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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.12.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951230018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895123001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895123001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Ausgabe ohne Seitenzählung
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-12
- Tag1895-12-30
- Monat1895-12
- Jahr1895
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Ver leppen >r rudk SediN >»ll Im k'lm,, l>»kt»a ,1» «tll sSetN» Bezugs'Prets dt bsr HaNtzsexpedition oder d«u im Stadt- bezirk «d d« Vororten «richtete» Auk- 'aveftell» »bgehokt: vterteljahrlichX4.50, lei Metsastgrr tttaNcher Zustellung in» ^LLO. D-Mh die Post bqoan, sttr ^ mch Oesterreich: vimrN-wriick ^l . Direct» tügltche Krnnbaadieadung i»S >»«l«»dr »oaaUich 7.50. Morgen-Ausgabe Li» Morgen-Ausgabe «schet«t mn V»? Uhr die Abenb-Ausgabe Wochentag« um 5 Uhr. Ue-«tti-« und LrpeLitiou: TBtz»»»««««ßr 8. LieUMchttis» istSocheuiags »nunterbrvchrn geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filiale«: eit» Kie««'« Eorti». (Alfred Hehn), UniversitittSstraße I, 8-nt« -ösche, Katharinenstr. 14, pari. und König-Platz 7. m)tzcr.TllMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. ^»63L Montag den 30. December 1895. Anzeigen Preis die Ogespaltme Petitzeile SO Pfg. Reklamen «uter de» RüaclionKsirich G«*- spulirn) 50/^, vor de» Familiennachrichfril (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsav «ach H0h«nn Tarif. Extra-Beilagen (gesal»t), nur mit der Morgen-Abgabe, ohne Poftbrförderuog -4 60—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschlnß fir Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittags 4Uhr. Für die Rontag-Morgen-Ausgobe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeige« find stet« an die Expe-ttieu zu richten. Druck «nd Verlag von E. Polz in Leipzig. 89. Jahrgang. Im Interesse rechtzeitiger und vollständiger Lieferung des Leipziger Tageblattes wollen die geehrten Leser die Bestellung für das I. Vierteljahr 18S6 baldgefälligst veranlassen. Der Bezugspreis beträgt wie bisher vierteljährlich für Leipzig 4 „F 50 ^s, mit Bringerlohn für zweimaliges tägliches Zutragen S ^ 50 ^s, durch die Post bezogen für da- Deutsche Reich «nd Oesterreich-Ungarn S ^ In Leipzig nehmen Bestellungen entgegen sümmtliche Zeitungsspediteure, die Hauptexpedition: Johannesgaffe 8, die Filialen: Katharincnstratze 14, Königspiatz V und Universitätsstratze 1, sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstrabe 3L Herr L. 0. Llttel, Colonialwaarenhandlung, Peterskirchhof L Herr Llax Islertll, Buchbinderei, Beethovenstrahe 1 Herr l'Iieoü. keter, Colonialwaarenhandlung, Pfaffendorfer Strafte 8 Herr ü. II. Llüller, Cigarrenhandlung, Brühl 80 (Ecke Goetkestraße) Herr HeiTv. L1v88ke, Colonialwaarenhandlung, Ranftfche Gasse O Herr k'rleür. I l86lier, Colonialtvaarenhandlung, Frankfurter Tttafte(Tbomasiusstraßen-Ecke) Herr Otlok'riUlL, Colonialwaarenhandlung, Ranstädter Steinweg 1 Herr 0. LvKeliunuu, Colonialwaarenhandlung, Löhrstrafte IL Herr Lduarä Uetrvr, Colonialwaarenhandlung, Schützenstrafte 5 Herr ^ul. 8eliüm1clivn, Colonialwaarenhandlung, Marschnerstrafte 0 Herr kaul 8elu'e1Irer, Drogengeschäst, Westplatz 32 Herr ü. vlttrled, Cigarrenhandlung, Nürnberger Strafte 45 Herr A. L. Hbreebl, Colonialwaarenhandlung, orkstrafte 