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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.12.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951219026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895121902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895121902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-12
- Tag1895-12-19
- Monat1895-12
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Bo etlicher gezählt sein dürften, und daran darf man wobl festhalten. Alle übrigen Ge rückte beruhen auf Bermulbungen, bei denen vielfach der Wunsch der Vater des Gedankens ist. Mit Herrn v. Boelticher geht e« vielleicht auch nicht so rasch, als Manche hoffen und Biele glauben; jedenfalls will e» uns nicht ein- leuchlea, daß der Gang der HanvwerkSkammerangelegenheil seinen Uebertritt in ein Oberpräsivium beschleunigen könnte. Nicht weil wir glauben, daß, wie der StaatSsecrelair selbst sich auSdrückle, em ihm wegen dieser Sacke gegrabenes Grab ein Massengrab sein müßte, sondern weil dem Fiasco des Herrn v. Boetticher mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ein solches des Freiherrn v. Berlepsch folgen wird. Dessen Organisationsentwurf ist, wie an anderer Stelle berichtet, so gut wie fertig. Er wird auch voraussichtlich eine Mehrbeit im Bundesrathe finden, obwohl die Ablehnung durch Württemberg, Baven und einige andere Staaten so gut wie sicher ist. Dann aber kommt der Reichstag, und in diesem wird der Berlepsch'sche Entwurf zwar viel rücksichtsvoller be handelt werden, als der Boetticher'sche, aber eine Mehrheit wird auch er kaum finden. Das Eentrum will keine Organisation ohne den Befähigungsnachweis, und ohne das Eentrum giebl cS gegen dte Linke keine Mehrheit. Wenn diese Partei nicht gegen über ihren Anhängern im Handwerkerstande eine Wendung findet, die den — vorläufigen, wie man in diesem Falle sagen wirb — Verzicht auf den Befähigungsnachweis gestattet, dann wird in der Angelegenheit der HanvwerkSorganisation ein Vacuum entstehen, es wird nichts vorhanden feilt, wonach man, beim besten Willen, greifen könnte. Und debalb ist der beinahe rettungslose Zustand, in dem die Boetticher'sche Vorlage in die Eommissivn gebt, bedauerlich. Herr v. Stumm, der überhaupt in der Bekämpfung der Socialdemokratie je länger je mehr eine unglückliche Hand zeigt, hat neuerdings wieder die längst zur Ruhe gebrachte Frage des DiiitcnbezffgeS -er soeialvemotratischen ReichStagSabgcordnetcn aufgerüttelt. Im weiteren Verlaufe der Erörterung ist die Forderung aufgetaucht, die Abgeord neten, die Diäten beziehen, durch den Reichstag ihrer Man date verlustig zu erklären, oder, wenn das nicht anginge, die Reichsverfassung zu ändern. Das Letztere wäre zu einer Aenderung des bestehenden Zustandes allerdings nöthig. Die Verfassung bestimmt zwar in Art. 32: „Die Mitglieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung ober Ent schädigung beziehen", aber eS ist klar, daß damit nur Besoldungen oder Entschädigungen von Seiten des Reichs gemeint sind. Bei der Beratbung des Artikels ist diese Ausfassung als die des Gesetzgebers ausdrück lich bekundet worden, und weder Fürst Bismarck, der noch zu der Frage das Wort ergriffen hatte, noch irgend ein Anderer ist ihr entgcgengetreten. Es find allerdings in den achtziger Jahren Processe wegen dieser Diäten geführt worden, aber die auf Herauszahlung der erlangten Diäten gerichteten Klagen stützten sich auf eine Bestimmung des preußischen AllgemeinenLand rech t S, nicht aufeine solche der