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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.01.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960103018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896010301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896010301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-01
- Tag1896-01-03
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Reklamen unter dem Redactionsskrick (4ge- lpaltrn) 50-H, vor den Famtllrnuochrichie» (ü gespalten) 40 H. Ecößere Schriften laut uuserem Preis verzeichnt«. Tabellarischer und Zlfsrntsatz nach höherem Tarif Ertra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbefSrderuag .4 60.—. mit Postbesörderung 70.—. Avnahmeschluß für Aaztigeu: Adead-AuSgäb«: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» »Uhr Für dir Montag-Morgru-Ausgade: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen »nd Aunadmestrlle« je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stet» an dir Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. SV. Jahrgang. Abessinien. -a. Die Niederlage der Italiener in Abtsflniett im Kampfe gegtck den Meitelik lenkt wiederum die allgemeine Aufmerk samkeit auf dieses afrikanische Land, in welchem die euro päischen Großmächte, wir England, Frankreich, Italien und Rußland, tbeil« HandrlSinterrssrn, thril» colonialpolitische Zweck« verfolgen «nd sich darum gegenseitig «ufS Aeußerste befehden, In erster Reibe sind es aver Italien und Rußland, welche rN Abessinien einen Einfluß zu gewinnen und dort womöglich daS ObekhöbeitSrecht aUSruüben suchen, wahrend Frankreich auf der Seite des ihm befreundeten Rußland steht und England überhaupt ein geringeres Interesse an dem Wett kampf um Abessinien zur Schau trägt. Abessinien zusammen mit seinen ihm unterworfenen Staaten enthält einen Flächenraum von 850 000 Quadrat kilometer, mit einer Einwohnerzahl von 15 Millionen. DaS Land liegt auf einem hoben Gebirgsplatrau, ring» um di« Mündungen deS Blauen Nils, und wird von tiefen Thälern in einzelne GebirgSplateauS ge- theilt, so daß die geographische Lage selbst daS Streben zur Selbstständigkeit der einzelnen Tveile begünstigte. In der entfernten Nachbarschaft Abessiniens am Rothen Meere be sitzt Frankreich rin» Niederlassung Obok, welche hauptsächlich handelspolitischen Zwecken dienen soll, während Italien eine ähnliche Ealoaie Erythräa am Rotbrn Meere begründet bat. Schott in den 8v«r Jahren aber begannen die Italiener auf das abessinischr Hochgebirge vvrzudringen und besetzten im Jahre 1884 Maffaua. Sie stießen indessen später auf deu Widerstand deS Neaus Johannes, und als im December 1838 einigt italienische Compagnien den Vormarsch be gannen, wurden sie von RaS Alula bei Doaali über fallen und fast gänzlich vernichtet. Da fiel kurz darauf der Negu« Negest, (der König der Könige) Johanne« in einer Schlacht bei Kassala gegen die mahdistischen Schaarea des Sudan und an seine Stell« trat der Thril- fürst von Schoa, Menelik, mit dem die Italiener schon früher gute Beziehungen untrrdioltrn. Er wurde von Italien als der rechtmäßige König AelhiopienS über die drei alten Reiche Schoa, Tigre und Gondar anerkannt und im Mai 1889 schloß der Reisende Graf Aktonelli mit ihm einen Vertrag, in dem den Italienern eine Art Hinterland bewilligt, d. h. daS Bogosland oder die Gebiete von Keren »nd ASmara ab getreten wurden. Der wichtigste Punct des Vertrage« war aber der, wonach alle Verhandlungen Abessiniens mit den auswärtigen Mächten nur durch Vermittelung der italienischen Regierung geführt werden sollten. Italien trat somit in