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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.12.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-12-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951210029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895121002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895121002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-12
- Tag1895-12-10
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Ueber einen Grund, der seinen Rücktritt nicht ver ursacht haben soll, läßt sich, ziemlich überflüssiger Weise, auch daS Amtsblatt vernehmen: die Meinungsverschieden heit zwischen Herrn v. Koller und dem preußischen KriegS- minister war „belanglos". Von anderer Seite wird noch, entsprechend unserer wiederholten Darstellung, versichert, daß die Auslösung der socialdcmokratischen Vereine den Ausbruch der Krisis nicht verursacht habe. Alle- dies und noch einiges Andere wird aber mit gewirkt haben, um die Erkenntniß zu vertiefen, daß Herr v. Koller im Krieg und im Frieden, v. b- in der alltäglichen Geschäftsführung uud gegenüber der Socialdemokratie, wie auch im Parlament, seiner Aufgabe nicht gewachsen war. Und damit kann man dieses Capitel wohl für alle Zeit abschließen. WaSüber den Nachfolger Herrn von der Recke von der Horst bekannt ist, haben wir bereits mitgethrilt. Politisch Faßbares findet sich nicht darunter. Im Reichstage erzählte man sich gestern, der neue Minister habe früher Fühlung mit der freiconservativen Partei gehabt. Mit Bestimmtheit wurde gesagt, er verbinde mit der Fähigkeit, tüchtig zu arbeiten und sachlich zu entscheiden, ein sehr verbindliches Wesen. Die „Köln. Ztg.", die fein Wirken in Düsseldorf aus nächster Nähe verfolgen konnte und erfährt, daß die Vorschläge des Fürsten Hohenlohe wegen der Wiederbesetzung des preußischen Ministeriums des Innern in erster Linie zu seinen Gunsten ergangen seien, sagt von ihm: „Freiherr von der Recke ist ein ganz hervorragender Ver waltungsbeamter, der namentlich bei uns in der Rheinprovinz sich einen ausgezeichneten Ruf geschaffen hat. . . Im Oclober 1889 erhielt er das Regierungspräsidium in Düsseldorf, das wegen seines Umfanges und der Mannigfaltigkeit der darin sich geltend machenden wirthschastlichen und konfessionellen Interessen zu den schwierigsten Behörden der Monarchie zählt. Sein Vorgänger hatte sich dort in mehrjähriger erfolgreicher Thätigkrit hohes Ansehen erworben; der Düsseldorfer Bezirk sah ihn nur mit dem größten Bedauern scheiden, aber keinem Nachfolger ist eS so schnell gelungen, sich gleichfalls die volle Anerkennung in den weitesten Kreisen der rheinischen Bevölkerung zu verschaffen. Er gehörte nicht zu jener Classe von Junkern, die am Rhein eine allseitige Zurückweisung finden; der frischere geistige Zug, der unsere Bevölkerung auszeichnet, war auch ihm eigen. Er war mit uner müdlicher Arbeitskraft, mit lebendigem Schaffensdrang, mit reichen Kenntnissen, mit strenger Unparteilichkeit, mit frischestem Interesse für alle Fragen socialpolitischen und wirthschastlichen Fortschrittes ausgestatlet; fein Wirken war still, aber stetig und nachdrücklich, und wenn er jetzt aus feiner Thätigkrit im fröhlichen Westen zu höherer, verantwortungsreicherer und mühevollerer Arbeit an der Spitze eines unserer wichtigsten Ministerien scheidet, so begleitet ihn dahin das Vertrauen aller seiner zahlreichen Bezirkseingesessenen, die ihn nur mit großem