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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.12.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951206026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895120602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895120602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-12
- Tag1895-12-06
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Die Einsicht, daß eine Reform der sinanzwirtb- schaftlichen Ordnung im Reiche nöthiq ist, wenn die Einzel staaten vor schwerer Bedrängniß behütet werden sollen, ist bester gar nicht zu fördern, als durch eine Darstellung des Netto-Bedarfs im Ausgabe- und der Netto-Werthe im Einnahme-Etat. Auch den Reichstagswählern, die 1890 und 1893 den Oppositionsparteien zum Siege ver- holfen haben, kann eine bessere Belehrung kaum zu Tbeil werden, als wenn man ihnen eine wirkliche Uebersicht besten giebt, waS die besagten Mehrheiten bei den Wahlen ver sprochen, aber beim Geldbewilligen nicht gehalten haben, weil eben daS Unabweisbare sich nicht abweisen läßt, mag Jemand den Wählern vorgegaukelt haben, was immer er wollte. Die nachfolgende Uebersicht erstreckt sich lediglich auf daS, was der Reichstag von 1890 und der von 1893, die beide auf die Mehrheit Lieber-Richter-Bebcl gewählt sind, zu vertreten haben. Rechnen wir beim Militair- und beim Marine-Etat die zu gehörigen Titel des PensionS-Etats mit ein, so ergeben sich in Millionen Mark als Netto-Ausgabe-Bedarf (fortdauernde und einmalige ordentliche Ausgaben nach Abzug der eigenen Einnahmen der betreffenden Verwaltungen) die folgenden Ziffern, und zwar bis einschließlich 1894/95 Ist-Ergebnisse, für 1895/96 und 1896/97 Ziffern des Voranschlags: 1891/2 1892/3 1893/4 1894/5 18956 1896/7 Militair-Verwaltung Marine-Verwaltung Reichsschulden 505.16 63.89 55.81 509.57 64.17 58.69 531.32 70 82 65.17 556.59 72.14 68.70 562.83 77.66 73.95 566.34 82.64 75.92 zusammen Sonstige Verwaltung^-, 624.86 632.43 667.31 697.43 714.44 724.90 39.14 46.69 52.11 53 02 57.38 58.46 insgesammt 664- 679.12 719.42 750.45 771L2 783.36 Wir man sieht, beziffert sich die Steigerung bei Heer, Flotte und Reichsschuld in den fünf Jahren seit 1891/92 aus genau 100 Millionen Mark, wobei aber zu beachten ist, daß infolge der billigeren Kornpreise die Kosten der Natural verpflegung der Truppen (ohne die bayerische Quote) von 99 auf 97,4 Millionen sich vermindert haben, obwohl die Zahl der Verpflegten von 500 000 ans 580 000 sich mittlerweile erhöbt hat. Hingegen kommt bei der Marine-Verwaltung in Betracht, daß der außerordentliche Etat mehr und mehr entlastet und das Erforderniß an einnialigen Ausgaben mehr und mehr auf den ordentlichen Etat übernommen wird. Angesichts der Steigerung um 100 Millionen in den drei großen Etats, in denen die Rechnung unserer äußeren Machtstellung bestritten wird, verschwindet fast der ganze übrige Reichsbedarf. Dort sind die Netto-Ausgaben uni knapp 20 Millionen gestiegen, was in der Hauptsache durch den Reichszuschuß zur Jnvaliditätö- und Altersversiche rung (1891/92: 6,05, 1896/97: 17,98 Millionen), durch den Verwaltnngszuschuß zu den Schutzgebieten (4,5 bezw. 7,5 Mil lionen) bewirkt ist. In diesen beiden Titeln ergiebt sich bereits eine Steigerung»!,! rund 15 Millionen; der weitere Mehraufwand von 5 Millionen erklärt