ein, freilich nicht uneigennützige-, FrcundschaftSverhältniß mit Abessinien ein, und am t. Oktober 1889 ward zu Neapel durch die Vermittelung eines abesflnischen Gesandten der Vertrag von Ucciali durch einen Zusatzartikel bereichert, in dem Menelik nicht allein als Alleinherrscher anerkannt, sonder» ihm auch eine Anleihe von 4 Millionen Lire bewilligt wurde. Diese patronisirende Stellung Italien- in Abessinien suchte aber die französische Republik durch alle ihr zu Gebote stehenoe Mittel zu untergraben. Die Franzosen machten ihren Einfluß am Hofe de- Melenik geltend, um den Ver trag von Ucciali zu nichle zu machen, in der Hoffnung, daß durch die Selbstständigkeit Abessinien- die Vermittlungsstelle zwischen Abessinien und Europa von Massaua auf da- fran zösische Obok übergehen werde. Die Franzosen waren daher auch eifrig bestrebt, den Mcnelik in der Meinung zu be stärken, daß er der Souverain deS Lande« sei, und man verlieh ihm auch da- große Band der Ehrenlegion. Nicht- kam daher den Franzosen so sehr zu statten, als der Umstand, daß da- befreundete Rußland ebenfalls in Abessinien Fuß zu fassen suchte. Ende der 80er Jahre begann man plötzlich iu Rußland von Abessinien zu reden und man ent decke, daß diese schwarzen Christen zur griechisch-orthodoxen Kircke gehören. DaS Cbristenthum verbreitete sich »n Abessinien am Anfang v«S IV. Jahrhundert« und wurde dort von dem Griechen FrumtntiuS, dem Patriarchen von Alexandria, eingeführt. Gegenwärtig bekennen sich die Abessinier im Großen und Ganzen wobl zur griechisch orthodoxen Kirche, indessen haben sie wobl manche nicht un wesentliche Abweichungen von der byzantinischen Kirche auf- zuweisen. In Petersburg hat man aber diese Religions verwandtschaft mit Freuden anerkannt und leitete in Afrika dieselbe Politik ein, welche sich in Asien so gut bewährt hat. Im Winter 1888—1889 unternahm der «freie Kosak" Aschinow eine Reise nach Abessinien und ebnete somit den Weg für weitere Schritte. ES wurden alsdann einige von Militaircolonnen begleitete wissenschaftliche Expeditionen, wie die« in Asien immer der Fall ist, nach Abessinien ausgerüstet, wobei der Leiter der Expeditionen, der Officier Masckkow, mit großer Ehre vom Menelik und den abessiiiischen Würdenträgern empfangen worden ist Zwischen Rußland und Abessinien wurde ein Frrundschaftsverhältniß tiergestellt, welches ganz besonder- von der Geistlichkeit be günstigt wurde. Der abessinischr Metropolit PetroS, genannt Abuna, ebenso wie die anderen hohen Geistlichen sind nun mehr eifrig bemüht, den Einfluß Rußland« im Lande immer mehr zu beben und zu verbreiten. Nach dem Tovt Alrxander'S III. benutzten die Abessinier die Gelegenheit, sich in Petersburg zu zeigen und ihren Sympathien für daS Zaren reich Ausdruck zu geben. Eine zahlreiche adessinischc Depu tation erschien im vorigen Jahr« in Petersburg, wobei am russischen Hofe derselben die größte Aufmerksamkeit zugewandl worden ist. Die Deputation hielt am Grade deS verstorbenen Zaren einen Gottesdienst ab und suchte nach Möglichkeit die Liebe zu Rußland zu bekunden. Russischen und französischen Einflüsterungen ist es zu- zuschreiben, daß der Menrtil Italienern gegenüber eine feindliche Haltung angenommen hat. DaS Oberhoheitsrecht Italiens in Abessinien, welches durch den Vertrag von Ucciali anerkannt morden ist, wird vom Menelik gegenwärtig be stritten. wir er übirhaupt der italienischen Colonialpolitik in Afrika einen Damm setzen will. DaS gute Einvernehmen mit Frankreich und Rußland, namentlich aber mit dem Letzteren, floßt den Abessiniern Mutb ein in ihrem Kampfe gegen Italien und seine afrikanischen