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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.12.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-12-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951216027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895121602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895121602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-12
- Tag1895-12-16
- Monat1895-12
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December. Der Reichstag hat bekanntlich am Sonnabend den Gesetzentwurf gegen den unlauteren Wettbewerb einer Commission überwiesen. Dagegen ist nichts ein zuwenden, da dieser wichtige und einschneidende Entwurf au« bereit« dargelegten Gründen einer sorgfältigen Prüfung und in einigen Puncten einer veränderten Fassung bedarf. Ein ganz anderes Bewenden hat es mit dem un bedeutenden Gesetzentwürfe, dessen Zweck es im Wesentlichen ist, zn dem schon für die Conjum vereine bestehenden Verbote des Verkauf« an Nichtmitglieder eine Straf bestimmung hinzuzufügen, und der gleichfalls an eine Commission verwiesen wurde. Auch dieser Entwurf genügt nicht völlig dem Bedürfniß; aber das, was ihm fehlt, liegt zu klar auf der Hand, daß das Plenum sich darüber nicht auch ohneCommissionsberalhung einigen könnte, sofern beiden jetzigen ParteiverhLttnissen eine Einigung überhaupt möglich ist Ist das nicht der Fall, so ist die Commissionsberathung erst recht überflüssig. AuS dieser' Ueberweisung geht also leider hervor, daß die vor der Eröffnung des Reichstags in der Presse mehrfach gegebene Anregung, die Cominissions- berathungen einzuschränken, auf unfruchtbaren Boden gefallen ist. Wenn das Haus sich nicht einmal getraut, eine so gering fügige Vorlage in zweiter Lesung ohne CommisstonSverhand- lung im Plenum zu erledigen, so wird es wohl überhaupt bei dem seit Jahren eingerissenen Schlendrian bleiben. — AuS der an den elfteren Entwurf sich knüpfenden Debatte ist nur eine Controverse zwischen dem Abg. Singer und dem Staatssecretair vr. von Börtlicher hervorzuhebcn. Der sociatvemokratische Redner, dem der Staatssecretair am Freilag scharf begegnet war, hielt diesem vor, er „wisse selbst recht gut, daß die Socialdemokraten in der Lage wären, gewisse Vorgänge auS den höchsten Kreisen zur Sprache zu dringen", worauf Herr v. Boetticher entgegnete, in seiner Person bestehe „absolut kein Hmderniß, daS, was Immoralisches in der Gesellschaft vorgekommen ist, auch hier zum Gegenstand der Kritik zu machen". Damit sollte wohl der hier und da geflissentlich hervorgerufenen Annahme, daß Herr von Boetticher sich zu besonderer Schonung der Social- demokrateu veranlaßt sehe, entgegentreten werben — und das ist gut. Aber sür Herrn Singer und seine Genossen fällt nun auch jeder Grund zur „Schonung" weg. Wer die Sociatdemokratie kennt, glaubt ohnehin nicht. Laß sie irgend ein Mitglied der Regierung aus Rücksichten „schonen" werde; aber es giebt doch noch Leute genug, die da meinen, es müsse etwa« dahinter stecken, wenn ein Singer andeutet, er könne wohl reden, wenn er nur wolle. Herr Singer und „Genoffen" sind nunmehr aufgefordert, ihr gutes Herz zum Schweigen zu bringen und von der Leber zu reden wie die Recken. „Heraus mit Eurem Fleder wisch!" Herr vr. v. Boetticher ist bereit, zu