Reichsver- fafsung. Die damals durch daS Reichsgericht erfolgte Verur- theiluna einer Anzahl von Abgeordneten hat nicht Recht für das ganze Reich geschaffen, sondern nur für daS Gebiet des All gemeinen LandrechlS, also nicht eiutnal für ganz Preußen. Man müßte also die Verfassung ändern, um den Wunsch des Frhrn. v. Stumm in Erfüllung zu bringen. Dies erscheint jedoch, abgesehen von der augenblicklichen, in der Zusammen setzung des Reichstags begriindetenUninöglichkeit.als ein durchaus nickt empsedlenSwertber Schritt. Bor Allem desbalb, weil er das öffentliche Rechtsbewußtsein nicht für sich hätte. Wir für unfern Tbeil sind Gegner der Diätcngewähruna an die ReichstagSabgeordnelen; wir sind der Meinung, daß sie das geistige und sittliche Niveau des Reichstags weiter Herabdrücken würde. Aber diese Ansicht ist in keiner einzigen Partei die allcinherrschende, überall giebt cs Freunde der Diälengewährung, und die hier in Betracht kommenden denkenden Elemente der Bevölkerung tbeilen sich in dieser Frage in zwei vielleicht gleiche Hälften. In einem Augenblick aber, wo ein großer Tbeil des Landes und die Mehrheit des Reichstags bereit wären, den Abgeordneten aus Reichsmitteln Tagegelber zu bewilligen, die privatim gewährten gesetzlich dagegen ab zuschaffen, das hieße der öffentlichen Äkeinung uiigenügcud Rechnung tragen und damit — den Socialdemokraten Wind in die Segel treiben. Aber auch wenn diese Erwägung sich nicht aufvrängte, könnte die Anregung des Freiherrn von Stumm keine glückliche genannt werden. Es wäre ein Unrecht, den Bezug von „Tagegeldern" von Privaten zu verbieten, da die Aunabme von Entschädigungen anderer Art unmöglich unter sagt werden könnte. Man kann es nicht verbieten, Abgeordneten Geschenke zu macken, und es bleibt sich im praktischen Effect gleich, ob diese Geschenke den durch die Ausübung eines Man dats verursachten Zeit- und Geldaufwand einer kürzeren oder einer längeren Zeit entschädigen. Es ist einmal in Anerkennung einer etwa achtzehnjährigen diätenlosen Mandarsführung eine Schenkung von lOO OOO erfolgt, und Niemand ist es ein gefallen, sie unter dem Gesichtspunct des Art. 32 der Reichs- Verfassung zu bemängeln. Wie kann man es als ein Unrecht ansehen, wenn in Raten Geldbeträge dahingegeben werden, deren Summe überdies noch in 30 Jahren die angegebene nicht erreichen würde'? In Frankreich hat die Volksvertretung für die nationale „ Verth eidigung" bekanntlich immer Geld. Wäbrend im deutsche > Reichstag um einige Kriegsschiffe, welche die Regierung verlangt, die heftigsten Debatten entbrenne», reichen in Frankreich die heterogensten Parteien sich freudig die Hände, wenn es gilt, der Kriegsflotte einen neuen Machlzuwacks zu verleiben. Erst jetzt wieder ist das französische Marineministerium in der glücklichen Lage, auf Grund von reichlichen Bewilli gungen der Deputirtenkammer 1896 den Bau von folgenden vier Kriegsschiffen beginnen zu lassen: Panzerschiff „Henri Quatre", 7000 Tonnen, von geringer Fahrgeschwindig keit; Kreuzer „Ieanne d'Arc", lO 960 Tonnen, 28 5,00 Pferve- kräste, 23 Knoten Geschwindigkeit, schwerste Bestückung, Kohle für 15 000 Seemeilen bei zehn Knoten Fahrt, 666 Mann Besatzung; zwei TorpedoavisoS, „DunoiS" und „Lahire", 896 Tonnen, 6400 Pferdekräfte, 23 Knoten, 128 Mann. Die beiden großen Schiffe sollen in StaatSarsenalen, die Torpedos auf Privatwerften gebaut werden. — Mittlerweile fährt übrigens Admiral Gervais, der „Held von Kronstadt", fort, die Figur des Pechvogels zu spielen. Kaum ist er, zum großen Verdruß der Radikalen