Bedauern aus ihrer Mitte scheiden sehen." Die Verhältnisse sind danach angethan, daß der neue Minister bald wird zeigen können, ob man in ganz Preußen und im Reiche seiner raschen Carriöre sich freuen darf. Mit einer Genugthuung, die nicht in der Eigenliebe, sondern in nationalem Selbstgefühl ihre Wurzel hat, stellen wir fest, daß die ReichSregierung gestern im Reichstage mit denselben Worten, wie wir sie gebraucht, die Aspirationen Amerikas hinsichtlich der Bieheinfuhr und des Geschäfts betriebes amerikanischer Versicherungsgesellschaften in Preußen, sowie die AuSdruckSweise, die Herr Cleveland beliebte, zurückgewiesen hat: Deutschland wird sich durch Drohungen nicht einschüchtern lassen. Die Regierung ließ auch keinen Zweifel darüber auskommen, daß die deutsche Regierung nicht etwa, um formell aus ihrem Rechte zu bestehen, aber in der Sache nachzugeben, die von krankem amerikani schen Vieh au-gehende Ansteckungsgefahr künftig minder hoch veranschlagen werde, als bisher. Frhr. v. Mar sch all er innerte ausdrücklich an die Pflicht, das deutsche Vieh vor Krankheit zu schützen, eine Pflicht, die dem fremden Interesse nickt untergeordnet werden dürfe. Auch sonst bewegte sich Freiherr v. Marschall in ebenso bestimmten Ausdrücke» als Amerika gegenüber höflichen Formen. Sein Auftreten ist nicht nur uni der Sache willen, der es galt, auss Freudigste zu begrüßen, sondern auch als ein Beweis dafür, daß die Caprivi'schcn Traditionen dem AuSlande gegenüber überwunden sind. Von dieser Ecke an gesehen, hat die Etatsdebatte im Reichstage gut be gonnen. Freilich liegt die Erklärung der Regierung außer halb dcS Rahmens dieser Verhandlungen. Diese selbst boten gestern nicht viel des Beachtenswerlben. Ein deutscher ReichSschaysecretair wird sich in seiner Etats rede so lange gegen opiimistische Ausstellungen in den Ein nahmen zu wenden habe, als das Reich thatsächlich nicht einnimmt, was es verbraucht. Da läßt sich nicht leicht etwas Neues Vorbringen. Graf Posadowöty, der übrigens die Aufmerksamkeit deS Hauses während seiner mehr als ein stündize» Rede unausgesetzt zn fesseln wußte, batte auch den Umstand gegen sich, daß sein Etat schon tauge vor dem Zusammentritt deS Reichstags im Einzelverschleiß bekannt und in der Presse besprochen worden war. An seinem Nachfolger auf der Tribüne, dem CentrumSmann Fritzen, ist zu rühme», daß er die Colonialpolitik günstig und demgemäß die Vermehrung der Kriegsflotte nicht ungünstig beurtheilte, Beides aber — und dies ist charakteristisch — unter specisisch katholischem Gesicktspnncte. Wären in Ostafrika keine katholische» Missionare und schützte Deutschland nicht die Katholiken in China, so würde das Centrum in der Colonial- und Marinefrage bei Denen stehen, die Herrn Fritzen's Rede gestern mit Ge lächter begleitet haben. Für den Streit, der diese Etatsdcbalte ausfüllen wird, trat Herr v.Kardorff als Rufer auf. Er erging sich in wirthschastlichen Sentenzen, die nicht unwider sprochen bleiben werden, sprach sich scharf gegen den Mode socialismus aus und sagte der Negierung wegen ihres Mangels an Einbeitlickkeit recht unangenehme Wahrheiten. Heute wird der Widerhall von allen Seiten erschallen. Nun wird auch der Präsident der französische» Republik, Felix Faure, mit einer Scandalcampagne bedroht. Es sollen Enthüllungen gemacht und Documente zum Vorschein gebracht werden, geeignet, ihn sowohl, wie Mit glieder seiner Familie zu compromittiren. Wie schon