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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.01.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960109012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896010901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896010901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-01
- Tag1896-01-09
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Rec lamen unter dem Redactionsstrich c4ge- spalten- 50 vor den Familiennachrichten (Ü gespalten) 40^. liirößere Schriften laut unsrrein Prei» verzeichniß. Tabellarischer und Zifirrniatz nach höherem Tarif. (sxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung .4 60.—, mit Postbefürderung .4 70.—. Annatsmetchluß fiir Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittag- 4Uhr. Für die Montag-Morgen-Au-gabe. Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an dt, Expedition zu richten. Truck und Lerlag von E. Polz in Leipzig. Donnerstag dcn 9. Januar 1896. 90. Jahrgang. Die Unabhängigkeit und Souverainetät des Transvaal. —p. Die Unabhängigkeit des Transvaal und ihre Er haltung — da» wird die Frage der nächsten Zeit sein. Die in einem Wiener Blatte augeregte Idee, Deutschland solle da- Protectorat über die südafrikanische Republik über nehmen, ist, wie wir schon auSführten, nicht ernst zu nehmen: weder in Berlin, noch in Pretoria hegt man solche Gedanken. DaS Telegramm Kaiser Wilhelm s spricht ebenso von der Unabhängigkeit und Selbstständigkeit Transvaals wie die Antwort deS Präsidenten Krüger sie betonte. Die englischen Blätter sind es, die fortwährend die Verhält nisse auf den Kops stellen, indem sie, die großsprecherischen „Times* voran, beständig von einer Suzeränität Groß britanniens über Transvaal sprechen. Wir haben schon wiederholt darauf hingewiesen, daß diese Behauptung auf Irrt hum oder Unwissenheit beruht, zum Beweis dafür mögen hier die wichtigsten in der Angelegenheit ge sammelten Aktenstücke, wie die „Köln. Ztg." sie zusammen stellt, folgen: Nachdem der Transvaalstaat sich in blutigem Kriege von der englischen Herrschaft befreit hatte, wurde zu Pretoria am 3. August 1881 zwischen ihm und Großbritannien ein Friedens vertrag abgeschlossen, der ausdrücklich „tüv Lu/oiaint)' c»k Her Llrzjeslz^, b,e „Suzeränetät der Königin" anerkannte und die daraus für Großbritannien entspringenden Rechte im Art. 2 dahin zusammensaßte: „Ihre Majestät behält sich selbst, ihren Erben und Nachfolgern daS Recht vor, von Zeit zu Zeit einen britischen Residenten in und für den genannten Staat zu ernennen, mit den nachfolgend bestimmten Pflichten und Aufgaben: dem Recht, in Kriegszeiten oder falls Krieg zwischen dem suzeränen Staat und irgend einem fremden Staat oder irgend einem eingeborenen Stamm in Südafrika unmittelbar zu befürchten ist, Truppen durch den genannten Staat ziehen zu lassen; ferner, die auswärtigen Beziehungen des genannten Staates, mit Einschluß der Abschtiegung von Verträgen und der Leitung des diplomatischen Verkehrs mit fremden Mächten unter ihre Controle zu nehmen und diesen Verkehr durch die diplomatischen und Eonsularbeamten Ihrer Majestät im ÄuSlande führen zu lassen." Dieser Artikel bat dem Suzeränetälsrecht Englands, das der Vertrag von 1881 neu geschaffen hatte, klar und deutlich seinen Inhalt gegeben, und dieser Inhalt war weitgehend genug, denn er legte das eigentliche Kennzeichen der Suzeränetät, die diplomatische Vertretung andern Mächten gegenüber und das Recht der Truppen bewegung in die Hände