und Socialisten, aus der Untersuchung wegen des Aus laufens einer ganzen Schiffsdivision auf die Sandbänke bei Satins d'Hyöres „gerechtfertigt" hervorgegangen, und schon melden die Blätter, daß in der Nacht vom I I. zum 12., bei einem Manöver seines Geschwaders, das zu Uebungszwecken mit gelöschte» Lichtern fuhr, der Panzer „Courbet" in der Näh« des Golfs Juan mit einer italienischen Brigg collidirte. Natürlich ist das Wasser auf die Mühle der hochrolhen Gegner des Admirals. Welch großer Seemann! rufen sie aus, und welches Glück, daß der Marineminister ihn nicht abgesetzt hat! Diejenigen, welche so sprechen, geben nicht zu, daß der officielle Bericht, welcher den Unfall einem falschen Manöver des italienischen Fahrzeugs zuschreibt, die Wahrheit sage. Der italienische Eapitain, besten Sckifs von dem „Courbet" bis nach dem Golf Juan ins Scklepptau genommen wurde und dem der Admiral sofort durch die Arbeiter -seines Geschwaders und aus staatlichem Material statt teS zerbrochenen Bugspriets seiner Brigg ein neues her stellen ließ, verlangt eine sofortige Enkschädmung von 1200 bis 1500 Frcs. und droht für den Fall der Weigerung, mit einer diplomatischen Action. Es zeigt sich immer mehr, daß England in der orien talische» Frage ansgespielt bat und im Begriff ist, Rutzland das Feld zu räumen. Wir tbcilten schon mit, daß Lord Salisbury sich dahin geäußert habe, England könne sich mit der Unterdrückung der armenischen Greuel nicht befassen, eö müsse dabei besorgen, vereinzell dazustehen, wenn es weitere Versuche mache, auf die Türkei einen Zwang auszuüben. Thalsäcklich ist eS der englischen Politik nie um Reformen in Armenien zu thun gewesen, mit derartigen ebenso selbst losen, wie dornenvollen Aufgaben giebl sich ein eng lischer Staatsmann überhaupt nicht ab. Das Ziel, welches die englische Diplomatie seit Jahren verfolgt bat, ging vielmehr dahin, über die armenischen Greuel, die ins Maßlose übertrieben wurden, in Europa Alarm zu schlagen, es zu Eonflicten der Pforte mit den Armeniern zu treiben, welche die Mächte nickt glcichgittig lassen konnten, so einen allgemeinen Wirrwarr heraufzuführen, der aller Welt kund thun sollte, daß das türkische Staats gebilde vor der Auflösung nicht mehr zu retten sei, nach Beseitigung des Sultans die Frage der Auf- theilung des Osmanischen Reiches in Fluß zu bringen und dabei den Löwenantheil zu erraffen. Durch diesen Plan haben die übrigen europäischen Großmächte dem länver- gierigen Albion nun einen dicken Strich gemacht, cs sieht sich weiter kenn je vom Ziel seiner Wünsche enifernt und findet nun auf einmal die armenischenTrauben zu sauer Englische, selbst der Regierung nahestehende Blätter dielen sie Rußland an, und in Petersburg nimmt man sie gern, wenn auch mit dem stillen Vorbehalt, daß man Zeit habe, zu warten, bis sie reif und des Genusses werth sind. Dort ist man im höchsten Grade erfreut darüber, daß der russische Gesandte cS war, dessen Vorstellungen in der Frage der zweiten Slationsjchiffe .endlich beim Sultan den Ausschlag gaben. Nun, so schreibt, wie schon telegraphisch signalisirt, der Peters- burger Mitarbeuer der „Pol. Corr." anscheinend officiös, beabsichtigt die russiiche Diplomatie die, vorlheilhaste Posilion, die sie sich am Goldenen Horn durch diesen Ersolg erworben hat, in der selben Richtung auszunützen, in der sich überhaupt ihre Be strebungen in allen Phasen der jetzigen türkischen Frage bewegt haben. Das heißt mit anderen Worten, sie wird auch ferner aus die Verhütung all' Lessen, was bedenkliche