pariren. Wenn nun die Herren mit ihrem angeblichen Wissen „über gewisse Vorgänge in den höchsten Kreisen" nicht berausrücken und noch ferner mit versteckten und unfaßbaren Andeutungen zum Zwecke der Verhetzung operiren, so schreiben sie selbst diesem Treiben das Zeugniß, das der Verleumdung ge bührt. Die Correspondenz des Bundes der Landwirthe bat dieser Tage unter der Marke „Wem verdanken wir den Ent wurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs k" einen Aussatz verbreitet, der bestimmt ist, den Entwurf den Landwirthen verdächtig zu machen. Kein Anderer als LaSker sei es gewesen, der in, Reichstage de« Norddeutschen Bundes zuerst den Antrag ge stellt habe, daS Obligationenrecht in die Zuständigkeit des Bundes zu ziehen. Wiederum sei es Laster gewesen, der nacjp der Gründung des deutschen Reiches im Reichstag beantragt habe, daS gesammte bnrgertiäie Recht der ReichSgesetzgebung zu unterstellen. Schließlich sei Laster durchzedrungell und dann hätten sich die Dinge genau im Geiste seines Antrags weiter entwickelt. Daraus sei der erste Entwurf bervorgsgangen, mit dem der jetzige Entwurf in der Hauptsache vollständig identisch erscheine — «ine wahre lox Lasker. Nun weiß der biedert Landwirth, wovor er sich bitten muß! Die „Köln. Zlg." erwirbt sich daS Verdienst, die Dreistigkeit dieser irre führenden Mittheilungen an den Pranger zu stellen, indem sie ihren Lesern die folgenden Thatsachen in das Ge- dächtniß zurückruft. Der Antrag, daS Obligationen recht der Gesetzgebung des Norddeutschen BunveS zu unterstellen, wurde am 16. März 1867 im Reichstag eingebracht; er war neben Lasker von 39 Abgeordneten unterschrieben, zu denen auch gehörten: v. Bennigsen, Graf zu Dohna, Graf Henckel v. DonnerSmarck, v. Leipziger, Lette. Römer, Ed. Rückert, Baron v. Baerst, Freiherr v. Schwartz- koppen, Wachenbusen, Wiffelinck. Der Antrag, durch welchen die Aufnahme des gelammten bürgerlichen Rechts in die Reichszuständigkeit befürwortet wurde, ging am 6. Mai 1872 beim Reichstag ein; er war neben Lasker unterstützt von 132 Abgeordneten, darunter in erster Reihe vonMiquel, v.Bernutb, Kürst v. Hohenlobe-Schillingsfürst (dem jetzigen Reichs kanzler) und weiter von Graf Behr-Neaendank, v. Benda. Gras Bethusy-Huc, v. Bonin, Frhrn. v. Eckardstein, vr. Ham- macher, Fürst v. Hohenlohe-Langenburg (dem jetzigen Statt halter m Straßburg), v. Kardorff, v. Kusferow, Fürst von Lichnowsky, Vr. Lucius (dem späteren Landwirth- schaftSminister), Graf zu Münster (dem Botschafter in Pari«), Herzog von Ratibor, Graf Renard, v. Rochau, Thiel (dem Vortragenden Rath im Lanvwirthschafls-Ministerium), Frhrn. v. Wedekind. Frbrn. v. Zedlitz-Neukirch. Alle diese Namen werden zu Ehren von Lasker und zur vermeintlichen Discreditirung des Bürgerlichen Gesetzbuches unterschlagen. An gesichts der der OeffentUchkeit übergebenen beiden Entwürfe zu be haupten, daß beide in der Hauptsache identisch seien, ist eine schier unglaubliche Dreistigkeit, nur noch übertroffen vou der andern Behauptung, daß auch der zweite Entwurf im Geiste Lasker's gehalten sei, obwohl in der zu seiner Ausarbeitung berufenen Commission u. A. Land- und Forstwirthe wie die Frbrn. v. Manteuffel, v. Gagern, v. Hellvorff und Ober forstmeister Dancketmann, sowie unabhängige couservative Männer wie Leuschner, Solm und