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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.01.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960104010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896010401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896010401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-01
- Tag1896-01-04
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Neckamen unter dem Nedaetkini-strtch (4 ge- Walter» KO^Z, vor den Familtennachrichskii (6 gespalten) 40-»-. trirovere Tchristen laut unserem Preis- verzetchnttz. Tabellarischer und Zisfernsatz »ach höherem Tarif. Vrtra°Beitage»r (geialjt), nur Mit der Morgen. Au'aave, ohne Postbesökverung .41 60—, mit Post befördern ng ^l 70. Annah«eschl»ß für Aazeizen: Abend-Au-gabe: Bötmiitags 10 Uhr. Marge «.Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Für di» Montag.Morgio.Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. AnzriA«« sind stets an di« Expedition za richten. Lrnck und Verlag von S. Pol» in Letvzig. Sonnabenb den 4. Januar 1896. 98. Jahrgang. Deutschland und Oesterreich. L Franz von Holtzendorff, einer der geistvollsten Lehrer de» öffentlichen Rechts in diesem Jahrhundert, sagte in feinem Colleg über daS Völkerrecht bei der Besprechung der Verträge und Verhandlungen zwischen selbstständigen Staaten mit seinem sarkastisch - schelmischen Lächeln: „Her Unterschied zwischen der guten alten Zett und der Gegenwart ist der: früher kamen die Fürsten allein zusammen; da wurden allerlei Feste gegeben und zwischen durch auch Berathungen gepflogen, aber was dabei herauskam, das war oft recht bedenklich. Jetzt aber nehmen die Fürsten ihre leitenden Minister mit oder diese reisen auch allein, und dann wird es schon bester, als in der allen Zeit. Und wenn ich ein Beispiel geben soll, so erinnere ich an zwei Verträge zwischen Deutschland und Oester reich: an die Verhandlungen zu Pillnitz zwischen Friedrich Wilhelm II. von Preußen und Leopold II. von Oesterreich «August 1791), die zu für beide Staaten schädlichen Schritten führten und an die Verhandlutigen des Fürsten Bismarck in Wien 1878, die für beide Staaten segensreich ausliefen." Er hatte Recht, der alte Holtzendorff; jenes Bündniß, das Fürst Bismarck im Herbste 1878 in Wien abschloß, wurde zum Bollwerk des europäischen Friedens, und wenn jetzt Fürst Hohenlohe in Wien geweilt hat, so kann sein Aufenthalt nur den Zweck gehabt haben, vor Freund und Feind klar zu stellen, daß das Dundniß in alter Kraft fortbesteht. So ganz unnöthig ist diese Feststellung nicht. Denn während in Deutschland nie ein Zweifel an der unveränderten Wirksamkeit des Bündnisses bestanden batte, war man in dem Nachbarstaat etwas unsicher geworden. Deutsch land hatte in der oflasiatischen Frage sich mit Frankreich und Rußland verständigt, eS hatte bei der Wieveraufrollung der orientalischen Frage zunächst eine ruhig abwartende Haltung an genommen; schließlich war in der Thronrede bei der Parlaments eröffnung der Dreibund nicht besonders scharf hervor- gehvbrn. Die österreichische Presse war darüber etwas un ruhig geworden — sehr mit Unrecht, aber eS war einmal so. Nun ist die Presse aber ein maßgebender Einfluß auf Meinung und Stimmung eines Volkes — und in Oesterreich mehr noch als bei unS—und die Stimmung eines Volke-wiederum ist eines jener Imponderabilien,denen Fürst BiSmarck stets einen so bedeu tenden Einfluß auf die Politik zuschrieb. So ist es denn Wohl reckt gut, daß durch die Anwesenheit des Fürsten Hohen lohe in Wien und durch die wiederholte Hinzuziehung