32 (Ecke Berliner Straße) Herr 0. Vvbus, Colonialwaarenhandlung, Zeitzer Sttafte 35 Herr V. LNsivr, Cigarrenhandlung, in Anger-Crottendork Herr Rodert 6rein er, Zweinaundorfer Strafe 18, in Neustadt 8ede!t'8 4nnoneen-Lxpeä1tion, Eisenbahnstraße 1, - Connewitz Frau Riseuer, Hermannstraße 23, 1. Etage, - Plagwitz Herr Ll. (xriit2»uruiu, Zschochersche Straße 7», - Eutritzsch Herr Lodert 4Itnvr, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, - Reudnitz Herr Lntzwauu, Marschallstraße 1, - Goklis Herr Rod. LItner, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, - - Herr üerud. >Vedvr, Mützengeschäst, Leipziger Straße 6, - Lindena« Herr Lid. ILnänvr, Augustenstraße 13, - Thonberg Herr L. üiinlsed, dieitzenhainer Straße 58, in BolkmarSdors Herr 6. L. Xsumann, Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.). Wgeii fir Sie lim ÄiMstag früh tWMt Mmm nbitte« mir dis Ptesteiis MM Mkg. Amtliche Bekanntmachungen. Die -rri berechtigten Privatschulen in Leipzig führe» wie die öffentlichen Realschulen ihre Zöglinge bis zu der durch da« Gesetz vom IS. Februar 1884 für die öffentlichen wie für dir privaten Realschulen vorgeschrirbenrn Reifeprüfung, mit deren Bestehen auch die Berechtigung zum »inj. freiw. Militairdienst er langt wird. Zugleich bereiten sie für die entsprechenden Classen der öffentlichen höheren Lehranstalten vor. Zur Aufnahme in die VI. Realschul- bez. Progymnasialclaffe genügt das S. Lebensjahr, während in die Lorschulclaffen Schüler vom schulpflichtigen Alter an ausgenommen werden. Die Unterzeichnete» sind zur Entgegennahme von Anmeldungen und zur Erlheilung jeder aewünjchten Austuuft täglich (anher Sonntag«) 11—lr Uhr bereit. Dir. Dr. N. vartd, Realschule mit Elementarclasse« (Ouer- straste 19 und Bahnhofftratze b). Dir. Or. kr. Lotk (Teichmann-Vr. Roth'sche Privatschulel, Real schule mit Progymaasial- und Elrmrutarclasfrn (Ecke der Universität-- und Schillerstrabe. Fernsprecher Nr. 2059). Dir. 0. Toller, Realschule (Eentrolstraße 1). Sparkasse Liebertwolkwitz. Gemäß Z. 15 unserer Sparcaffruorduung vom 1. December 1885 die königliche Aufsichtsbehörde zu dieser Ansrrductivn ihre Zu stimmung ertdellt hat. Liebertwolkwitz, am 27. December 1895. Der vemrinderath. Dyck, Gem.-Borstand In französischer Kriegsgefangenschaft 1870^71. Wenn im großen Kriege Deutschland so unrudlich viele französische Kriegsgefangene gemacht hat, so haben auf der anderen Seite auch die Franzosen manchen tapferen deutschen Soldaten gefangen genommen. Die französischen Gefangenen haben sich in Deutschland ohne Ausnahme einer humanen Behandlung erfreu», wie es aber den deutschen Gefangenen in Frankreich gegangen ist, da- erzählt uns ein hiesiger hoch- angesehener Mitbürger wie folgt: Nachdem wir die entscheidenden Schlachten glücklich Lber- standen, wollten die elenden Quartiere, die täglichen Feldwachen und besonder« die beschwerlichen nächtlichen Patrouillen vor Pari« uns gar nicht mehr behagen, uud in den naßkalten, endlosen Winternächten entbrannte die Sehnsucht nach der Leimath und der Wunsch, da« WeibnachtSfest im trauten Kreise der Familie verleben zu könne», immer heißer. Da wir jedoch in Erfahrung gebracht hatten, daß in der Normandie starke feindliche Truppenzusammenziehungen statt- fäadea und General Briand mit etwa 43 VVO Mann, wo runter angeblich 11 000 Linieusoldaten mit 2? Geschützen, in der Nähe von Rouen stehe, auch andere vorgeschobene