erwähnt, finden sich Andeutungen in den Blättern verschiedener Par teien, diese schieben aber einander gegenseitig den Plan, den Präsidenten stürzen zn wollen, m die Schube. Selbst Centrumsmitglieder sollen, wegen der Zulassung eines radicalen CabinetS erbost, vie Hand im Spiele haben, was zur Folge gehabt hat, daß einige Teputirte dieser Partei, um derartigen Insinuationen den Boden zu entziehen, einen Gesetzentwurf einbringen werden, welcher den Präsidenten der Republik gegen alle Beleidigungen schützen soll. Mehr im Vordergrund steht die socialistische und die bonapartistische Partei, nur daß beide im Hinblick auf die Möglichkeit eines Mißerfolges der Campagne einige Tage hindurch bemüht waren, einander die Ehre des ersten Hiebes zu lassen. Bon diesen beiden Gruppen war die socialistische die klügere, sie hat wirklich gewartet, bis der bonapartistische Deputirte CunSo d'Ornano, Revacteur des „Petit Ca poral", die Führung übernommen »nd in seinem Blatte sowohl, wie in den Kamniercouloirs eine bedrohliche Miene gegen den Präsidenten ansgestcckl hat. Der Erfolg deS Feldzuges scheint einstweilen fast ausgeschlossen, ja derselbe dürfte die Sympathien, welche Felix Fanre durch seine Leutseligkeit sich erworben, noch vermehren, aber ganz harmlos ist die Sache denn doch nicht. Hinter dem ganzen Feldzug steckt der Plan einer Revision der Verfassung. Die extremen Parteien streben ja schon lange dieses Ziel an, sie wolle», wenn auch nicht die Abschaffung der Präsidentschaft, so doch die deS Senats, die einen — Radikale und Socialisten —, um die Hindernisse, welche der Senat grund sätzlich den radicalen Reformen in den Weg legt, zu beseitigen, d'e anderen —Royalisten und Bonapartisten —, weil sie auf den: zur Vornahme einer Verfassungsänderung einzuberufen den Congreß im Trüben zu fischen hoffen. Da nun aber der Senat sich gegen jeden Congreß erklären würde, der mir zn seiner Abschaffung einberufen werden soll, kann man den Zusammentritt deS Congresses nur dadurch er zwingen, daß man den Präsidenten der Republik zwingt, ab- zudanken. Die Socialisten und Radicalen hoffen bei dieser Gelegenheit Herrn Briffon an die Spitze zu bringen und zu gleich die Verfassung einer Revision in ihrem Sinne zu unter ziehe». In dem allgemeinen Durcheinander, das dann folgen würde, blüht, so hoffen die Royalisten, der Weizen der Ncaction, der, so lange die Republik sich noch in halbwegs vernünftigen Bahnen bewegt, nur recht kümmerlich gedeihen will. Dies der Plan, man muß abwarten, was dabei herauskommt. Nicht unwahrscheinlich ist, daß bei der Hochachtung, welche alle Well vor dem persönlichen Charakter Felix Faure's hegt, die Radicalen und Socialisten, wenn die Sacke schief geht, den bonapartistischen Eiferer darauf sitzen lassen. Ruhige Bcurtheiler sind der Ueberreugung, daß die in Aussicht ge stellten „Enthüllungen" fick nur gegen die Verwandtschaft des Präsidenten richten können, ohmzauf diesen selbst ein ungünstiges Licht zu werfen. Deutsches Reich. dc Berlin, 9. December. Mit der eisernen Stirn, die ihr eigen, wiederholt die „Kreuzig", die Nationallibe ralen in Herford Halle wären ein Bündniß mit den Socialdcmokralcn eingegangen. Die einzige Grmidlage dieser Behauptung ist eine von der „Kreuzztg." an der Auslassung ei»es wesisät scheu Blattes vorgenommene Fälschung. Dieser Fälschung ist die „Kreuzztg." bereits zweimal öffentlich bezichtigt worden, sie hat darauf, obwohl sie in jeder Ausgabe auf die Herforder