Verwicklungen im Orient Hervorrufen könnle, und auf die Wiederherstellung normaler Zustände in Kleinasien hinarbeiten. Soll dies aber gelingen, dann muß der Sultan in der Lage sein, seine sou- veräne Autorität zu befestigen und den Zusagen, die er be züglich der Einführung von Reformen in Kleinasien gemacht hat, gerecht zu werden. In den politischen Kreisen Petersburgs ist man nun der Ansichhdaß in Anbetracht dessen dieMächleausdasSorgfältigste daraus bedacht sein sollten, Alles zu unterlassen, was den Sultan bei den Bemühungen zur Herstellung der Ruhe in Kleinasien und zur Kräftigung seines Herrscher ansehens neue Schwierigkeiten bereiten könnte. Man niüßie vielmehr diese Bemühungen, von deren Gelingen ja der Friede im Orient und demzufolge auch derjenige Europas abhängt, niit allen Mitteln nmerslütze». Jedenfalls — dies läßt sich versichern — wird dies die Richtungslinie der russischen Politik sein. Diese zurückhaltende Stellung nimmt bekanntlich auch die deutsche Regierung dem orientalischen Problem gegenüber ein, was ihr den ganzen Haß Englands von Neuem ZngkZogen bat. Auch Deutschland ist darauf in erster rinie bedacht, den Bestand der Türkei zu erhalten. Daß darüber der Sultan, wenn er trotz der mora liscken und faktischen Unterstützung der Mächte sich der Ein sührung von Reformen entzieben sollte, selbst zu Falle kommen und durch einen gefügigeren Nachfolger ersetzt werden kann, hat Nelidowrrst letzthin Abdul Hamid deutlich ru verstehen gegeben Selbstverständlich ist die augenblickliche Zurückhaltung Ruß lands auch nur «in Mittel zu dem Zwecke, endlich am Goldnen Hsr» daS letzte Wort zu sprechen. Aber man har in Petersburg Zeit, man sucht nicht, wie England, gewaltsam vorwärts zu kommen, soiidern die Türkei allgemach, nament kick finanziell von Rußland abhängig zu machen, damit man, wenn es zu einer Entscheidung kommt, sicher die Vorhand hak. So schreibt der oben citirte Correspoudent weiter: „Das Petersburger Cabinet wird das Gelingen der behufs Ver Hinderung neuer Unruhen in Kleinasien eingeleiteten militairischrn Maßregeln der Pforte mit Befriedigung wahrnehmen und so weil als möglich die finanziellen Operationen begünstigen, welche die Pforte behufs Bewältigung der ihr gegenwärtig obliegenden Aufgaben für nothwendig erachten sollte." Man sieht hier Rußland denselben Weg beschreiten wie in Ebina. Vorderhand begnügt man sich mit unschuldigeren Versuchen, wie der Erlangung eines Petroleum-Mono pols für einen gewissen Theodor Maurocordato, einen russischen Unlertbaii, dessen Vorschläge in dieser Richtung von der russischen Botschaft eifrig unterstützt worden sind. lieber die Zustände im Sultanat Zanzibar wurden ipi Oktober d. Is. in London die Ergebnisse der Untersuchung rer britischen An tisclaverei-Gesellsckaft veröffentlicht In Bezug daraus läßt sich ein Artikel der „Cap Times" von Milte November folgendermaßen auS: Der Schreiber, offenbar selbst ein Engländer, erklärt, daß im Hinblick darauf, daß aus Zanzibar und Pemba, Inseln, dir unter britischem Protectorat und unter britischer Verwaltung stehen, 140 000 Sclaven wie getriebenes Rindvieh, ja noch grausamer als solches, behandelt würden, jeder Brite sein eniehrles Haupt verbergen müsse. Er spottet über di« an der Küste auf und ab walzenden (..»altrivg") Kreuzer und Kanonen boote Englands, die in stetem Kriege mit den Sclaven raubenden Arabern und ihrem abscheulichen Handelsgewerbe lägen, während unter britischer Flagge am Lande derartige Zustände beständen, wie sie die letzten Enthüllungen ans