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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.01.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960121020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896012102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896012102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-01
- Tag1896-01-21
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De. von Bennigsen (fort- fahrend): Die Gegensätze materieller Art unter den Besitzenden sind ja gerade Erscheinungen, welche hier, bei der jetzigen Vertretung des Reichstags, bei dem allgemeinen Wahlrecht re. jo unersreulich zu Tage getreten sind, daß an mich schon die Frage gekommen ist: Was bleiben Sie denn überhaupt noch in der Ver tretung der deutschen Nation? (Lebhafter Einspruch und Hochrufe aus Bennigsen.) Ich habe darauf einfach erwidert: Das sind doch nur vorübergehende Erscheinungen. (Lebhafter Beifall.) Der Kern unserer Nation wird auch das überwinden. Nur Krankheit oder Unfähigkeit entschuldigt den Rücktritt in solchem Kampfe! (Brausender Beifall.) ES ist nur rin vorübergehender Niedergang. Zur Besserung mitzuwirke», ist aller- dings die Ausgabe jedes Patrioten. (Lebhafter Beifall.) Meine-Herren! Es ist doch nichts so unerfreulich, eS hat doch auch dies seine Kehrseite. — Der Reichstag ist unglücklich zusammen gesetzt, er hat keine dauernde Mehrheit, der Kampf der Parteien ist gröber geworden (Stürmische Heiterkeit), die ganze Temperatur ist unbehaglicher als in alten Zeiten. Aber ich weiß doch nicht, ob es nicht diesem Reichstag, der unglücklich zusammengesetzt ist, nicht doch beschieden ist, daß er rin großes Werk von höchstem Werthc, eine Gesetzgebung erstes Ranges zum Abschluß bringe» und wenn das geschieht, dann wird auch dieser deutsche Reichstag, mag seine Zusammensetzung und Thätigkeit sein, wie sic will, in der deutschen Geschichte sich ein Ehrenbenkmal gesetzt habe». Denn die Schaffung eines deutschen Bürger lichen Gesetzbuches ist eine Arbeit, so umfassend nnd so schwierig, daß die besten Männer seit 18 Jahren zweifelhaft gewesen sind, ob diese Aufgabe überhaupt zu lösen sei. Und jetzt wird wahr scheinlich doch dieser Reichstag die Schlußkrone auf diese» Werk setzen. (Lebhafter Beifall.) Meine Herren! Dabei erinnern wir uns aber mit Freuden, daß sich in unserer Mitte ein alter Freund befindet: der Geheime Lberjustizrath Planck (lauter Beifall), der an diesem schwierigen Werke lebhaften Antheil genommen und daran mitgearbeitet hat vom ersten Tage an, vor 17 Jahren in der hervorragendsten Stellung als Mitverfasser des ersten Entwurfes und als der Generalreferent des jetzt vorliegenden zweiten Entwurfes. (Wieder holter Beifall). Meine Herren: Ich möchte glauben, daß wir stolz daraus sein können, daß wir Alle mitgrwirkt haben an diesem dem Abschluß nahen Werke. Aber noch mehr auf unser» Planck. (Leb- haste Zustimmung.) Mein alter Freund wird mir nicht verargen, ivenn ich sage: daß ein vollständig erblindeter Mann in diese Commission ringetreten ist und dann diese Aufgabe glänzend durchgeführt hat, das ist wohl beispiellos in der Geschichte aller Völker und aller Gesetzgebung. (Lebhafte Zustimmung.) Die Männer, meine Herren, die vor 25 Jahren im Heere und im Rathe thätig gewesen sind, deckt fast Alle der Rasen. Wenige von ihnen leben noch. Bon ihnen aber einer der größten, der jetzt noch im Sachsenwaide (stürmischer Jubel) sinnueud dahin- geht, der gewaltige, ehern» Kanzler. Otto v. Bismarck. (Langanhaltender Beifall.) Einsam ist er mitten in seinem Walde, aber ihn begleiten doch und ihn treffen doch die Gedanken eines ganzen dankbaren Volkes, unerschöpflich in Dienstag den 21. Januar 1896. W. Jahrgang. Dankbarkeit und Verehrung für diesen gewaltigen großen Staats mann, dein in den langen Jahrhunderten der europäischen Geschichte nur sehr Wenige — etwa nur Richelieu und Cromwell, aber auch diese nicht vollständig — zu vergleichen sind. (Langanhaitendrr Beifall.) Auf dem Wege des Herrn Stephan, einzeln und in Massen wird er aus gesucht, damit ihm dt» Gefühle der großen deutschen Nation zur Kunde gebracht werden. Unser Bolk mag viele Fehler haben, aber den Fehler der Undankbarkeit besitzt es nicht. (Stürmischer Beifall). Freilich haben auch nicht alle Nationen einen solchen Gegenstand sür ihre Verehrung und Dankbarkeit wie wir an Otto von Bismarck! (Großer Beifall.) Er ist schon bei lebendem Leibe eine vollkommen historische Persönlichkeit geworden, ein Stück unseres Volkslebens, welches seine Bedeutung behalten, leben und sorlwirkrn wird in den Entschließungen und Handlungen unseres deutschen Volkes Jahrhunderte lang! (Langer, lauter Beifall.) Meine Herren! Wir haben jetzt also die Feier einer großen Zeit, wir haben eine» jungen, kräftigen, für das Wohl des Vater- landes mit größtem Eifer eintrrtenden Herrscher, der auch diese Gelegenheit benutzt hat, um in seinen hohen Worten der Kraft und Erhebung den Ruf und die Aufforderung an uns zu richten: dafür einzutreten, daß das erhalten wird, was mit jo großen Opfern er- kauft ward. Der Kaiser wird nicht irre an den künftigen Geschicken unseres BolkeS, er vertraut auf die gesunde Kraft, auf den unverbrauchten Untergrund unseres Volkes (Sehr gut!), und da sollten wir nicht dasselbe thun? Wir am wenigsten, wir Aelteren, von Lenen so Viele an der Begründung und Befestigung unseres Reiches gearbeitet haben. Nein, nie haben wir daran gezweiselt. daß das deutsche Volk im Stande sein wird, auch Schweres zu überwinden, und nie daran, wenn einmal wieder große innere Gefahren oder große äußere Anfeindungen an Deutschland hervortreten, daß sich da die einige Kraft unseres Volkes nicht in energischer Weise geltend machen wird! (Lauter Beifall.) Die Freude wollen wir festhaltrn am deutschen Reiche und die Pflicht, sür dieses Reiches Herrlichkeit rinzutrrten. Ich trinke auf die glückliche Entwickelung seiner Zukunft. Hoch! hoch! hoch! (Stürmischer, Minuten- langer Beifall.) Hatte vr. v. Bennigsen bereits den Altreichskanzler gefeiert, so konnte sich Herr v. Eynern im Trinkspruch auf den Fürsten Biömarck darauf beschränken, die Gefühle der unauslöschlichen Dankbarkeit in kurzen Worten zum Ausdruck zu bringen, die ihm die Nation in aller Zeit bewahre. Die Vas dreimalige Hoch auf deu Fürsten, so fand auch die folgende Verlesung des abzusendenden Telegramms stürmische Zustimmung. Dasselbe lautete: „Fürst von Bismarck. Frirdrichsruh. Dir parlamentarischen Fractionen der nationalliberalen Partei des Reichstags und des Abgeordnetenhauses, mit den College» aus der großen Zeit der Reichsbegründung festlich vereinigt, bringen Ew. Durchlaucht, dem Reichsbaumeister, unserem unvergleichlichen, in der Geschichte unver gänglichen ersten Kanzler des Reiches, dessen vaterländisches Wirken zu fördern ihnen immer zum