01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.01.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960118010
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- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896011801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-01
- Tag1896-01-18
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Größere Schriften laut unserem Preis- veczelchniß. Tabellarischer und Zifiernicih »ach höheren! Tarif. ttxtra-Beilage» (grsalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung .4l> 70.—. ^nnahmetchluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Für die Montag-Morgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Potz in Leipzig- SV. Jahrgang. Zum 85 jährigen Geburtsfeste des Reiches. K Heute vor fünfundzwanzig Jahren ist unS der Kaiser geworden. Auf den Schild erhoben im Feldlager, aber kein Doldatenkaiser, wie sie dem ersten Römerreiche gegeben Wurden; ausgerufen von deutschen Fürsten, aber nicht gekürt, wie die Kaiser de« zweitrömischen Reiches, das den Unter- nrrmen eine« Reiches deutscher Nation trug, aber deutsch nur insofern war, als eS deutsche Kraft in den Dienst fremder Nkacktzwecke zwang. Der Kaiser, der am 18. Januar 1871 erstand, ist ein Kaiser nicht nur über, sondern für Deutsch land; ein Kaiser, nur der deutschen Nation zu eigen, mit ihr stehend und fallend, während die einstigen Kaiser an Macht Zunahmen trotz des Verfalles deS alten Reiches. Es ist ein wahr hafter deutscher Staat, der mit dem neuen Kaiser entstanden ist, nach Außen so geschlossen, daß keines seiner Glieder mit Fremden sich in Unternehmungen einlassen kann, im Inneren so gefügt, daß das Heil des Ganzen das Heil der Tbeile, da« Wohl ver Glieder das Wohl deS Ganzen ist. Es ist die Einheit, was Kaiser und Reich repräsentiren, eine Einheit, die durch die erhalten gebliebene geschichtliche Gliederung nicht geschwächt, vielmehr gestärkt wird. Die Einheit — ein Wort, bei dessen Klang die unS um gebenden Völker nicht mehr empfinden als bei der Erwähnung eine« von der Natur ohne die Forderung einer Kraft anstrengung gespendeten Gutes, das für unS Deutsche aber einen Besitz benennt, der nicht genug zu preisen ist, weil er sich für ewig uns zu entziehen schien und weil wir, al« wir ihn entbehrten, das ärmste Volk des WelttheilS gewesen sind. Und dies durch ein halbes Jabrtausend bis vor fünfundzwanzig Jahren, bis zu einem Gestern. Zu Beginn unseres Jahrhunderts nannte ein Staatsmann deutschen Blutes Deutschland einen geographischen Begriff. Der Manu hatte wahr gesprochen, aber noch eben so giltig war sein Ausspruch, als Diejenigen, die heute im ManneSatter stehen, in der Wiege lagen. Das Ausland kannte ein Oesterreich, ein Preußen, ein Mecklenburg, aber kein Deutschland; im Innern nichts Gemeinsames, außer der Zollgrenze und einem einzigen Gesetze, in dessen AuS legung aber jeder Staat seinen eigenen Weg ging, im deut schen Bunde eine Organisation, vortrefflich geeignet und eifrig benutzt, um jede wirksame Vereinigung zu Hinter treiben, dabei zugleich außer Stande, eine Einmischung des Auslandes auszuschließen. Entsprechend diesem Zustande die Einrichtungen, die der Verteidigung und der Wohlfahrt dienen sollten, und das Ansehen Deutsch lands und der Deutschen bei den anderen Völkern. Eine durch spärliches Mitleid gemilderte Verachtung war das LooS de« Volkes, das die größten kriegerischen Tugenden gezeigt, in allen Künsten dereinst um den ersten Platz gerungen, in der Dicht- und Tonkunst ihn unbestritten erlangt und der christlichen Welt die geistige Frei heit erdbert hat. Der winzige Staat an der Nordküste hatte unserer gespottet, wie die großen Mächte; der Tisch Europas, der Welt, war für Alle gedeckt, nur nicht für die Deutschen, die Jegliches vermochten, nur nicht das Land, das sie ihr Vaterland