Tages l>cht gebracht hätten. Von den Sclaven habe nur der kleinste Theil, etwa 50000, ein sogenanntes Recht auf Berufung au d«n General-Consul. Was noch schlimmer sei, die Sclaven seien, svo es sich selbst um Tod und Leben bandelt, oft der Willkür ihre, Herren unterworfen. Er spricht dann seine Hoffnung aus, daß die auf ihr Dichterwort, daß „jedes Britannias Boden betretenden Sclaven Fesseln fallen" so stolzen Engländer, sobald sie einmal über diesen Fleck auf ihrer Nativnalehre und, was noch schlimmer sei, dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit unterrichtet seien, dem selben ein Ziel setzen würden. Wenn es nun den Engländern wieder einfallen sollte, andere Nationen der Unmenschlichkeit gegen die Eingeborenen Afrikas zu beschuldigen und daran mit frommem Augenanfschlag Moralpredigten zu knüpfen, so werden sie das obige ver nichtende Zeugniß eines ihrer Landsleute entgegehalten de kommen, der ehrlich genug war, ihnen zn sagen, was hinter ihrer zur Schau getragenen Humanität steckt, nämlich die nackteste Heuchelei. Von deutscher Seite ist ihnen daS ja schon oft zu Gemüthe geführt worden, natürlich erfolglos: wir fürcktcu, auch die Selbsterkenntniß de« in dem er wähnten Berichte zum Worte kommenden Engländer» wird auf den Schreiber desselben und d,e Mitglieder der Anti- sclaverei-Gesellschaft beschränkt bleiben. 81 Der Geiger. Original-Roman vo» Emmy Rossi. Nachdruck verböte». (Fortsetzung.) Im Vestibül de» berühmten Kunsthause» begann schon der duxu», der stadtbekannte! Diese Marmortreppe hinab war sie in dir Freiheit geschritten — zwei DecorationSbilder, Abend und Morgen al» Mädchengestalten, deckten die Treppen- wände, hohe Palmen überragten ein blühende» Gebüsch tropischer Gewächse in Kübeln; auf dem Marmorsockel des Podestes hielt eine Aethiopierin au» schwarzem Syenit jonglirrnd eine Rirsenkuppel mit elektrischem Blaulicht, — goldgewirkte Shawl» bildete« eine Portißre zum ersten Stock. Der alte Josef hatte di« Garderobe in einem Neben zimmer unter sich. Al» er Aurel'« Pelz abnahm und dieser den Hut von dem goldenen Haar zog. gerieth ver Grei» fast außer Fassung. Aurel bemerkte eö und sagte sich, den Grund richtig errathend: „Wenn mich schon der Vorsaal erkennt — wa» wird der Salon thun?" In diesem Augenblick erschien Bruno — sein freundliche» Gesicht wurde bestürzt, al» er Aurel erkannte, der ihm von dem anwesenden Herrn Stern al» der so schnell berühmte Star Herr Relau vorgestellt wurde. Dann reichte er ihm desto herzlicher die Hand. „Ach Sir, Sie sind e» — ich habe Sie nämlich vor ein paar Monaten in der Oper gesehen — Sie gleichen dein Bild meiner lieben Mama so sehr — ganz merkwürdig auffallend. — Ich sage dem Bild — ich selbst habe sie nicht gekannt, sie ist so jung gestorben — unser Engel!" Aur«l erblaßte — hier fehlte jede Einleitung — ahnungs los glaubte Bruno an ihren Tod, wie sollte er Muth zur Wahrheit finden? Bruno trug ein großes Bouquet Rosen in der Hand, welch« er Fräulein von Schlieffen überreichte. Diese cavaliere Aufmerksamkeit rührte sie tief. E« war zwar Hausordnung, jeder mitwirkenden Dame eine solche duftige Gabe zu über reichen, aber da» Mädchen nahm Alle», wa» unerwartet kam, wie eine Gnade de» Schicksal» bin. Bruno bot ihr den Arm, Aurel folgt« mit Herrn Stern. Unter der Eiagangsthür de« Salon» trafen sie ven Hau«h«rrn, der neben seinem Sohn Herbert von einer Anzahl Gäste um ringt war. Die Vorstellung erfolgte. Nickt» in dem Gesicht der beiden Männer verrietb, an wen die» schöne Antlitz sie er innerte. Der Herr