Eolonialbestrcbungen. Deutsche- Reich. * Leipzig, 2. Januar. Von den 33 sächsischen Ab geordneten, die vor 25 Jahren dem Reichstage angehörten, besitzen zur Zeit nur noch zwei ein Rcichslagsmanoal: der Vertreter d»S Annabergrr Wahlkreises, Herr Justizrath vr. Böhine, nab der Socialist Bebel. Herr l)r. Böhme hat das Mandat seines Wahlkreise- im ersten und im fünfunv- zwanzigsten Jahre seit der Begründung deS Reiches inne gehabt, während in der Zwischenzeit andere Abgeordnete den Kreis vertraten. Q Berlin, 2. Januar. Der „Deutsche Gastwirth" und Verleger deS „Deutschen VolkSrechlS", Emil Bodeck, erklärt in diesem Blatte: „Dem vr. Böcke l, mit dem er sein Ver- hältniß im Oktober d. I. gelöst, sei er im Jahre 1894 beigesprungen und habe mit ganz beträchtlichen Summen, die weit über seine Kräfte hinausgegangen, für ihn gutgesagt, weil Vr. Böckel Anfang Juli v. I. ihn darum dringend ge beten und versichert habe, er wäre sonst auf immer für die Bewegung verloren und müsse sein Reickstags- mandat niederlegen. Sckon flüber babe er, Bodeck, seine Existenz durch Eintreten für die Sacke, specielt durch Unterstützung vr. Böckel'S in Hessen vernichte». Bei dein „Deutschen Volk-recht" habe Böckel jüdische Correspvndenten bevorzugt, u. A. einen gewissen! S., der der Mephisto für die Faustnatur Böckel s geworden sei. Vr. Böckel habe im Reichstage gegen die Ehrung Bismarcks stimmen wollen und nur mit vieler Müde sei es ihm, Bodeck, elungen, Vr. Böckel davon zurückzuhalten. Die hin und erschwankende Haltung res Blatte«, bald kalb anarchistisch, bald demokratisch, bald monarchisch, bald antimonarchisch, im vollsten Widerspruche mit dem Parteiprogramm, babe die Abonnentenzahl rasch verringern müssen. Schließlich sei Vr. Böckel sogar soweit gegangen, für den bekannten „Juden- agitator" Arnold Perls Redacteur der freisinnigen „Berliner Zeitung" bei seiner Candidarur für die Slavtverordneten- wadlen im „Volk-recht" Propaganda zu machen und selbst in öffentlichen freisinnigen Versammlungen die Politik der Freisinnigen zu unterstützen. Das sei der Grund gewesen zu der Vorlegung eines Schriftstücks, durch das vr. Böckel er kläre sollte, nach wie vor auf dem Boden des Antisemitismus zu stehen, und da er sich geweigert, dasselbe zu unterschreiben, habe er, Bodeck, sich genöthigt gesehen, mit vr. Böckel zu brechen. L Berlin, 2. Januar. Auch die dem Reichstage ;u- gegangenen Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der auf Grund der Invalidität«- und Altersversicherung errichteten Versicherungsanstalten für 1894 legen wiederum die Annabme nabe, daß eine große Zabl VersichrrungSpflichtiger sich der Wirkung des Gesetzes entzieht. Genau bestimmen läßt sich weder die Zahl der VersickerungSpstichtigen, noch die Zahl der tbatsächlich Versicherten. Wenn man indessen die Zahl der Unfallversickerungspslichtigen, die nach dem letzten Be richt der Berufsgenosseiischaften auf 18 Millionen berechnet wird, zu Grunde legt und den Umstand in Betracht zieht, daß die InvaliditätS- und Altersversicherung durch die Ausdehnung auf alle Lohnarbeiter, männliche und weibliche, in allen Berufszweigen einen wesentlich weiteren Kreis umfaßt, als daS Unfallversicherungsgesetz, so wird man die Zahl von 20 Millionen Versicherunaspflicbtigen kaum als zu hoch gegriffen bezeichnen könne». Was die Zahl der thatsächlich Versicherten betrifft, so ist dieselbe auch nickt mit annähernder Sicherheit fcstzustellen. DaS einzige, was zu ermitteln ist, ist die Anzahl der jährlich verwendeten oder doch verkauften Beitragsmarken, welche durch die Postver waltung festgestellt wird. Bei den InvaliditätS- und