nannten, zu einem Staate zu gestalten. Unendlich war da« Sehnen nach einem Wandel, einem wahren Vaterlande, aber dem Wunsche fehlte die Kraft und die Einsicht. Da erstanden die beiden Männer, die diese Gaben besaßen, und sie jammerte des Volkes: König Wil- belm von Preußen und Otto von Bismarck. Und in wunderbarer Weise erfüllten sie das deutsche Volk mit ihren Gaben: es erlangte die Einsicht, daß oie patriotische Begeisterung nach einem erreichbaren Ziele fluthcn müsse, und es gewann dadurch jene Kraft, die Thaten verrichtete, wie die Geschichte sie vorher nicht verzeichnet batte. Wir haben die Tage gefeiert, an denen mit Heldeumuth und Heldenblut das deutsche Reich erkämpft wurde. Wir werden noch- ein letztes dieser großen Erinnerungsfeste zu begehen haben, den Fall von Paris. Noch ehe diese letzte Zu flucht des französischen Widerstandes zertrümmert wurde, un bekümmert um das toddrohende Eisen, das sie ausspie, setzten Fürsten und Nation dem Führer von Sieg zu Sieg die Kaiserkrone aufs Haupt, damit das Reich bestätigend. Größeres hat kein Volk erlebt als daS deutsche an jenem Tage in dem Saale des Schlosses zu Versailles, der dem „Ruhme Frank reichs" gewidmet ist, einem Ruhme, dessen Kosten zum größten Theil Deutschland bezahlt batte und der noch hatte erhöht werden sollen durch den furchtbar zurückgewiesenen Angriff aus den Nachbar; im Herzen Frankreichs wurde die Ordnung geschaffen, die Deutschland für alle Zeilen von der durch die Uneinigkeit entstammenden Schwäche gegen den äußeren Feind befreite, wurde im Erbkaiser ein starker, der Willkür entzogener Hüter dieser Ordnung bestellt, ward das Vater land gewonnen, wie es den andern Völkern vergönnt war, stark nach Außen, segenspendend nach Innen. Daß das unermeßlich Große und unermeßlich Beglückende sich ereigne» konnte, das deutsche Vo lk hat seinen Antbeil daran. ES bat seine Söhne geopfert, und diese haben sich in Hin gebung und Tapferkeit de» gepriesenslen Helden der deutschen Vorzeit ebenbürtig a» die Seite gestellt. Aber, dess' wollen wir am heutigen Tage eingedenk sein, nicht nur, um nicht schmachvoller Undankbarkeit schuldig zu werden, sondern um des Reiches und seiner Zukunft willen — eingedenk sein: wenn nicht ein großer Staat mit seinem Heere den Mittelpunkt der deutschen Kraft hätte bilden können, wenn der Geist, der den preußischen Staat belebt, seinen Herrscher nicht sv erfüllt gehabt hätte, wie er es mit dem nur der Pflicht lebenden und opfernden König Wilhelm gc- tban; wenn dieser Geist dem unvergleichlichen Wollen nnd Können des Gewaltigsten unter den Reichsbegründern nicht die Richtung gegeben und die treuen Verbündeten des greisen Helden nicht mit dem edelsten Opfermuthe erfüllt hätte, Deutschland hätte vielleicht ein Sedan zu feiern, nimmermehr den ErstehnngStag vvn Kaiser und Reich. Und wenn wir heute den Manen des erste» Kaisers in geheiligter Verehrung huldigen, seiner mit ihm dahingegangenen treuen Helfer dankbar gedenken und den noch lebenden zujubeln, so wollen wir nicht vergessen: es ist wahr, daß Staaten nur mit den Mitteln erhalten werden können, mit denen sie begründet worden sind, aber es waren nicht die Waffen, die daS Reich schufen, sondern der Geist, der sie lenkte, der Geist der Hingebung an die Pflicht, der der Unterordnung des Einzelnen, wer es auch sein mochte, unter das Ganze. Diesen Geist der Kaiser, Fürsten nnd Volk umschließenden deutschen Gemein schaft nickt entfliehen zu taffen, sei das Gelöbniß, daS dem heutigen Tage die Weihe giebt. In guten und in bösen Tagen soll es gellen, daß dem Deutschen nur frommt, was dem Reiche frommt, daß wir unser Aller Heil wünschen, wenn wir rufen: Heil Kaiser und Reich! Deutsches Reich. * Leipzig, 17. Januar. Unter der Ueberschrist: „Zum 25jährigen Jubeltag des neuen deutschen Neickes" veröffentlicht die vom