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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.01.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960111016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896011101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896011101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-01
- Tag1896-01-11
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Der Einwand, daß in Ländern, wo der Jesuitenorden nach Belieben schalten und walten kann, von seiner Wirksamkeit in dieser Richtung nichts zu spüren sei, wird mit jenem Maß von Hartnäckigkeit überhört, das nöthig ist, um immer wieder den selben haltlosen Grund aufzutischen. In Wahrheit ist der Jesuitenorden nicht nur kein Bundesgenosse gegen die Social demokratie, sondern er bereitet ihr durch Schüren deS Elasten- Hasses geradezu den Boden. Eine Probe von der Art und Weise, wie das geschieht, hat der bekannte Jesuit Heinrich Pesch erst kürzlich in einem Aufsatze gegeben, den er in den „Stimmen auS Maria Laach" unter dem Titel „Freiwirth- schaft oder Wirtschaftsordnung" veröffentlichte. Da heißt es am Schluffe: „Mit Abscheu wendet man sich von den Tyrannen des Heiden- thums, die Tausende von Menschen zu eigener Bereicherung oder Be lustigung dem Tode weihten. Aber wenn heute die zahllosen Arbeiter, Arbeiterfrauen und Kinder, die dem liberalen Wirthschastssystem in qualvollem Leiden zum Ovfer fielen, aus ihren Gräbern hervor gehen und sich zur großen Heerschau versammeln könnten, so würde die Welt mit Entsetzen und Granen erkennen, was für ein Geselle der von srcimaurerischen Huinaiiitätsphrasen triefende Libera lismus ist." Daß hier nicht ein vereinzelter Fanatiker zn Worte kommt, daß vielmehr die Verhetzung der Arbeiter von ultramontaner Seile systematisch betrieben wird, lehrt u. A. die Durchsicht eines neuen „Kalenders für die katholische Arbeiter schaft", dessen erster Jahrgang (1896) unS vorliegt. HerauS- gegebea wird der Kalender von dem „katholisch-politischen Arbeitervereine für Oberösterreich"; gedruckt ist er in der „Akademischen Bachdruckerei de- katholischen PreßvereineS" zu Linz a. d. Donau; ein etwa erzielter Reingewinn fällt, wie uns daS Titelblatt belehrt, dem Wahl- und PreßfondS zu. Kein Zweifel, wir haben eö mit einem vollständig „katholischen" Unternehmen zu thun. An erster Stelle behandelt der Reichs raths- und Landtags-Abgeordnete Vr. Ebenkoch daS Thema: „Die sociale Frage", vr. Ebenhoch, der die christliche Lehre vom Eigenthume in einem Satze des Ignatius von Loyola und die Aufgabe der christlichen Socialpolitik in einem Satze deS heiligen Thomas enthalten steht, schreibt auf S. 24: „Wir stehen auf dem Boden der christlichen Liebe. Und von diesem Boden aus wird der christliche Socialisinus in felsenfestem Glauben und mit einer unerschütterlichen Hoffnung jene Social- Politik zum endlichen Siege bringe», durch welche die katholische Kirche nun schon bald 2000 Jahre ^?) unter dem Schutze des All mächtigen heil- und segenvoll für di« Menschheit gewirkt hat." Daß nach dem endlichen Siege der angeblich 2000 Jahre alten Socialpolitik der katholischen Kirche die sociale Frage gelöst" sein wird, behauptet selbst Herr vr. Ebenhoch nicht. Er schreibt nämlich auf Seite 20: „Ganz von der Well schaffen wird man das, was inan unter dem lermüms teelwicuo die „sociale Frage" versteht, nie können. Sie gehört zn den Folgen der Erbsünde so gut, wie Tod und Krieg und Krankheiten und alle die zeitlichen Urbel, welche den Menschen bedrängen. Ja, die sociale Frage ist ja durch Liese Nebel ver ursach t." Während hier also die sociale Frage als eine Strafe des