sich aus Erhöhungen im Diensteinkommen der Beamten, ans Vermehrung des Gesandtschafts- und ConsulatSpersonals und aus einigen neuen Einrichtungen, insbesondere der Unterstützung der Familien der zu Uebungen einberufenen Reservisten u. s. w. (l89l/92 Null, 1896/97 1,4 Millionen). Dieser verhältnißmäßig raschen Ausdehnung des Ausgabe-Bedarfs hat die Entwicke lung der Einnabmen des Reiches durchaus nicht entsprochen. Wir sehen auch hier von dem Gewirre des UeberweisenS an die Einzelstaaten, des WiedereinfordernS von Matricular- beiträgen und sonstigen durchlaufenden Posten ab und be ziffern lediglich die großen Hauptsummen der zur Reichscaffe fließenden Einnabmen nach ihrem Netto-Werthe. Dann er geben sich in Millionen Mark folgende Ziffern: 1891/2 1892/3 1893/4 1894/5 1895/6 1896 7 Zölle u. Tabaksteuer 389.95 371.31 347.54 374.01 359.90 367.29 Verbrauchsabgaben 251.49 248.69 259.89 267.99 267.10 266.37 Stempelsteuern Betriebsübcrschüsse 33.78 31.30 31.20 48.99 54.63 61.— Post, Telegraph., 1 Eisenbahnen, > Reichsdruckerei rc. f 36.44 37.59 34.94 45.11 45.50 47.12 Bankivesen Zinsen, Berüuße- 8.61 4.35 8.59 3.92 7.18 5.62 rungen 1.09 1.56 0.95 1.51 0.81 1.58 Ueberschnsse 2.64 15.43 4.21 1.37 14.48 7.45 724 — 710.23 687.32 742.90 749.60 756.43 Zu diesem Ertrag der wirklichen Einkunftsquellen des Reiches sind je 1l—13 Millionen hinzuzurechnen, welche die Reservatstaaten Bayern, Württemberg, Baden und Elsaß- Lothringen als Aequivalent für Brausleuer, Postüberschuß rc. in ihrem Matricutarbeitrag mit entrichten. Dann hat sich also das Verhältniß der wirklichen Einkünfte des Reiches derart gestaltet, daß 1891/2 reichlich noch 70 Millionen Mark verfügbar waren, die den Einzelstaaten zugute kommen konnten, 1894/5 nur noch 7—8 Millionen. Nach dem Vor anschlag sür die beiden Jahre 1895/6 und 1896/7 hätten die Einzelstaaten dem Reiche sogar einen Zuschuß von je etwa 10 Millionen zu leisten. Die Ist-Ergebnisse des gegen wärtigen Jahres versprechen einen so viel höheren Ertrag, daß dieser Ausspruch wohl aus sich beruhen wird. Aber die Ziffern bezeugen es, daß die Zeit vorbei ist, in der das Reich den Einzelstaaten Zuwendungen machen konnte. Viel mehr haben die Reichsbedürfnisse den ganzen Ertrag der Reichseinnahmequellen nachgerade aufgeschiungen, und für alle schon absehbaren Mehrbedürfniffe der nächsten Zukunft haftet einstweilen der Steuerzahler in den Einzelstaaten. Wir möchten dock bezweifeln, daß die Wähler des AnticarteüS 1890 und 1893 mit der Erwartung einer solchen Ent wickelung der finanziellen Dinge sich getragen hätten. Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. December. Von einer stattlichen Anzahl von Persönlichkeiten weiß man ganz bestimmt, daß sie nicht an Stelle des Herrn v. köller in das preußische Ministerium des Innern berufen werden, weiter gebt aber die Kenntniß nicht. Der Kaiser ist gestern Mittag nach Hannover abgereist, ohne vorher eine Entscheidung getroffen zu haben. Dieser Umstand hat manche Leute stutzig gemacht und sogar die Erwägung der Möglichkeit veranlaßt, Herr v. Koller könnte aus seinem Urlaub zurückkehren, oder auch die Ministerkrisis würde mit der Annahme seines Entlassnngsgesuchs nicht abgeschlossen sein. Letzteres zu bestreiten, sind wir natürlich nicht in der Lage; die Fortdauer der Amtsthätigkeit des Herrn v. Köller scheint