Stolze gereichte, dankbaren deutschen Gruß und herzliche Wünsche für das fernere Wohlergehen dar." gez. v. Bennigsen. Vr. Bürklin. Vr. Krause, d. Eynern. Die in später Abendstunde hierauf eingegangrne, an Herrn von Bennigsen gerichtet« Antwort des Fürsten lautet: „Eure Excrllenz bitte ich, Ihren Herren Fractionsgenoffen sür die ehrenvolle Begrüßung im Rückblick auf unsere langjährige Mit- arbeiterschaft meinen verbindlichsten Dank auszusprechen, v. Bismar ck/ Abg. vr. Krause toastete aus die Alten, in deren Namen der 8V jährige Senior der Partei H. H. Meier (Bremen) dankte. Nach ihm erhob sich der zur Rechten Bennigsen'- sitzende Oberbürgermeister vr. Georgi-Leipzig (der bekanntlich von 1871 an ReickiStagSabgeordneter für den Wahlkreis Neichenbach (Vogtland) war, und sprach etwa Folgendes: „Epigonen", wir vr. Kraust gesagt hat. sind die Jüngeren unter unS nicht. (Lebhafte Zustimmung.) Ihre Stellung ist heute m Reichstag und Abgeordnetenhause eine unendlich viel schwierigere, als jeiner Zeit dir der Aelteren unter uns war. (Laute Zustimmung.) Unser Verdienst war eS nicht, daß die Zeit damals eine bessere war. Wir haben nur unseren bescheidenen Antheil daran genommen. Aber herrlich war es freilich damals. Wenn wir daran denken, daß wir damals unsere großen nationalen Helden, Bismarck, Roon und Moltke, täglich im Reichstag sahen, sie oftmals zu unS reden hörten, so erweckt das unvergeßliche Bilder in uns. Und unserem Bewußtsein war es immer ringeprägt, daß wir auf zubauen hatten auf der Grundlage, dir diese Männer mit unserem Heldenkaiser Wilhelm l. gelegt hatten. Aber eS genügt nicht, znrückzudenken an die Zeiten, wo unser deutsches Heer große Dinge vollbracht hat, sondern es muh auch immer hierzu im Stande gehalten werde». (Lebhafter Beifall) E» ist eine der großen Errnngenschasten, die wir dem Kriege verdanken, daß die Trennung, die damals vielfach zwischen Bürgern und Heer vorhanden war, sür immer überbrückt worden ist in der großen Zeit. (Lauter Beifall.) Unser deutsches Heer hat in treuester Pflichterfüllung unablässig daran gearbeitet, daß das deutsche Schwert scharf bleibe, und es ist in dieser Arbeit durch drungen geblieben von dem Bewußtsein, daß diese dein Vaterland» gilt. Bei ihr mitzuhelsen, das ist die Ausgabe der Herren, die heute noch im Reichstage sitzen. Ich fordere Sie auf, init mir zu trinken aus das deutsche Heer, welche- uns große Dinge vor fünfund zwanzig Jahren gebracht hat, und auf da» deutsche Heer, welches der Stolz unserer Gegenwart, die Hoffnung unserer Zukunft ist. (Lebhafter Beifall.) Bon den übrigen Reden geben wir nur die rührende und bedeutende Antwort Plancks au-sührlich wieder, die er auf die ihm von Bennigsen und Vr. Krause, unter beifälligster Z 'tim»i:in> der Vermmmllttvz, d^rgebrc '-den Ehrungen» gab. Gr sagte: „So freundliche Worte, liebe Freunde, sind aus Ihren Reihen an mich gerichtet worden, daß ich meinen herzlichsten Dank aussprrchrn muß. Freilich tief beschämt; denn das mir gespendete Lob entspricht nicht der Wahrheit. (Großer Widerspruch und Heiterkeit.) Aber Eins ist richtig: ich kann nicht dankbar genug anerkennen, daß mir vergönnt gewesen ist, nachdem ich um meiner Augen willen aus dem poli tischen Leben ausscheiden mußte, für Deutschland in der Weis« für das Bürgerliche Gesetzbuch thätig zu sein. Es war eine Arbeit» reich an Aufregung und Muhe, an Arrgrr, aber auch reich an Freude. Ungerechte