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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.12.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-12-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951220020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895122002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895122002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-12
- Tag1895-12-20
- Monat1895-12
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Ännahmeschluk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Für die Montag-Morgru-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen nnd Annahmestellen je eine Halde Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richten. Druck »nd Verlag von E. Potz in Leipzig. 62V. Freitag den 20. December 1895. 89. Jahrgang >n S'lt- ior. io. ^ol. lckrsuts oosor. .e. Hvt. isod-kr »e.111.6. bi. Osrt. kaeiüv b.krior. Les.-kr. 105,5V 102.30 V8.1» 87.90 ^51,60 k» 36.50 49,80 8130 78.50 s».8Uäd. klsori !.6snt.-8 orässtd oiood. iiiiooalb esrdaba 88,75 69,90 130 — 135,10 88,10 116,40 88,30 144,30 105.50 133,— 163.50 131,80 Vll.VIll ..r.Oottea .aalc edsLand 1,te.8t..^ i-io^a c, Vierde. l.Hootao Locksrk. >I>(8oidr.) illartw.) r. »rir-V, r.ScUöod esssr csrt >Ur. 8»>io, coo», leLSiesele. laue durg irr. -. ix. bau liärr -Ir, 84,30 100.35 198 50 180.— 106,90 11»,— 165.— 363^— 119,SO 307.35 88,10 168,— 91.35 167.35 317,80 314,- 217,60 191.40 163,75 140,50 14« — 9935 83.- 94,60 316.— 96,— 101,90 90,00 ,e. 8 >.1894 olitr, .»Ne neu« 49- bdrs«: klau auk en»I»vr. j (i-'uli 0.13-. v.u,. l,Ioz-ä-kost,Iami.c,u' r Xmericaoäami'ter 1,t o5«t-?o»t<I amps- r ) >ier voloaäLw»!«»' !t. 1,oiüs »eemen. >o-> »m II. l)ec«v>I,«r I vdr Vormittaz., 8p«<tlt«or»o »n luder: von ;o" voll Kon-Lorli, 0ii»t»rllbr»ok" n,rl, » iil.I, .Oer»" o»oU Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. December. Jener glücklicher Weise nur kleine Bruchtheil der deutschen Presse, der sich und den geduldigen Lesern cuizureden sucht, Fürst Bismarck sei eigentlich nie eine Größe gewesen und stabe die letzte kleine Scene seiner ihm vom Glücke zugetheiltcn Nolle mit feinem Rücktritt ausgespielt, strafen sich selbst der Lüge, so oft irgend eine Kundgebung ans dem Sachsenwalde kommt oder gar eine einflußreiche Persönlichkeit dort vorspricht, Wider Willen bekunden dann diese Blätter, daß Fürst Bismarck auch für sie eine Größe war und bleibt. Mit Bangen hat sic der Besuch erfüllt, den der Kaiser jüngst in Friedricksrub abstattete; die vertrauliche Unterredung, die wästrend dieses Besuchs zwischen dem Monarchen und dem Altreichskanzler statt- gesunden, hat dieses Bangen zur Furcht gesteigert, und diese hat sich in schlotterndes Entsetzen durch das Gerücht verwandelt, in dieser Unterredung seien politische Fragen berührt worden. Aber dieses Entsetzen ist nicht lähmender Art, sondern regt die ganze Thatkraft der Betroffenen auf. Und wie sie sich nie gescheut haben, dem großen Staatsmanne Knüppel jeder Art ui den Weg zu werfen, wenn alle Mittel des redlichen Kampfes erschöpft Ware», so sind sie auch jetzt nickt um eine» Knüppel verlegen, der eine weitere Annäherung dcS Kaisers an den Altreichskanzler und einen erneuten Einfluß dcö Letzteren auf den Gang der deutschen Politik verhüten soll. Der Knüppel, den das „Berl. Tagebl." aus seinem Borrath politischen Rüstzeuges hcrvorgezogen, hat die Form einer Cerrespondenz aus Hamburg, die angeblich von einer Seift stammt, die mit Friedrichöruh intime Fühlung hat. Ihr Inhalt ist folgender: Zuerst wird aus den Besuch des Kaisers beim Graten Waldersee Bezug genommen und gesagt, daß „der Ausentkalt des obersten Kriegsherrn