Himmels, der die Menschheit nicht entrinnen kann, ansgcfaßt wird, ist es zwei Seiten vorher lediglich „der Liberalismus", dem die Schuld dafür aufzebürvet wird, daß den Kampf umS Dasein „so wenige bestehen". „Mit Recht", meint Herr Vr. Ebenhock, legt Marlo in seinen „Untersuckungen über die Organisation der Arbeit" den „bewußten Liberalen" folgendes Bekenntniß in den Muud: „Jetzt ist unsere Zeit gekommen; wir sind größer, als unsere Vorfahren; denn wir haben ein Ausbeutungsmittel er funden, mit dessen Zauberkraft kein anderes sich mißt — wir herrschen durch daS Geld; wir verfügen über die Früchte der Erde, wie über die Leistungen des Fleißes; Wucher, Spiel und Betrug sind die unversieglichen Quellen unserer Macht, und der Hunger ist die Geißel, durch welche wir die Heere unserer dienstpflichtigen Arbeitswerkzeuge zur äußersten Kraft- anstrengnng treiben." Und Herr vr. Ebenhoch bemerkt hierzu: „Diese Worte sind seit den Tagen, in denen sie niedergeschrieben worden, seit dem Jahre 1848, leider auf das Furchtbarste be» kräftigt und bestätigt worden. Die überlasteten Grundbücher, die nach Tausenden rxequitten Bauernhöfe, die verödeten Handwerks« stätten, die total verarmte Hausindustrie, die nach Millionen zählende brodlose industrielle Reservearmee, aber auch die be schäftigte industrielle Arbeiterschaft — Alles auf der Welt ruft mit gellendem, markerschütterndem Wehgeschrei: Marlo hat Recht." An solchen, handgreiflich als maßlose Uebertreibungen erkennbaren, demagogischen Exclamationen sieht man: nach Form und Inhalt schürt vr. Ebenboch den Claffenhaß ganz in der Manier des Jesuiten Pesch.*) Durch die Blume besorgt dasselbe Geschäft der in den weitesten Kreisen unbekannte Poet Ludwig Bermanschläger. In einer „Humoreske", die den packenden Titel „Im Gast garten zum rothrn Ochsen" trägt, schreibt Bermanschläger, humorvoll wie er ist, Folgende-: „Am Tische unter der breitästigen Linde saß ein Herr, der für einen Menschen beinah' ein wenig zu dick ausgefallen war. Wer ihm in- runde Karfunkelgesicht sah, hatte es übrigens gleich los, daß er dran mehr Schuld hatte als unser Herrgott. ILO Kilo schwer, hatte er eine ausgesprochene Vorliebe für alle-, was ins Gewicht fällt. Auf seinem globusähnlichen Bäuchlein ruhte eine massive Uhrkette, von der er alle Viertelstunden wenigsten- einmal versicherte, daß sie auS achtzehukoratigem Gold sei. Der größte *) Nebenbei sei bemerkt, daß die Autorität, auf di« vr. Ebenhoch lch beruft, nämlich Marlo (Professor Karl Georg Winkelblech), der «st, deutsche socialötonomische Schriftsteller ist, der in einer größeren wifirnschastlichen Schrift dir socialisttsche Doctrin entwickelte, Werthrimer des LrteS stand in seinem Zimmer und leicht an ihm war nur ein-, nämlich seine Arbeit. Er nannte sich Rentrer und lebte vom Couponschneiden. Vor ihm ans dem Tische lag die arg verstümmelte Leiche eine? wohlgemästeten KavannS und sein GlaS war gefüllt mit schwerem, dickflüssigem Bockbier. -In seiner grünen Seite" n. s. w. . « Selbstverständlich entbehrt auch die beliebte Rubrik „Humoristisches", obwohl sie anscheinend keinen Derman- schläger'schen Originalbeitrag enthält, nicht der zielbewußtcn „Witze". Wir greifen einen heraus, der unverkennbar die Absicht verfolgt, dem „Moloch Militarismus" einen Hieb zu versetzen. Man höre: Boshaft. Posten. „Halt, wer da?" Lieutenant. „Merkt er nicht, daß ich ein Lieutenant bin, er Esel, Schasskops, Rindvieh! Posten. „Jetzt merk ich'S!" Der kleine „Scherz" würde jedem secialdemokratischen Blatte zur Zierde gereichen. . Daß neben der socialen die confessioneH-politische Verhetzung in unserem Kalender nicht zu kurz kommt, liegt