Ab- thrilungea unsere« EorpS in den letzten Tagen mehrfach mit feindlichen Truppen zusammrngestoßen waren, ließ General rur Lippe von Gisor« und St. Elair au« größere Recongao-cirungS-Abtheilungen gegen Ecoui« verrücken. Den 29. November früh >/,? Uhr marschirt« infolgedessen unsere fünfte Compagnie von Gisor« nach Buzu, woselbst unsere Feldwache lag. Auf dem Wege dahin uud m Buzu rrqui- rirtea wir so viel Wagen aller Art und Pferde, als nur irgend aufzntreibeu waren, und alsbald setzte sich eine lauge Eoloane, gefolgt von 2 Geschützen, in Trab. Äu «trepany stießen wir zur zweiten Compagnie unsere« Regiment«, welche in gleicher Weise zu Wagen von S». Elair »«traf. Kerner schloffen sich unsere« Zuge noch an die dritte Schwadron der Gardereiter und die zweite Schwadron der Ulane» Rr. 17. Li« wenigen sichtbaren Bewohner von Etrepany geriethev in große Aufregung, als plötzlich unsere langen Wagenburgen über chr elende« Pflaster raffelten. Unser Oberst veaustraate den «xschrvckenrn, aber mürrisch drrioschauenden Maire, für die nöthigen Quartiere und LebenSmittel zu sorgen, da wir i» Etrepany üb-rnachtrn würden, und überließ demselben leider auch die Bestimmung der Stallungen, einer Scheune für unsere beiden Geschütze und rr« Wachtlocales. Während unsere Cavallerit'Patrouillen die Umgebung durchstreiften, rasteten wir einige Stunden, dann bestiegen wir unsere Leiterwagen wieder und verschwanden, Gewehr bei Fuß darauf stehend, wieder am westlichen Ausgange der langen Dorfstraße den Blicken der nachstarrenden Bewohner. Da wir die umliegenden Ortschaften auch unbesetzt fanden, kehrten wir, als es bereits dunkelte, nach Etrepany zurück. Unser Quartier lag sehr ungünstig am westlichen Aus gange deS langgestreckten Dorfes und bestand für unsere ganze Compagnie nur in einem Hause, der Ortsschule, während die anderen Quartiere und sogar das Wachlocal weit hinter unS im Dorfe lagen. Die gleichartigen, einfach getünchten Zimmer unseres dreistöckigen HauseS waren mit Stroh auSgelegl und faßten je 20 bis 25 Mann, so daß wir uns bis unter daS Dach vertheilen mußten. Der geräumige Hof hinter dem Hause war von einer sehr hoben Steinmauer umgeben, somit zur Aufnahme unserer Gewehre — wie auch unser Hauptmann befürwortete — gut geeignet. Der Oberst zog es jedoch vor, die Gewehre auf der Straße vor dem Hause zusammensetzen zu lassen. Unserem Hause gegenüber fuhren die Wagen auf, welche zu unserem Transporte gedient halten, am Hause stand em Posten vor Gewehr, am naben westlichen Ende der Dorfstraße rin Doppelposten. Aller halben Stunden lösten sich Cavallerie-PatrouiUea ab, Feldwachen oder Vorposten wurden jedoch leider nicht gestellt. Der Maire hatte für kalte- Essen und ein übermäßig große- Faß recht schweren Rothwein gesorgt, der natürlich flotten Abgana fand. Die steile und schmale Holztreppe deS HauseS war so dunkel und erschwerte den Berkehr derart, baß eS sehr lange dauerte, ebe sich Alle zurechtgefunden batte», und erst gegen 11 Uhr herrschte Ruhe im Hause. Nachdem wir uns soweit entkleidet hatten, als e- die rauhe Witterung zuließ, sanken wir bald in tiefen^ ahnungslosen Schlaf, nur der Posten vor Gewehr starrte m die finstere Mitternacht. Plötzlich gegen »/»2 Ubr Morgen- sprengte unter dem Rufe „Alarm" eine zurückkehreode Patrouille im rasenden Galopp über da- Pflaster an unserem Hause vorüber in da- Dorf, und ehe wir recht zur Besinnung kamen, krachten und donnerten auch