Wille thätig gewesen sind. Alles das wird aber unterschlagen, um ein unbefangenes Urtheil nicht aufkommen zu lassen. Solche Entstellungen werden hoffentlich baS Gegrntheil der von ihr»« verfolgten Ziele herbriführen. Der „Reichßanzeiger" veröffentlicht den Schriftwechsel zwischen Deutschland und dem Tungoftaatc, betreffen» die Hinrichtung des ElsenheinhänvlerS StokeS. lieber die ElitsckätigungSfrage und das Vorgehen gegen H. Lvthaire geht auS dem Schriftwechsel nichts Neue« hervor. Bon Interesse dürfte jedoch sein, daß der deutsche Vertreter in einem Schreiben vom 25. November d. I. mittheilt, daß nach einem neuerdings eingegangenen Telegramme des kaiser lichen Gouverneurs vvu Wissmann die Cougobeamten und insbesondere der Commandant des Tanganika-DistrictS ihr illoyales Verhalten fvrtsetzen und daß die kaiserliche Regierung nach dieser Richtung hin bis nach Eingang näherer Nachrichten alle weiteren Schritte sich vorbebält. Ferner ist neu, daß es sich in dem Schriftwechsel auch um die Handelsprämien gebandelt hat, welche nach nicht unbe gründeter deutscher Auffassung die Angestellten deS Congostaates sür erworbenes Elfenbein, Gummi rx. erhalten sollten. Der deutsche Vertreter bat Namens seiner Regierung gegen die etwaige Zahlung solcher Prämien energisch proteslirt und in einem Schreiben vom 9. December dieses Jahres als Ansicht der kaiserlichen Regierung hingeslollt, daß die Freiheit des Handels, wie sic durch die Couao- acte gewährleistet ist, durch die Zahlnug von Prämien für den Erwerb von Landeserzeugnissen an die gleichzeitig mit öffentlichen Functionen ausgeslattelen Beamten und Officiere der selbst Handel treibenden Regierung, in hohem Maße be einträchtigt würde. „Es liegt", heißt es in dem Schreiben, „auf der Hand, daß von einem freien Wettbewerb nicht die Rede sein kauu, wenn auf der einen Seite riusache Kaufleute mit den Eingeborenen Handel trecben und auf der anderen Seite Len letzteren als Handeltreibende Beamte und Officiere gegenüberstebeu, die in ihrer Eigenschaft als Vertreter der Regierung Gewalt über jene zu üben haben und oft Herren über Leben und Tod sind. Die kaiserliche Regierung würde es lebhaft bedauern, wenn die Regierung des Unabhängigen Congoftaats sich zu den vorstehenden Grundsätzen nicht be kennen sollte. Ob dies geschieht oder nickt, ist wesentlich eine Frage, die die Regierung des Unabhängigen Cvngo- staats mit Rücksicht aus ihr Ansehen und aus ihr Gerhältuiß zu den Regierungen civilisirter Staaten zu treffen hat. Die kaiserliche Regierung aber hat daS überaus praktische Interesse, in keiner Weise mehr durch Zahlung solcher Prämien vie eigenen Angehörigen geschädigt zu sehen." Der Vertreter des Cougostp.urs hat nach d«m vergebt,che» Versuch, die Sach läge durch Winkelzüge zu verdunkeln, i« einem Schreibe» vom 11. December in feierlicher Weise erklärt, daß den Ange stellten im Unabhängigen Congostaat keine Handelsprämien gewährt werden, unv vaß die Regierung nicht die Absicht hat, solche einzuführen, weder in Bezug auf Kautschuk, noch auf Elfenbein oder irgend ein anderes Erzeugniß. Der Ton, welchen der Vertreter Deutschlands dem Congostaate gegenüber anschlägs, ist ein ernster und energischer, ent sprechend dem zweideutigen Verhalten des Letzteren uns gegenüber, wie e» schon in dem anglo-congolesischea