auf der Hand. Die Rubrik „Socialpolitische Rundschau" enthält hierfür zahlreiche Beläge. So werden, um nur Einiges anzuführen, Baron Bänssy und der frühere Mi nister Szilagyi als „Calviner" verdächtigt. Italien „stellt den Völkern sein ganzes moralisches Elend pcrsonisicirk in dem Ministerpräsidenten Criöpi vor Augen". AuS Rußland erfährt der wißbegierige katholiche Arbeiter Nach stehende-: „Zar Nikolaus II. führt die Regierung ganz im,Sinne seines verstorbenen Vaters fort nnd ist ängstlich bemüht, daß Ruk- land möglichst judenrein bleibt. Als der junge Zar gleich nach seiner Thronbesteigung viele Drohbriefe erhielt, soll er den be- zeichnenden AuSspruch gethan haben: „Dir Inden, von denen diese Wühlereien ausgehen, mögen es nur so weiter treiben, dann können sie was erlebenI" WaS Deutschland anbetrifft, so läßt unser Kalender die überwältigend großartige Feier des 50. Geburtstages des Fürsten BiSmarck natürlich nicht ungerochen. Er schreibt: „Deutschland stand Heuer wieder einmal unter dem Zeichen des „Alten von Friedrichsruh". Gleich anfangs deS Jahres ersolgte seine Versöhnung mit dem jungen Kaiser, wobei das Ent gegrnkommea zumeist ans Sette des Letzteren war. Zuerst wurde Wilhelm Bismarck Oberpräsident von Ostpreußen, dann wandertcn verschiedene Geschenke nach Friedrichsruh, wie ein Pokal, ein Blumcn- bouquet, eine Photographie und schließlich kam der Kaiser selbst, um dem Fürsten zum 80, Geburtstage (am 1. April) zu gratnliren. Aus demselben Anlässe zogen aus allen Gegenden Deutschlands Politiker, Studenten, Frauenzimmer und harmlose Spectakel- Liebhaber nach Friedrichsruh und sangen den alten Reichskanzler an. Auch ein paar Dutzend Oe st erreiche! fanden sich ein — es waren dcutschnationale „Antisemiten", welche nach dem Psisf der Judenpresse tanzten, deren Sympathie der Mann „von Blut und Eisen" durch den Culturkampf erworben. Die Erinnerung an diesen letzteren bewog die deutschen Katholiken, den Feierlichkeiten fern zn bleiben, und daS Centrnm, den Antrag aus eine osficiellc Ehrung Bismarck's durch den Reichstag niederzustimmen. Die nächste Folge davon war» daß der Kaiser seine „tiefste Entrüstung" ausjprach, die weitere, daß der ReichstagSpräsidcnt Levetzow ab- dantte nnd — der katholische Eentrumsmann von Buol an dessen Stelle trat, wodurch natürlich der Einfluß deS CentrnmS erhöht ist. So brachte der ganze BISmarckriimmel znm Schluffe seinen Ver anstaltern nichts als einen gehörigen Katzenjammer." Mit diesem Citat wollen wir schließen. Sein Inhalt ist erfreulich und belustigend zugleich: erfreulich, weil hier von zuständiger Stelle aufs Nene indirect bekräftigt wird, daß die Aussöhnung zwischen dem Kaiser und dem Altreichskanzler ebenso wie die Feier des 80. Geburtstages Bismarck s Vor gänge von nationaler Bedeutung waren; und belustigend, weil der Katzenjammer, welcher das die BiSmarck-Ebrung „niederstimmende Eentrum" ergriffen hat, bei den nationalen Parteien diagnosticirt wird. Wenn endlich unser Kalender in seinem Haffe gegen den Fürsten BiSmarck die Steier märker von Graz bi- Friedrichsruh nach dem Pfiff der Judenpreffe tanzen sieht, so muß eine solche Vision die herz lichste Heiterkeit aller derjenigen erregen, die die Steiermärker im Krystallpalast zu Leipzig am 12. April vorigen Jabres au« nächster Nähe kennen zu lernen vie Freude hatten. Wer sich der Reden erinnert, die damals von Steiermärkern gehalten wurden, kann keinen Augenblick im Zweifel darüber sein, daß diese Männer und Frauen nicht durch Lockpfeifen irgend welcher Art auf den Weg nach Friedrichsruh gelenkt wurden, sondern daß sie dem Zuge ihres Herzens nach dem Sachsenwalde Folge leisteten. Was sie von dort an erhebenden Eindrücke» in ihre Heimath mitbrachten, wird durch Anwürfe wie die oben mitgetheilten, nicht auSgetilgt, sondern im Gegenthril ausgefrischt werden. Deutsches Reich. Q. Berlin. 