schon dir feindlichen Geschütze au- nächster Nähe. Die Todtenstille der Nacht war urplötzlich in ein orkanartige- Heulen und Sausen verwandelt, rin dichter Hagel von Gewehrkugeln prasselte auf die Dächer und durch klirrende Fensterscheiben, dumpfer Trommelwirbel, verworrene Signale, wüste- Fluchen und Schreien erschütterten die Luft und übertöntrn den entsetzlichen Jammer der Berwundeten. Der Feind war bereit- im Orte, er kam von allen Seiten, au« allen Kellern, Ställen und Winkeln. In fieberhafter Hast tasteten wir nach Licht, nach unseren Stirjeln, Röcken, Helmen und Waffen, quetschten un- durch die Tbür, den schmalen Gang entlang zur Treppe. Doch alle« Drängen und Stoßen war umsoust, sinnlos schrie AlleS durchriaander und schließlich konnte Keiner mehr vor, noch rückwärts. Der schmale Hausflur war so überfüllt, dir Vordersten so dicht an die Haußthür gepreßt, daß sie, dem Ersticken nahe, dieselbe nicht mehr öffnen konnten, während die von oben Kommenden in Tode-angst immer ungestümer nachschoben, oder auch auf die Köpfe der Untenstehenden herunterstßrztea. Bon außen aber dröhnten wuchtige Kolbenschläge gegen die HauSthür, der Feiuv hatte bereit« unsere Gewehre, und gänzlich entwaffnet waren wir in seiner Gewalt. Die HauS thür mußte jeden Augenblick znsammenbrechrn, da gab eS kein lange- Besinnen und keinen andern LuSweg mebr, als durch die Fenster nach dem Hose. Freilich war der Sprung gewagt: denn ich wußte nicht, auf waS ich sprang, auch nicht, wie t«ef. Doch glückte er noch besser, als der zweite Versuch, di« hohe, mit Glasscherben dicht besteckte Hofmauer zu über steigen; denn dabei zerbrach nicht nur meine mir so ooeat- dehrlich« Brille, sondern ich r,ß mir an den scharfen Glas scherben auch noch einen Fingernagel so unglücklich ab, daß ich mich vor Schmerz kaum noch aufrecht erhalten konnte und blutüberströmt nur noch blindlings vorwärts wankte. Da kreuzte ein breiter Bach meinen Weg; bis an dir Hüften in dem kalten Schlamm, den Kopf mühsam über Wasser haltend, arbeitete ich mich hindurch und brach jenseil« im naben Gebüsch zusammen. WaS nun beginnen in dunkler, kalter Nacht, bis auf die Haut durchnäßt, mir brennender Wunde, erschöpft durch den starken Blutverlust und die furchtbare Aufregung? Ringsum derselbe betäubende Lärm, Trommelwirbel, Gewebrsalven, unkenntlich durcheinander tönende Signale und Geschützdonner. Nicht zehn Schritte weit reichte mein kurzsichtige« Ange, und so kam ich mir entsetzlich hilflos vor. Da plötzlich regte e« sich ganz in meiner Nähe, ich hörte, wie Jemand da« dichte Gebüsch zur Seite schob und näher tappte. Emen Augenblick hielt ich den Athen, an, dann rief ich laut: „Wer da?" und staunte nicht wenig, als auch schon zwei Mann meiner Compagnie neben mir standen, die gleich mir die hohe Mauer überstiegen hatten und in da- Gebüsch geflüchtet waren. Nach kurzer Beralhung liefen wir querfeldein, doch schien eS unS, wir mochten nun dir Richtung ändern, wie wir wollten, als kämen wir dem ununterbrochen andauernden Gewebrfeuer nicht näher. Von Zeit zu Zeit warf ich mich dann platt auf die Erde, legte da« Ohr auf den Boden und lauschte, doch vergeblich, ich konnte in dem Lärme kein Signal, kein Connnando unterscheiden, und immer weiter ging eS im atbemlosen Laufe. Kamen wir unter dem Schutze der Nacht nicht auS dem Bereiche der feindlichen Kugeln, mit Tagesanbruch waren wir der Verfolgung seiner Cavallerie sicher. WaS aber