Vertrag zum Ausdruck kam, der in einzelnen Bestimmungen die deutschen Interessen schwer schädigte, weshalb dieselben auf die Intervention der deutschen Reichsregierung hin bekanntlich wieder aufgehoben werden mußten. In Belgien ist man wieder mitten in einer Minister krise. Der KriegSminister hat im Einvcrständniß mit dem Könige seit Jahresfrist daS die Heeresorgauisatiou umgestaltrnde Militairgesetz fertiggesteüt. Man erinnert sich, daß General Brass ine vor achtzehn Monaten da« Porte feuille des Krieges nur unter der Bedingung übernommen hatte, daß die Regierung in eine gründliche Rejorm des Heer wesens willigte. Das Gesetz will Aushebung der militairffchen Stellvertretung, persönlichen Militairdienst mit verkürzter Dienstzeit, Erhöhung des Effectivbcslande-, Schaffung einer tüchtigen Reserve nnd Begünstigung deS Eintrittes Frei williger in die Armee. Dieses Gesetz ist den klerikalen Heißspornen ein Greuel, und so setzen sie Alles in Be wegung, um e« zum Scheitern zu bringen. Der Kriezs- niimster hat, von der Armee aus gedrängt, bei dem Ministerium beantragt, diesen Gesetzentwurf der Kammer zu unterbreiten. Darob ist nicht nur die ganze katholische Presse, sondern auch die klerikale Reckte aus dem Häuschen. Das Ministerium selbst bat, nachdem es bisher die Ent scheidung der wichtigen Frage unter allerlei Vorwänden hinauszuschieben verstanden, uuuiuehr unter diesen Umständen es förmlich abgelehnt, daS „unzeitgemäße" Militairgesetz in der Kammer einzubriugeu. Ganz abgesehen davon, daß mehrere Minister dem persönlichen Militairdienste überhaupt abgeneigt sind, ist der Grund dieses allgemeinen klerikalen Widerwillens gegen die Militairvvrlage sehr klar. Im Juni 1896 finden auf Grund des allgemeinen Stimmrechts die neuen Kammerwahleu statt. Bei der uotorischeu Abneigung des Landes, besonders der vlämischeu LandcStheile gegen neue Militairlasten wäre mit einem solchen Militairaesetze die Niederlage der Klerikalen, der Sturz des klerikalen Regiments besiegelt. Ter Kriegsminister will sich auf neue Vertagungen nicht einlassen uod bat, wie gemeldet, sein Entlassungs gesuch eingereichl. Ob er aber nun bleibt oder geht, so steht doch außer Zweifel, daß die Miliiairvorlage thatiächlich aus sichtslos ist. Die Mehrheit der Rechten lehnt sie rundweg ab, und die Liuke ist zwar dem persönlichen Militairdienste geneigt, aber mit den Grundzügen der Regierungsvorlage nicht einverstanden. An dieser Sachlage kann keine Minister- trist« etwas Ludern. Seit eiuiger Zeit treten Gerüchte von einer Abände rung der Thronfolge in Ocftcrretch mit solcher Bestimmt heit auf, daß man von ibueu Notiz zu nehmen gezwungen ist, obgleich bei der delikaten Natur der Angelegenheit eher aus ein Dementi als aus eine Bestätigung zu rechne« ist. Nack der pragmatischen Sanctiou ist die Thronfolge derart geregelt, daß zuerst die directen Nachkomme« in männlicher Linie und dann die iu weiblicher erbsolgebexechtigt find. Der präsumtive Thronerbe wäre demnach gegenwärtig der jnngereBzuder des Kaisers, Erzherzog KarlLudwig, und im Falle seines Verzichtes — der übrigens bereits vor jüngerer Zeit erfolgt sein soll — dessen Söhue Franz Ferdinand, Ott» u.siw. Der erstgenannte der beiden Erzherzöge, Franz Ferdinand, ist bekanntlich schwer er krankt und hat vergeblich Heilung in einem