Evangelischen Bunde heraus- gegebene „Kirchliche Corresp. für die deutsche Tagespresse" einen Artikel, der zunächst die Bedeutung der in Deutschlands Geschicken vor 25 Jahren herbeigeführte „Wendung durch Gottes Führung" würdigt und dann fortfährt: „Was aber gab unserem Volke die Kraft, sich aus der Ohnmacht, in die es durch den 30 jährigen Krieg gestürzt war und immer wieder zu versinken drohte, so herrlich aufzurichten? Es wäre sehr oberflächlich, zu meinen, daß irgend welche Gunst der Verhältnisse oder Weisheit der Menschen es ermöglicht hätte. Nur durch eine mächtige Bewegung der Geister vermag ein Volk sich zu erheben, wieviel mehr ein alterndes sich zu verjüngen, ein schon zum Tode hinsiechendes sich aufs Neue zu beleben, und solche Bewegung kann in ihrem tiefsten Grunde immer nur eine re« ligiöse sein. Als vor einem Jahrtausend der Christenglaube mit hei liger Macht in die Herzen unseres Volkes einzog. da einten sich zum ersten Male die deutschen Stämme zum deutschen Volk und es erwuchs das deutsche Kaiserthum des Mittelalters. Als dann aber die ent artete Kirche iinserein Bolle kein Leben mehr spenden konnte und in unheilvollem Kampfe ihre Herrschermacht selbst die Macht dieses Kaiserthums zerbrach. — da wäre Deutschland verloren gewesen, wie auch jene alte Kaiserherrlichkelt von Jahrhundert zu Jahrhundert tiefer sank und endlich mit Recht ein schimpfliches Ende nahm, — wenn nicht Gottes Macht noch einmal dieselben Kräfte des Glaubens erweckt nnd mit ihnen Geist und Gemuth unseres Volkes erfüllt hätte. — Das neue deutsche Reich ist im letzten Grund das Werk der deutschen Reformation, wie auch der Sla.it, aus dessen Schultern es sich erheben sollte, der Brandenburg-Preußische Staat, vor allen anderen Staaten der Welt eine Verkörperung und der Träger ihres Geistes war. Das auszusprechen, das gerade heute zu be zeugen, fordert die Wahrheit und die Ehre Gottes, der seine Gnaden gaben nicht verleugnet wissen will, vor Allem aber das Heil unseres Volkes selbst. Es muß erkennen, woraus ihm dieses neue Kaiscrlhum und Reich erwuchs, damit es in rechtem Sinne jenes uralten Spruches der Weisheit für sich eingedenk werde, daß Staaten nur durch dieselben Kräste erhalten werden, die sie gebauet haben. Aber was war die deutsche Reformation? Unendlich viel mehr als die Urheberin der heutigen evangelischen Kirche, wie sie denn mit umfassenderen religiösen, sittlichen und geistigen Kräften auch die katholische Kirche Deutschlands durchdrang. Wohl, wir hoffen ans eine Einigung auch für die getrennten und heute noch einander widerstrebenden Kirchen. Aber bis dahin, — gleichviel, in welche» Formen der edle Schatz sich birgt —, nur daß das Evangelium hier wie dort aufs Nene zu einer Lebensmacht für unser Volk und Christus immer mehr der Herr in den Seelen aller seiner Glieder werde!" ^ Berlin, 17. Januar. Der dem Reicks tag wiederum zugedachle Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, ist in manchen Punkten den Spuren > folgt, welche die Erörterung dieses Themas im vergangenen Jahre in ver Commission des Reichstags hinterlassen ha!, der die damalige Gewerbenovelle gleichzeitig mit dem Antrag Grocber und Genossen überwiesen war. In einem sehr wichtigen Puncte von principieller Bedeutung hat sich die neue Gewerbenovelle indessen dieser Gefolgschaft enlscklage» Sie hat die von der Mehrheit gefaßte Resolution, welche die Vorlegung eines Gesetzentwurfs verlangte, „in welchem die Ertbeilung von Wandergewerbe - scheinen von dem Nachweis eines vorhandenen Bedürf nisses unter thuntichsler Berücksichtigung des all hergebrachten Hausirhandels" abbängig gemacht wird, unberücksichtigt gelassen. Nach den Erklärungen, welche die Minister v. Bvetlicher und Frhr. v. Berlepsch im vorigen Jahre in der betreffenden Commission abgegeben habe», war das zwar vvn vornberein