10. Januar. Beim Wiederzusammentritte des Reichstag« ist in der Presse viel über seine Geschäftslage, über die Aenderung, die die politische Situation während der Weihnacht-Pause erfahren hat, und über noch manches andere mit dem Parlament Zusammenhängende gesagt worden, aber nirgends etwas über den am Jahresschlüsse m Marburg verhandelten Proceß. Diese« Schweigen zeigt deutlicher, als irgend etwas Andere- rS vermöchte, wie viel der Reichstag an Wcrthsckätzung eingebüßt bat. Ein deutsche« Gericht hat einem Neichstagsabgeordneten (Pfarrer Jskraut) bezeugt, daß ihm der Vorwurf der „groben, bewußten und vor- sätzlichen Unwabrhrit", der „gemeinen, weil niedrige Gesinnung verrathenden Lüge" mit Grund gemacht worden sei, und die Organe der öffentlichen Meinung fanden das so wenig ungeheuerlich, daß sie dem Reichstag nicht einmal ihr Beileid auSsprache» über die Nothwentig- keit, ein so gekennzeichnetes Mitglied in seiner Mitte dulden zu muffen! In den siebziger Jahren würde die Presse über einen derartigen Fall außer sich geratben sein; aber freilich, in den siebziger Jahren wäre er insofern un- denkbar gewesen, als der Reichstag den Antrieb und die Mittel gefunden hätte, eine moralische HauSpolizei zu handhaben. Heute ist es damit so gründlich vorbei, daß die „Köln. Volks zeitung" nickt einmal Anklang mit dem Vorschlag fand, ein andere« Mitglied des ReichtagS, daS den Tod deS Kinde» eines politischen Gegner« zum Anlaß eines unsäglich gemeinen Ausfalles genommen bat, fühlen zu lassen, daß es nickt m eine anständige Gesellschaft gekört. Wir haben es herrlich weit gebracht! Berlin, lO. Januar. Wenn e« schon — vielleicht weil ein wirtbscbastliches Naturgesetz entgegenstebt — unmöglich ist, die unbefugte Veröffentlichung von Gesetzent würfen zn Verbindern, so sollte doch wenigstens dafür Sorge getragen werden, daß nichts als Gesetzentwurf bekannt gegeben wird, was ein solcher gar nicht ist. Jeder Tag bringt Kund gebungen gegen „den" Gcsetzenlwurf, betr. die Regelung deS VerkedrS mit Handelsdünger, Krastsuttermittcln und Saat gut; heute wieder wird über eine Protestversammlung in Breslau berichtet; der Gesetzentwurf existirt aber noch gar nicht, er wird, wie man seit zwei Tagen weiß, eben erst im Lantwirtb- schaflsminislerium auSgearbeitel, und es besteht die Absicht, vor der endgiltigcn Fertigstellung die interessirten Fabrikanten und Händler über ihn ru kören. Die Stimmung aber, die man ans Grund des Pseudoenlwurss zn erzeugen gewußt bat, ist gemacht und wird die ruhige und sachliche Be- urtbeilnng auch der in Aussicht stehenden wirklichen Vorlage beeinträchtigen. Die natürlichen Widerstände, denen, die Wirtbsckaslögcsetzgcbung der Negierung begegnet, sind unseres Erachten« stark genug, um da« Bedürsniß nach, derartigen künstlichen Erschwerungen nicht auskommen zu lassen. * Berlin, 10. Januar. Zu der Hannoverschen Ge richtsverhandlung in Sachen Hammerslein ver öffentlicht in der „Kreuzzrg ", die beute den Bericht darüber endlich bringt, Graf Finckenstein folgende Erklärung: „Am 21. Juli 1895 ist der Kaufmann Flinsch bei mir in Aufträge: Frhr. v. Hammerstein." In diesem Vertrage war davon die Rede, daß der Vertag der „Neuen Preußischen Zeitung" - 0/4/4 lWI // s.",» von Flinsch ein Darlehen von 200 000für Zwecke der „Kreuzzeitnng erhallen Hobe. Ich ersuchte Herrn Flinsch um die Erlaubniß. von dem Vertrage eine Abschrift nehmen zu dürfen. Er verweigerte dies. Am 25. Juli fand alsdann