Luftcurort aus der Mendel bei Boren gesucht. ES soll nun «in Lieblings Wunsch des Kaisers leip, daß die Thronfolge auf den Sobn seiner jüngsten Tochter, Erzherzogin Valerie, übergebe, die mit dem Erzherzog Kravz Salvator von Oesterreich-Toscana vermählt ist. Eine derartige Abänderung der Thronsolgeordnung bedingt aber die Abänderung der pragmatischen Sanctiou, die wiederum bekanntlich deu Gruydvertrag zwischen Ungarn und der habsburaischen Dynastie bittet. Wie «an dazu gekommen ist, die Berufung Goluchowski'S zum Minister deS Aeußeren und des k. und k. Hauses, sowie die des Grafen Badeni zum österreichischen Ministerpräsidenten damit in Verbindung zu bringen, ist nicht recht klar; nichtsdestoweniger behauptet man stets und fest, daß es die hauptsächlichste Aufgabe der beiden Vorgenannten sei, die Abänderung der Thronfolge io dem anaebeuteteu Sinne durchzuführe«, wie denn auch ihr« Be rusung nur mit Rücksicht darauf erfolgt sei. Die latente Feind sckaft zwischen Araukreich und Italien erhält durch daS den Italienern i« Tigre widerfahrene Miß geschick bezw. durch die gehässige Art seiner Commentirung Feuillaton. Der Geiger. bs Original-Roman von Emmy Rossi. Nachdruck verbot««. (Fortsetzung.) Ich mußte nun oft an den ersten Abend denken, wo mein Mann seinen Neffen von meiner Seite zurückschieben wollte — dieser Versuch deS Zurückschiebens, bildlich gesprochen, fand nun sehr oft statt. Nicht als ob L. Hermes sich herab- gelasten hätte, Eifersucht zu zeigen — er ist auch in der Thal nie eifersüchtig gewesen, denn er kannte ja keine Liebe —, aber seine Eitelkeit wurde berührt, wenn ich Egon mehr Aufmerksamkeit schenkte als ihm. Ab und zu suchte er ebenfalls Egon in meinen Augen zu verkleinern, — er sei in Valbivia verbauert, habe seinen feinen Geschmack ver loren, trage sich wie ein Hinterwäldler und dergleichen unbedeutende, aber herabsetzende Bemerkungen mehr, Dinge, die mich immer fester an den theuren Freund ketteten. Wie ander« äußerte sich Egon, wenn mein Aussehen einmal getrübt war. Er fragte nie, wie ich mich befinde, aber eine SchmerzenSfalte legte sich um seinen Mund, er litt meine Leiden, er freute sich meiner Freuden. — E« waren unvergleichlich schöne zwei Jahre, di» wir so in stummer Liebe nebeneinander hinbrachten — äußerlich blieven alle Verhältnisse dieselben, innerlich vollzog sich Tag für Tag die Scheidung von meinem Mann — da« heimliche Abbröckeln eines Felsen-, den man für unerschütterlich hält, der dann plötzlich mit Eclat in die Tiefe stürzt. Ich wiederhole Dir, eS ist mir weder von L. HermeS ein Unrecht geschehen, im niedrigen Sinn« de« Worte«, noch haben wir ibm Unrecht getban. Egon und ich gehörten zu einander, Ludwig HermeS und ich gehörten nickt zu einander. Da« Gefäß meine« Zorne« war voll — ein Tropfen konnte e« zum Uebetlaufen bringen ich war nicht mehr die schüchterne Taube, ich war ein bewußte«, klare- Weib von sitbenuudzwanjig Jahren, und lernte mein« seelische Kraft an Egon'« Größe messen. Wie ich schon zuvor von meinen Großettern sprach, die den Anfang meiner Abneigung gegen meinen Mann derbe,- geführt hatten, so bildeten sie auch da« Finale derselben heran Binnen Stundensrist starben ihre beiden Söhne, die derzeitigen Inhaber der Firma, beide kinderlos, — Onkel Franz war überhaupt nicht verbeirathet