Englands. Aber dieses Recht machte schon bald den ganzen Vertrag für den Transvaat- staal unerträglich. Deshalb wurde von ihm im Jahre 1883 eine Abordnung, an der Spitze Herr Krüger, nach London gesandt, um unter Anerbieten einer Greiizrcgelung im Süd wester« eine Aufhebung dieses Suzeränetälsrechls und da mit eine grundsätzliche Aenderung des Vertrages von 1881 durchzusetzen. Der Zweck dieser Abordnung erzieht sich klar aus einem von ihr an Lord Derby gerichteten Schreiben vom 12. November 1883 und aus den beiden Briefen deS Lord Derby vom 11. und 18. December 1883, die den guten Willen der englischen Regierung betonen, die Forderung auf Aufhebung der oberherrlichen Rechte zuzugestehen, voraus gesetzt, daß sich eine Einigung in der Grenzfrage erzielen lasse. Kaum war über diese hiernach für England viel wichtigere Grenzfrage eine Vereinbarung erreicht, so machte der Abschluß deS neuen Vertrages vom 27. Februar 1881 keine wesentlichen Schwierigkeiten mehr. Schon in der Ein leitung dieses neuen Vertrages wurde die neue Sachlage klar anseinandergesetzt. Von einem Suzeränetats recht der Königin war keine Rede mehr. Dagegen hieß es: Nachdem die Regierung des Transvaalstaates durch ihre Vertreter . . . vorgestellt hat, daß der in Pretoria am 3. Tage des August 1881 Unterzeichnete und durch den Volksraad des genannten Staates ratificirte Vertrag ge wisse Bestimmungen enthält, die unzuträglich sind und Lasten und Verpflichtungen auserlegen, von denen der genannte Staat befreit zu werden wünscht, und daß die durch den genannten Vertrag fest gesetzten südwestlichen Grenzen verbessert werden im Hinblick auf die Förderung des Friedens und der Ordnung in dem genannten Staat und den daran stoßenden Gebieten; und nachdem I. M. die Königin geruht hat, die genannten Vor stellungen in Erwägung zu nehmen . . ., wird hiermit er klärt, daß die folgenden Artikel eines neuen Vertrages. . wenn durch den Volksraad der südafrikanischen Republik genehmigt, an Stelle der in den Vertrag vom 3. August 1881 aufgenommenen Artikel treten sollen, welch letzterer Vertrag bis zum Zustandekommen der vor erwähnten Genehmigung in voller Kraft bleiben soll." Schon diese Fassung läßt es außer jedem Zweifel, daß die neuen Bestimmungen des Vertrages über das staatsrecht liche Verhältniß Englands zum Transvaalstaat an die Stelle der gleichartigen Bestimmungen des alten Vertrage- treten und diese ausheben. Der neue Vertrag kennt aber in Artikel 1 nur die Beschränkung deS Transvaalstaates bei Abschluß von Verträgen, die wir noch neuerdings angeführt baden, und die bei der gegenwärtigen Frage nicht in Betracht kommt. Jede andere Beschränkung der Unabhängigkeit, die der alte Vertrag bestimmt hatte, ist aber im neuen Vertrage auf gehoben und beseitigt worden. Lord Derby, der den neuen Vertrag abgeschlossen, hat hierüber ganz unumwundene Erklärungen abgegeben. In einem amtlichen, bereits angeführten, Schreiben vom 15. Februar 1881 bat er der Abordnung des Trausvaalstaates gegenüber hetont: „In dem ersten Artikel wird die Ausdehnung der west lichen Grenze genau bestimmt und genehmigt. Durch Aus lassung jener Artikel des Vertrages von Pretoria, wodurch Ihrer Majestät und dem britischen Residenten ge wisse besondere Ermächtigungen und Befugnisse mit Bezug aus die innere Verwaltung und vie auswärtigen Beziehungen des Trausvaalstaates angewiesen wurden, wird Ihrer (der Regierung der süd afrikanischen Republik) Regierung Freiheit ge lassen, daS Land ohne Einmischung zu verwalten, dessen diplomatischen