einzustellen, als die nach vorsichtiger Schätzung zu erwartenden Ueberweisungen. Immerhin hält sich aber die noch verbleibende Be lastung innerhalb der Mehreinnahmen, welche in dem jüngst abgelaufenen Rechnungsjahre über die etatmäßige Annahme hinaus den Einzelstaaten auS Zöllen und Verbrauchsabgaben zugeflossen sind. Auch die laufende Etatsperiode verheißt nach den bisherigen Ergebnissen einen günstigen Abschluß. Treten demgemäß die Unzuträglichkeiten, welche für die Finanzwirthschaft der einzelnen Bundes staaten aus ihrer Beziehung zum Reichshaushalt ent springen, gegenwärtig weniger in die Erscheinung, so bleibt es doch eine ernste Aufgabe der Gesetzgebung, dem Reiche und seinen Gliedern auf den Gebieten ihres Finanzwesens ein höheres Maß gegenseitiger Unabhängigkeit zu sichern. Die guten und freundlichen Beziehungen deS Reichs zu allen auswärtigen Mächten dauern un verändert fort. Im Verein mit den Regierungen Ruß lands und Frankreichs ist Deutschland bemüht gewesen, den auS dem Kriege der beiden großen asiatischen Reiche drohenden weiteren Verwickelungen vorzubeugen. Unsere Be strebungen sind Daük der verständnißvollen Mäßigung der japanischen Regierung von Erfolg gewesen und werden mit dazu beitragen, Deutschland» Gewerbefleiß und Handel ein Feld friedlichen Schaffens zu erhalten und zu erweitern. Den beklagenSwerthen Vorgängen im türkischen Reiche und der dadurch geschaffenen Situation ist unsere ernste Auf merksamkeit zugewandt. Getreu seinen Bündnissen und den bewährten Grundsätze» deutscher Politik ist das Reich allezeit bereit, mit de» durch ihre Interessen in erster Reihe berufenen Mächten zusammen zu wirken, um der Sache deS Friedens zu dienen. Die Ein- müthigkeit des Entschlusses aller Mächte, die bestehenden Vorträge zu achten und die Regierung Sr. Majestät des Sultans bei Herstellung geordneter Zustände zu unterstützen, begründet die Hoffnung, daß den vereinten Anstrengungen der Erfolg nicht fehlen werde. Auf Allerhöchsten Befehl erkläre ich im Namen der ver bündeten Regierungen den Reichstag für eröffnet." ES war vorher bekannt, daß der Kaiser diesmal —zum ersten Male, seitdem er den Thron bestiegen — den Reichs tag nicht in Person eröffnen würde, obgleich in die jetzt be ginnende Sitzungsperiode die 25. Wiederkehr deS Tages der Eröffnung des ersten deutschen Reichstags fällt. E» hat daher nicht anSbleiben können, daß Gründe für dieses Fernbleiben, für diesen Verzicht des Monarchen, vor den gewählten Vertretern de« Volkes dem Hochgefühle der nationalen Erinnerung Worte zu leihen, gesucht wurden. Und ebensowenig konnte eS aus bleiben, daß der überwiegende Theil der Presse diesen Grund in der Verstimmung deS Kaiser« gegen den jetzigen Reichs tag oder vielmehr gegen dessen Mehrheit zu finden meinte, einer Verstimmung, die schon einmal zu scharfem Ausdruck gekommen ist. DaS ist eine bloße Vermutbung, die vielleicht niemals zur Gewißheit erhoben wird; jedenfalls aber wird sie auch nicht widerlegt durch den Wortlaut der Thronrede, die kein Wort enthält, daS Ver trauen deS Kaisers in die Wirksamkeit desReichStagS ausspricht, und nur einmal die froheHoffnung auf befriedigende Erledigung der ihm gestellten Aufgaben auS drückt. Ja an einer Stelle tritt der Mangel an Vertrauen offen zu Tage: an der Stelle, wo von der Finanzlage des Reiches und der Nothwendigkeit eines freieren Ver hältnisses zwischen der ReichSfinanzwirthschaft und den Finanzen der Einzelstaaten -ie Rede ist. Trotz dcö verhältnißinäßig leidlichen Stande» des nächstjährigen Etats wird jene Nothwendigkeit entschieden betont. Aber als selbst verständlich wird vorausgesetzt, daß die ersehnte reichSgesetz- liche Feststellung mit dem jetzigen Reichstage nicht zu erzielen, sondern