aber ausgeschlossen. Der Kaiser hat das Urlaubsgesuch des Ministers veranlaßt und ist sich bei dieser Entschließung selbstverständlich der Bedeutung einer unter so außergewöhnlichen Umständen erfolgenden Unter brechung der Geschäftsführung eines Ministers bewußt ge wesen. Allerdings hat — was für die Möglichkeit einer Rück kehr des Herrn v. Köller jetzt geltend gemacht wird — ein Theil der bürgerlichen Presse die Urlaubsertheilung als Anzeichen eines Systemwechsels, des Rücktritts von dem Plan der Bekämpfung der Socialdemokratie aus dem Boden des bestehenden Rechts, bejubelt. Aber cs verriethe ein sehr mangelhaftes Verständniß sür die Persönlichkeit des Monarchen, wenn man annehmen wollte, solch gewohntes thörichtes Gerede könnte ihn bewegen, eine Maßrebel rückgängig zu machen, so lange die Beweggründe für die Maßregel fort- bestehen. Letzteres ist selbstverständlich hinsichtlich des —Urlaubes des preußischen Ministers des Innern der Fall, selbstverständlich deshalb, weil, wie schon wiederholt bemerkt, das Ausscheiden des Herrn v. Köller nicht wegen eines bestimmten Verhaltens erfolgt ist, sondern aus Grund deS Unheils, das sich über seine Leistungsfähigkeit überhaupt gebildet batte, der maß gebenden Stelle angezeigt schien. Daß sich hieran nichts ändern wird, dafür bürgt die Gewißheit, daß Las WieLer- kommen dcsBeurlaubtender Socialdemokratie nicht schaden, son dern nützen würde. ManistinsocialdemokratischenKreisen keines wegs von der Aussicht erbaut, daß die kaiserliche Absicht, ihnen so weit, als nach Lage der Gesetzgebung möglich, die VerhetzungS- arbeil zu erschweren, nunmehr planmäßig, entschieden und klug verwirklicht, anstatt durch gutgemeinte, aber an sich nicht gute Einfälle und durch übereilte Entschlüsse vereitelt werden soll. Wenn Herr v. Köller wiederkehrte, würde der „Vor wärts" einen fulminanten Artikel gegen ihn loslassen, die Herren von der Parleiregierung würden aber vermuthlich eine Flasche des besten Weines ausstechen, wie es ihnen Engels in seinem Testamente sür besonders freudige Anlässe empfohlen hat. Im Reichstagswahlkreise Herford-Halle haben die preußi schen Conservativen eine Niederlage erlitten, deren Bedeutung über die des Verlustes eines bisher sicheren und lange Zeit von dem hochgeachteten Führer, dem verstorbenen v. Kleist- Retzow, eingenommenen Sitzes weit hinausgeht. Zum Schaden gesellt sich noch der Spott, der die Partei verdientermaßen trifft, weil ihre Presse durch ein raffinirt gewobenes Lügengewebe sich für den Fall der Niederlage in den Stand setzen wollte, den Sieg des Gegners als durch Abmachung mit der Socialdemokratie herbei- grfübrt darzustellen. Nun hat aber der gewählte Bürger meister Quentin in der Stichwahl weit mehr als zweimal so viel Stimmen gewonnen, als nach der opulentesten und tendenziösesten Schätzung Sociatdemokraten im Wahlkreise vor handen sind. Unser Berliner /^-Correspondent erörtert dies an anderer Stelle; dem dort Gesagten ist ergänzend binzuzu- fügen, daß alle Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß in dem Mißerfolg des conservativen Candidaten auch die Wirkung einer, wenn auch jedenfalls nur nega tiven Einwirkung der Christlich-Socialen zum Aus druck kommt. Wir schließen dies aus der höchst auffälligen Geringfügigkeit des conservativen Stichwahlzuwachses und aus der sehr schlecht