stand unS bevor, wenn wir wehrlos in die Gewalt jener zusammeugclausenen, kaum uniformirtrn Freijcharen fielen, die wn nicht al« Mititair anerkannt und behandelt hatten, von denen wir also auch keinen Pardon erwarten konnten? Die wenigen Sterne, die mitunter durch di« dunklen Wolken glitzerten, konnten uns nur insofern zur Richtung dienen, daß wir nicht im Kreise liefen. Daß GiiorS südöstlich von Etrepany liege, wußle ich zwar, und so erwarteten wir denn sehnsüchtig, aber bangen Herzens den Sonnenaufgang. Trostlos sahen wir endlich gegen 7 Uhr früh an der Färbung der Wolken, baß wir die Sonne im Rücken hatten. Wir waren also gerade entgegengesetzt gelaufen und standen nun, bitter enttäuscht, abermals rathlo« da, denn mit zunehmender TageShelle wurde unsere Lage immer unhaltbarer, da wir ohne Waffen, vom Kopfe bi« zu den Füßen mit Schlamm uud Blut befleckt, leicht als Flüchtige kenntlich waren und jeder Bauer auf unS geschossen hätte. Da- Gewehrseuer war gegen Morgen verstummt, und nun herrschte unheimliche Stille ringsum. Was mochte au- unseren Kameraden geworden sein, wrlchen Verlaus mochte da« Gefecht genommen habe», al- der Feind auf die hinter unS gelegenen, hoffentlich rechtzeitig alarmirlen Truppen ge stoßen war? Toch hier galt kein langes Uederlrgen. Ll- wir endlich eia alleinstehende- Häuschen erblickten, war unser Plan schnell gefaßt, und während die Anderen an der Tbür dliebea, trat ich durch die angrlrhnte Thür hinein. In dem rußigen kleinen Raume stand mit dem Rücken zur Tbür ein alter Mann und schürte daS Feuer im Kamin. Er hatte beim Knistern der ausflackernden Flammen meinen Eintritt nicht bemerkt, bi- ich ihm vir Hand fest aus die Schultern legte und ein laute« „He dal" zurief. Entsetzt über meine verwilderte, mit Blut und Schlamm bedeckte, vom Hervseuer grell beleuchtet« Erscheinung taumelte er mehrere Schritte zurück, stammelte ein „OK won Vien" nach dem andern und bekreuzigte sich, als bätte er Gespenster gesehen. Noch war bisher in seine friedliche Hütte kein Feind gedrungen, so aber hatte er sich wohl auch den schlimmsten „knwsien" nicht vor- grftrllt. Inzwischen waren nun auch die Anderen eingrkreten. Ich trug den Mantel gerollt über Brust und Schulter, und mit einer Handbiwegung, al« hätte ich darinnen einen Revolver stecken, drohte ich dem Mann, ihn medrrzuschießen, wenn er den geringsten Versuch mache, un« zu verrathen, versprach ihm dagegea 20 Francs Velohuuoa, wen» rr uv« auf ge decktem, geradestem Wege nach Gilvr« führe. Mürrisch zog der Alte eine blaur Blousr über, setzte anstatt der weißen Zipfelmütze einen breiten Filzhut auf, rückte den Kaffeetops vom Feuer und marschirte unS schweigend voran. Wir mußten weit au- der GesechtSlinie gekommen sein, denn unser Führer wollte von dem ganzen Höllenlärme nicht? gehört und bemerkt haben und betheuerte, daß er überhaupt noch kein deutsche-Militair gesehen habe. Im Uebrigeu war er ungemein wortkarg. Schweigend liefen wir nun wieder mehrere Stunden und umgingen jedes HauS und Dorf im weiten Bogen, mit Aufgebot der letzten schwiadenven Kräfte. Soeben halte ich unserem Führer zugerufen, langsamer zu gehen, da ich nicht mehr Schritt halten konnte, al« hinter einer Dornenhecke plötzlich 6 oder 7 Männer hervortraten und unser Führer um Hilfe schreiend auf sie zusprang. Wir wußten sofort, daß wir verloren waren, und liefen, so schnell eS noch möglich war, zurück. Lange konnte der nun folgende