bei dein neuen Generalobersten der Armee lediglich die Bedeutung eines auszeichnenden Ehrenactes für letzteren" gehabt habe. „Die Reise nach Friedrichsruh dagegen", heißt es dann weiter, „wird man gut thnn, als eine hochpolitische Handlung liilszilsasseu." Sie sei nicht ohne Vorwissen des Fürsten Hohenlohe erfolgt und man werde nicht sehlgchen, wenn man annchme, daß die einstündige zeugeulosc Unterredung des Kaisers mit dem Fürste» Bismarck u. A. auch die Stellung nähme gegen die Socialdemokratie behandelt habe. Der Kaiser stehe nicht mehr auf dem Standpunkte der Frühlingstage von 1890; das init Aufhebung des Socialistcngcsetzes inaugurirtc Stiftern habe das Wachsthum der Socialdemokratie nicht gehemmt und eine Ver sühnung nicht ungebahnt, dazu komme das Benehmen der Social- demokratie gegenüber der Gedenkfeier von 1870, Wenn aber Fürst Bismarck die Genugthuung erlebe, daß seine Anschauungen an maßgebender Stelle wieder jene Geltung erlangten, die sie zur Zeit Wilhelm s I. unbestritten besessen, so werde man „einen Einsluß dieses Umschwunges auf die Gestaltung unserer Staatsgcschäste über kurz oder lang" annehmcn müssen. „Fürst Hohenlohe dürste ohne Zweifel die Folgen eines solchen Gedaiikeiicillskaiischcs bereits in Er wägung gezogen haben." Die nächste Consequciiz werde die Aus- söhnung mit Graf Herbert Bismarck bilden. Nach gewisser Zeit aber werde sich „die Wiederauferstehung der Bislnarck'schen.Politik der eisernen Faust" anschließe». „Ob zur Mitwirkung a» dieser neuen alten Politik alle gegenwärtigen Berather der Krone berufen sein könne», mögen Sic sich selber sagen." Der Zweck dieser angeblichen Correspondenz aus der Um gebung dcS Fürsten ist klar. Dieser soll in den Verdacht ge setzt werden, er habe nicht nur über die vertrauliche Unter redung mit dem Kaiser auS der Schule geplaudert, sondern sich auch eines Sieges seiner Ausfassung über die deS Kaisers gerühnit. Dieser soll dadurch gegen den Fürsten eingenommen nnd von ferneren Versuchen, mit einem so indiskreten und seinen Ruhm auf Kosten deS kaiserlichen Ansehens auS- posauncndeil Manne sich zu verständigen, abgeschreckt werden. Der Verfertiger dieses Knüppels ist jeden falls auf diese seine Leistung stolz und erwartet von ihr großen Erfolg. In seinem stolzen Eifer hat er aber übersehen, daß er einer Kränkling deS Kaisers sich schuldig macht, die allerdings keine strafrechtlichen Folgen haben dürfte, weil sie zn kindisch ist, aber jedenfalls die andere Folge haben wird, daß der berechtigte Unmuth des Monarchen sich nicht gegen den Fürsten, sondern gegen den Änüppelwerfer richtet, der zum Intriganten alle Anlage, nur nicht die vorsichtige Hand besitzt. Wenn die Presse dcS kscntrnms mit dem jetzigen Reichs tage als „seinem" — er ist dazu am 29. März geworden — renommirt, so sott sie, sofern sie sich durch den ironischen Bei fall, dessen eine Belobigung dieses Reichstages sicher ist, nicht genirt füblt, auch von uns in diesem Vergnügen nicht gestört werden. Nur wäre ibr zn rächen, daß sie mit ihren — um mit dem Entwurf gegen den unlauteren Wettbewerb zn reden — „unrichtigen Angaben", deren man sich ja nothwendig bedienen muß, um den parlamentarischen 1893er anzugreifen, nicht gar zn getreu das Beispiel der Goldenen 1lt> nachabmt. Die „Kölnische BolkSzcitung" zseht hinsichtlich der Bcschlnßfähigtcit einen Vergleich mit dem Eartell Reichstag und glaubt sich berechtigt, auf Kosten des selben den gegenwärtigen beraiisznstrcichen. Die Leser machen fick nun wahrscheinlich die Vorstellung eines schwärzlichen Gewimmels, kessen Schauplatz in den letzten Sitzungen der Sitzungssaal des Reichstages gewesen sei. In Wirklichkeit erinnerte