anzunehmen, doch ist die Feststellung dieses Umstandes mit Rücksicht auf die bevorstehende Be ratbung des Gesetzentwurfs nicht ohne Interesse. Dir Aufwerfung der Bedürfnißfrage geht bekanntlich von Bayern aus. Der Bunvesralh hat den hierauf bezüglichen Antrag, welcher noch über die oben erwähnte Resolution hinausgriff und die Frage des Bedürfnisses nicht nur für jeden Bezirk, sondern auch für einzelne Waaren auf stellen wollte, abgelehnt. Das Cenlrum Hai die Sache in Form eines Initiativantrages wieder ausgenommen, fand aber in der Commission keine Mehrheit dafür. Das Einzige, was es erreichte, bestand in der erwähnten Resolution. Wenn das Centrum den Versuch, die Anschauungen der bayerischen Regierung zur Geltung zu bringen, in diesem Jahre erneuern sollte, wird es hoffentlich noch weniger erreichen, als im vorigen Jahre. V. Berlin. 17. Januar. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaiserin begaben sich heule Vormittag kurz nack' 10 Ubr nach der Kaiscr-WilheimS-Gedächtnißkirche, wo das Fest des Schwarzen Adlerordens durch eine kirchliche Feie» eingeleitet wurde, an rer außer den allerhöchsten und höchsten Herrschaften Generale, Skaatsmiilister n. s. w. theilnabmen. Oberconsistorialrath Köhler dielt die Ansprache über I.Pelri 5, Vers 5. Nach der tirchlichen Feier vollzog sich im tönigl. Schlosse das Ordensfest genau in den Grenzen des be kannten Ceremoniells. Von den zahlreich erschienenen Rittern des hoben Ordens wurden die Generale der Infanterie von Habnke und Schlichtiug, sowie Ver Landhos meister General der Cavallerie Gras Lehnkorff inoestni. Prinz Albrecht von Preußen war durch leichte Unpäßlichkeit verhindert, dem Feste beizuwohnen. Abends um 7 Ubr findet anläßlich dieses Festes ein Diner zu etwa 60 Gedecken statt. Auch die Kaiseri» Friedrich, die der Gedächluißfeier in der Kaiser-Wilhelins-Gevächtnißkirche beiwohnte, gedentk an dem Diner theilzunehmen. tztz Berlin, 17. Januar. (Privattelearamm.) Das Präsidium des Abgeordnetenhauses ist heute Mittag l2(z Ul e von der Kaiserin Friedrich empfangen worden. HK Berlin, 17. Januar. (Privaltelegramm.) Der wesaninitvorstand des Reichstags — die Präsidenten, Schrift sichrer, Ouästoren und die Vorsitzenden der Abtheilungen — ist vom Reichskanzler Fürsten Hohenlohe für Dienstag, 21. Januar, Abends 7 V, Uhr zum Diner geladen. L. Berlin, 17. Januar. (Privattelegramm) D e „Nat.-Ztg." schreibt: Frau v. Wiflmaun ist am Sonntag nach Eintreffen einer Depesche des Gouverneurs von Ost Afrika dorthin ab gereist. Ihr Schwager Frhr. v. Lößl FerriHetsn. Zum 18. Januar 1896. Bon Albin Mittelbach. Vor fünfundzwanzig Jahren! — Welch eine große, von flammender Begeisterung durchglühte Zeit echt patriotischen Lebens und Schaffens! — Und heute vor fünfundzwanzig Jahren! — Welch ein hehrer, unvergleichlich bedeutungsvoller Festtag unseres gesammten deutschen Vaterlandes! Wohl hatten die Wrihnachtsgiocken geläutet, und die EnaelSkunde: „Friede, Friede auf Erden!" war auch diesmal erklungen. Aber waffengerüstet und kanipferHlüht standen sich d»e Völker gegenüber, und in die weltbe^lückende Weih- nachtsbotschaft erklang ununterbrochen der dröhnende Donner der Geschütze. Aber schon quoll am Horizonte deutscher Geschichte das goldige Morgenroth besserer Tage glückverheißend herauf; schon regte sich der Flügelschlag einer neuen Zeit mit urkräftigen Schwingen! Und nun war auch der Tag nahe, an dem die in großer Gefahr entsprossene, in blutigem Kampfe erprobte deutsche Einheit, wie Friedrich Wilhelm IV. geahnt hatte, mitten im Schlachlengewühle sich für ewige Zeit befestigen sollte. Bereits erklang in allen Gauen „das alle Lied, daS Lied vom deutschen Kaiser"; ganz Deutschland harrte schon des Augenblicks, da der neurrtorene deutsche Kaiser die geschmückte Braut Germania heimsühren würde. Aber nicht in