Verkehr zu leiten und dessen auswärtige Politik zu gestalten, unter der alleinigen Bedingung, die in den Artikel 4 des neuen Ent wurfs ausgenommen ist. daß ein Vertrag mit einem fremden Staate keine Wirksamkeit haben soll ohne die Genehmigung der Königin." UnS will scheinen, daß eine unzweideutigere und zu verlässigere Widerlegung der falschen Behauptung von einem fortbestehenden Suzeränetälsrecht Großbritanniens überTrans- vaal nicht beigebracht werden kann. Will England diese Auslegung trotzdem nicht anerkennen, so bleibt nur ein einziger Ausweg offen: die Berufung einer Eonferenz. Das ist der naturgemäße Weg, den zu betreten noch keiner Großmacht Sckande gemacht bat. „Wir können", bemerkt die „Köln. Ztg." anscheinend officiös, „keinen besseren Beweis unserer Uneigennützigkeit geben, als diesen Vorschlag zu machen, und wir hoffen, daß die diplomatische Anregung dazu sehr bald von irgend einer mit England und 'Deutschland be freundeten Macht ausgehen möge. Die Aufgabe einer solchen Eonferenz wäre aber auch, die südafrikanische Republik in solche Verhältnisse einzusetzen, daß sie künftige Gewaltstrciche von Engländern, die in Südafrika ein nicht parlamentarisches, sondern selbstbelfcrisches „Panama" erblicken, sowohl als von staatlichen Nachbargebilden nicht mehr zu befürchten bade. Demgegenüber wäre eine Neutralität, die gehörig gewähr leistet werden müßte, die nützlichste Schöpfung." Wir freuen uns, in der letzten Bemerkung der „Köln. Ztg." dem gleichen Vorschlag zu begegnen, den wir im gestrigen Abendblatte machte». Deutsches Reich. * Leipzig, 8. Januar. Der „Leip;. Ztg." ist „aus sicherer Quelle bekannt", daß Fürst Bismarck, den man jetzt als Eideshelfer gegen die sächsische Wahlrechts reform verwerlhcn möchte, mit dem Vorgehen der Zweiten sächsischen Kammer im Princip durchaus einv erst an Leu sei. 6. Ik. Berlin, 8. Januar. Der Einfall englischer Frei beuter in die südafrikanische Republik hat Wirkungen, an die wohl noch Niemand gedacht bat. Der internationale Socialistencongretz in London ist in Frage gestellt. Die Sache ist so gekommen: Als vr. Iameson und seine Flibustier in Transvaal einfielen, war die gesammte deutsche Presse einig in der Verurtheilung dieser Tbat; auch der „Vor wärts" stellt» sich bei dem weiteren Vorgehen der deutschen Regierung gegen die Engländer auf die Seite der Ersteren, und nach ihm die gesammte kleinere socialistische Presse, in der man Sätze zu lesen bekam, die man dort lauge vergebens zu lesen gesucht hatte. Die Londoner Socialisten vemerkten das sehr übel und „Reynold's News-papcr" schlug einen Ton gegen die Deutschen an, der alles bisher Dagewescne übertraf: eS war von „hungerigcn Horden", „groben, bru talen Preußen" rc. die Rede. Herr Liebknecht will cs freilich nicht zugesteben, daß „Reynold's News-paper" ein Socialistcn- blatt sei; officielles Organ der Partei mag es Wohl auch nicht sein, aber es ist ein Blatt, das der englische Arbeiter liest, und im Londoner Ostend, wo die englischen Dockarbeiter sich gegen die deutschen grobe Ausschreitungen erlaubten, trifft man es überall. In ihrem Haß gegen die Deutschen sind die englischen Socialistenführer in diesen Tagen ebenso groß gewesen, wie die Mitglieder der alten Tracke?? unions, und wenn Herr Liebknecht und Bebel gestern und vorgestern in London hätten sprechen wollen, so wäre ihnen selbst in Socialistenversammlungen übel mitgespicll worden, sofern sie gewagt hätten, die Haltung der deutschen Regierung auch nur zu entschuldigen. Das Vorgehen der