Beurtheiler haben an dem ersten Entwürfe fast nichts Gutes gelassen. Aber man soll sich nicht ärgern (große Heiterkeit). Und so haben wir denn auch weiter ge- arbeitet, und in zweiter Lesung ist da», glaube ich, der Eommisfion auch im Wesentlichen gelungen. Es waren eben auch „Nichtjuristrn" dabei bet heiligt, und Alle haben dazu mitgewirkt, daß ein Werk geschaffen wurde, welche- des deut« scheu Volkes wirklich würdig ist (Lebhafter Beifall), welches die deutschen RechtSsätze in deutscher Art zusammen» saßt, klar und sicher! (Erneuter, lauter Beifall.) Unter den Mitarbeitern, die an diesem großen Werke treulich gewirkt haben- ollte Einem nicht mehr beschieden sein, den Schluß der langjährigen Arbeit zu erleben: dem alte» prächtigen Wolfson (Abg. sür Ham burg). Seine liebe Erinnerung wird in uns Allen sortlcben (Lauter Beifall). Nun stehen wir vor der großen Frage: ob da- Schiff wirklich i» Len Hafen einlausen wird. E» ist vielleicht die bedeutendste Ausgabe de» Reichstags seit seinem Be- stehen. Es handelt sich nicht blos um die Erfüllung eines Ver- prechrns, sondern um de» Abschluß der tausendjährigen deutschen Geschichte. Air hatte» in Deutschland nie ein einheitliches Recht! Der Augenblick, das zu erringen, ist ge kommen. (Laute Zustimmung.) Jetzt ist es möglich geworden, nachdem daS deutsche Reich, da» deutsche Heer, die Centralgewalt, die deutsche Rechtswissenschaft geeint sind, jetzt ist es möglich, ein rinheitliches deutsches Recht zu schaffen, die köstliche Frucht zu pflücken und nn dem Reichstag ist es.dciS zu thu»! (LebhafterBeifall.) Ich hege keinen Zweifel, daß die nationalltberale Partei dabei ihre volle Schuldigkeit thun wird. (Laute Zustimmung.' Sir kann stolz daraus sein, daß sie unverrückt auch heute ihren Zielen entgegengehen kann. Ich will Glück wünsche» denjenigen Parlamentsmitgliedern der nationailiberaien Partei, die noch heute zur Mitwirkung an der Reichsgesetzgebung berufen sind. Cie haben die schwere Aufgabe übernommen, in trüben Zeiten das Reich aus- zubauen. Die heutigen Mitglieder der nationailiberaien Fraction des Reichstags und Landtags sie leben hoch!" Stürmisch stimmte die Versammlung ein. Abg. vr. Pi eschel-Erfurt gedachte dann der Ab wesenden, u. A. unseres ehrwürdigen sächsischen Führers Prof. vr. Biedermann, während der greise v. Ben da seine ganze Rede in die Worte zusaminensaßte: „Unsere Frauen sollen leben!" Der Abg. Krieger (für Posen 1867—1870) brachte ein begeistertes Hoch auf Bennigsen aus, was dieser mit einem kurzen Trinkipruch auf die nationalli berate Partei erwiederte. Damit erreichte das frohe und erhebende Fest AbendS gegen 8 Uhr sein Ende. Nachzutragen ist, daß nach der Rede vr. Bürklin's aus den Kaiser folgendes Huldigungstelegramm «('geschickt wurde: „An des Kaiser» und Königs Majestät. Berlin. Die mentarischrn Fractionen der nationalliberalen Partei des RHMW-M and de» Abgeordnetenhauses, m" d?n Colleges her groUAiMW der Reichsbegründung festlich verr.mgt, bringen Cw. Majestät ehr- furchtsvolle Huldigung Lar. Gott segne allezeit Kaiser und Reich!' (gez) v. Bennigsen, vr. Bürklin, vr. Krause. Tie Feier im Reiche. ' München, 20. Januar. Heute Nachmittag fand im große» Saale des alten Raidhauses daS Fe st banket der Abgeordneten zur Frier de- 25 jährigen Jubiläums der Gründung des Reiches statt. An dem Diner nahmen etwa 120 Abgeordnete Theil. Präsident von Walter brachte in