Allers- versicherungSanstalten gelangen zwar die Quittungskarten zur Einlieserung, ibre Zahlung kann aber auch nicht mit einiger Sicherheit Aufschluß über die Zabl der thalsächlich Ver sicherten geben, einerseits weil nickt bekannt ist, welche früheren Karteninhaber zur Zeit der Zählung bereits verstorben oder aus dem Versicherungsverhäliniß auSgeschieden sind, andererseits weil viele Versicherte ihre QuiltungSkarlen setbst nach Ablauf von zwei und mehr Jahren noch nicht zur Ablieferung bringen. So hat zum Beispiel die Zählung bei den InvaliditätS- und Alters- Versicherungsanstalten für daS Jahr 1892 ergeben, daß gegenüber 424 418 000 verkauften Beitragsmarken nur 7 373 000 Quittungskarten verschiedener Versicherter ab- geliefert worden sind, so daß auf den Kopf des Versicherten 5,8 Wochenmarken entfielen, also eine höhere Zahl, als die jenige der Kalenderwochen des IahreS. Auch der Versuch, mittels der Division der Zahl der verkauften Beitrags marken durch die Zabl derjenigen Personen, die an der Hand der Berufszählung vom 5. Juni 1882 als versicherungspflichtig überschläglich ermittelt worden sind, die Anzahl der tbatsächlich Versicherten zu eruiren, ist seblgesckilagcn. Die Berechnung ergab offen sichtlich unrichtige Resultate, da zum Beispiel für «ine Ver sicherungsanstall die Verwendung von 56,8 Beitragsmarke», für andere Anstalten eine solche von nur etwa 27 Beitrags marken auf den Kops des Versickerungspflichligen fesigcstel!: wurde. Schließlich hat mau versucht, die Aufgabe in der Weise zu lösen, daß man die Zahl der verkauften Beitrags marken durch die Zahl der für ein Beitragsjabr erforderlichen Beitragswochen, nämlich durch 47 dividirte. Für daS Jahr l89 > würde man aus diese Weise rund 9 400 000 Versicherte finden. Ader auch diese Methode ist mehr wie unsicher und die Annahme von 47 Beitragswochrn für jeden Versicherten und für ein Kalenderjahr führt zu einem augenscheinlich zu ungünstigen Resultate, da eine sehr große Anzahl Versicherter diese Zahl nicht entfernt erreicht und der Unistand außer Acht gelassen wird, daß die Zahl der verkauften Beitragsmarken der Zahl der gesetzmäßig zu verwendenden Marken keineswegs ent spricht. Ergab doch eine von der Versicherungsanstalt für Mittelfranken vorgenommene Revision bei 26 203 controlirlen Karten ein Manco von 52 614 Beitragsmarlen. Immerhin ist an der Hand dieser Verechnuiigsmetlioke die Annahme als berechtigt zu erkennen, daß die Zahl Derjenigen, welche sich der VersicherunaSpflicht entziehen, nach Millionen zu berechnen ist. Der Versuch einer genaueren Feststellung bei der letzten Berufs- und Gewerbezähluug, der von Seiten des Ncichsvcrsicherungsamtes angeregt war, ist auS praktischen »nd politischen Gründen unterblieben; eS dürfte sich indessen über kurz oder lang die Nothwendigkeit Herausstellen, auf irgend einem Wege die Frage nach der Zahl der wirklich Vcrsicherten zu lösen, da von ihrer Beantwortung die Er greifung von Maßregeln zur wirksame» Durchführung des Jnvalieitäts- und AltcrSversicherungsgesetzeS abhängt. * Berlin, 2. Januar. Aus dem NeujabrSartikel des „Vorwärts" verdienen einige Stellen abgerruckt zu werden Im Anickluß an die Behauptung, daß die Krautjunker und die Schlotjunker daß Reichstagswahlrecht beseitigen und, da die Zustimmung des Reichstages bierzu nickt zu erwarten sei, durch einen Staatsstreich die Neichßverfassung Umstürzen wollen, schreibt der „Vorwärts": „Als Vorbereitung deS Staatsstreichs wieder die Hatz gegen die Socialdemokratie, wieder die alle Komödie des Rothen Scmecken--, vie im Jahre der Schande 1878 dem politisch bankerotten Fürsten