aber der Anblick an die Bewegung, die der Marktplatz eines kleinen Landstädtchens an beißen Sommer- »achmiltageii aiisziiwciseii pflegt. Wenn die Beschlußfähigkeit angczweiselt worden wäre, so hätte weder der „unlautere Wettbewerb", noch die EonsumvereinSvorlage, noch gar der HandwerkSkammerentwurf an eine Commission verwiesen werden können. DaS Plenum selbst war am letzten Tage kaum so stark besetzt, wie eine vollbesuchte 28er'Commission. Die Arbeit, wegen der die „Köln. Volksztg." ihren Reichstag belobt, hat er z»m größten Thcile eigentlich in nb80iltjr>. geleistet und infolge der Hochherzigkeit der Minderheits Parteien, die, abweichend von der PrariS des AntiearlcUS in Len Jabren 1887 bis 90, den Gang der Geschäfte nicht durch Anzweifelung der Beschlußfähigkeit störten. In der italienischen Deputirtenkamnic r sind die Afrikacredite mit erdrücketldrr Medrbeit bewilligt worden, nachdem CriSpi wie die Kammer sich dahin ausgesprochen, daß eS bei den ferneren Aktionen in Abessinien sich nicht um eine Ausdehnung der italienischen Machtsphäre, sonder» ledig lich um die Auswetzung der Scharte von Amba Aladschi und um die Sicherung der bereits von der italienischen Flagge gedeckten Gebiete handeln könne. Wir würden es für verschlt halten, wenn Italien die Grenze seines afrikanischen Besitzes nicht wenigstens bis zur Südgrcnze Tigres vorschiebcn würde, weil es nur so im Stande ist, König Menelik, seinen ge jährlichsten Gegner, beständig im Schach zu halten und seine Position zu sichern. Aber wir hoffen, daß die Ereignisse von selbst dahin drängen werden. Vorläufig muß inan zufrieden damit sein, daß die Schlappe des Majors Toselli, weit ent fernt, der Regierung das Leben zu kosten und den eolonial- politischcn Aufschwung Italiens zu lähmen, die ganze Nation einig gezeigt hat, für ihre Ehre einzutreten nnd dem italieni schen Namen nichts zn vergeben. Die Regierung ist auf diesem Wege kraftvoll vorangegangen und die Entschiedenheit, mit welcher sie seit dem Eintreffen der Hiobspost von Amba-Aladscki sich auf den Standpnnct der nachdrück lichsten Wahrnehmung der in Afrika engagirten Interessen Italiens gestellt bas, trägt ihr Lob und Unterstützung selbst von gegnerischer Seite ein. Bezeichnend für den Geist der das Volk beseelt, ist die Thatsache, daß die klerikalen, also die grundsätzlich regierungsfeindlich gesinnten Gemcinderälbe von Genua, Venedig und Neapel es an patriotischem Eifer allen anderen städtischen Vertretungen zuvor thaten. Auch die extrem-radicalen Elemente der Kammer vermochten sich der elementaren Macht der Voltsstinimiing nicht zu ent ziehen. Sie speien Feuer und Flamme gegen Crispi» aber sie wagten cS nicht, den von ihm für die Zwecke der afrika nischen Aktion geforderten Crediten ihre Zustimmung zu ver sagen, i» der richtigen Erkenntniß, daß sie sonst bei ihren Wählern für alle Zukunft unmöglich sein würden. Ihre Vorbehalte waren sophistisch und dienten, statt ihnen selbst zur Entschuldigung zu gereichen, nur noch zur Er höhung des Ansehens der Crispi'schen Politik, mit der sich jetzt so ziemlich Jedermann in Italien idenlisicirt. Dieser politische Gesichrspunct aber wird EriSpi auch dann noch die Syinpatbic der öffentlichen Meinung sichern, wenn der Waffenehre Genüge geschehen sein wird, und die Wogen der nationalen Erregung sich wieder werde» geglättet haben. Denn an der Behauplnng der afrikanischen Position hängt ein bedeutendes Stück des italienischen Groß- machtö-Prestiges. Italien würde von der Höhe, zu der cs seine nationale Wiedergeburt emporgeboben, herunter- stcigeil, wenn eS sich vor den Abessiniern bezw. den hinter ihnen stehenden französischen Drahtziehern