gerade des italienischen Botschafters zu osficiellen Zusammen künften der ungetrübte Fortbestand des Dreibundes docu- mentirt und daß dadurch die österreichische Bevölkerung beruhigt wird, wenn freilich auch bei etwas größerem Ver trauen und Selbstgefühl eine Beruhigung nicht hätte von- nöthcn sein sollen. So sehr nun einerseits die Beruhigung unseren lieben Freunden zu gönnen ist, so wichtig ist es doch, ihr sanguinisches Temperament vor Enttäuschungen zu bewahren, wenn sie etwa glauben sollten, daß in den Besprechungen des Fürsten Hohenlohe mit dem österreichischen Monarchen und den teilenden Staatsmännern mebr als eine allgemeine Verständigung in der orientalische» Frage festgestellt worden sei. Eine Verabredung im Einzelnen, ein unbedingtes Zusammengehen der beiden Mächte in der orientalischen Frage wäre vielleicht für Oesterreich er wünscht, für Deutschland ist eS unmöglich. Fürst Bismarck, gewiß der authentische Interpret der Dreibundsverträge, hat das in seiner berühmten Rede vom 6. Februar 1888 unter dem Beifall aller Parteien an mehreren Stellen klar ausgesprochen. Er sagte, daß diese Verträge in dem gemeinsamen Bestreben wurzelten, die innere Entwickelung vor Angriffen zu schützen: „Diese- Bestreben und dabei auch daS gegenseitige Vertrauen, daß man dir Verträge hält, und daß durch die Verträge K ei nrrvon dem Andern abhängiger wird, als seine eigenen Interessen e- vertragen, — das Alles macht diese Verträge fest, haltbar und dauerhaft." Nun entspricht e- aber unserem Interesse ganz und gar nicht, in die orientalische Frage tiefer verwickelt zu werden. Auch daS hat Fürst Bismarck in jener Rebe deutlich genug ausgesprochen. Er sagte damals: „Es ist ja die wahrschein lichste Krisis, die eintreten kann, die orientalische. Wenn sic eintritt, so sind wir gerade da nicht in erster Linie be theiligt. Wir sind da vollkommen und, ohne irgend welcher Verpflichtung zu nahe zu treten, in der Lage, abzuwartrn, daß die im Mitteländischen Meere, in der Levante, zunächst betheilizten Mächte zuerst ihre Entschließungen treffen und, wenn sie wollen, sich mit Rußland schlagen oder vertragen Wir werden, wenn orientalische Krise» eintreten, bevor wir Stellung dazu nehmen, die Stellung abwarten, welche die mehr interefstrten Mächte dazu einnehmen." Dieser Richtschnur ist die deutsche Politik im Sommer und Herbst 189ü strict gefolgt. Sie hat damit den Beifall des gesammten deutschen Volkes, aber freilich nicht den Beifall der öffentlichen Meinung Oesterreichs gefunden. Indessen wird an dieser Politik keineswegs etwas geändert werden. Es wäre nur ru wünschen, daß die öffentliche Meinung in Oesterreich einsähe, daß eS gar nicht im Interesse de-Bünd nisses liegen kann, von Deutschland mehr zu verlangen, als es zu leisten im Stande und verpflichtet ist. Im Falle eines Angriffe- auf Oesterreich wird Deutschland treu zu dem Bundesgenossen sieben, und Oesterreich wird sich auf unsere pommerschen, sächsischen, bayerischen Bataillone sicherer ver- jassen können, als wir auf seine czechischen Regimenter. Wenn eS sich aber, wie bei der orientalischen Frage, um eine Gebietserweiterung für Oesterreich handeln sollte, wird Deutschlano zwar nach Möglichkeit die österreichischen Interessen zu fördern suchen, aber eS kann sich unmöglich mit ihnen identisiciren. In Deutschland hat einmal eine starke Strö mung für eine Einmischung in eine orientalischeFrage geherrscht, damals, als Fürst Alexander in so brutaler Weise aus Bulgarien entführt wurde, und man bat eS zu jener Zeit dem Fürsten BiSmarck vielfach verübelt, daß er sich