auf bessere Zeiten zu vertagen sein werde. Auch daraus, nochmals den Versuch zur Schaffung eines Gesetzes zu machen, das den Umsturz- bestrcbungen einen festen Damm entgegensetzen würde, verzichtet der Kaiser mit seinen hohen Verbündeten stillschweigend. Aus dem hoben Gewicht, daS er in so vielen seiner Reden auf die energische Bekämpfung dieser Bewegung gelegt hat, kann man ermessen, wie schmerz lich ihm der Verzicht ans eine Wiederholung deS schon einmal fehlgeschlagenen Versuches ist. Im klebrigen bält sich die Thronrede im Tone ernster Mahnung und tühler Auszählung der Vorlagen, welche die verbündeten Regierungen der Volksvertretung zu unterbreiten für ihre Pflicht gehalten haben. Kräftig tritt diese Mahnung in der Einleiung hervor, die an die große Zeit vor 25 Jahren erinnert und aus ihr die Pflicht ableitel, mit opferwilligem Gemeinsinn daS Wohl des Ganze», deS mit so großen Opfern erkauften Reiches, im Auge zu behalten. Wenn die Thronrede eS vermieden hat, an dieser Stelle an den opferwilligen Ge meinsinn jener Parteien zu erinnern, die iu dem ersten Jahr zehnt unserer neuen ReichSgeschichte so Großes und Grund legendes schufen, so ist auch daS ein Verzicht, der angesichts der jetzigen Parteiverhältnisse im Reichstage begreiflich, aber auch schmerzlich ist. WaS die Thronrede über die einzelnen Vorlagen sagt, die bereits auSgearbeilet und auf seltsame Weise bekannt geworden sind, oder noch deS Abschlusses harren, bedarf keines CommentarS. Es bietet inhaltlich nichts Neues und in der Form nichts, waS über den Charakter einer geschäftlich kühlen Ankündigung hinausginge. Nur an einer Stelle erhebt sich die Thronrede auS dieser listenhaften Aufzählung zu einem gewissen Schwünge: indem sie auf die Wichtigkeit des Bürgerlichen Gesetzbuches hinweist, spricht sie die Hoffnung auS, daß der Reichstag im gleichen Geiste wie die verbündeten Regierungen a» die Berathung herantreten und so daS große Werk zum Abschluß bringen werde. DaS ist die erste Stelle, an der der Kaiser von einer Hoffnung spricht — möge er sich wenigstens in dieser nicht getäuscht finden! Noch einmal kehrt das Wort Hoffnung wieder, und zwar Fenillctsn. Der Kampf ums Dasein. 89j Roman von A. von Gersdyrsf Nachdruck «ertöten. (Fortsetzung.) Da stand: „Lieber Franz! Du wirst Dich vielleicht Wundern, einen Brief von mir zu erhalten, da unsere Ver wandtschaft in letzter Zeit etwas getrübt war. Doch weiß ich, Du bist ein zu guter Mensch, um jetzt, wo Du dem Glück im Sckooße sitzt, Deinen alten Groll noch immer fest zu halten. Mir geht eS nicht so gut. Mein Geschäft, daS früher recht hübsch Geld abwarf, ist sehr erschüttert. ES ist, als ob Du seit dem Tage, wo ich Dich sozusagen nicht in mein Haus aufnebmen konnte, das Glück mit fort genommen hättest. Nickt nur mein ebelicker Friede ist seit der Geschichte mit dem geheimnißvollen Brief gestört — auch im Laden geht es mehr als flau. Es haben sich ganz in meiner Nähe zwei, sage zwei Eoncurrenten niedergelassen, der Eine mit großen Mitteln und der Anvere mit billiger Schundwaare. Fast alle Kunden baben sie mir wcggezogen, und Du machst Dir keinen Begriff, wie schrecklich ich von meiner Frau leiden muß deswegen. Wenn ich nun meinen beiden Concurrenten Nachkommen könnte, d. h. mein Geschäft vergrößern und mir auch eine Partie solcher billiger LuxnS- waaren halten, weil doch einmal solche Nachfrage darnach ist, dann könnte ich ja hoffen, die Concnrrenz ertragen zu können — aber — aber dazu fehlt mir eben daS Geld! Du, lieber Franz, würdest ein recht gutes Geschäft unter Umständen machen, wenn Du eine gewisse Summe in meinen Laden stecktest, die ich Dir natürlich verzinsen, hoch verzinsen würde —" „Gar nicht zu glauben! Kaum hat man