dem eigenen Lande, sondern mitten in dem deS zu Boden gestreckten Feindes; nickt in dem mit Weihrauchs düsten erfüllten Dome, sondern in dem prächtigsten aller französischen Schlösser, in dem Bourbonenschloffe Versailles, sollte die deutsche Kaiserwahl vollzogen werden. „Welch eine Wendung durch GotteS Führung!" — Hier, wo die unstillbare Herrschsucht Ludwigs XIV. die länder verheerenden Eroberungszüge plante; hier, wo zur Zeit der inneren Zerrissenheit Deutschland- alles das ersonnen wurde, was unser liebes Vaterland in die tiefste und schmachvollste Er niedrigung hinabdrücktc — hier sollte Deutschland zu neuer, »i« geahnter Größe erstehen. Sckon am 20. September hatte der Kronprinz von Preußen sein Hauptquartier in der Präsectur von Versailles aufgeschlagen. Am 5. Oktober zog König Wilhelm in Anwesenheit einer zahlreich berbeigeströmten Menschenmenge, begrüßt von stürmischen Hoch- und Hurrabrufen der Soldaten und dein klingenden Spiel der mit ihren Fabncn ausgezogenen Besatzung von Versailles in dem Präfccturgebäude ein. Nach Abschluß eingehender Verhandlungen und einge- troffener Zustimmung der süddeutschen Landtage — mit Ausnahme des bayerischen —; nach stattgefundenci» Empfange von 30 Neichstagsmitglicdern unter Vorantritt deS damaligen Präsidenten Iw. Simson, der dem Könige gegenüber den Wunsch der Nation aussprach, den bebren Namen Kaiser und Reich in verjüngter Kraft und Herrlichkeit wieder er stehen zu lassen; nach Eintreffen des vom König Ludwig von Bayern abgesandten Briefes, in dem er mit Zustimmung der süddeutschen Fürsten an König Wilbelm den Antrag richtete, er möge „die Ausübung der Präsidialrechtc über alle deutsche» Staaten mit der Führung des Titels eines deutschen Kaisers" verbinden, fand hier die hochwichtige Feier statt. Am 18. Januar, dem Tage, an dem sich vor 170 Jahren Friedrich I. von Preußen zu Königsberg die Königskrone aufsetzte, sollte sich sein mit unverwelklichem Lorbeer geschmückter Sprosse in dem Spiegclsaale zu Versailles mit Deutschlands Kaiserkrone zieren. Dieser Saal, in dem Ludwig XIV. die fremden Gesandten zu empfangen pflegte, damit sie staunend Zeuge seiner Herrlichkeit seien, zeigt eine gradezu feenhafte Pracht. Von den Wänden des 72 Meter langen, 10 Meter breiten und 13 Meter hohe» Saales strahlen die wandhohen Spiegel und gewäbren durch die erzielten Reflexe eine fast unübersehbare Fernsicht in die sich immer weiter und weiter erstreckende Reibe prangender Galerien. Durch 1? Hobe, bis zur Decke hinaufreichende Fenster mit tiefen Nischen fällt das Tageslicht herein. Reich- vrrgoldete Pilaster mit einer Unmasse von Lichtern, gold strotzende Verzierungen, prangende Marmorsäulen, imposante Deckengemälde, deren mittleres und prunkvollstes in allego rischen Figuren den „Sonnenkönig" darstellt, ZN dessen Füßen die Staaten Holland, Spanien und Deutschland in Ketten liegen, machen eine» überwältigenden Eindruck. Dieser Saal war zur Kaiserproclamation ausersehen. Die nölhigen Vorkehrungen hierzu waren bereits getroffen. In dem Schloßhofe, in dem die stolze Reiterstatue Ludwig XIV. thront und die erstaunt auf das bunte Treiben berabsab, stand die Ehrenwache des 7. KönigSgrenadier Regiments mit der Fahne, die Major von Kaiscnberg bei Weißenburg dem zu Tode verwundete» Fahnenträger abgenomnien hatte, deren Schaft dann in seiner Hand mitten entzwei geschossen wurde und mit der sowohl dieser Bataillonscommandcur als auch zwei Officicre tödtlich getroffen zu Boden gesunken waren. Geführt von Feldgendarmen, kam der preußische Kronprinz in Begleitung des Gencrallieutenant von Blumenthal, gefolgt von seinen Adjutanten und von einem Zuge seines zweiten schlesischen Dragoner-Regiments Nr. 8 zum Schloß, trat in dasseloe ein, prüfte die getroffenen Anordnungen und über schaute freudigen AugeS die festliche Versammlung. 