nicht in die bulgarischen Wirren einmischen wollte. Man ist jetzt längst zu der Erkenntoiß gekommen, daß er damit Recht batte, und heute wünscht keine Partei in Deutschland, daß unsere Politik sich auf der Balkanbalbinsel stark enaagire. DaS ist eine Thatsache, mit der sich die österreichische Politik längst abgefunren hat, und mit der sich auch die öffentliche Memung in Oesterreich eudgiltig abfinden sollte. . Deutsches Reich. L Berlin, 3. Januar. Die dem Bunde-rathe kürz lich von der preußischen Regierung zugegangrnen Vor schläge über Festsetzung einer Maximalarbeitszeit für Gehilfen und Lehrlinge in Bäckereien er fahren in der Presse widersprechende Beurtbeilungen. Unbedingter Zustimmung steht grundsätzliche Abneigung gegenüber, dazwischen findet sich die Mahnung zur pein lichsten Vorsicht bei der Vornahme eines Eingriffs dieser Art. Der durch letzteres Verlangen gekennzeichnete Standpunkt scheint un- derjenige, den die Regierungen einzunebmen haben. Er erkennt an, daß in Bäckereien, nicht in den Bäckereien, Verhältnisse herrschen (übermäßig lange, dir Gesundheit der Arbeiter gefährdende Arbeitsdauer), die eine Anwendung des 8 120s Abs. 3 der Gewerbeordnung, also die Festsetzung von Dauer, Beginn und Ende der täg lichen Arbeitszeit durch den Bnndesrath, zulaffen. Dieser Paragraph spricht von Gewerben im Allgemeinen, es ist also nicht statthaft, seiner Anwendung auf Handwerks betriebe grundsätzlich zu widersprechen. Daß aber ge- werbe- und socialpolitische Erwägungen, denen Raum zu geben tz. 120 s keineswegs verbietet, doppelte Vorsicht zur Pflicht machen, wenn e» sich um Vorschriften für ein über wiegend handwerk-mäßig betriebene« Gewerbe handelt, ist ohne Weitere- anzurrkennrn. In der Regel vermehren heut zutage gewerbe-polizeiliche Anorvnuagin die Trümpfe, die der Großbetrieb dem Kleinbetrieb gegenüber in der Hand hat, dienen mithin einer Entwickelung, die nicht zu fördern die Regie rungen und die Mehrheit de- Reichstag- entschlossen sind. Den Vorschlägen, die der Bunbe-rath nunmehr zu prüfen bat, ist die Absicht nachzurühmrn, dir kleinen und kleinsten Bäckereien möglichst zu schonen. Sie wollen die ArbeitS- beschränkung (auf 12 Stunden für die Gehilfen und älteren Lehrlinge, auf 11 bezw. 10 Stunden für die jüngeren Lehrlinge) nur solchen Betrieben auferlegen, dir zur Nachizeit (zwischen 8*/, Uhr Abend- und 5V, Uhr Morgen-) Hilfskräfte beschäftigen, und Betriebe, in denen regelmäßig nicht mehr al» dreimal wöchentlich ge backen wird, sowie diejenigen, in denen Nachtarbeit nur aus nahmsweise — höchstens zwanzigmal im Jahre — vorkommt, sollen ganz frei von der Beschränkung bleiben. ES wird aber der sorgfältigsten Untersuchung bedürfen, ob diese Aus nahmen auch nur den Verhältnissen de- Däckergewerbes auf dem flachen Lande hinreichend Rechnung tragen. Wir glauben das, für zahlreiche GebietStheile des Reiches wenigstens, bezweifeln zu müssen. So wird z. B. in vielen Gegenden Deutschlands in Dorfbäckereien, die öfter als drei Mal wöchentlich backen, allwöchentlich in der Nacht vom Sonnabend auf den Sonntag und in den den großen kirchlichen Festen vorbergehenden Nächten Weißbrod bergestellt; daS sind in evangelischen Orten gegen 60, in katholischen noch viel mebr Tage im Jahre. Wird die ArbeitSbeschränkung nur denjenigen Betrieben erlassen, die höchstens zwanzig Mal im Jahre des Nachts arbeiten, so werden sich diese ländlichen Betriebe vielfach genöthigt sehen, ihre Weißbroderzeugunz um zwei Drittel und mehr herabzumindern. Daß diese horrende Minderung der Production nicht nur eine Ver ringerung der