meine erste gerichtliche Ver nehmung statt. Ich habe dem betreffenden Richter auf alle an mich gestellten Fragen ohne jeden Rückhalt geantwortet und auch bezüglich des Papicrlirferiingsvertragrs nach der eigenen AuSfage des Oberstaatsanwalts Drescher entsprechende ausführliche Angaben gemacht. Daß ich damals nicht bereits die in Frage stehende Fälschung ausdrücklich erwähnte, wie dies alsdann nach der umgehend auf den 1 August anberaumteii Comitssitzung in Gestalt einer entsprechenden Mitlheiiuna an die Staatsanwaltschaft geschehen ist, erklärt sich daran«, da» ich selbstverständlich eine solche Anzeige erst nach Rücksprache mit dem Co mit« im Aufträge desselben erstatten konnte. Ta, wie gesagt, p. Flinsch sich weigerte, mich eine Abschrift von dem Vertrage nehmen zn lassen, und ich bei einer so schwer wiegenden Angelegenheit nicht auf mein Gedächtniß allein angewiesen sei» wollte, erging an den Frhrn. v. Hammerstein am 27. Juli Nachmittags dir telegraphische Aufforderung, sofort telegraphisch über dies DarlehnSverhältntß Auskunft zu geben. Auf Liese Depesche ging eine telegraphische Nachricht ein, daß Frhr. v. Hammerstein zn feinem Frankfurter Rechtsanwalt gereist sei und in wenigen Tagen selbst in Berlin eintreffrn werde. Ta dies jedoch bi- zur Eomitö- sitzung am 1. August nicht geschehen war, ist alsdann an demselben Tage folgende Anzeige an die königliche Staatsanwaltschaft mit eingeschriebenem Brief abgesandt worden: Berlin, l. August 1895. Ter königlichen Staatsanwaltschaft mache ich im Namen des Comites der „Nrnen Preußischen Zeitung" die nachfolgende Miltheilung: „Am 21. Juli ist mir durch den Herrn Ferdinand Flinsch — Lindensiraße 70 — ein Vertrag ck. ck. Berlin, 29. Juni 1890 nebst zwei Wechsclaccepten vorgelegt worden, dessen Unterschriften, soweit sie von mir herrühren sollen, gefälscht worden find. Da unter dem fraglichen Vertrage auch die Unter schrift des Frhrn. v. Hammerstein steht, ist derselbe am Sonnabend, den 27. Juli, telegraphisch zur Er klärung über diese Thalsachr ausgrsordert worden, jedoch ohne daß dieser Aufforderung bis heute ge nügt worden wäre." Wir ersuchen daher um gefällige weitere Veranlassung in dieser Angelegenheit. I. A.: Gras Finck v. Finckenstein." Diese Anzeige ist denn auch am 2. August bereits bei der königl Staatsanwaltschaft ringegangrn. Nach der Ansicht des Herrn Ober staatsanwalts Drescher ist die Anzeige „zweideutig und räthsrl. Haft" gewesen. Diese Bezeichnung dürfte angesichts des Wortlauts der Anzeige in Verbindung mit der Tbatlache, daß ich selbst, der sie unter- schrieben halte, bereits am 25. Juli vernommen worden war und den Papierliefcrungsvertrag dabei erwähnt hatte, wohl kaum zu- treffend erscheinen. Würde die Staatsanwaltschaft damals irgend eine Aufklärung für nöthig erachtet haben, so wäre selbstverständlich nichts einfacher gewesen, als daß sie mich sofort vernehmen ließ, während dies erst am 9. September, also über 5 Wochen nach Eingang der Anzeige geschehen ist. Nicht genug aber damit, daß die>e so dringliche Angelegenheit betreffs meiner Ver nehmung so lange ruhte, erging. Latirt vom 17. September, »in Schreiben des Herrn Oberstaatsanwalts an mich, dessen Eingang wie folgt lautet: „In der kürzlich veröffentlichten Erklärung des Comitös der „Kreujjrilung" ist mitgrthrilt. daß dasselbe Veranlassung ge- nommen habe, die Unterlagen für ein strafrechtliches Einschreiten gegen den Frhrn. v. Hammerstein der Staatsanwaltschaft zu über geben. Bislang ist indessen eine hierauf bezügliche Mittheilnng des EomttsS bei mir nicht ringegangen- wohl aber habe ich bereits Anfang Juli e. Veranlassung ge^ nommen, von AmtSwegrn