englischen Socialisten und Arbeiter gegen die deutschen hat gezeigt, daß der Ruf: „Proletarier aller Länder vereinigt Euch!" dahin variirt werden kann: „Proletarier Englands, prügelt die der andern Länder!" Es steht übrigens fest, daß die deutschen Matrosen in London sich durchaus ruhig verhalten und den Engländern keinen Vorwand gegeben haben, ihr Miithchen an ihnen zu küblen. Es wird daher Wohl noch mancher Tropfen Wasser durch die Tbemse fließen, ehe der internationale Socialisten congreß zusammentritt. ^ Berlin, 8. Januar. Wohl aus derselben Quelle, welcher die samose „Natiborer Frauenpetition" entstammte, ist den oberschlesischen Mitgliedern des Bundes der Land wirthe das Eoncept zu einer Adresse an den preußischen Landwirthschaftsminister geliefert worden. Die Adresse soll eine Protestkundgebung gegen die Ausführungen sein, welche der Fürst Lichnowöky in einer Ansprache an den Minister gelegentlich des Aufenthalts des Letzteren in Ratibor gemacht bat und welche daraus hinausliefen, daß die Landwirthe Oberschlesiens auch ohne den Antrag Kanitz und die Doppel Währung auskommen könnten. Die 699 Unterzeichner der Adresse erklären, sie wüßten das besser; den Landwirthe» könnten die „kleinen Mittel" nicht helfen. Um der Noth zu steuern, müsse entweder der Antrag Kanitz oder die Doppel Währung durchgeführt werden. Ist schon dieses: entweder — oder interessant, so lassen die weiteren Ausführungen in der Arreste einen noch tieferen Einblick in den Gedankengang dcr kleinen und mittleren Landwirthe Oberschlesiens thun. Die selben bekennen, daß sie sich über die Durchführbarkeit des Antrags Kanitz nicht ganz klar sind; denn sie sagen nur, der Antrag „scheine" ibncn durchführbar. Daß er ohne eine „Revision der Handelsverträge" nicht zu verwirklichen ist, geben sie direct zu. Sie halten den „Kanitz'scken Gedanken" nicht einmal für ein „bequemes Auskunftsmittel" und — das ist jedenfalls der Höbepunct der kleinbäuerlichen Diplomatie — sie „verlangen ihn ja auch nur so lange, bis die Doppel währung eingeführt ist". Lediglich als Vorspann für den Bimetallismus, als Mittel zum Druck aus die Börse zu Gunsten der Doppelwährung soll die „lex Kanitz" dienen, deren Nutzen für den mittleren und kleinen Grund besitz die Unterzeichner der Adresse auch nicht mit einem Worte zu behaupten wagen. Es ist nicht ohne Werth, daß das einmal von so „competenter Stelle" aus gesprochen wird, obschon wir bereits früher darauf hinwiesen, daß trotz aller Agitation und trotz allen Geschrei- der Antrag Kanitz für den Bund der Landwirtbe gar nicht Selbstzweck sei. Die Frivolität, mit welcher man sich dort schon bisher über die verheerenden Folgen hinwegsetzte, welche auch dcr nur „auf Zeit" cingcfübne Antrag Kanitz für Handel nur Verkehr haben müßte, wird nur überlroffen durch den CynismuS, mit welchem die Unterzeichner dcr Adresse und ihre Hintermänner sich bereit erklären, die zeitweilige Geltung des Antrags von den Vertragsstaaten mit „anderen Ver günstigungen im Import", d. b. auf Kosten der einheimischen Industrie, zu erkaufen. Die Adresse der 699 ist ein Dokument, welches man allen Denen entgegenbaltcn wird, welche in ukunft noch wagen, die Gegner des Antrags Kanitz sür einde der Landwnthschaft auszugeben. V. Berlin, 8. Januar. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaiserin gedachten, heute Abend um 6 Uhr sich nack Berlin zu begeben, um einer Trauerandacht an der Leiche des Prinzen Alerander von Preußen beizuwohnen. Nack- derselben bezieht daS Kaiserpaar für den Rest deS Winters das hiesige Schloß. Die Prinzen und die Prinzessin werden morgen vom Neuen Palais nack dem hiesigen Schlosse übersiedeln L. Berlin, 8. Januar. (Priv at telegram m.) Die gestrige Sitzung des LtaatSminifteriumS dauerte wieder von Feuilleton. Moderne Theaterbaulen. Bon Fred Hood, Architekt. Nachdruck verboten. Welcher Art auch immer die an ein modernes Theater gestellten Ansprüche deS großen PublicumS sein mögen, der Wunsch, die Vorgänge auf der Bühne vollständig überblicken und die Sprache der Künstler in Worten und Tonen deutlich vernehmen zu können, ist allen Theaterbesuchern gemein. Diese so berechtigte Forderung ist indessen nicht so leicht zu erfüllen. Erst in neuerer Zeit ist eS dem unermüdlichen Fleißc der hervorragendsten Baukünstler, welche ibre Erfahrungen auf diesem Gebiete gesammelt und der Allgemeinheit nutzbar gemacht haben, gelungen, diese Aufgabe fast vollständig zu lösen. Die mannigfachen Grundformen alter Theatersäle be lehren unS, wie viel in dieser Hinsicht studirt und probirt wurde; alle zeigten sie mehr oder minder große Mängel in optischer oder akustischer Beziehung. Am besten bewährten sich noch die bald- oder dreiviertelkreisförmigen Zuschauer räume, die schließlich zu der bei fast allen größeren Theater- bauteu der Neuzeit mit Erfolg angewendeten Hnfeisenform führten. Da auS Gründen der perspektivischen Wirkung des Bühnenbildes die ProsceniumSöffnung auf die geringe Breite von höchstens 1b w beschränkt werden muß, und die Saal breite diese- Maß nicht erheblich überschreiten darf, so muß der Zuschauerraum in allen größeren Theatern seine Haupt- auSdehnung nach der Tiefe erhalten. Al» Norm gilt, daß daS Theater nicht mehr als 2500 Personen umfasff, da in allzu großen Sälen, wie in den Opernhäusern zu Wien und Pari-, die Stimmen der Künstler erfahrungsmäßig zu sehr angestrengt werden. Zur Erzielung einer guten Akustik müssen die Schall- strablen durch Neigung des hölzernen Bühnenpodiums, Ab schlägen der Prosceniumwar,düngen, Anordnung von Resonanz boden unter dem Orchester verstärkt und daS Anschlägen und Nachballen des Schalle- durch reich« Stoffdraprrien der Bühne gegenüber vermieden werden. Ferner pflegt man an Balcon- brüstunaeu. Decken, Pfeilern rc. reiche plastische Ornamente, welche schallzerstreuend wirken, anzubringen. Der Resonanz boden unter dem Orchester wird bisweilen, so beim Hvs- theater in Dresden und neurrding- beim Umbau de- Ber liner Opernhauses, au- doppelten tannrnen Brettern mit Dchaülöchern h,rg,stellt und über ein nach unten gekebnrS Tonnengewölbe gespannt. Nach Angaben Richard Wagner's ist im Bayreutber Festspielhaus das Orchester so tief in den Fußboden versenkt worden, daß die Musiker und ibre „Gym nastik" ganz den Blicken des PublicumS entzogen wurden. Dieses Theater enthält aber nur ampbilheatralisch aufsteigende Sitzreihen und keine hochgelegenen Balkonplätze; andernfalls würde die tiefe Lage deS Orchesters die Tonwirkung erheblich abschwächen. Im Allgemeinen legt man daher den Orckestcr- boden nicht mehr als einen halben Meter unter den Parquet- fußboden. Um für die oberen Ränge nicht zu steile Seblinien zu erhalten, erhebt man den ersten Rang nicht gern zu hoch über daS Bühnenpodium. Zwar ist dann der Raum unter dem ersten Rang seiner geringen Höhe wegen nicht mehr geeignet, findet jedoch häufig eine sehr zweckmäßige Verwendung als Gar derobe. Die oberen Ränge mit ihren amphitheatralisch an geordneten Sitzreihen läßt man gegen die unteren mehr und mehr zurücktreten, so daß durch