Wahl zu sprechen kam, mit keiner Silbe erwidert, sondern ist an diesem Punct, auf den Alles ankommt, mit Redensarten vorbeigeschlicken, genau so, wie cs Herr v. Hammerstein nach dem 2. April gemacht bat. Bei dieser Sachlage wird das Blatt keinen Eindruck machen, wenn cs von „nationaler Gewissenlosigkeit", die in dem „Bündniß mit der Rotte" zum Ausdruck gekommen sei, spricht und das sehr plumpe Manöver versucht, die in dem Schweigen der Thronrede hinsichtlich einer gesetzlichen Be kämpfung der Umsturzbestrebungen hervortrelende Resig nation auf das angebliche Bündniß zurückzuleiten. Dies um so weniger, als eS die „Krcnzztg." gewesen ist, die vor der Herfordcr Stichwahl den dortigen Socialdemokrateu warnend zn bedenken gegeben hat, daß die Wahl eines Nativ- nalliberalen die Gefahr einer Gesetzgebung gegen die Social demokratie näher rücken würde! Das Organ der westfälischen Socialdemokratcn, die „Rheinisch-Westfälische Arbeiterzeitung", bestätigt beule der „Kreuzztg." diese freundschaftliche Be- sorgniß, nicht ohne zu bemerken, daß es „lieber den National- liberalen hätte unterliegen sehen". Das Einzige, was man den Nationalliboralen zum Vorwurfe machen konnte, wäre, daß sie unterlassen hätten, im Vorhinein gegen die Abgabe socialdeniokratischer Stimmen für Herrn Quentin zn protestircn. Das haben jedoch die Conservativen auch nicht gethan, sondern im Gegcntheil, wie vorstehend von ihrem Hauptorgan berichtet. Der Thatsache, daß in Herford- Halle dem anticonservativen Candidaten in der Stichwahl mehr bürgerliche als socialdemokratische Stimmen zugefallen sind, geht die „Kreuzztg." gleichfalls aus dem Wege, obwohl selbst der „Neichsbote" inzwischen 2600 solcher für Quentin abgegebenen nichtsocialdemokralischen Stimmen — in Wirklich keit müssen eS weit mehr gewesen sein — verzeichnet. Das Wahlergebniß ist eben von der Art, daß die „Kreuzztg." es an der Hand der Thatsacken nicht erörtern kann, ohne ihre Mitschuld an dem conservativen Mißerfolg hervortreten zu lassen. * Berlin, 0. December. Die Lösung der Ministerkrisis ist gestern Morgen im Neuen Palais erfolgt. Der Kaiser empfing den telegraphisch berufenen Freiherrn von der Recke, mit dem er eine lange Unterredung hatte. Sie endigte damit, daß Freiherr von der Recke sich bereit erklärte, das Portefeuille anzunehmen. Der neuernannte Minister fuhr darauf nach Berlin und be gab sich sogleich »ach dem Reichskanzlerpalais, wo er längere Zeit mit Fürst Hohenlohe conferirte. Kurz darauf fuhr der Kaiser beim Reichskanzler vor, um ihm seinen Entschluß mit- zntheilen. — Die „Kol. Z" erwähnt, daß Frhr. v. d. Recke schon vor Jahresfrist neben Herrn v. Köller für das Ministerium des Innern ins Auge gefaßt war. (?) — Ueber die Laufbahn des bisherigen Ministers v. Köller ist zu berichten: Ernst Matthias von Köller, am 8. Juli 1841 zu Kantreck bei Gollnow geboren, besuchte das Gymnasium zu Stettin, die Privat- fchule zu Wollin, die Ritterakademie in Brandenburg, das Gymna- sium in Treptow i. K„ dann von 1860 an die Hochschulen Heidel berg und Berlin. Er wurde nach Beendigung seiner Universitäts- studien Auscnltator in Friedcberg Nin., 1866 Regierungsreferendar in Stettin, 1868 Landrath in Kammi». In dieser Stellung war er zugleich seit 1881 längere Zeit deutschconservatives Mitglied des Reichstages. Aus der Volksvertretung schied er mit seiner Ernennung zum Polizeipräsidenten in Frankfurt a. M. aus. Demnächst wurde er Unterstaatssecretair in