einen sicheren Bissen Brot, gleich gehen die Bettelbriefe loS!" rief Wächter unmuthig. ,Fie» doch weiter!" bat Kathinka! „da kommt ja noch viel. DaS kann doch nicht Alle» vom Geschäft handeln." Wächter laS weiter: „Du mußt doch jetzt ein schöne» Gehalt bekommen und hast doch Alle» frei, freie Wohnung, freie» Leben, kannst doch also nur wenig da auf dem Lande verbrauchen. Bitte, lieber Franz, thue mir den Gefallen. E» muß Dir doch schmeicheln, daß ich jetzt zu Dir komme und Deine Großmuth mit einer solchen Bitte erwecke. Schreibe mir bitte sofort, wie Du meinen Vorschlag aufge- nommen hast. Da ich gerade beim Schreiben bin, meine Frau ist ausgeganzen und schon lange fort, ich bin immer unruhig seit der Briefgeschrchte, denn sie ist eine zu schöne Frau und sie hat 'ne leichtsinnige Ader — also da ich aerade beim Schreiben bin, kann ich Dir noch Einiges mittheilen, was Dich oder Deine Frau interessiren könnte. Sie haben den Fino erwischt. Er hatte sich versteckt bei einem Papier händler, der auch Chorist war und Schulze hieß und den die Polizei suchte, weil er und die Schulzen in einen Proceß rein gewickelt ist, und wie sie da das Nest au-hoben, da fanden sie den frechen Lump, den Briefschreiber, den Fino da auf dem Boden oder im Keller, wo man ihn doch in Amerika oder todt glaubte. Da haben sie denn kurzen Proceß mit dem ge macht und nun karrt er Steine oder macht in Wolle oder so. Zu gleicher Zeit haben sie noch eine Menge Unthaten von ihm aufgedeckt, und den feigen Hund so verängstigt, daß er heulend und zähneklappernd eine ganze Litanei von Un thaten, wo draus Gefängniß oder Zuchthaus stebt, hergebetet bat und eine Menge Leute angepetzt und reingezogen, mit Recht oder Unrecht, weiß ich nicht, denn ein Lugner war er doch auch und ein böses Subject, wie die Geschichte mit dem Brief beweist. So auf zehn Jahre wird eS wohl reichen, daß er ein festes Unterkommen und schöne Arbeit hat. Der Lustballonmensch, bei dem Du mit Deiner Kathinka Dich immer getroffen hast, hat aus ver Wechselgeschichte Geld herausbekommen, und ein Chemiker vom Gericht, der mir gegenüber wohnt, hat ihm eine Stellung gegeben, wo er nun ist. Er kaufte letzt Bindfaden und Ziernägel bei mir. Er bat eine Erfindung gemacht, ich weiß nicht, waS e« ist, so ein kleines Ding in die Küche, was ganz gut sein soll. Meine Frau bat e». Der Lieutenant, dem Du den Säbel zerbrochen hast, ist caput, wie eS scheint. Ich habe ihn neulich auf der Straße gesehen. Er sab miserabel aus — wird wohl nichts zu beißen und zu trinken baben, was für so Einen daS Schlimmere ist. Wa» ein Lieutenant ist, wenn der 'mal auS dem Fach kommt, und soll ein anderes Geschäft ergreifen, damit hapert e» immer meist — und sie geben da eüich um die Ecke, bi« sie'» satt haben und sich auf einer Bank im Thiergarten todtschirßen, oder auch Kutscher in Amerika werden. Für da» Letztere scheint der aber nicht die Muskeln zu haben. Sie war auch dabei und sie ist ein schöne» Weib und kann mir leid thun. Zu thun muß er wobl nicht» haben, denn sie bummelten am Hellen WerktagS-Mittag da so 'rum. Der Wirth von der „Schwarzen Katze", der Sally Salinger, wo Deine Kathinka bei war, hat Pleite gemacht und wieder aufgemacht, wie schon zehn Mal. DaS ist schon eine ordentliche Sorte Arbeit, die so Einer mit der Pleite macht, ein reinliche» Geschäft. Der Herr Derfflinaer hat'» mir erzäblt, als er nach Dir und Deiner Frau fragte, weil ich Wächter hieß und sie ihm Wohl mal in die Augen gestochen hat. Also mein lieber Franz, wenn e» in der Möglichkeit liegt, beantworte meine Bitte mit einem freundlichen Ja, denn mir geht e» alle Tage schlechter, und Du könntest ja nicht mebr ruhig schlafen, wenn ich die Bude zumachte und betteln ginge und Du