Kronleuchter oder Sonnen- brenner alle Plätze vollständig beleuchtet werden. Auch gewährt bei dieser Anordnung das vollbesetzte HauS einen festlichen glänzenden Anblick. Der verhängnißvolle Brand des Wiener Ringtheaters am 8. December 1881 zeitigte eine große Reihe sicherheitspolizei licher Gesetze, welche zu einer vollständigen Umgestaltung deS gesammten BühnenapparateS geführt haben, aber auch auf die Grnndrißdispvsition neuer Theatergebäude einen wesent lichen Einfluß ausübten. Sehr folgenreich wirkten die Be stimmungen über Treppenanlagen und Zu- bezw. AuSgänge. In vielen älteren Theatern mündeten alle Nangtreppen, falls man sich überhaupt nicht mit einer einzigen begnügte, in einen Raum, so daß sich daS Publicum der oberen Ränge, während sich die unteren entleerten, auf den Treppen staute. Es galt also, durch eine genügende Anzahl von Treppen und Ausgängen für eine schnelle Entleerung des Theater» Sorge zu tragen. Eine mustergiltigc Treppenanlage erhält daS neue „Theater deS Westens" in Berlin. Es führen hier zu jedem Rang je zwei (inSgcsammt acht) Treppen mit geraden Läufen, deren jede, sowohl direct von außen, wie vom Vestibül auS zugänglich ist. Gemäß den wichtigsten Polizeibestimmungen, die Locali- sirung de« Feuers betreffend, wird zwischen Bühne und Zuschauerraum jetzt allgemein eine massive Brandmauer her gestellt und die ProsceniumSöffnung durch einen, meist aus Wellblech construirten eisernen Vorhang abgeschlossen. Zur leichten, möglichst geräuschlosen Bewegung des Vorhanges, welcher pro Quadratmeter ein Gewicht von 25 kg erreicht, wird derselbe mit Gegengewichten versehen. Die Bewegung erfolgt meist durch Kurbelwind«. Wird der Vorbang ans zwei Hälften construirt, von denen die eine sich nach oben, die andere nach unten bewegt, so sind besondere Gegengewichte entbehrlich, da jeder Tbeil dem anderen das Gleichgewicht hält. Die Winde wird mit einer Vorrichtung versehen, durch deren Auslosung erforderlichen Falles das plötzliche Herab fallen des Vorhanges bewirkt werden tann. Große Schwierigkeit bereitet die Anordnung der Reservoire für die Löschvorrichtungen wegen der für sie erforderlichen hohen Lage. Ist es nicht möglich, genügend große Reservoire auf großen Thurmbauten unterzubringen, so muffen ge schlossene Reservoire aus dem sogenannten Feuerbodcn aus gestellt und ihr Wasserinhalt erforderlichen Falls durch be sondere Maschinen unter Druck gesetzt werden. Eine sehr interessante Anlage dieser Art enthält, neben dem Leipziger Theater daS Frankfurter Opernhaus, woselbst durch eine Gaskraftmaschine von 1000 Pferdekrästen 5000 1 Wasser auf die Höhe von 65 m gehoben werden können. Wo die Wasser versorgung jedoch unter dem nöthigen Druck ohne Einschaltung von Reservoiren erfolgen kann, wird die Anlage erheblich einfacher. Die Vertheilung der Hydranten, aus welchen die Wasserentnahme erfolgt, muß derartig geschehen, daß die Feuerwehr geschützt operiren und sich rechtzeitig zurückzichcn kann. Die Bübne des Wiener Opernhauses z. B. ist mit sieben über einander liegenden feuersicheren „Löschgängen" mit je acht sckießschartenförmigen Oeffnungen umgeben; in jeder dieser Oeffnungen findet ein Löschmann zur Lenkung der Schlauckmündung Platz. Höchst mannigfaltig sind die Eonstructionen der Bübnen- einrichtung. Tie Ansprüche deS moderne» PublicumS auf möglichst naturwahre Darstellung sind natürlich aus die Bühneneinrichtung nicht ohne Einfluß geblieben. Die Scene wird von den Coulissen, welche die Seitenwandung bilden, den Prospekten, welche den