Elsasz-Lothringen und Anfang November 1894 Minister des Innern. Ans Metz wird der „Voss. Ztg." geschrieben: „Die Be sitzung des Herr» v. Köller zu Hohwatd in den Vogesen wird für seinen längeren Aufenthalt in Stand gesetzt. Herr v. Köller wird bereits Anfang der nächsten Woche dort erwartet." — Der Kaiser hat, der „Franks. Ztg." zufolge, dem Eittwurf der Arbeiterschutzbestimmungen für das Bäckereigewerbe nach den Vorschlägen des Ministers v. Berlepsch zu ge stimmt. — Die technische Commission für Seewesen be- rieth die Grundzügc der neuen Seemannsordnung. Die Frage der Ausbeulung der Seeleute durch Heuerbase soll in den Grundzügen durch Anstellung vereideter Seeinakler, welchen ein Gebührentarif mit genauer Buchführung vor geschrieben wird, gelöst werden. — Die „Cons. Correfp." veröffentlicht folgende Richtig stellung: „Die „Leipziger Zeitung" schreibt im Anschlüsse an de» kürzlich veröffentlichten Beschluß des Elfer-AuSschusses: „Tie preußischen Conservativen wollen weder mit Stöcker brechen, noch sich ausdrücklich für ihn erklären." Hierzu bemerken wir, daß der geschästsführende „Elfer-Ausschuß" den Gesamnttvorstand des Wablvereins der Deutschen Con servativen repräseittirt, daß dieser Ausschuß, wie mitgetheilt worden ist, den erwähnten Beschluß einstimmig gefaßt und daß der Vertreter der sächsischen Conservativen an der Sitzung Theil genommen hat." — Die Schneider beginnen, für einen Streikfonds in großem Maßstab zu sammeln. — Ueber die „ringfreien" Brauereien beschwerten sich gestern, wie die „Post" berichtet, in öffentlicher Versamm lung die Brauerei-Hilfsarbeiter wegen Nichteinhaltung tcr gegenseitigen Abmachungen. Hauptsächlich sind es das Münckcner Brauhaus (Dircctor Arendt) und die Hohen schönbänscr Genossenschaftsbrauerei, welche die eingegangcne Verpflichtung, ihre Arbeitskräfte den von den Arbeitern er richteten Arbeitsnachweisen zu entnehmen, beinahe völlig um gehe». Es wurde beschlossen, zur Feststellung der in den Brauereien herrschenden Mißstände Fragebogen auszugeben. Ans Grund deS so gewonnenen Materials sollen dann weitere Schritte unternommen werden. — Legationsrath Freiherr v. Men hingen, erster Secretair bei der kaiserlichen Botschaft in Madrid, der im Frühjahr und Sommer den beurlaubten Gesandten in Tanger Grafen Tattenbach vertrat, ist hier eingetroffen. — Ter neuernannte großbritannische Botschafter Sir Frank Lascelles ist in Berlin eingetroffen. — Gras Bray, der bayerische Gesandte in Wien, der beim Abschluß der Versailler Verträge eine hervorragende Rolle gespielt hat, wird seines hohen Alters wegen in den Ruhestand treten Der ehemalige bayerische Ministerpräsident steht im 88. Lebensjahre. * Schwerin, 9. December. Die Regierung beantragte beim Landtage 2>/z Millionen Mark LandeShilfe für den Canalbau WiSmar-Schweriu, wodurch eine Ver bindung der Ostsee mit der Elbe hergestellt würde. Der Antrag wurde an eine Commission verwiesen. — Nach einer Meldung aus Cannes hütet der Großherzog seit dem SS) FerrNletsir. Der Kampf ums Dasein. Roman von A. von EerSdorff Nachdruck verboten. (Schluß.) „Ich suche einen zuverlässigen, gescheiten Mann, der mit der Buchführuna, Rechnungsarbeiten und allerhand Schreibereien Bescheid weiß und Lust hätte, Administrator einer sehr ausgedehnten Besitzung zu werden, zu welchem Zwecke er die Landwirthschaft praktisch erlernen müßte und bei mir lernen könnte, auf eben derselben Besitzung, die er nach meinem Abgang, der mit