Bismarck noch 12 Jahre der D'ciatur cinbrachte. Die Komödie ist jetzt in Neuansführung Der Umsturzrodau des vorigen Jahres war der erste Anlauf. Er mißglückie. Es mußte ei» frischer Vor wand geiucht werde». Vorwände sind billig wie Brombeeren. Gut, zählen wir nicht 1895? Ftinsuiidzwanzig Jahre nach dem heiligen Krieg. Kriegsjubitaum. Gesunde»! Hurrah Germania! Es ist wahr, alte Wunden werden auf gerissen, die Franzosen gereizt, der tausendmal abgeleugnetc Berserker»Chauvinismus an die große Glocke gehängt — indes; einmal muß die wahre Natur doch enthüllt werden, und die Socialisten, die die Vötkrrverhetzung nicht mitmache» können, ge rathen in die Schußlinie des nationalen Berjerker-CdauvinismuS. Die Socialdcmokratie durchschaute das Spiel, sic entlarvte die Spieler schon im Frühling, als der Pia» zuerst austauchte — harrte gerüstet und in sicherer Ruhe der Tinge, die ihr zugedacht waren, und hielt ihr Pulver trocken. Es kam Alles genau, wie erwartet und vorausgesagt. Tie Feinde des Fortschritts verrichte» Schablonenarbeit. Obgleich dir Sociatdemokratie sich jeder Herausforderung enthhielt (!) und aus taktischen Gründen maßvoller (!) als in irgend einem früheren Jahre die Cultiiricindlichkeit des Kriegscultus darlegte, erscholl plötzlich ein w ld-s Geheul von Scvimps- worten und Denunciationen: „die Socialdemokratie stelle sich außer halb der nationalen Gemeinschaft, sie verletze die heiligsten Gefühle des Volks (als ob die Soctalbeinokratie nicht der vielte Theil des Aus großer Zeit. LrinnerungSblLttrr von Georg Bleystekner. Nachdruck »erboten. Mit dem 1. Januar 1871 sollte laut den Vereinbarungen zwischen den deutschen ReHierungen die neue Kaisrrwürde in Kraft treten. Da aber König Wilhelm von Preußen darauf Werth legte, daß auch die Volksvertretungen der Bundes staaten vorher ibre Zustimmung zu der neuen Gestaltung der Dinge gegeben batten, setzte er die feierliche Uebernabme der Kaiserwürde erst für den 18. Januar fest, als den Tag, wo sich 170 Jahre zuvor de- neuen Kaiser- Vorfahr Friedrich I. in Königsberg die preußische KönigSkrone aufs Haupt gesetzt und damit den Grund zur wachsenden Größe keS Hauses gelegt batte. Welch' eine Wandlung hatte sich in einem Jahre am politischen Himmel Europa- vollzogen! Mächtige Sterne waren untergegangen, neue Sterne hatten sich glanzend er hoben , ihre gegenseitige Stellung und ihr Einfluß war völlig verändert worden. Während früher ganz Europa mit athemloser Spannung den NeujahrSrrden de« Kaiser- Napoleon gelauscht batte, wie wenn davon da- Schick sal und der Friede de- ganzen ErdtheilS abhinge, feierte diesmal König Wilhelm von Preußen, umgeben von vielen deutschen Fürsten und vom siegreichen deutschen Heere, den NeujahrSlag in Versailles, im Herzen Frankreich-, vor den Thoren der Hauptstadt de- besiegten gallischen Lande-. Kaiser Napoleon dagegen weilte, abgeseht und verlassen, auf der Wilhelm-hohe bei Cassel al« Ge fangener , die Kaiserin Eugenie aber nebst dem Prinzen Napoleon, dem kurz vorder noch abgöttisch gefeierten „Kind Frankreichs", als Verbannte in England. Wie zwingend und begründet auch die Sieze der deutschen Waffen waren —: so tief und jäh wäre Frankreich damals doch nickt gesunken, s o gründlich batte eS nicht da- bittere Lvo» der Demuthigung ertragen müssen, wenn eS «in angestammte- Herrscherhaus gehabt hätte, dem eS auch im Unglück treu angehangen wäre. Die seit einem Jahrhundert gepflegte revolutionaire Ge sinnungslosigkeit aber riß eS völlig zu Boden und machte, daß eS den Becker der Niederlage bi« zum letzten Tropfen kosten mußte. Wie erhebend gab sich dagegen gerade in