Hintergrund darstellen und den Horizont begrenzen, und den Sofsiten, welche den Raum nach oben abschließen, umgeben. Viele erfahrene Bilbneii- teckmiker verwerfen alle complicirten Bühnenmaschinen, speciell die hydraulischen Bewegungsapparate und bedienen sich zur Bewegung der Sofsiten und Prospekte nach wie vor der einfachen Züge mit Gegengewichten und Winden, zur Be wegung der Coulissen der unter dem Podium auf einen, ein- geschalteten Zwischenboden angeordneten Coiilifsenwagen. Die Coulissen werden, falls sie nicht überhaupt aus unverbrenn- lichen Materialien hergestellt werden, gegen Entzündung im- prägnirt. Als bestes »»verbrennliches Material hat sich Asbest erwiesen, stellt sich aber viel zu theuer, um durch gängig Anwendung zu finden. Die Bübne wird durch die Couliffen, die unter Berücksichtigung dcr perspektivischen Wirkung angeordnet werden, in mehrere Abtbeilungen grtbeilt, deren jeder zur Darstellung aus dem Boden aufsteigenden Erscheinungen respectiv zur Versenkung von Personen und Gegenständen mit geräuschlos auf- und niedergehenden Bodenausschnitten versehen wird. Es wird jetzt weil häufiger als früher zur Erzielung tiefer perspektivischer Effecte im Anschluß an die Bühne eine Hinterbühne her- gestellt, deren Breite jedoch die der ProsceniumSöffnung nickt überschreitet. Eine sehr complicirte Bühneneinrichtung Hai da- Opernhaus in Pest erkalten. DaS Podium ist in sechs „Gassen" zerlegt, wovon jede allein oder zugleich mit der anderen um 2,5 m gesenkt oder um 4,5 m gehoben werden kann. Die Bewegung wird durch hydraulische Pressen be wirkt. Jede der Gassen enthält drei nebeneinander liegende Versenkungen, welche gleichfalls durch hydraulische Pressen um 5 m gesenkt oder um 6,5 ni gehoben werden können. Er lassen sich auch auf diese Weise Terrassen, Balcone, Brücken u. s. w. sehr wirkungsvoll darslellen, selbst Schaukelbc wegungen des Podiums oder einzelner Theile lassen sick durch abwechselndes Oeffnen und Schließen der Wasserbäbnc an den hydraulischen Pressen Hervorbringen. Aehnlichc Maschincneinrichtungen nach den Entwürfen deS Wiener In enieurS Robert Gwinner baden daS Drurylane-Theater in ondon, das große Theater in Chicago, daS Theater in Halle und andere mehr. Auf die Anordnung geräumiger Garderoben und einer genügenden Anzahl von Toiletten wird in jüngster Zeit mebr Wertb als bisher gelegt. DaS Foyer wird jetzt allgemein als Erfrisckungsraum im eigentlichen Sinne des Wortes bc bandelt. Man legt eS gern über daS Vestibül in Len ersten Rang, giebt ihm eine bedeutende HöbenauSdehnuna und vcr sieht cs bäufig mit Galerien, welche vom zweiten Range aus zugänglich sind. An da« Foyer schließt sich, wie in Leipzig, bis weilen ein großer Balcon, welcher den Genuß der freien Luft er möglichen soll. Eine» ganz eigenartigen Charakter wird das neue Theater deS Westens in Berlin durch eine große Garten terrasse erbalten, welche man durch eine Freitreppe direcl vom erste» Rang erreichen kann. Bernhard Erbring, der Schöpfer dieses Theaters, giebt aber auch den oberen Rangen weite ErfrischungSräume. Das also ist der moderne Theaterbau in seinen großen Umrissen. Aber was uns modern ist, ist vielleich in kurzer Frist schon veraltet. Neue Forschungen auf dem Gebiete der Akustik und Optik werden die Umgestaltung der Theaterräume nach sich ziehen und das nimmer rastende Bestreben, die Bühne zum völlig getreuen Spiegel deS Leben« zu gestalten, die Bühnentechnik einem steten Wechsel unterwerfen.
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