einer von großer Wärme getragene», begeistert ausgenommen«» Rede den Toast aus den Prinzregrnten und den Toast auf den Kaiser aus. * Karlsruhe» 20. Januar. Bei dem Festmahle, welches Sonnabend Abend in der Festhalle stattsand, hielt der Groß Herzog folgende Rede: „Kameraden, es ist Zeit, daß ich von Ihnen Abschied nehmen muß: bevor ich Sir aber verlasse, möchte ich noch einige Worte an Sie richten. Die heutige Erinnerungsfeier war eine der höchsten, die ich je erlebte. Es ist heute nicht nur der Tag der Er innerung an die Schlachten, die wir geschlagen haben, es ist der Tag der Wiederherstellung des deutschen Reiches; Sie, meine Freunde, haben oft „Dir Wacht am Rhein" gesungen, wenn der Ruf an Sie erging. Es war ein Freudengejang und Ihr habt Fairilletsir. Annalise's Pflegemutter. 16j Roman von L. Haidheim. Nachdruck »«riotkn. „Weniger, als Du denkst!" flüsterte der Vater mit glühenden Augen und plötzlich ganz veränderter tiefernster Miene: „Paß auf! Und Gott Gnade Dir, wenn Deine „Licht- affaire", Deine allzugroße Dienstwilligkeit — Mensch! Wenn ich denken müßte —?" Noch hatte der Vater kein Wort gesagt, aber seine angst verzerrten Mienen, der bohrende Blick sprachen die schand bar« Verdächtigung deutlich genug au-, „Infam! Infam! Und da- vom eigenen Vater?" keuchte Joachim. „Wenn'- nicht wahr ist, so brauchst Du'S doch nicht tragisch zu nehmen!" rie er erleichtert. Er war jetzt selbst erschrocken über „diese verrückte Idee", die Plötzlich in ihm aufgtstiegen war, er wußte kaum, wie. Wa» sollte er dem beleidigten Sohne nun sagen? Um sich au- der Berleaenheit zu ziehen, lief er ru Adele Jwa- nowna; aber Marfa wie« ihn ab, und er hörte Knitter'- Stimme drinnen reden. Der Agent stand in diesem Augenblick mit derselben ge reizten Miene, die er gegen den Schloßherrn gehabt hatte, vor seiner Gönnerin. die sehr ungnädig zu ihm redet«: „Sie mögen sagen, was Sie wollen; Linowitz hat keinen Nutzen von dem Brande, dafür werden Sie schon sorgen! Dazu kenne ich Sie nun gut genug." „Ich soll wohl noch Geld dazu legen, daß ich die Ehre habe, den Herrschaften als Handlanger zu dienen?" gab er bissig zurück. Da fuhr sie heftig auf: „Ich verwahre mich entschieden gegen Ihre Impertinenzen E- ist ein« trostlose Geschichte um die allzu große eifrig« Dienstwilligkeit! Nehmen Sie sich in Acht! Es könnte mir einsalle», den Herrn dort trüben rufen zu lasten und ihm meine Gedanken zu Protokoll zu geben!" Herr Knitter war aschsabl vor Wutb, seine Stimme bebte: „Gnädigste können ja tkiull, waS Ihnen beliebt; umsonst würden Gnädigste eS nicht thun!" GlogowSky trat an das Fenster: „Darf ich eintreten, Mama-" Er sah sehr verstimmt auS. Sie winkte ihm. Knitter nahm seinen Hut. Linowitz sah GlogowSky ins HauS treten und kehrte um. Nun kam der seinem Jochen zuvor! Dieser schritt in einer Tannenallee des Parks aus und ab, in einer Stimmung, wie er sie nie gekannt hatte. Das von seinem Vater? Eine Schurkerei ihm zuzu trauen! Ueberhaupt nur den Gedanken an die Möglichkeit einer solchen fasten zu können! Dabei ging eine Fluth von wirren Combinationen durch sein Hirn Er hörte wieder die Einrede des Protokoll führers: „Das war ja nicht, wo die Gobelins lagen, sondern am andern Ende des BodenS!" DaS Blut stieg ihm zu Kopfe. Er, Joachim von Linowitz, halte effectiv gelogen, eine falsche Angabe gemacht. Ob er zum Landrath lies und ihm privatim sagte, wa« ihn heimlich dort