diesen Tagen der Erneuerung der Kaiserwürde und des Reiches der tiefwurzelnde monarchische Sinn des deutschen Volkes kund! Der NenjabrStag begann in Versailles mit einer Truppenfestlichkeit im kronprinzlickcn Hauptlager. Kron prinz Friedrich Wilhelm vertbeilte im Austrage deS Königs Wilhelm eine Anzahl von Eisernen Kreuzen erster Classe an verschiedene Officiere, Unterofficiere und Mannschaften der 3. Armee, namentlich an solche, die sich bei den Gefechten von Mont-Mesly, Champigny und VillierS besonder« aus gezeichnet hatten. Um lO Uhr war Festaottcsdienst in der Schloßcapelle. Nach der Kirche sollte auf Befehl de- Königs um tl>/, Ubr der BeglückwünschungSempsang stattfinden, wozu die sämmtlichen in Versailles anwesenden Officiere und deutschen Beamten eingcladen waren. Da die Räumlichkeiten der Präfectur, wo der König wohnte, nicht auSgercicbt haben würden, um di« große Zabl der Geladenen aufzunebmen, war da« KönigSschloß von Versailles für dir Feier lichkeit gewählt worden. Während der König nach dein Gottesdienst noch einige Zeit in der Vorhalle der Kirche zurückblieb, bis die Aufstellung der sich zur Beglückwünschung versammelnden Persönlichkeiten geordnet war, begaben sich die Officiere aus der Kirche über di« „Lour koyals" und die „Oour äs Llsmdre", den mit braunem und weißem Marmorgetäfel gepflasterten Ehrenbof, der den Raum zwischen dem Mittelbau und den beiden Seitenflügeln de« Schlöffe- einnimmt, in den Palast, um über die Haupt treppe de- linken Flügel-, den „Lsoaller äs l» Neins", den Eingang in die für di« Versammlung bestimmten Gemächer zu nehmen. Es waren die« die sogenannten Zimmer der Königin, wo Maria Theresia, die Gemahlin Ludwigs XIV., Maria LeSzinSka und Maria Antoniette Hos gehalten haben; nämlich nabe der Treppe im Seitenflügel mit der Aussicht nach dem Parke der „Saal der Garden", der einstige Aufenthaltsort für die Wachen der Königin, dann die „^ntickambrv äs 1» Ksins" für den großen Empfang, der „8»lon äs la keine" für die Privat- audienzen, da- Schiafgemach der Königin und darauf — vir Seilenflucht schließend — der „8alon äs la paix", der Spielsaal unter Ludwig XIV. und Ludwig XV. Von diesem Saal trat man in die „Lalsris äe8 glacss", den Spiegelsaal, der die ganze Länge de- Mittelbaues ein- nimmt und der vom König für den Beglückwünschung«, empfang bestimmt war. Der Saal ist 270 Fuß lang bei 34 Fuß Breite; 1? große Bogenfenster, die eine Aussicht über die Terrasse und den ganzen Park gewähren, dienen zur TageSbeleuchlung. Den Fenstern entsprechen an der Rück wand ebensoviele Bogenwölbungen, die mit Glas — durch Goldstäbe in viereckige Felder eingetbeilt — bekleidet sind. Die Pfeiler sind mit Marmor auszeiegl, bellbraun im Grunde, weiß die Fassungen, vie Wände sind mit kriegerischen Sinn bildern in Gold geschmückt, die Saalvecke von Gemälden ein genommen, die tbeils Sagen, tbeils Austritte aus der Kriegs geschichte Luvwig's XIV., auS der Zeit der Zerrissenheit und der Erniedrigung Deutschlands darstellen. In der Mitte der Hauptseite sieht man mit Goldbuchstaben die Inschrist: „I^s koi xouverns par lui-wsms" (l66l). Davor als Decken gemälde: die olympischen Götter, die den siegreichen König von Frankreich glückwünschend umgeben; am Rande deS Ge mäldes die symbolischen Gestalten von Deut'chlanb, Spanien und Holland, mit der prahlerischen Umschrift: „I/aucien orzrusil äss puisAmces voisiuss äs la Inanes". Die Marmortreppe, sowie die Eingänge, die zu diesen Räumen führen, waren jetzt mit Ehrenposten der deutschen berittenen Stab-wache de» großen HauptlagerS besetzt. Im „Saal der Garden" standen preußische Grenadiere. Dir