Sicherheit erfolgen wird, in ganz selbstständiger, dauernder Verwaltung haben wird. Ich würde so lange auf dem Gute bleiben, bis Sie vollständig eingeardeitet sind. Der Besitzer de» Gutes lebt sehr weit von dort am Rhein, als steinreicher Mann, versteht nicht- von der Landwirthschaft und mag sic auch nicht. Er hat Alle» vertrauensvoll in meine Hände gelegt. Ich bin da bekannt. Bi- jetzt lebte noch der erste Herr. Unter ihm war ick selbstständiger Inspector. Kann aber niemals daran denken, da den Herrn zu ersetzen. Ich bin nur ein ganz einfacher Mann — habe mir so ein bischen Bildung erst in dem letzten Jahre angerignrt. und ist nicht weit her damit. Mit Schreiben, Rechnen, Geschäften weiß ich nickt Bescheid. Auch nicht mit der großen Jagd, die da ist. Sie werden daS aber wohl — denn die Herren Officiere sind ja da meist recht beschlagen drin. Ich habe außerdem ein kleine- Eavital geerbt und will mich mit der Zeit selbst ankaufen. Erst aber Hab' ich versprochen, nämlich dem jüngeren Herrn, daß ich ihm einen tüchtigen Administrator, für den ich einstrhen könnte, anslernen wollte. Daß Sir verheirathet sind, ist auch ein Borthcil für das große Hau», in dem alle Möbel und Sachen bleiben sollen, der Herr kann sie nicht brauchen, und für den Garten mir den großen Treibhänkern nnd den herrschaftlichen Park muß durchaus ein Herr sein, ich meine ein „gnäd'aer Herr" sozusagen, der damit zu leben weiß und eine seine Dame mitbringt. Das Gehalt werden Sie freilich klein finden, aber Sie müssen bedenken, freie Wohnung und freies Leben und keinen Menschen mit Nörgeleien aus dem Halse, Keinen, der Ihnen rauSzieht an- dem Gute, was Sie mit Liebe hineingesteckt haben, und eS verpraßt. Und eine frische, fröhliche Arbeit in freier Luft, nicht so Tag ans Tag ein in der dumpfen, dunklen Stube am Pult, mit kaum Zeit zum Essen und für ein Lumveiigeld und davon auch noch wohnen und leben", schloß Wächter, der sich ganz in Feuer geredet hatte. Sie waren längst stehen geblieben, nicht weit von der Stelle, wo einst zener unglückliche nächtliche Kampf statt gefunden hatte. Unverwandt ruhte Helmuth'S Auge mit seltsamem Aus druck auf dem Gesicht des Sprecher-. Er suchte, suchte in seiner Erinnerung. WaS ihm da geboten wurde» war so wunderbar — so unerwartet schön, Erfüllung seine- heißen Wunsches nach Er lösung auS der Frohnarbrit in der dumpfen, dunklen Schreib stube I Aber wer war «S, der eS ihm vot, so überraschend, so großartia einfach, wie ein König ajebt! Wer- Und warum? Dieser einfache Mann — Inspektor auf einem Gute, dessen ganze Verwaltung er in seine, Helmuth'S, Hände legen wollte — mit all den sonnenklaren Vortheilen! Und warum? Weil er von Helmuth Andor gehört hatte? So viel Gutes, daß er sich bestimmt fühlte, ihm vor Hunderten, die schon erfahrene, auSgebildete Beamte waren, die- Anerbieten zu machen? Ihm, der gar nicht einmal Arbeit suchte! WaS lag da hinter? Wie kam er dazu? „Wollen Sie mir nur Ein» sagen", begann Helmuth, sich wieder langsam in Bewegung setzend, denn di« Vorüber gehenden wurden aufmerksam auf sie, — „wollen Sie mir nur Eins sagen — so ehrlich sagen, wie Sie auSsehen. Wa« veranlaßt S«e, oder wer, gerade mir dies verlockende An erbieten ;u machen?" Wächter atbmete tief auf. „Also verlockend scheint eS Ihnen. Es gefällt Ihnen?" fragte er so freudig, daß Hel- muth's Erstaunen wuchs. Es war ja gar kein Zweifel, der Mann wollte nicht sich, er wollte ihm einen Gefallen thun. „Ich