den in den öffentlichen Blättern damals gegen den Frhrn. v. Hammerstein erhobenen Vorwürfen näher zu treten. . Da ich aus diesem Schreiben entnehmen mußte, daß die Straf- anzeige vom 1. August auch noch am 17. September nicht zur Kenntniß der Staatsanwaltschaft gelangt war, ist daraus von mir dem Herrn Oberstaatsanwalt eingehender Bericht erstattet worden. Wie unter Berücksichtigung dieser Thatsachen der königliche Ober- staatsanivalt Drescher bei seiner Vernehmung als Zeuge und an gesichts weiter der Thatsache, daß er unter völliger Jgnorirnng der Anzeige vom 1. August und meiner zweiten Vernehmung vom 8. September 1895 erst am 17. September weitere- Material ein- grsordert hat. sich dahin äußern kann, daß meinerseits die Sache verschleppt und verzögert sei. vermag ich nicht einzusehen. Ebenso muß der weitere Vorwurf, daß die Depesche vom 27. Juli an den Frhrn. v. Hammerstein denselben veranlaßt habe, sich seitdem ver- steckt zu halten, unzutreffend erscheinen. Denn der Oberstaatsanwalt Drescher bar selbst bekundet, daß nach einer an ibn ergangenen Mittheilnng des k. k. Bezirksamtes Innsbruck aus seine erst am 29. September erlassene Depesche der Freiherr v. Hammerstein sich bis vor drei Wochen, d. b. also bis etwa den 8. September, thatsächlich sogar noch in Sistrans ausgehalten hat. Ich suhle mich daher von einem etwaigen Dorwurse, der mich in dieser Angelegenheit treffen könnte, in jeder Beziehung stet. Graf Finckenstein. Berlin, den 9. Jannar 1896. „Hinsichtlich der Tbatsache" — bemerkt hierzu die „Nat.-Ztg." —, „daß Graf Finckensteiir bei seiner Ver nehmung am 25. Juli die ihm am 17. angezeigten und am 2l. vorgelegten Fälschungen nicht erwähnt bat, wird ibn wohl Niemand als durch die vorstehende Erklärung entlastet krackten. Weder konnte seine Pflicht, bei der Vernehmung am 25. Juli die ibm bekannten Fälschungen zu erwähnen, von einer Besprechung mit dem ComitL abhängig sein, noch konnte er es bedenklich finden, „auf sein Gedächtnis! allein angewiesen zu sein" betreffs der Frage, ob er einen so absonderlichen Vertrag und Wechsel über 200 000 < unterschriebe» habe. Dagegen stimmen wir dem Grasen Finckenstein darin zu, daß die von ihm an die Staats anwaltschaft gerichtete Anzeige vom 1. August keineswegs so „zweideutig nnd räthselbaft" gewesen ist, um die"Ver zögerung de« Berbaftsbcfehls bis zum 9. September zu erklären. Allerdings ist in der Anzeige Hammerstein nicht ausdrücklich als der Fälscher bezeichnet, aber einen etwaigen Zweifel hierüber konnte und mußte die Staatsanwaltschaft so fori ausklären. Angesichts der Erklärung deS Grasen Finckenstein erscheint eS sehr bedauerlich, daß dieser nicht als Zeuge zu der Strafkammer-Verhandlung in Hannover geladen war. Eine dem zweiten Tbeil seiner Erklärung entsprechende An sage wäre, falls Oberstaatsanwalt Drescher sie nicht etwa widerlegen konnte, vielleicht für daö Unheil gegen den an geklagten socialdemokralischen Redacteur von Belang gewesen. Jedenfalls wird die^ hiesige Staatsanwaltschaft aus die An gaben deS Grasen Finckenstein nicht schweigen dürfen." Ta am 1. August Oberstaatsanwalt Drescher bereits beurlaubt war, so ist er natürlich für die Verzögerung des Verhaftungs befehls nicht verantwortlich zn machen. * Berlin, 10. Januar. lieber Freiherrn von Hammer stein als Hüter des Reichsinvalidenfonds schrieb gestern der „BkißRroiik!": '„Ntff der heutigen Tagesordnung de« Reichstags steht als erster Gegenstand der Tagesordnung: „Wahl eines Mitglieds zur Reichsschuldencommission." Ais der Präsident diesen Gegenstand vor Weihnachten verkündete, schenkte ihm Niemand besondere Ausmertjaknkeit. Uno dock ist'S ein recht interessanter Punct. 