Ehrenbezeigungen in den Außenräumen machte der Befehls haber deS königlichen HauptlagerS Major von docquenghien. Im Festsaal sorgten der Hofinarschall Gras Pückler und der Befehlshaber von Versailles, General v. Voigts Rbetz, für vie Ordnung der Anwesenden, die etwa 500 an der Zahl aus der ganzen Längsseite in drei Reiben ausgestellt waren. Die vordersten Reiben nahmen die Fürsten, die Generale und vie höheren SrabSosficiere ein, darunter auch die Bevoll mächtigten der deutschen Staaten, sowie Rußland« und Groß- britannienS. Unmittelbar nach dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm, der vom Großhcrzog Friedrich von Baden begleitet war, er schien König Wilhelm. Er begrüßte, nachdem er einige Schritte in den Saal getban halte, die Anwesenden mit folgender An rede! „Große Ereignisse baden geschehen müssen, um uns an diesem Orte und an diesem Tage zu vereinigen, und Ihrem Heldenmutbe, Ihrer Ausdauer, sowie der Tapferkeit der von Ihnen geführten Truppen babe Ich eS zu verkanten, daß eS bi« zu diesen Ersolgen gekommen ist. Aber noch sind wir nicht am Ziele, noch liegen große Aufgaben vor uns, ebe wir zu einem ehrenvollen und dauerhaften Frieden gelangen können. Ein solcher Friede ist uns gewiß, wenn Sie gleiche Tbaten, wie sie uns bis zu diesem Punkte geführt haben, auch weiter vollbringen. So können wir getrost in die Zukunft schauen und erwarten, was Gott nach seinem gnädigen Willen über uns entscheidet." Darauf schritt der König auf die Generale zu, reichte jedem von ihnen die Hand und ging grüßend an der ganzen Versammlung vorüber, deren Aufstellung so geordnet war, daß an der Spitze die Officiere des Großen Hauptlagers standen, daran sich anschließend die der Oberleitung der 3. Armee, dann die vom V. unv vom XI. Armeecorps, nach diesen die Beamten der Sanitätsahibeilungen und der Feld lazarrtbe. Die Feierlichkeit war gegen l2 Uhr beendet. Ter Kronprinz blieb noch einige Augenblicke zurück, um anck seinerskits die Neujahrsglückwünsche entgegenzunehmen. Um 12 Ubr hatten die Vorsitzenden de» preußischen Herrenhauses, Graf Eberhard zu Srolbrrg, Herzog von Ujest und Graf Brühl, dir Cbre, dem Könige eine Adresse des Herrenhauses zu überreichen. Graf Siolberg hielt dabei folgende Anrede an den König: „Allerdurck iaucktigster, Großmächiigster, Allergnädigstrr König und Herr! Wir sind glücklich, diß Ew. Mazestät unS zu erlauben ge ruht haben, hier in Versailles am heutigen Tage vie Adresse de« Herrenhauses überreichen zu dürfen. Al« Ew. Majestä: vor einem kalben Jahre unsere Anwesenheit bei der Enthüllung des Denkmals JdreS bochseligen Herrn Vaters befahlen*), ahnten wir nickt, daß es Ew. Majestät besckieden sein würde, dem Andenken Hochdeffelben ganz ein andres Denkmal zu setzen durch einen SirgeSzug, der sick ebenbürtig an die Jahre I8l3 bi« 18l5 anschlicßt. Und wenn schon damals viele Wünsche über Deutschland- Größe und Einheit wie sprühende Funken aufblitzten, so sind die selben mit der Zeit und durch die Zeit zu einer Flamme emporgelodert, in deren Gluth eS wiederum Ew. Majestät beichteten ist, die deutschen Stämme zu einer festen Einigung zusammenzuschweißen. Möchten in dem beute beginnenden neuen Jahr« Ew. Majestät bald einen dauernden sichern Frieden erkämpfen, möchte da« neue deutsche Reich zur Ehre GotteS unv zur Freude der Menschen sich festigen und erstarken." König Wilhelm erwiderte hierauf: „Der Inhalt *) Am 3. August hatte daß Denkmal Friedrich Wilhelm« III feierlich enthüllt werden sollen, wa« aber wegen des AuSbruchS de« Kriege» einstweilen unterblieben war.
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