Zahl der Betriebe, sondern auch, da ein Ersatz für das an Ort und Stelle nicht bergestellte Weiß brod nicht beschafft werden kann, eine Abschwächung der Nachfrage nach Arbeitskräften im Gefolge haben wird, steht so wenig außer Zweifel, wie die Thatsache, daß die gesetzliche Sonntagsrube den Verbrauch von Con- ditoreiwaaren und Feingebäck eingeschränkt hat. Es ist also nicht nur das Interesse der kleinen Meister, was in Berücksichtigung zu ziehen ist. Die Gesellen werden auch inofern in Mitleidenschaft gezogen, als sich für sie mit der Milderung der Zahl der Bäckerelbetriebe die Aussicht, später hin selbstständig zu werden, verringert. Im Hinblik auf die kleineren und nnttlrren Städte drängen sich gewichtige Be denken anderer Art auf. Der Hinweis auf die Wirkung allein der Einschränkung der Weißbroderzeugung auf dem Lande mag einstweilen genügen, um die Forderung nach größter Behutsamkeit in der Behandlung der Maximal arbeitstage zu rechtfertigen. * Berlin, 3. Januar. Die Festnahme deS Herrn von Hammerstein beleuchtet die Frage, wie sich die inter- nationle Nechtsverfolgung gestalten muß, wenn der Zufluchtsstaat, für den eine vertragsmäßige Auslieferungs pflicht nicht besteht, sich nicht einer solchen Connivenz be fleißigt, wie sie Griechenland im vorliegenden Falle bewiesen bat. Der Staat muß dann ruhig ruschen, wie sich der Verbrecher jenseits der Grenze unbehelligt der Früchte seiner Strastbat und sicherer Straflosigkeit erfreut. Da ist ein unhaltbarer und mit dem modernen Rechtsgefühl aller Culturvölker in schneidendem Widerspruch stehender Rechtszustand, dessen Beseitigung angestrebt werden muß. Denn alle civilisirten Staaten haben daS gemeinsame Interesse, nach Maßgabe ihrer Kraft die der menschlichen Gesellschaft aus dem Verbrecherthum erwachsenden Uebel nieder- uhalten. Und diesem Ziele kann man nur dann näher ommen, wenn die in der Reibe der Auslieferungsverträge noch vorbanvenen Lücken auSgefüllt werden. Daß dir vollkommene Durchführung der Auslieferungspflicht sich mit dem rein menschlichen oder völkerrechtlichen RechtSgesübl in Widerspruch setzen sollte insofern, als vie strafrechtlichen Ver folgungen einen vexatoriscken Cbarakter annebmen könnten, ist nicht zu besorgen, w»il leichtert Verstöße grgen die Strafgesetze und Strafthaten rein politischen Charakters in allen AuS- liesirungsverlrägen von der internationalen Verfolgung au-qe- schlossen sind und stet- ausgeschlossen bleiben werden. Wir möchten deshalb mir der „Berl. Börs.-Ztg." der Reichsregierung es ans Herz legen, den weiteren Abschluß von AuSlieferungSverträaen mit allen denjenigen Staaten herbeizuführen, mit Venen solche Verträge bisher nicht geschlossen worden sind. Erfahrungs gemäß suchen gerade diejenigen Verbrecher, die über ein ge wisses Maß von Geldmitteln und Kenntnissen verfügen, am häufigsten durch die Flucht ins Ausland sich der strafenden Gerechtigkeit zu entziehen und wäblen als Zuflucht gerade diejenigen Staaten, die „nicht ausliefern". So lang» jene Staaten die Tbore ihrer mit dem Sittlichkeitsbewußtsein un vereinbaren Asyle offen ballen, vermögen dir Auslieferungs- Verträge «ine volle Wirksamkeit nicht zu entfalten. Denn diese ist durch die vollständige Schließung des Kreise« bedingt. * Berlin, 3. Januar. Professor Thudichum in Tübingen veröffentlicht im ersten Heft Jahrgang 1896 der von Hirth und Seyvrl herausgegebenen „Annalen des deutschen Reichs" einen bemerkenswerthen Aufsatz über die preußische Cabinrts- ordre vom 7. Juni 1833, betreffend das eidliche Ver sprechen evangelischer Officiere hinsichtlich der