Commerzienrath sagte Aurel die verbind lichsten Complimente — er babe noch nicht das Glück ge habt, den Herrn Relau zu hören, er sei ein alter Mann und gebe wenig mehr in die Welt — was von der Well nicht zu ibm käme, lerne er nicht kennen. Er danke daher dem Herrn Relau außerordentlich, daß er zu ihm gekommen — die Geige sei schon immer sein Favorit-Instrument gewesen, „die Geige und die Sopranstimme — sie sind das Organ der Jugend", fügte er hinzu. Herbert musterte ihn wäbrend des Gesprächs mit seinem Vater; als neue Gäste hinzukamcn, sagte der Comiiierzieiiralb mit höflicher Verbeugung: „Sie entschuldigen mich für den Augenblick, meine Pflichten — Herbert, vielleicht vertrittst Du mich — bitte —, wir wollen mit den Vorträgen beginnen. Sie haben die letzte Nummer vor dem Souper, Herr Relau —, nun, lieber Freund Stern, das ist, wie Sie als Impresario versprachen, Ihre Sache —." Er verschwand unter Uniformen und Fräcken. „Bitte sehr", sagte Herbert voranschreitenv. Der Musiksaal trug eine kleine Estrade, von der rechts der wunderbare Steinwegflügel aufgefahren war. Zwanglos gruppirte Sessel standen, gradlinig bald, und bald in halben oder ganzen Curven, hinter dem Flügel und links von der Estrade. Eine japanische Rollwanv aus Bastsläbeii und Seidentroddeln schloß link» einen reservirten Raum für die Künstler ab, wo ein hoher Pfeilerspiegel, Bürsten, Kämme, Parfüm» und Getränke für da« „Vor-" oder „Nachher" der Mitwirkenden bereit war. Margarethe ließ sich von Bruno dicht an da» Clavier führen, damit sie nur eine» Schritt hinter die Wand und von Hort auS auf daS Podium habe, — so merkte man, wenn st« sich auf den Arm eine» Manne» statt de» Stockes stützte, fast gar nicht ihre Deformation. Sie sab mit dem brünette,: Kops über der lichten Seide und den weißen Rosen sehr interessant au» — ihre Hände leuchteten wie Elfenbein. Bruno stellte fortwährend vor: die berühmteste Opern- Diva, ein Tenorist mit der ganzen Anmaßung eine» leben» länglichen Königlichen Oprrnhau«-Contractc»; die schelmische Naive eine« bekannlrn Theater», die Sentimentale für eine Soloscene, einen Komiker, ver den Humor in der heiligen Kunst abhrbend vertreten sollte. Denn während ke- SouperS liebk das „Publicum" mehr die leichte Seite der Kunst, daS Lachen unterstützt den Wohlgeschmack, Herr Commerzienrath Hermes hatte die Praxis für sich. — Herbert wechselte mit Allen artige Worte, fragte Aurel ebenso obenhin, wie ihm Berlin gefalle, als er der Naiven sagte, die neue Frisur stebe ihr entzückend. — Herr Stern ging dem Programm nach, Nummer für Nummer, zu den Mitwirkenden — im Saal fand sich auf ein gegebenes Glockenzeichen die ganze, in allen Nebensälen bis dabin ver streute Menge der Gäste ein — man nahm in langen Reihen sowohl als auf den vielfachen Seitensitzen uud Möbclgruppen Platz, noch rauschten die Roben, klappten die Fächer, flüsterten die Stimmen, dann folgte die lautlose, bewegungslose Auf merksamkeit der guten Gesellschaft. Seitwärts von Aurel saß ein Herr in mittleren Jahren, der ihn unablässig betrachtete, mit fast schmachtenden Blicken. Der junge Künstler nahm an, dies sei ein Musikfreund, der ihn schon in der Pbilharmonie gebört und senkte bescheiden die Augen, aber stets, wenn er sie öffnete, traf er diesen bewundernden Blick. Neben dem Herrn saß eine vornebmc Frau, ihre Schönheit lag mehr in dem geistvollen Ausdruck und der aristokratischen Form des Kopfes und der schlanken Gestalt, — Aurel hatte sie vorhin am Arm des Commerzienrath» gesehen, der mit ihr einen Rundgang