rückwärts con- eentrirte. Das Gefühl beherrscht die ganze Nation, bis herab zum letzten Lazzarone, und so wenig die Wünsche der Massen auf eine gewagte auswärtige Politik hinauslaufen, so wenig wollen sie doch von einem Selbstverzichi Italiens auf die Rolle einer Großmacht hören. Kaum ist die spanische ÄHinisierkrisis beendet, so kommt auch schon eine Meldung über neue Verlegenheiten, in denen sich daS Cabinet Canovas befindet. Es heißt bekanntlich, Martine; Camp os bestehe darauf, seine Ent lassung als Gouverneur von Cuba zu nehmen. Ucber- raschend klingt die Nachricht keineswegs, denn schon vor mehreren Wochen wurde darüber berichtet, daß man in Madrid mit der Kriegführung des Marschalls auf Cuba nicht zufrieden sei. Zunächst verlangte CanovaS del Castillo, Martilicz CÄmpos solle mit zwei DivisivnSgcnerälcn, die von der Negierung in Madrid nach Cuba geschickt werden, sich über einen neuen Lperationsplan verständigen. Der Marschall wies dieses Ansinnen wiederholt zurück und berief sich auf die ihm ertbeiltc Vollmacht, selbstständig den Krieg mit den Insurgenten zn führen. Spater willigte er in die Vermehrung der Unterbefehlshaber. Da fand man denn in Madrid beraus, daß seine bisherige vor sichtige Kriegführung und die Schonung, mit der er gefangene Insurgenten behandelte, auf persönliche Beweggründe zurück- zuführen seien. Madrider Zeitungen wollten erfahren haben, Martinez Campos suche sich im Gebeimen mit den Insurgenten gut zu stellen, um bei der früher oder später doch unaus bleiblichen Losreißung Cubas vom Mutterlande in der zukünftigen Republik Cuba ans eine hohe Stellung rechnen zu können. Wer den Charakter des tapferen Marschalls zu würdigen verstand, hat diese Insinuationen mit Ent lüstnlig zurückgewicsen, aber im Ministerium summirte man auch die unglaublichsten Gerüchte und erschwerte systematisch denl Marsckall seine Position in Cuba. Es ist daher wohl möglich, daß Martine; Eampos die (Geduld endlich verloren hat. Zu seinem Nachfolger soll der Cvmmandeur des eatalonischen Armeekorps, General Weyler, auöersehen sein, doch wird auch General Primo de Rivera genannt. In Madrider politischen Kreisen scheint man von dem zwischen England lind der Unionsregierung in Washington allsgcbrochcncii Confliet wegen Venezuelas sich insofern Vortheile für Euba zu versprechen, als die befürchtete An erkennung der Insurgenten als kriegführende Macht in Washington der wichtigeren Angelegenheit wegen zurückzestelli werden dürfte. DaS i st ein Jrrthum. Nur beschleunigt werden könnte die Entschließung der Vereinigten Staaten, die Anerkennung auözusprechen, wenn eine friedliche Lösung des Consliets zwischen der Union und England nicht möglich wäre. Dafür liegen die Gründr nicht allzu weit. Ziemlich allgemein herrscht in Europa die Meinung, die von dem Präsidenten der Bcrcini«1en Ltaatcn wegen der Veuezuelafrage gegen England beliebte Sprache sei von dem Wunsche des Herrn Cleveland, bei der nächsten Präsidentenwahl nochmals an die Spitze der Union zn gelangen, dictirt oder dock stark beeinflußt. Auf dasselbe Verlangen bat man vielfach, so auch kürzlich in der sächsischen Abgeordnetenkammer, die nach Form und Inhalt un gewöhnlichen Ausfälle gegen Deutschland in der von der Viehaussuhr und den Versicherungsgesellschaften bandelnden Botschaft Cleveland's zurückgeführt. Bedrohungen anderer Nationen sind in der That ein in Amerika oil angewandtes Mittel, sich den Wählern zu empfehlen. Diese Beobachtung ist überaus merkwürdig. Während für die Socialdemokratie Patriotismus und nationales Selbst bcwußtsein von „vielhundertjähriger Tyrannei" den Völkern eingeimpfte Krantbcile» sind und auch unsere