religiösen Erziehung ihrer Kinder. In der Budget- cominission de- Reichstags wurde bei der Beratbung des Militairetats am 13. Februar 1894 sowohl jener Armetbefcbt Friedrich Wilhelm - IV. als auch die denselben Gegenstand bc bandelnde, von Kaiser Wilhelm I. am 23. Decembrr 157:'. erlassene Cabinetsordre von Abgeordneten der Centrumspartci zur Sprache gebracht und als eine Beeinträchtigung der katbo liscken Kirche hingestellt. Man hat denn auch von derselben Seite die rechtliche Giltigkeit beider angegriffen und völlig widerlegen zu können geglaubt. Namentlich unternahm ein Aufsatz in Vering's Archiv für katholisches Kirchenrecht (Jahr gang 1894, Julibcft) diesen Angriff. Professor Thudichum sieht mit Recht darin nicht Staatsgesetze, weil die Zustimmung deS Landtag- und außerdem die Verkündigung in der Gesetz sammlung fehle, auch nicht königliche Verordnungen in Militairangclegenheiten wegen desselben Mangels, wozu viel leicht noch der Mangel einer Gegenzeichnung durch Len Kriegsminister kommt. Aber als Armeebefehle, erlassen vom obersten Befehlshaber und Kriegsherrn über Heer und Flotte, wird man beide allerdings betrachten und beachten müssen. Es ist demnach bei Mischehen dem evangelischen Ofsicicr nickt verboten, alle seine Kinder katholisch werden zu lassen, ebensowenig dem katholischen, alle seine Kinder in der evan getischen Religion erziehen zu lassen; das Eine wie das Andere würde ja nach 8 12 der Verfassung vom 31. Januar 185" ungiltig sein, weit jedem Preußen, also auch jedem preußischen Officier, die Freiheit des religiösen Bekenntnisses gewährleistet ist. Ebensowenig, schreibt Thudichum, sei das einfache Ver sprechen katholischer Kindererziehung bei Eingehung ver Ebe evangelischen Ofsicieren verboten und mit Entlassung aus dem Dienste bedroht; als Kern bleibe somit nur der Gedanke übrig: eS entwürdige den Mann, unter Eid die katholische Erziehung aller seiner Kinder zu versprechen, und dem oberste» Kriegsherrn, also jetzt dem Kaiser, könne die Befugniß nickt bestritten werden, maßgebende Vorschriften darüber zu geben, was als Verletzung der Würde eines Officiers anzuseben sei, vorausgesetzt, daß hierdurch nickt gesetztliche Rechte der Officiere gekränkt würden; der Grundgedanke der Cabinets- ordre, ein Verzicht aus Religionsfreiheit und sogar unter Eid geleistet, sei unsittlich und zugleich unwürdig, bleibe richtig. Auch da» preußische Lanvrecht erkläre im Theil I Titel 4 tzo ausdrücklich: GewissenSfreiheihrit kaiin durch kc.ne Willcii« erklärung eingeschränkt werden; der Staat versage alle» solchen Verzichten die rechtliche Anerkennung. Damit nun aber Mißdeutungen vermieden würden und die freilich nicht ohne bestimmten äußern Anlaß einseitig ausgefallene Fassung aufgehoben würde, möchte Professor Thudichum zum Ersatz beider Armeebefehle einer allgemeinen Bestimmung den Bor zug geben, etwa so lautend: Den Ofsicieren und Beamte» des HeereS und der Flotte ist eS bei Strafe der Dienst entlassung untersagt, außergerichtliche Eide zu leisten. V Berlin, 3. Januar. (Telegramm.) Der Kaiser empfing gestern Vormittag noch den Reichskanzler Fürste» zu Hohenlobe-Schillingssürst, der auch zur Frübstückstasct im Neuen Palais verblieb. Mittags batten die Halloren auS Halle a. S. die Ehre, den Majestäten dir bekannten Neujahr-geschenke überreichen zu dürfe». Die Abendtaset für die commandirenden Generäle zählte 85 Gedecke. An derselben saß die Kaiserin dem Kaiser gegenüber. Zur Rechten ver Kaiserin saß Prinz Arnulf von Bayern, zur Linken Generalfeldmarschall Graf Blumenthal. Der Kaiser hatte zur Rechten