gewesen — das Telegramm traf in dem Augenblick ein, als wir eine große Soivse besuchen wollten. Ein tiefer Schmerz faßte mich — furchtbar halben die asten Leute gegen meinen Vater gehandelt, furchtbarer noch war die Nemesis, ihre tadellosen braven „anderen" Söhne noch vor sich in LebenSfülle dem Tode verfallen zu sehen. Unwill kürlich streifte ich, als Ludwig mir die Nachricht brachte, meine Armbänder ab und wollte mich meines ferneren SckmuckeS entledigen, als er dies mit einer Handbewegung hinderte. ,,Wa« soll daS? Die Toilette verlangt daS!" „Aber ich kann doch nicht in Gesellschaft gehen!" „Weshalb nicht? Was sind Dir die Leute, ich denke, Du hast halsstarrig genug durchgesebt, daß sie Dir fremd geblieben!" bemerkte er, indem er ein Brillantarmband wieder auf meinen Arm befestigte. „Ja, da hast Du recht, aber nun löscht Mitleid mit ihrem Schicksal meinen Zorn auS, ich bedaure sie von Herzen und möchte zu ihnen eilen!" „Kannst Du auch", nickte er und befestigte da- zweite Armband, „aber tbu' mir den einzigen Gefallen und lceß' alle sentimentalen Thränen — Du wirst rothe Augen habe«,." „Wir können doch keine Gesellschaft besuchen, Ludwäg, in dem Augenblick, wo mir so nahe Verwandte sterben", „Lächerlich!" — Er reichte mir mein Collier. „Du kannst morgen nach Frankfurt reisen, ich begleite Dich viel leicht — es wird da Manches zu ordnen sein — Du bist jetzt einzige Erbin." Er sagte daS mit der Überlegenheit eines Millionairs, der einen Zuschlag zu seinem Reichthum zwar nicht braucht, der es aber hübsch vom Schicksal findet, daß ihm Alles zum Guten ausschlägt. Da hatte er ein blutarmes Püppchen geheirathet, weil sie zu seiner Ausstattung gehörte, uns »un war Liese Frau plötzlich eine reiche Erbin. Aber wie er es sagte, beleidigte e« mich. „Nun, Du brauchst doch darnach nicht zu sehen — L. Herme« rechnet nicht auf die Erbschaft seiner Frau", ent gegnest ich überhastig, „ich hoffe, Du erlaubst mir einst, wenn mir Pa« Erbe zufällt, daß ich e« zurückweise sür wohlthLtige Stiftungen" Er lachte mir in« Gesicht — brutal — mehr al« brutal. „Aber wa« denkst Du denn — so reich ist kein Krösu«, daß er nicht noch reicher werden will — nein, ich brauche Dein Geld nicht» aber Deine Utopien sind Unsinn! UebrigenL gönnen wir den alten Leuten noch ihre paar Jährchen. --- Nun komm!" „Nein, Ludwig — heute komme ich nicht mit Dir!" „Ich befehle es Dir!" „Ich gehorche nicht" — Wir standen uns gegenüber — die Masken fielen — was er geahnt haben mochte, erfüllst sich. Ich war nicht mehr daS sklavische, willenlose Weib des Tyrannen — ich war innerlich frei — nicht die äußere Freiheit habe ich gesucht, aber ich fand sie. Er erhob die Hand, al« wolle er mich züchtige», doch sank sie langsam vor meinem Blick zurück. In diesem Augen blick kamen Egon und seine Mutter, uns abzuholen. Ich wollte keine Scene, um Egon'S Willen, hüllst mich iu meinen BurnuS und ging. Selbst in jener Stunde ahnte ich noch nicht, als ich die mit rothem Sammet belegte Marmvrtreppe herabschritt, daß ich zum letzte» Mal die« HauS betreten. Unterwegs in der Equipage wechselten wir kein Wort, ja Egon vermied sogar meinen Blick. Mein Mann sprach mit seiner Schwester über Briefe, die von Peter eiugetroffeu, kein Dritter hätte geahnt, wa« in mir gährte. Hin und wieder traf mich ein leise« Auslachen