Demokratie die Neigung verräth, die republikanische Freiheit als die zukünftige Mutter des allgemeinen Völkersriedcns zu preisen, sehen wir als dasjenige Volk, bei dem man sich gewohnheitsmäßig durch den Appell nicht an die Vaterlandsliebe, sondern an einen öden Chauri nismus in Gunst setzt, ein von Anbeginn seiner nationalen Existenz republikanisches, in seinem politischen Leben von keinerlei Schranken eingeengtes. Und dies, obwohl die Ver einigten Staaten niemals ernstlich von einem äußeren Feinde bedroht, geschweige denn überfallen worden sind, der natnr licken Entwickelung einer auS der Sorge um die nationale Sicherheit hervorgehenden Reizbarkeit dort also weniger Boden gegeben war, als in irgend einem anderen Großstaat. Republikanische Verfassung und ausgedehnte politische Freiheit scheinen danach das Wachsthum der Fried fertigkeit bei den Völkern nicht sonderlich zu begün stigen und bei de» Negierenden auch nicht. Denn mag man auch den Caleul des Herrn Cleveland, daß Groß britannien die Botschaft des Präsidenten mehr nach den per sönlichen Beweggründen deS Urhebers, als nach ihrem heraus fordernden Inhalt beurtbeilen werde, als richtig anerkennen, ein Spiel mit der Ruhe eines Welttheilsift es immerbin, was er spielt, und jedenfalls ein solches, dessen sich ein zeitgenössischer Monarch gegenüber einem gleichberechtigten civilisirten Lande nimmer mehr unterfangen würde. Dem deutschen Radikalismus in beiderlei Gestalten ist die Anstellung eines Vergleichs zwischen der gewissenhaften Vorsicht in der Sprache der monarchischen Regierungen und dem leichtherzigen Ton deS gewählten amerikanischen Staatsoberhauptes dringend zu empfehlen. — Welches die Consequenzen des Vorgehens Cleveland's sein werden, läßt sich jetzt noch nickt abseben, aber eS mehren sich doch schon die Stimmen, welche zum Rückzug mahnen. Daß die New-'))orker demokratische „World" die Botschaft für einen Fehler und ihre Ausführungen für nicht zutreffend hält, hatten wir schon erwähnt; daS Blatt bestreitet, daß die S1 Fe»»iHrtoir. Der Geiger. Original-Roman von Emmy Rossi. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Sie ist eS heute noch, Berti, trotzdem ich ihr Unrecht geben muß. Aber angenommen, ich wäre parteiisch zy ihren Gilnsten, was schadete es, wem schadete es? Und dann, sie ist in Kairo, sehr schwach, wollt Ihr später die Verzweiflung Bruno's auf Euch nehmen, daß seine Mutter noch lebte, daß sein Sehnen gestillt werden konnte, als es noch nicht zu spät war — dann, wenn eS zu spät ist?" Herbert rüstete sich zu einem Ausfall, aber Jacques sagte in seiner bestimmten Art: „Nur Du hast zu entscheiden, Onkel Ludwig, Herbert ist neidisch!" Der Commerzienrath hatte schon während deS letzten Wortwechsels zwischen Neffen und Sohn die eingelaufcncn Briefe zu öffnen begonnen, jetzt laS er statt einer Antwort auf Jacquc's Interpellation plötzlich laut: „Hört mal, Divcro »nd Aschatz in Petersburg wollen nun doch auf unsere Be dingungen eingehen, Zabluna bei Ablieferung, Bahnhof Berlin, volle Zahlung! Ja, sonst kann man auch nicht mit Rußland arbeiten. Dort klage Einer, der Himmel ist hoch und der Zar ist weit, besonder- für deutsches Reckt! Also Herbert, last" Dir mal die Angelegenheit persönlich durch den Kopf gehen. Du, Jacques, bist wohl so gut, heute noch die Ordres für Valdivia auSsertigen zu lassen, — die Leute von beute sind alle unzuverlässig!" „Und darf ich Bruno vorbereite», Onkel?" Der alte Herr mußte sich einen Moment besinnen, er hatte im Comptoir nur Interesse für seine Geschäfte. „Meinetwegen", sagte er im Weiterlesen, „aber bitte, nicht im Geschäft, — privatim, Du kannst ihn ja zum Thee mil in Dein HanS