den Generaloberst Frhr. v. Loö, zur Linken de» Generaloberst Graf Walversee. Die Tafetmusik hatte das Musikcorps deS l. Garderegiment- zu Fuß gestellt. Heute Vormittag fuhr der Kaiser mit dem fahrplanmäßigen Zuge um 9 Uhr 18 Minuten von Wildpark nach Berlin, begab sich dort vom Potsdamer Bahnhof nach dem Palais des Reichskanzler» und kehrte gegen Mittag nach dem Neue» Palais zurück. L Berlin, 3. Januar. (Telegramm.) Der K«1ser er schien beute Vormittag im Reichskanzlerpalais zu einer Be sprechung, an welcher der Reichskanzler, die Staats- secretaire v. Marschall und Hollmann, Admiral Knorr und der Chef des Marine-Cabinets v. Senden-Bibra» theilnabmen. Nach dieser Besprechung sendete der Kaiser an den Präsidenten Krüger folgendes Telegramm: „Ich spreche Ihnen Meinen aufrichtigen Glückwunsch aus, daß e» Ihnen, ohne an die Hilfe befreundeter Mächte zu appelliren, mit Fs»»illetsn. Wo ist Nansen? Von Prof. vr. Uugvar Nielsen (Cbristiania). Mit der größten Spannung verfolgt die ganze gebildete Welt das Schicksal der Norvpolrxpedition Nansens. Die Spannung ist um so größer, als einerseits lebhafte Besorgnisse laut geworden sind, da Nansen nicht seinem Plane gemäß an der Mündung de- sibirischen Olenrk erschienen ist, andererseits die Behauptung aufgetaucht ist, der „Fram" sei an der ostgrönländischen Küste gesehen worden. Unter diesen Umständen sind die folgenden Auslassungen de- Nansen persönlich befreundeten Cdristianenser Professor- Nielsen von höchstem Interesse, die im Januarhefte der „Deutschen Revue" (Deutsche Verlags-Anstalt in Stuttgart) erscheinen werden und im wesentlichen bereit- heute von un« mitgrtheilt werden können: Es war im Herbste 1892, al- ick an einem trüben Abend Vr. Nansen auf der Straße traf. Unser Weg war derselbe. Selbstverständlich waren wir bald in ein Gespräch über seine Expedition vertieft, mit deren Vorbereitung er damals eifrig beschäftigt war. Wenige Tage zuvor waren wir ja auch de, Lauvik zusammen gewesen, wo sein Schiff vom - Stapel gelaufen mar. Im Laufe de- Gespräche- sagte Nansen: „Sie wissen, daß ich meinen Plan geändert habe", und setzte dann unmittelbar hinzu: „Ich spreche aber nicht darüber." Weitere- hat er nicht geäußert. Verschiedene Rücksichten haben ihn bestimmt, Stillschweigen zu beobachten. Späterhin habe ich keine Ge legenheit mehr gehabt, von ihm nähere Mittheilungen zu erhalten. Seine Worte aber habe ich treu im Gedacbtniß behalten und auch Anderen nicht« darüber mitgrtheilt, mit Au-nahmr de- zurückgekehrtrn Srcretairs. Herr Cbristofersen war davon überrascht; er hatte während seines sieben dis acht Wochen langen Zusammenleben- an Bord de- Frams mit den Mitgliedern der Expedition gar nicht- Derartiges gehört. Was hat nun Nansen mit seinen Worten an mich gemeint? Eine durchgreifende Aenderuna de- ursprünglichen Plans kann er nickt beabsichtigt haben. Denn soweit man jetzt seine Fahrt kennt, ist er diesem gefolgt. Dagegen liegt die Mög lichkeit einer bedeutenden Modifikation nahe, und wenn er nicht nach Olenek gekommen ist, dann hängt daS vielleicht mit dieser eng zusammen. Nansen hatte, wie ich glaube, schon vor der Abfahrt von Chaborowa vor, gegebenen Falls nach dem Norden abrubiegen, ohne die lange Reise ostwärts vom Kap Tscheljuskin nach Neu-Sibirien zu machen, und Herr Cbristofersen hat mir auch vor Kurzem berichtet, bei den täglichen Gesprächen an Bord de- FramS sei öfters die Rede davon gewesen, daß es, wenn die in Chaborowa erwarteten Hunde sich al» iüchlig erwiesen, wohl überflü'sig wäre, den Umweg über den Olenek zu machen. Allem Anscheine nach hat