Ludwig s. Er schien sehr be friedigt, daß ich eine versuchst Empörung mit Unterjochung büßte — schließlich hatte er ja Recht behalten — ich besuchte die Soirs« — trotz der Traueraachricht, die mich zu einer reichen Erbin machen sollte. An seinem Arm erregte mein Erscheinen wie immer Sen sation — wir machten eine Runde, begrüßten, wurden be grüßt; unsere liebenswürdige Wirtbin fragte, ob ich heute Abend die Gesellschaft entzücken wollte mit einem, ach uur einem einzigen Liebchen — ich konnte lächelnd bejahen, konnte spreche» wie immer, hörst banale Pbraseo und tiefsinnige Worte, und dabei sagte ich mir unaufhörlich: „Wa« jetzt thun?" Ich sang — e« ist seltsam — ich sang ein Lied, welche« ich nie zuvor gehört, weder den Text noch die Worte — in der Erregung de« Augenblicks improvisirte ich. Nicht einmal behalten Hab« ich « — nur den Refrain weiß ich noch „Ich bi» zu Ende und Dich frag' ich nun — Was soll ich thun?" Doch vermied ich nach Schluß, Egon anzusehen, der still, vor- uebm wie immer, unauffällig sich in nächster Nähe zu placiren gewußt hatte. E« war kein eigentlicher Bau, doch tanzte man im Nrben- saal. An diesen schloß sich ein Wintergarten, der heute seine Thüren geöffnet hatte — ein bläuliches Ampellicht erzeugte eine Monbscheinstimmung. Hierher giug ich, quer durch den Saal, mehrere Cavalliere wollten sich mir anschließen, ich drehte mich unter der GlaSthür um: „Der Raum ist für so Viele zu klein, meine Herren!" Und lächelnd ließ ick Alle zurück. Nun wußte ich, daß Egon, der mir mit den Blicken ge folgt war, kommen mußte. Ein Gefühl, al« wenn uns in Erregung vor Heiserkeit die Stimme versagt, drückst mir die Augen zu — als ich sie öffnest, stand er vor mir. Ich wieder holst meine Frage: „WaS soll ich thun?" „Erst muß ich wissen, was geschehen ist!" „Meine beiden Onkel Meißner in Frankfurt sind beule früh aus eiuem Neubau ihrer Villa verunglückt, tobt —" „Und Sie hier, auf einem Ball?" ,^-ezwungen — trotz heftigen Widerstande«!" Eine schwüle Stille brach über u»S herein — nur meine Augeu frugrn uoch: „WaS soll ich thun?" Egon verstand mich und antwortest — ein einziges Wort: „Komm!" — Ich erhob mich, legte weinen Arm iu den seinigen, durch schritt mit ihm den Ballsaal, da«« den anderen Salon, hinaus in die Garderobe. „Bitte, sagen Sie meinem Mann, ich sei unpäßlich ge worden — aber erst in einer Stunde", beorderte ich den Diener, der un« die Kleiderhkllen umlegte, „er soll sich nickt stören lasten!" E« war nicht« Aufsässiges darin, daß ich mit einem Neffen meines Manne« de« Ball verließ. — Vor dem Hanse fanden wir Droschke». Ich hörte nicht einmal, wohin Ego» die Ordre gab — ich ging blindlings mit ihm. Nur meine Hand hielt er während der Fahrt fest umfangen, „arme, liebe Geest", sagst er mehrere Male — sonst Nicht« Als der Wagen hielt, erkannte ich daS Hau«, in welchem ick meine Jugend verlebt — Onkel Schönborn« „Tantcken heim", da arbmete ich erlöst auf. E« war sckou uack 11 Uhr; der Wächter schloß aus, di« beide» lieben Menschen waren noch auf, Onkel öffnete, er prallte zurück, al- er mich erkannte. Egon trat schnell aus Tantchen ru: „Liebe Frau Schön bor», ich bitte Sie um Schutz für Lila, fie tvird nicht mehr in da« Hau« ihre« Gatten zurückkehrea, nie mehr! Und
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