nehmen — I kor mr pergon — ich wünsche in Ruhe gelassen zu werden mit diesen alten Geschichten." ' Zehntes Eapitel. In Professor Mannberg'ö Klinik lag Margarethe, den Fuß im Verband; die Schmerzen waren zu ertragen, aber noch hatte sie sich nicht zur Resignation durchgerungen. Düstere Reflexionen über ihr Unglück, ,^u dem st« geboren", scheuchten den Frieden von ihrem Lager. Anstatt Gott zu danken, daß er ihr in der schlimmsten Stunde einen Pro- tector erweckt, denn der Unfall hätte auch zu einer Zeit und unter Umständen stattsinden können, wo Niemand sich ihrer annahm, sah sie nur die Kehrseite, das Böse. Getrennt von dem Mann, den sie liebte, ihrem Beruf, der sich soeben zu einer ergiebigen Quelle des Verdienstes und der Anerkennung erschließen wollte, murrte nnd haderte sie mit dem Schicksal. Und doch lag sie bequem gebettet und sorgsam bedient in der ersten Abtheilung der Klinik; täglich besuchten sie die Damen der Pension, die doch im Grunde Alle recht gutmütbig waren, und brachten ihr kleine Gaben, Bücher zum Lesen, Blumen, als wollten sie jede unangenehme Erinnerung auslöschcn, das; sie einst über die Unglückliche geklatscht und gespöttelt. Auch Jacques HermeS' Gattin kam persönlich — sie brachte vom Onkel L. Hermes ein prachtvolles Bouquet und ein Couvert voll blauer Scheine, das Honorar für den genußreichen Abend, den Frl. von Schlieffen so glänzend unterstützte. Der noble Mäcen schickte das Zehnfache, waö sonst üblich — er versprach auch weitere Versorgung. „Werden Sic nur ganz gesund, licbc'S Fräulein", sagte die vornehme Frau, „gehen Sie ohne Sorgen Ihrer Genesung entgegen, wir sind gern bereit, ein so schönes Talent wie daS Ihrige zu unterstützen und zu fördern." Margarethe nahm daS Alles dankbar hin, dennoch fragte ihr Herz unaufhörlich, weshalb gerade ihr das schreckliche LooS, ein Krüppel zn sein, beschicken wäre, ausgeschlossen von des Lebens Höchstem, der Liebe. Auch Aurel kam, herzlicher als je; er beklaate aufrichtig ihr Mißgeschick, vertröstete sie aber mit dem Hinweis, daß sie doch Freunde wie die Familie HermeS gewonnen; ihr Schicksal würde nun hoffentlich einen Zug inö Große nehmen. „Bleiben Sie in Berlin?" fragte sie statt einer Zu stimmung. „Fragen Sic die Kunstsckwalbe am Ende der Saison: Wohin? Bleibst Du? Wir haben jetzt Eyde Februar — daS alte Programm ist abgespielt — ich habe meiner Mutter geschrieben, ob sie das Gelübde i»eines Besuche- in Kairo aufheben will; kommt sie dqnn im Juni nach Europa zurück, so werde ich an einem Höhenort mit ihr die Sommer monate verleben." Er seufzte, denn er mußte sich sagen, daß die zarte Frau ihn auch ferner nicht auf seinen Kren:- und Querzügcn über Land und Meer begleiten konnte, Kllnstler- fahrten, wie sie daS Pirtuosenthum von heute erfordert, und ei wußte. waS Trennung von ihm für sie bedeutete. „Liebe verpflichtet", sagte Margarethe. Da konnte er nur beistimmen. „Eben deshalb ist Liebe auch nicht immer ein Glück, man kan» sich doch nicht auf- opfern, weil man geliebt wird, das Leben bat so viele An sprüche. Mama hat nicht einmal eine andere Rivalin als meine Geige, doch Sie wissen, welch gefäbrliche Nebenbuhlerin die Kunst ist. Sie belegt das Hirn und Herz mit Beschlag, sie fordert unerbittlich unseren Dienst, Tag für Tag, Stunde für Stunde. Wissen Sie, was Rubinstein einst gesagt, als er gefragt wurde, ob er bei seiner großen Kunstfertigkeit überhaupt noch zu üben brauche: „Täglich 6 Stunden", ant wortete er; „übe ich mal eine» Tag nicht, so merke ich eS selbst schon, übe ich zwei Tage nicht, so merkt es schon daS Publicum". Das ist ein mustergiltiger Ausspruch, nnd Sie werden viel nachzuholen haben, Fräulein