wirklich dir Expedition schon in Chaborowa eine genügende Anzahl Hunde bekommen, und damit ist die Fahrt nach der Mündung des genannten sibirischen Flusse- von selbst als unnöthiger Umweg weggefallen. Als der Fram am 3. August, zwölf Uhr NachtS absegelte, webte «in starker Wind. Die Zurückbleibrnden sahen das Schiff nach dem karischen Meer hinsteuern; eS verschwand in der Fern» und trat den abenteuerlichen Tbeil seiner Fahrt an. In Chaborowa traf Nansen mit dem Führer der Hunde zusammen, der ihm die ganze für die Expedition nothwrndige Sammlung glücklich ablieferte. Dieser Führer war rin Deutsch-Ruffr au« Riga, Namen- Alexander Iwanow Trontheim, der seit 1876 in Sibirien lebt«. Trontheim sagt in dem Berichte, er »raue der Expe dition die Fähigkeit zu, den Gefahren de« Eismeeres zu trotzen. Ebenso lobt er die Eonstruction des Schiffe-, die besonders auf die Fahrt durch da- Eis berechnet ist. Nichts erinnert in dieser Schilderung an die vorher erwähnten, au- russisch- samojetischer Quelle stammenden Berichte.. Al- der „Fram" in da- karischc Meer hineinsteuerte, waren dort, wie bemerkt, viele Eisschollen vorhanden, die sich alle nach den westlichen Ausfabrten hin bewegten. Dagegen sprach Alle- dafür, daß nach Norden hin keine großen Eisflächen gelagert seien. Herr Cbristofersen erklärt, e- sei nicht« von einem „Eisblink" zu sehen gewesen, von jenem bekannten Phänomen, da- die Näh« des festen Eises verräth. Im August 1893 war da« EiS weit gegen Süden vor gerückt und befand sich im Schollenzuftand. Dies (oll, nach der Erfahrung der Robbrnsänger, ein gute- Zcicye» sein. Wenn daS Eis sich in dieser Weise der europäischen Küste nähert, soll — so sagt man — da- Fahrwasser höber aus wärts eisfrei sein und eine Fahrt bi« weit nach Norden gestatten. Alle Berichte stimmen darin überein, daß Nansen außerordentlich günstige Eisverhältnisse angetroffen hat. Dies muß für Nansen und seine Gefährten von der größten Bedeutung gewesen sein. Nach einer Fahrt durch die Zone de« Treibeises ist er im Norden in eine andere eisfreie Zone hineingekommen, i» der er höchst wahrscheinlich weit nach Norden vorgedrunge» ist. Was sollte ihn unter diesen Umständen bewegen können, die einmal gewonnenen Bortheile aufzugeben und von dem bereits erreichten Breitengrade, vielleicht dem achtzigsten, wieder nach Süden abzubiegen, um an der Olenekmundung einige Hund« abzuholen? DaS wäre doch eine höchst nn besonnene Handlungsweise. Die Fahrt scheint im Anfänge vom Glück begünstigt worden zu sein, und es sind wobl damals sehr große Vortbeile erreicht worden. Die Trpedition muß augenblicklich in neue, bisher unbekannte Gegenden gekommen sein, wo sie wahr scheinlich in östlicher Richtung nach dem Puncte gesucht haben wird, wo sie den nordwärts gehenden Polarftroin erreichen könne. Was aber im Anfänge rin Glück gewesen ist. kann sich späterhin in da« Gegenthkil verkehrt haben. ES läßt sich demnach nickt in Abrede stellen, daß Nansen'- anfänzlickes Glück ihn möglicher Weise später in eine minder günstige Lage gekrackt hat. Viele- hängt von een Stromverhältnissen in den von ihm neu entdeckten Gegenden ab. Unter solchen Umständen mußte sich schon frühzeitig mit doppeltem Gewicht der Wunsch geltend machen, mit einem Male so weit wie möglich nach Norden zu gelangen, und dann drängte sich wohl die Nothwendigkeit einer wnentlicke» Modifikation de- ursprünglichen Plane« auf. Die Eis barriöre hatte sich aller Wahrscheinlichkeit nach weit nord wärts zurückgezogen. Die Fahrt ist möglichst in nördlicher
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