verhehlten Schadenfreude, mit der das „Volk" das Wahlcrgebniß mittheitt. Ueberaus seltsam muß freilich diese Schadenfreude deshalb berühren, weil Herr Stöcker am 29. November folgende Aufforderung zur Wahl des conserva- liven Candidaten erließ: „An die conservativen Wähler von Herford-Halle! Alle treuen Conservativen bitte ich herzlich, bei der Stichwahl am nächsten Mittwoch nicht zu fehlen, sondern Mann für Mann ihre Schuldig keit zu ttiu». Besonders diejenigen Wähler, welche mich gern ge wählt hätten, fordere ich aus, Herrn Amtsgerichtsrath Weihe ihre Stimme zu geben. Vo» Anfang an habe ich gewünscht, daß dieser echt conservative Mann aufgestellt würde. Daß er siegt, ist eine Ehrensache für unsere Gesinnungsgenossen im Wahlkreise. Darum fest zur Fahne und fleißig an die Arbeit! Berlin, 29. November 1895. Adolf Stöcker." Herrn Weihe hat diese Aussorderung offenbar mehr ge schadet als genützt; freut sich nun Las „Volk", das die christlich-sociale Seite des Herrn Stöcker vertritt, über diesen negativen Erfolg, den die mit den Christlich-Socialen un- ufriedenen Conservativen an ihrem Leibe spüren? Die Vorlage Lejeune's im belgische» Senat gegen daS Börsenspiel, die Rennwetten und das Glücksspiel jeder Art setzt gegen die beiden letzteren eine Strafe von 8 Tagen bis 6 Monaten Gefängnis; und eine Geldstrafe von 100 bis 5000 Frcs. fest, während sie die aus dem erstern herbeleiteten Verbindlichkeiten als unailtig und uneinklagbar erklärt. Als Börsenspiel wird jede Vereinbarung angesehen, die nur scheinbar die thatsächliche Lieferung der verhandelten Waaren und Werthe vorsieht, in Wahrheit aber auf die Differenz des Steigens und Sinkens der Preise speculirt. Mit den Spielern werden in gleicher Weise alle diejenigen bestraft, die dem Spiel in irgend einer Weise Vorschub geleistet haben, für diejenigen aber, die gewohnheitsmäßig mit den Schwächen und Leidenschaften der Spieler Mißbrauch getrieben haben, können die obigen Strafen bis zur doppelten Höhe bemessen werden. Die Vorlage ist eine verbesserte Neuauflage eines schon vor drei Jahren von dem Senator De Coninck ein- gebrachten Entwurfs, der aber wie so viele andere in den Acten der Kammer zur Ruhe bestattet ist. Ob dem Lejeune'scheu Entwürfe ein besseres Schicksal beschiedcn sein wird, wiewohl die Spielhöllen überall wie Pilze aus dem Boden hervorschießen, muß die Zeit lehren. — Gegen Neujabr wird in Brüssel ein N a t i o n a l c o n g re ß d er socialistischen Lehrer und Lehrerinnen Belgiens stattsinden. Als Puncte der Tagesordnung nennt das officielle Partei organ der Socialdemokraten die Schulcantineii, die socia- llstischc Propaganda durch daS Bild, Begründung einer Widerstandscasse für die Lehrpersonen, die wegen ihrer politischen Meinung gcmaßrcgelt werden, Organisation des Bundes der socialistischen Lehrpersonen im wallonischen Ge biet, die Lehrervereine und die Schulleitung. Die Berathungcn werden unter Ausschluß der Oeffeiitlichkeit gepflogen Werve». Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Congreß zahlreich besucht werden wird. Das klerikale Regiment hat seine Herrschaft damit eingeleitet, daß es Hunderte von Schulen schloß und Tausende von Volksschullehrern brodlos auf die Straße setzte. Seine Saat ist prächtig aufgegangen. Anläßlich der Besitzergreifung Madagaskars durch Frank reich verdient hervorgehoben zu werden, daß zwischen Deutschland und dem Hovaskönigreich am l5. Mai 1883 eine Convention abgeschlossen wurde, worin die beiderseitige Be handlung ans dem Fuße der meistbegünstigten Nation vereinbart ist. In handelspolitischer Beziehung ist diese Ab machung um so wichtiger, als bisher der Handel zwischen Deutschland und Madagaskar in fortwährender Zunahme begriffen war. Der Waarenvertehr zwischen Ham burg und Madagaskar z. B. bezifferte sich, wie der ..Hamb. Corr." mittheilt, im abgelausenen Jahre in Cin- und Ausfuhr zusammen dem Werthe nach auf rund 4 Millionen Mark gegen 1,2 Millionen im Jahre 1890. Seil 1890 ist die Einfuhr Hamburgs aus MadabaSkar von 772 770 .4? auf 2 716 260 die Aus fuhr Hamburgs nach Madagaskar von 464 030 auf ' 1 239 390 ^ gestiegen. Dabei bandelt es sich in der Einfuhr Der Kampf ums Dasein. 82> Roman von A. von Gersdorff Nachdruck verioten. (Fortsetzung.) 24. Ja, blase nur Herbststurm! Reiße nur an den Fenstern und wirf Hagel und Regen dagegen! Dein Unniuth nützt dir gar nichts, herein kommst du doch nicht, du gehörst gar nicht zu uns, du griesgrämiger Gesell da draußen — machst eS uns hier drinnen nur noch behaglicher, denn hier ist Licht und Wärme und Liebe und Friede. So dachte Maria-Margaretbe an einem der nächsten Abende, als sie gerade die Vorhänge vor den Fenstern zusammenzog. Im Wohnzimmer sah eS licht und festlich aus. Der runde große Tisch vor dem Sopha war hübsch gedeckt, eine große, etwa« altmodische Kugellampe, ehemals Moderateur, jetzt zu Petroleum eingerichtet, stand in der Mitte, und ganz gegen die sonstige, etwas nüchterne Gewohnheit dämpfte heute ein rosiger Schiri» aus geknifftem Seidenpapier das grell weiße Licht. In kleinen Vasen standen Astern, Monats- röschen, Reseden zwischen dem alten blauen Zwiebelservice und schimmerten in ihren prächtigen rothen, zartlila, grünen und rosigen Farben «nd dufteten lieblich, des vergangenen Sommers entschwundenen Zauber zurückrufend, deS künftigen Lenzes Freuden lächelnd verheißend. Aus dem Bücherschrank stand eine zweite Lampe mit einem prächtigen lichtgrüncn Seibenschleier, ein Besitzstück Jakoba'S, um noch mehr Licht zu verbreite», denn man konnte heute gar nicht genug davon haben. ES sollte im kleinen Kreise Maria-MargarethenS Ver- lobungSfest gefeiert werden. Sie hatte zwar nichts von einer Festlichkeit hören wollen bei der traurigen Lage ihrer armen Geschwister, diese aber hatten lächelnd ein Fest verlangt. Sie hätten's recht nötbig. einmal einen vergnügten Abend zu ' feiern, der Schwester Glück sei doch so gut wie ihr eigenes, ganz abgesehen davon, daß es noch eine besondere Freude für sie wäre, gerade Bergmann in den Familienkreis als Bruder aufzunehmen. Auch deS alten VaterS geliebtes Gesicht, das ja freilich immer bei aller Bedrängniß ruhig und friedlich gewesen war, trug heute ein besonders festliches Leuchte». Maria-Margarethe sieht so anmuthia, so bräutlich aus, wie kaum je in den Zeiten ihrer ersten Liebe. Sie bat gern Jakoba'S Rath angenommen: ein einfaches, selbst gefertigtes Kleid von Hellrosa Wollenkrepp steht gut zu ihren feinen blaffen Zügen, ihren blauen Augen mit den schönen dunklen Brauen, die alle AndorS haben. In dem von Jakoba auf gesteckten blonden Haar ein Sträußchen von Reseda und rosa Astern. Rosen hatte sie nicht gewollt, die Zeit