'drr Tagesordnung. Das Mitglied der ReichSschuldencommission für welche-.- nunmchr eine Neuwahl stattzusinden hat, beißt nämlich — Hammerstein. — Die conservative Partei hatte auch für den verantwortungsvollen Posten eine« Mitgliedes der ei» große« Reichsvci mögen milverwaltenden Kommission ihren Hammerstein als würdig genug erachtet. Die Reich« schuldenkommission ist eine Behörde, der preußischen Staats schulbenkommission riachgebildel und theilweise auS Mil gliedern des BundesratbS, theilweise aus Mitgliedern des Reichstages bestehend. Der Commission liegt die Aufsicht über die Reichsschuldenverwaltung, die Verwaltung des Reichs- kriegSschcrtzeS, Verwaltung des NeickSinvalidenfondS sowie über die An- und Ausfertigung, Einziehung und Vernichtung der ReichSbanknoten und ReichScassenscheine ob. Von Seiten des Reichstags sind in diese Commission gegenwärtig deputirt: Prinz Arenberg,vr.Hammacker,v.Kehler,Vr.Pachnicke,Vr.Kropatscheck DaS sechste Mitglied war Herr v. Hammerstein. Dsie Än gelegendeit gewinnt noch dadurch ein erhöhtes Interesse, daß einen Monat lang der Schlüssel zu den Schätzen des Reichsinvalidenfonds in den Händen des Herrn v Hammerstein laa^ Zum Glück reicht ein einziger Schlüssel nicht aus, um den Tresor zu öffnen. Es gehören vielmehr vier Schlüssel dazu, von denen zwei von Cafsenbeamten, einer von einem BnndeSraths - Mitglied verwahrt wird und der vierte von Monat zu Monat unter den Commissions - Mitgliedern circulirt. Zur Entnahme von Papieren auS dem Reichs invalidensonds müssen also vier Personen gleichzeitig er scheinen. Andernfalls wäre der Tresorschlüffel in den Händen Hammerstein'- eine Gefahr für das deutsche Reich gewesen. L. Berlin, 10. Januar. (Telegramm) Nach der gestrigen Audienz der zu den BeisetzungSfeierlichkeiten hier erschienenen Vertreter fremder Fürstlichkeiten enepsing cer Kaiser im hiesigen Schlosse noch die zur Traurrfeier hierher befohlene Deputation deS Infanterie-Regiments Frhr. v. Sparr (3. westfälisches) Nr. 16 unter Führung des Regiment« CommandeurS, Oberst Caspar!, zur Meldung. Nachmittags unternahmen beide Majestäten eine gemeinsame Ausfahrt. Zur Abendtafel waren keine Einladungen ergangen. Heute Vormittag machten die Majestäten einen gemeinsamen Spaziergang im Thiergarten und beehrten bei dieser Gelegenheit daS Panorama de- Malers Fällst in der Herwarthstraße, welches den Uebergang über die Beresinu darslellt, mit einem längeren Besuche. Zurückgekebrt in das königl. Schloß, hörte der Kaiser den Vortrag deS Chefs de« Geheimen Civil-Cabinets. Abends um 7 Uhr gedenkt der Kaiser einer Einladung deS Chefs des Militanc-Cabinels zum Diner Folge zu geben. — Die königl. Prinzen und die Prinzessin sind gestern Nachmittag von der Wildpart station nach dem hiesigen königl. Schlöffe übergesiedelt. II. Berlin, 10. Januar. (Privattelegramm.) Wie ein Berichterstatter meldet, hat eS sich gestern bei den Be rathuiigen des Staatsministeriums um die Stellung nähme zum bürgerlichen Gesetzbuch gebandelt. Der BundcSrath habe an dem Einführungsgesey bezüglich einiger Pnnctc Anstoß genommen. Nach der im StaatSministerium gepflogenen Berathung werde am Dienstag der Justiz auSschnß des BundeSratbeS zusaminentreten und sich wieder mit dem EinsührungSgesetz beschäftigen. W Berlin, 10. Januar. (Privattelegramm.) Das «laatsmintsteriuni trat beute Vormittag 10>,i Uhr unter dem Vorsitz des Fürsten Hohenlohe abermals zu einer Sitzung zusammen. CI Berlin, 10. Jannar. (Privattelegramm.) Die anaekündigte Conserenz der badischen Anarchisten und freien loeialtften findet am 19 Januar in Karlsrab»
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