Wettlauf aber nicht dauern, die Gegner waren bester bei Kräften und hatten uns bald erreicht. Da ich gut französisch sprach, bestürmten sie mich unter den gräßlichsten Drohungen mit allen möglichen Fragen. Ich erklärte ihnen kurz, daß wir auf Patrouille von unserer Truppe abzeschnitten und verfolgt worden seien, stellte ihnen vor, wie wenig sie der allgemeinen Sache nützen könnten, wenn sie unS arme Teufel gefangen hielten, schmeichelte, bat und zog alle Register der Beredtsamkeit. Während mir aber diese beschränkten Menschen zubörten «nd ich schon hoffte, sie umstimmen zu können, rafften sich meine beiden Mit gefangenen ru einem letzten verzweifelten Fluchtversuche auf. stießen die nachftstehenven kräftig zurück und rannten einem naben Gebölze zu. Im gleichen Augenblicke aber faßten mich vier kräftige Arme, warfen mich wütbend zu Boden und ver suchten mir den vermeintlichen Revolver zu entreißen. Noch konnte ich seben, wie meine zwei Kameraden da- nahe Gehölz erreichten, noch hörte ich die Flüche der nachftürmeuden Bauern und die gräßlichen Verwünschungen der bei mir zurückgebliebenen und au- dem nahen Dorfe hinzukommenden. Dann schnürten sie mir mit einer Wäscheleine die Arme der art auf dem Rücken zusammen, daß ich vor Schmerz die Zäbne fest zusammenbiß. Dann berietbea sie, ob sie mich erwürgen oder am nächsten Baume aufknüpfen wollten, falls meine zwei Kameraden entkommen sollten; denn „um einen solchen „ckieu" lohnt sich der weite Transport doch kaum", und sie hätten eS sicher getban, wenn ihnen nicht rin ganz Kluger in langer Rede vorgestellt hätte, daß der lebende Ge fangeae doch noch mehr Werth sei, al- der tobte. Mein Zustand war ein derartiger, daß mich nichts mehr zu schrecken vermochte, ich konnte keinen Gedanken mebr fassen und folgte ihnen mit stumpfer Gleichgiltigkeit in daS Dorf, da« ich bald al- dasjenige wieder erkannte, durch welches wir gestern zuletzt noch so zuversichtlich fuhren. Zitternd vor Frost, Hunger und Ermattung, bestieg ick, einen Wagen, mit mir zwei Bauern außer dem Kutscher, die, obwohl ich noch gebunden war, daß die Gelenke schmerzten, mit gespannten Revolvern in den Händen jede meiner Bi wegungen ängstlich beobachteten und sich dabei unglaublich wichtig und heroisch vorkamen. Die gemeinen Beschimpfungen der zusammenlaufenden Männer und Weiber achtete ich nicht, kein Wort de« Mit leides, nur blinder Haß und Wuth stierte mir au« jedem Blick entgegen. Namenlos unglücklich, vernichtet und gebrochen, saß ich träumend da, ahnungslos, wohin wir fuhren, stumni wie meine Begleiter. Gegen 10 Ubr früh kamen wir in da« Städtchen Ecouis, und als wir über den Marktplatz fuhren, schreckte ich vlötzlich zusammen. Hatte ich geträumt? Man r,ef meinen Namen laut und deutlich, und ich traute meinen Augen kaum, als ich an den Fenstern de« einen Hause« lauter bekannte G: sichter sab. Sollte ich jubeln, daß ich hier gegen 100 Mann meiner Compagnie wiedertraf? Nein, der Thräuen konnte ich mich kaum erwehren, al- sie mir fchweiaend die befreiten Hände drückten. Furchtbar sprach noch Dchreck und Ber zweiflung au- jedem Gesichte, lautlos standen und kauerten die theilS schwer Verwundeten in allen Ecken des öden Raume-. Unten von der Straße aber tönte lauter Jubel und Wüste- Geschrei herauf, da warfen die Soldaten unsere Waffen und Gepäckstücke umher, packten auf dem Pflaster unsere Tornister
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