Marga!" „Ich wollte, ich wäre todt", stieß sie hervor. Er nahm es leicht. Jugend und Rubm geben so viel Lebensfreude: „Ach — Unsinn, was haben Sic vom Tode? — Der läuft Ihnen ja auch nicht davon! Und dann — man ist eine so lange Zeit todt nach dem kurzen Lebensspiel. — Courage! Kops hoch! Wir spielen noch manchmal den Glückstraum zusammen. Doch Scherz bei Seite; ich werde wertbvollcre lachen componiren, cS drängt und quillt mir in Tönen eine Flnth von Gedanken zu." „Sie Glücklicher!" „Ja, darin bin ich glücklich! Aber glauben Sic mir nur, jedes Schicksal paßt sich der Individualität an, nnd jede Person ihrem Schicksal; was man aus der einen Seite mehr erhält, erweist sich auf der anderen als Deficit; der Eine trägt seinen Reichthum in der Tasche, der Andere im Gemüth, der Dritte im Kopf. Die Pbantasie verleibt dem Poeten ebenso viel Genuß, als dem Nüchternen die Wirklichkeit, — cs gleicht sich Alles, Alles aus!" „Aber Sie, der Sie Alles, Alles besitzen: Erscheinung, Neichtbnm in der Tasche, im Kopf, im Gemütb, — der Sie ebenso in der Phantasie genießen wie in der Wirklichkeit, wo bleibt Ihr Deficit?" „Man kann nicht sein ganzes Inventar so auf den Tisch legen, Fräulein, aber glauben Sie mir — das Manco an der Fülle »icineö Glücks ist erheblich genug, um eine Seufzerfabrik anznlcge»!" Sie mußte über seine derben Scherze lächeln, und getröstet reichte sie ihm beim Abschied die Hand. Nun, wenn selbst Götter klagen, wagte sie selbst einen Scherz — und citirte das Heine'sche Wort vom Sonnenuntergang: „Ich aber der Mensch, Der Sterblich gepflanzte, Ter Todes Beglückte Ich klage nicht länger." . Ein Sinnen fesselte ihn auf der Schwelle. — „Nun geht eS mir, wie eS ibm erging — ich will die Nordsee seben — und wenn er ihr Lieder dichtete, so will ich ihr Weisen compo niren. Ich danke Ihnen herzlich, kleine Freundin, Sie haben mir etwas Schönes geschenkt, eine Idee. Und Sie sollen die Erste sein, welcher ich meine Nordsee-Weisen Vorspiele, wenn ich von London zurückkekre." — „Sie wollen fort? Nach London? So weit?" „Als ob eS heute eine Entfernung gäbe! Eine tour cl» Monde ist nicht mehr als früher eine Reise über Land mit dem guten Thurn und Taxis." Dennoch senkte sie schwermüthig den Kopf. Er wollte keine neue eschmerzen zu den alten fügen und nahm nock ein mal ihre Hand: „Doch sage ich Ihnen noch feierlich Adieu: cS vergehen immerhin noch ein paar Tage. Und wenn ich fort bin, dann schreiben Sie mir oft, Sie haben ja eine so angenehme Handschrift, Alles, was durch Ihr eigensinniges Köpfchen gebt —" „Und Sie werden antworten?" „Aber gern — natürlich!" Ebe er es hindern konnte, küßte sie seine Hand; er wurde fast verlegen. „Kleine Schwärmerin!" schalt er freundlich. Und mit einem Satz war er draußen. Auf dem Flur begegnete er einem Assistenzarzt deS Pro fessors; ein Gedanke, der ihn plötzlich schmerzhaft durchzuckt halte, verlangte eine Antwort. So überwand er die Verlegen heit und sab bittend auf den Mann der Wissenschaft. Bei diesem ging es ihm wie überall — das schöne Gesicht war sein Fürsprecher. „Herr Doclor, ich bitte Sie, beantworten Sie mir eine Frage — — ich bin 20 Jahre alt, liebe meine ausgezeichnete Mutter in abgöttischer Sohnesliebe — ich bin Künstler, erfasse meine Kunst mit glühender Seele — aber ich bin den schönsten und besten Mädchen und Frauen gegenüber ganz gleickgiltig, obgleich mir viel Sympathie entgegengebracht wird. Ja, mir ist die Verliebtheit der Damen geradezu unangenehm — sollte mir dies Gefühl, welches alle Menschen als das höchste be schreiben, versagt, sollte ich kalt und sühlloS für daS Weib geschaffen sein?"
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