hättest Dich so gerächt. Ich grüße Dich und Deine Frau. Dein treuer Vetter Fritz Wächter, Papier- und GalanteriewaarenhLndler. Franz saß eine Weile still und sah in den verglühenden Sonnenuntergang. Dann stand er auf, reckte sich, sagte gar nichts über den Brief und machte das Fenster auf. „Ich muß nun noch einmal hinunter — Du weißt ja — in Hof und Park Nachsehen, daß Alles geschloffen und versorgt ist." Sie nickte und überlaS für sich den Brief noch einmal. „Tbut mir doch zu leid, daß der arme Lieutenant da so zu Ende gehen soll!" sagte sie sanft. „Wenn der Vorarbeiter kommt wegen dem Speicher- schlüsiel — der Hofinspector hat ihn schon", sagte Wächter und ging. Der Abend sank, e» wurde Nacht. Kathiuka wartete aus ihren Gatten. Als er aber immer nicht kam, stand sie aus und ging zur Ruhe. Manchmal hatte er lange draußen zu thun. Endlich kam er. Er suchte nach dem Briefe, fand ihn und setzte sich damit an den Tisch. Die Stelle suchte er: „Der Lieutenant, dem Du den Säbel »erbrochen hast, ist caput, wie eS scheint —" Er las sie und legte die Stirn in dir gefalteten Hände. „Ich?! — War ich denn ich?! — Ein betrunkener Kerl — Herr Gott, wenn ich sein Gesicht noch sehe, und ich sehr e» immer noch — immer und ewig — diesen TodeSblick — ich seb' eS — immer und ewig! Könnte man den Tag zurücknehmen — der gewesen ist! Die Stunde ungeschehen machen, iu der mau nicht war, wa» mau ist! Könnte mau den Teufel todt machen, der in un» sitzt und unser beste» Leben vergiftet! Der Teufel beißt — ich glaube wirklich, er beißt Schlappheit. Schlappheit gegen un» selbst — oder gegen Da», wa» man so gern möchte — na — lo» — ich will mal schreiben!" Durch da» offene Fenster kam eintöniger Unkenruf und weicher Flügelschlaq der beißen Hochsommernacht, ab und zu ein fernes, Helle« Lachen, ein Aufschrei, ein wachsame« Gebell — ein Eulensckrei — bang und prophetisch: Komm mit, komin, komm mit! Wächter starrte auf den leere» Briefbogen, den er an der Briefmappe gezogen hatte; endlich schrieb er: „Lieber Fritz! Ich habe Deinen Brief erbalten und danke sehr. Mein Gehalt hier, ohne Wohnung und Leben, ist so klein, daß e» nur für unsere Kleidung langt. Ich kann also Deinem Ge schäft nicht aufhelfen in der Art, wie Du c» willst. Doch könnte ich Dir eine andere sagen. Nämlich bei un» hier in L., der kleinen Stadt, die am nächsten von uns ist, da fehlt Einer, der so ist, wie Du. Wir haben da keinen solchen Kaufmann mit Allem, was wir hier so brauchen. Du wärest der Erste und Einzige. Vom Lande sind viel Herrschaften, die kaufen würden, und ich könnte Biele Zufuhren, denn ich habe viel Ansehen. Also bedenke es. Seife und Papier, Rhabarber, Myrrbentinctur, Couverts, Anilin und Schmuck sachen, bloS ganz billige, die sind nöthig. Du könntest mir einen Gefallen thun, lieber Fritz, wenn Du nämlich auf ganz Bestimmte« herauSkriegen könntest, wie eS dem Lieutenant geht und ob schlecht und wie so. Schreibe mir daS gleich. Ich will eS wissen. Wahrscheinlich wirst Du nichts haben, um hierher zu kommen mit dem Laden. Ich kann Dir etwas gebe« Zweihundert Mark, ersten Oktober. Bitte, lieber Fritz, schreibe gleich wegen dem Lieutenant. Ist mir wichtig. Also zweihundert Mark ersten October, wenn Du kommen willst. Es lobnt sehr. Sehr gut wäre eS, wenn Du auch einige Lesebücher zum Verleihen mitbrinzen könntest. Im Winter ist da- sehr nöthig, und Dir bringt eS doch etwas Geld. Also bitte, schreibe gleich von wegen dem Lieutenant. Wie r» ibm geht. Ob er ge sund ist und etwas zu arbeiten hat. Es ist mir nämlich da» Allerwichtigste. Ich grüße Dich wie Deine Frau. Dein getreuer Vetter Franz Wächter, Inspektor auf Torkitte«. (Forts«tz»»g folgt.)
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