kann's nickt leugnen", sagte Helmuth kurz, und fuhr dringender fort: „Ehe ich überhaupt ein weiteres Wort in dieser höchst sonderbaren Sache sage oder höre, bitte ich Sie, mir den Grund mitzutheilrn, weshalb Ihre Wahl gerade auf mich fiel!" Franz Wächter schwieg. Helmuth sah mit begreiflichem Befremden die tiefe Traurigkeit, welche sich über daS frische, offene Gesicht legte. „Sie oder der, welcher Sie beauftragte, haben mich nie persönlich gekannt?" „Doch. Wir Beide", war die gedämpfte Antwort. „Beide? Also auch der Herr deS Gutes?" „Ja — in gewisser Weise — ja. Der Herr weiß noch nicht Ibren Namen. Ich batte unbeschränkte Vollmacht, Sie aufzusuchen. Er brauchte den Namen nicht zu wissen, ehe die Sache nicht zu stände kam. Sie konnten ja zum Bei spiel in befriedigender Stellung sein und mein Anerbieten verlache»." „DaS thuh' ich nicht! Im Gegcntheil. Aber Sie begreifen, daß ich dem Geheimniß aus den Grund möchte." „Herr von Andor — ich ging nur vor, wie ich that, weil ich fürchtete, daß Sie mich vielleicht überhaupt nicht zu Worte kommen ließen, wenn ick — zuerst meine Gründe, meinen Namen nannte. Denn mein Name wird Ihnen meine Gründe vollständig erklären: Ich muß Ibnen ja der ver haßteste Mensch auf Erden sein — mein Name ist Franz Wächter!" Horch! WaS war da-?! Klingendes Spiel — hallender Tactschritt — der Hohenfriedbergrr Marsch! Es funkelt und schimmert im Sonneuglanz, der siegend durch den Nebel flutbet: Helmuth'« altes Regiment kreuzt ibren Weg. Scheu sucht Wächtcr's Blick das tcdtcnblassc Gesicht seines Begleiters mit den zusammengepreßten Lippen und den düster blitzenden Angen. Vorüber, der jubelnde, freudige Klang verhallt. Rathlos steht Wächter da und wartet beinahe angstvoll, was Helmuth nun thun wird. Er fürchtet daS Schlimmste. Mußte auch jetzt gerade diese Erinnerung kommen an DaS, was er ihm geraubt batte! Er konnte sich nicht wundern, hätte eS nur menschlich gesunden in seinem mitfühlenden, gerecht denkenden Herzen, wenn der Arme sich kalt von ihm wendete und ihn bat, ihn mit seinem Anblick und seiner Unterstützung zu ver schonen. Aber Helmuth blieb ruhig stehen. Er stieß ihn nicht zurück. Wenige Minuten rang der jäh und frisch aufstriaende, rasende Schmerz um unwiederbringlich Genommene- in seiner Brust, in seinem blaffen, kranken Gesicht. Dann reichte er Wächter die Hand. „Sie haben Recht. Ihr Name sagt mir Ihre Gründe. Ich muß sie ehren. Nicht unser Wille führte uns in jener Nacht an dieser Stelle dort zusammen — unser Schicksal, Gottes Dille." Er hob daS Auge einen Augenblick in ernster Frage zum sonnigen HimmrlSdom „vielleicht zu unserem Glück." 27. Mit wunderbar gemischten Empfindungen machte sich am Abend dieses TageS der Oberst bereit, den Gast zu empfangen, den sein Sohn ihm heute angemeldet, den Mann, der seines Sohnes Zukunft zerstört hatte und sie nun wieder aufbauen wollte. Es lag ein eigenthümlicher Ernst in dem tiefen Frobaefühl Aller. Still und beschaulich stand man vor dem unerforsch- lichen Wallen der göttlichen Vorsehung, welche Wege einte und Fäden verknüpfte, die weltenfern getrennt und für immer zerrissen schienen. AuS äußerlichen Todfeinden sollten Brüder der Gesinnung werden — treue Nachbarn und Helfer am Arbeitsmarkt. Helmuth batte nicht viel geredet von dem Gaste, den er den Seinen brachte; die Tbatsacken sprachen, deS Mannes eigene Worte erweckten ihm Ack-tnitg, ja Snmpatbien. In
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