12^» Ubr folgte König Wilhelm in einem von vier Rappen bespannten offenen Wagen. Dem lönigl. Wagen sprengten Bor reiter nebst Begleitung voran, und zwölf Mann der Cavallerie- stabSwache folgten ihm. Am Schlöffe angekommen, verließ der König den Wagen und schritt die Front der Ehrenwache seines Grenadier- Regiments entlang. Als er die Fahne mit der mitten entzwei geschossenen Fahnenstange sab, an der das Blut der mit ihr Gefallenen noch sichtbar war, ergriff er sie, betrachtete sie und sprach zu dem Fahnen-Unterossicier: „Halte sie ja immer hoch!" Danach trat er, von dem Kronprinzen begleitet, in den Spiegelsaal ein. An dem Mittelpfeiler der nach dem Park zu gerichteten langen Südseite stand ein Altar mit rotber Bekleidung, die daS Eiserne Kreuz zierte. Rechts und links davon hatten sich die Vertreter der verschiedenen Truppen placirl. Tie 57 Fahnen und 8 Standarten derselben standen auf einer an der schmalen Ostseite des Schlosses hierzu aufgcrichteten Estrade, und auf der mit der Rückwand nack Norken gerich teten Längsseite batten 5—600 Ossicierc Stellung genommen. Die ganze Versammlunq bildete eine kriegerische Gesellschaft, darum war auch die Uniform fast ausschließlich vertreten. Wer nicht das Glück balle, eine solche z» besitzen, suckle sich eine nur irgendwie zulässige zu verschaffen. cLv hatte sich der TimeS-Correspondeitt William Rüssel die einzige ihm zu Gebote stehende Uniform eine» ckopuy-Iieutevant ot tim oou- stadlo ok tüe Ponor angelegt, in der er auSsah, wie ein Jäger auf dem Trittbrett eines herrschaftlichen WagenS. Unter den wenigen Personen in Civil war neben dem eickner für „Uebcr Lanv und Meer" auch der damalige riegscorrespondent der „WeimarerZrilung" und der „Garten lande", der jetzige Cbefredacteur des „Leipziger Tageblattes" Herr Iw. Küchling, auf der Estrade hinter den Fahnenträgern i» verdeckter Stellung untergebracht. (Siehe Beiheft zu:.! Militair-Wockenlatt 1896, I. Heft.) Der beim Eintritte des Königs in den Saal stattsindendc:, mititairischen Begrüßung folgte der Gesang der nach Psalm oo componirten Motette: „Jauchzet Gott alle Lande" *), die ei.: eigens hierzu gebildeter Sängerckvr von Mannschaften des 47. und 58. Regiments vortrug. Der König hatte in der Mitte Platz genommen. Rings um il u stauben im Halbkreise: der preußische Kronprinz, die Prinzen Karl und Adalbert von Preußen, die Großherröge von Bade», Sachsen-Weimar und Oldenburg, ver Kronprinz Alberi und Prinz Georg von Sachsen, die Prinzen Otto, Luit pold und Leopold von Bayern nebst einer stattlichen Anzahl anderer Fürsten und Prinzen. Links zur Seite und hinter den Fürsten standen die Generäle und Minister, darunter am linken Flügelpuncte deS Halbrunde- die markige Gestalt des Fürsten Bismarck und die des Grafen Moltke. Um den Altar hatte fick auf ausdrücklichen Wunsch des Königs die zahlreich vertretene Geistlichkeit mit dem an diesem Tage amtirenven Hof- und Garnisonpreviger Rogge aufgestellt. Nach beendetem Cborgesange erklang der gemeinsame Gesang: „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut."**) Darauf folgte die Liturgie, wie sie für den Milttairgotte-dienst »blick war; sie schloß mit Vorlesung des auf die Feier bezüglichen Psalm 2l „Du überschüttest ihn mit Segen" re. Hieran reibte fick die Predigt des Divisionspredigers Rogge, der der Text zu Grunde gelegt war: „Gott, dem ewige» Könige, de». Unvergänglichen und Unsichtbaren und allein Weisen, sei Ehr und Preis in Ewigkeit! Amen!***) *) Die Angabe verschiedener Geschichtswerke, daß der 100. Psalm („Jauchzet dem Herrn alle Welt") gesungen worden sei. ist falsch **) In einigen Werken ist fälschlich der Choral „Lob Ebr und Preis sei Gott" angegeben. ***) Die Angabe, Laß der Text der Predigt Psalm LI gewesen sei, ist demnach unrichtia.
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