sei vorbei sür sie, und Otto würde am Ende auch die bescheidene Aster lieber bei ihr sehen. Darüber konnte sie nun beruhigt sein, Otto war so entzückt von seiner Braut, daß er von Allem. WaS sie trug, böchst bezaubert gewesen wäre. Außerdem hatte dieser klügste aller Männer einen höchst beschränkten Toilettenverstand. So, die Vorhänge waren berabgelaffen, draußen jammerte der ausgeschlossene Herbstftnrm, warm und bell war eS hier immer, die Anderen waren noch bei der Toilette. Maria- Margarethe besetzte jetzt den Tisch mit allerhand feinen kalten Speisen, die sie selbst bereitet hatte — da batte Jeder sein Lieblingsgericht, soweit sie es wußte. Ihr Otto italienische Salami, ganz echte in der grauen, spröden bcimathlichen Eselshaut, der Vater roth und Weißen Koblsalat (der Kar toffelsalat war, als zu gewöhnlich, heut streng vermieden), Helmuth Spickaal, Jakoba Salmenspeisc und inzwischen noch kleine nette pikante Tellerchen mit allerlei feinen Dingen. Fröhlich trotz aller Sorgen batten die Schwägerinnen die Einkäufe in der größte» aller Markthallen besorgt und Alles selbst geordnet. Der Raum war eng, Bedienung war man' meistens selbst, denn Anne-Marie, welche seit dem ersten October hier mit großen Freuden Dienst gesucht und gefunden, hatte in der Küche reichlich zu th»n. Aber daS erhöhte nur die harmlose Heiterkeit. Jetzt noch die Flurlampe ein letztes Mal abgewischt, den Spiegel gleichfalls, und dann noch hinein zu Jakoba. Diese sab wundervoll a»S. Sic trug ihr weiße« Tuch- kleid, daS, unverwüstlich im Stoff, ein richtiges Erbstück, frisch gereinigt und modernisirt war, und hellgelbe Marschall Niel- Rosen wie einst an der Brust. Ihr künftiger Schwager, der ja ihre Lieblingsblume von früher kannte, batte sie ihr geschickt, als er seiner Braut beute einen herrlichen Orchideen- strauß gesendet. Helmuth im schwarzen Rock stand trefflich zu ihr paffend neben ihr, ibre hohe Gestalt noch überragend, mit den fein und edel geschnittenen Zügen, dem hinten gescheitelten, kurz- geschnittcncn, blonden Haar und langem blonden Schnurrbart, sehr an den eleganten Gardeosstcier in Civil von einst er innernd. Eben hatte Maria - Margarethe die gelbe Rose in Jakoba'S dickem Haarknoten befestigt, als die Klingel gezogen wurde, mit einem kurzen Ruck, wie nur Einer" klingelte. Erglühend eilte Maria Margarethe hinaus, um dem Ge liebten selbst zu öffnen. Stumm preßte er sie in seine Arme, um sie loslassend, ihr Köpfchen wieder und wieder mit beiden Händen zu um fassen und mit dem tiefen, innigen Blick der Liebe in ihre Augen zu sehen. Dann, nachdem er rasch abgelegt, trat er mit ihr in daS geschmückte Wohnzimmer, daS der Vater soeben etwas schleunig verließ, um den Kindern doch die ersten Minuten ungestört zu gönnen. Auch Helmuth und Jakoba blieben noch fern. Hier zog er sie an die Lampe und bat sie lächelnd und strahlend, recht still ru sieben, er habe nicht die geringste Anlage sür Kammcrzosendienste, müsse sich aber jetzt einmal dazu verstehen. Mit einem sehr natürlichen Aufschrei der Ueberrasckung sab Maria-Margarethe, die so sehr bescheiden und einfach Gewöhnte, die nie ein anderes Schmuckstück de sesscn, als eine kleine goldene Brosche ihrer seligen Mutter, es in farbigem, sprühendem Diamantenglanz ausleuchte» in den Händen ihres Geliebten. Vier schmale goldene Bänder schob er an