durch die Säle machte — wer sie war, hqtte er bisher nicht erfahren. Ein Knalleffect cröffucte den ersten Tbeil — die Diva sollte die erste Nummer haben, aber sie behauptete hinter dem japanischen Schirm, das sei unmöglich, absolut unmöglich, sie brauche noch ein wenig Ruhe, sie würde, wenn möglich, die zweite Nummer bringen. Bruno bat Herrn Stern, dies vom Podium zu verkünden, und Herr Stern, ein eleganter, hochgewacksrner Mann, tadel los in Krack, Claque unv Lack, batte demgemäß eigentlich den allerersten, wenn auch improvisirten Vortrag. „Das macht sie immer so", sagte er nachher Aurel ins Ohr, „wie die Circu» Akrobaten. Zwei Mal versagt ihnen der gi-ktnä tric, dann ruft er bei dem dritten Mal Gelingen desto riesigeren Beifall hervor." Herr Stern behielt Recht — sie kam erst al» Dritte. Natürlich folgt« der angeblichen Unpäßlichkeit al-dann eine sensationelle Begrüßung. Nach jedem Dacapo leerte sie, von Bruno'S Hand kredenzt» ein Gla» Champagner „hinter der Couliffe". Die böse Welt bebauptete, zu Hause trinke sie ihn auch ohne Couliffen und obue Auftreten — oft sogar schon Morgens und auch Abeods im Belt. Nummer für Nummer folgte, wenige, aber auSerwählte. Endlich aber kam die Reibe an Aurel. Er verbeugte sich gegen Margarethe, Herr Stern trug die Kleine mehr als sie ging zum Flügel — einen langen Augenblick sah man die beiden so verschiedenen Köpfe in schnellem Verständigen neben einander — einige Violintöne — dann bestieg Aurel das Podium, überflog mit den großen Gluthaugen das elegante Auditorium und begann. Ja, das war etwas Andere als die T-geSkost! Wie sie Alle tasaßen, bis ins Mark erschüttert — wie das in Tönen sang, weinte, klagte und jauchzte, und dazu dies götterschöne Antlitz, bald dämonisch glulbvoll, bald lieblich lächelnd, wie ein glückliches Kind — er spielte um das Glück der Mutter! Ter Erste, der nach dem endlosen Jubel, nach dem un aufhörliche» Beifall ihm die Hand b>»streckte, war Bruno ES sah so auS, als wollte er ihn vom Podium ziehen. Aber Aurel winkte ibm nur zu, dann winkte er Herrn Stern, flüsterte ihm einige Worte zu u«d Herr Stern, selbst über rascht, theilte nun unteo am Fuße des Podiums die über- raschende Kunde mit, Herr Relau würde eine eigen« Com- position vortragen, «ln Duo mit Fräulein v. Schlieffen: „Ein Gliickstranm". Margarethe setzte ein — ein Lied, schlicht die Melodie, al- höre man ein Volkslied Der Herr neben der aristokratischen Frau fuhr in die Höhe, er drehte sich brüsk nach dem HauSbrrrn um. Der saß aber ganz still und lauschte, als höre er z»m erstenmal im Leben diese schlichte Weise. Herbert nur beantwortete mit einem Finger auf dem Mund das jäbc Ausfahren, — welches Schweigen erheischte diese Warnung? Nun geigte Aurel dieselbe Weift al- Echo, innexlich sang er die Worte dazu, welche seine Mutter so lehr siebte, sie hatte eigentlich die Melodie erfunden, er sie nur al» Motiv benutzt, »m in brillanten Variationen zu fragen: „Was ist das Glück!" ES ist oft Einbildung, oft nur ein Traum, oft nur Vorstellung. Wie vieliältig ist da- Glück, wie selten, wie empfindsam! Ein Hauch kanu «S zerstören, ein Blick, ein Gedanke, eia Zweifel! Wenn man glaubt, daß mau e- er rungen, so war eS nur sein Trugbild; wer fürchtet, e- zu verlieren, der hat es schon verloren. Man abnt oft gar nicht, daß mack es besitzt, erst weon eS trculo- eotfloben, weiß man. daß man e- besessen. E- ist ein Engel und rin Teufel »u- gleich, sein Bruder ist der Zufall, seine Schwester di» kl,,
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