ihren Weiße» Arm — jeder einzelne trug in diaiilcntcner Schrift den Namen eines der Kinder: Theodor mit Türkisen, Rudolf mit Rubinen, Siddy mit Smaragden und Doris mit reinen Diamanten. „Und nun kommt meine Wenigkeit!" Und mit leichter, recht geschickter Hand drückte er eine Nadel in ihr Haar und zog sie vor den Spiegel. „Oh! — ach! DaS ist ja zu viel! Viel zu schön für mich!" ries sie aus, als ihr auS dem Glase ein flimmernder, sprübenter Brillantstern über ihrer Stirn entgegenstrahlte. Bergmann sonnte sich förmlich in ihrer Ueberraschung. „O — Mädchen, Mädchen!" ries er, „wie namenlos glücklich bin ich, daß ich Dir geben kann, was Dick erfreut. Ich bin versöhnt mit meinem Schicksal und gebe ibm recht. Lange Jahre der Vorbereitung gehörten dazu, um solches Glück recht empfangen zu könnend Nie hatte sie solche Sprache gehört. Nie geglaubt, daß sie einst noch in später Zeit zu ihr, die schon verzichtet hatte, gesprochen würden, zu ihr, dem verblühenden, alternden Mädcken, vor allen Frauen, die solche Worte von den Lippen dieses Mannes mit Stolz und Freude gehört hätten. Da klingelte es wieder, und bald war der kleine Kreis versammelt. Da war Herr und Frau Bierke, daS schöne alte Paar, mit Blumen in den Händen, Güte und Theilnabme in den Augen, herzlichen, wohltbuenden Worten auf den Lippen, und dort die «öbne Bergmann's, Theodor und Rudolf. Der Aelteste ein idealer Byrontopf, eine edle Gestalt von wahr haft vornehmer Haltung, einen tiefen, fast seltsamen Eindruck auf Alle machend, da man ja wußte, daß der schöne Jüng ling auf Abwegen ging, die leicht in einen Abgrund führen konnten. Aber stolz und zärtlich wallte Maria-MargarethenS Herz, als sie ihren mütterliche» .'tuß auf seine Stirn drückte, unv als er leise sagte: „Wir wollen Ihnen gern gehorsam und dankbar sein!" da wankte sie sich mit jäb aufsteigenden Tbräiien zu seinem Vater und zog ihn mit in die Umarmung, die nun auch eine versöbuende ward und das Glück in Berg mann'« Augen noch tiefer und heiliger machte. » Rudolf, »och ganz Kind, er zählte zwölf Jahre, war nickt hübsch, aber auch er hatte ein kluges, tiefes Auge und ein frisckies, kerniges Wesen. Neben dem Vater stand übrigens ein besonderer Tisch mit einigen silbcrhalsizen Flaschen; und als der erste Pfropfen mit dem unvermeidlichen Knall zur Decke flog, bieß der Oberst in schönen, bewegten Worten den Schwiegersohn in der Familie willkommen. Der Wein perlte in den Gläsern, die Blumen dufteten, die Augen leuchteten in Freude und Mit- sreude, in Liebe und Dankbarkeit. Da schlug Bergmann leise an sein Glas. „Freilich ist'S nicht Sitte, daß der Bräutigam an seinem Verlobungsfeste eine Rede hält", begann er lächelnd, „aber ich bin nicht nur so glücklich, Bräutigam zu sein, sondern ich genieße auch noch den zweifelhaften Vorzug, für einen Kritiker zu gelten. ES ist bekannt, daß solch Einer Alle« kann, nur nicht schweigen, selbst wenn er'S füglich mal sollte. Zu dem Kritiker, dem alleinstehenden, allmächtigen, kam vor einiger Zeit ein holdes, zaghaftes Jungsräulein, welches der Arbeit zu wenig hatte unv eS darum mit der Feder ver suchen wollte. Ich sollte ihre Arbeit prüfen, sollte sagen, ob Begabung und Beruf sie auf den Dornenweg der Schrift stellerin, der Künstlerin weise. Ick la< mit Aufmerksamkeit
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