hinaufgeführt hatte? Unmöglich! DaS konnte er nicht. Annalise! Mein Liebling! Meine Seele! Sein Herz sehnte sich stürmisch nach ihr. Aber er irrte weiter in einer Verstörung und Unsicher heit über die nächsten Schritte, die ihn planlos im Parke umhertrieb. Ein- stand fest, er konnte mit dem Vater nicht länger zusammen bleiben. „Ich muß fort; unsere Ansichten, unsere Wege geben himmelweit auseinander! Aber vorher Klarheit zwischen Annalise und mir und Adele Jwanowna!" Daß er sich gestern nock gesagt hatte, nur die äußerste Vorsicht in Behandlung der Letzteren könne ihn zum Ziele ühren, besonder- einer vorzeitigen Trennung von der Ge lebten Vorbeugen, bedachte er heute nicht mebr. Die Um- tände waren eben plötzlich ganz verändert. Adele Jwanowna konnte zudem nicht in Ellern bleiben; man hatte sie im ehe maligen Eavalierhause untergebracht, aber da- galt doch nur sür einige Tage. Sie nahm Annalise dann mit sich; was batte ihn also hier halten sollen? Es schneite wieder und stärker als gestern; der Winter zog jetzt mit aller Macht ein. Wenn Joachim in di« Nähe de- Hofe« kam, drang der unangenehme Brandgeruch zu idm, und dann fiel ihm wieder ein, was sein Vater gesagt batte. Plötzlich schien e- ihm, als habe er Annalise« Gestalt, in ein großes rotheS Tuch gewickelt, in der Verwalterwohnung verschwinden sehen. Hatte sie ihn gesucht? WaS mußte sie denken, daß er nicht zu ihr kam? Nun hielt ihn nichts mehr, er mußte Annalise sehen, die Aermste war der Uebellaunigkeit der Pflegemutter den ganzen Tag allein au«gesctzt gewesen. Ohne sich melden zu lasten, trat er bei Adele Jwanowna ein. Marfa war nicht sichtbar gewesen, er selbst dachte auch an die sonst beobachteten Gewohnheiten der Tante nicht. Er hörte sie eben böse, bittere Worte sagen. Sic lag in einem hochlehnigen Krankenstuhl und sah zum Erbarmen aus, zugleich aber auch so zornig und hart, wie er sie noch nie gesehen hatte. DaS zu bemerken, kostete ihm einen einzigen Blick. Im nächsten Moment aber war er, alle- Andere ver gessend, an ihr vorbei gestürzt, hatte Annalise, die schluchzend und das Gesicht in den Hanken bergend, vor der Tante kniete, empor in seine Arme gerissen und ries in flammender Entrüstung: „Wa- geht hier vor? Wa- quälst Du Annalise?" Adele Jwanowna saß wie gelähmt. Diese Scene kam ihr doch unerwartet. Und al- nun gar ihre Pflegetochter die Arme um Joachims HalS schlang und, daS Köpfchen an seine Brust gelehnt, sich ihren Tbränen vollständig fassungslos überließ, da brauchte es keiner Worte weiter für sie. „Ay! ah! Darum will sie Alfred nicht!" keuchte Adele Jwanowna. „Mama! Mama! Vergieb! Wir lieben uns so sehr! Ich wagte ja nicht, e« Dir zu sagen!" rief Annalise und warf sich wieder vor ihr nieder, eine rührende Gestalt. „Nun ja, gewiß, Dn schämst Dich! Da» kann ich mir denken! Das begreife ich! Du undankbares, falsche-Geschöpf Also hinter meinem Rücken Ränke Über Ränke! Denkt Ihr Alle, ich sei schon macht- und wehrlo-, und Ihr könntet mit mir Euer Spiel treiben?" „Tante Adele! Keine Ränke! Kein Spiel! Mein Ehren wort darauf!" rief Joachim. Er konnte seine Liebe nicht so ungetröstrt daliegen sehe», vor den Füßen der harten Frau. Zärtlich hob er sie auf und hielt sie mit den Armen fest umschlungen. . ^ „ „Hör, mich, Tante Adele", sagt« er mit ernster Ent- schiedenheit, „erst seil gestern wißen wir eS, daß wir unS lieben, seit wir unS in Wildbad kennen lernten. Heut« siehst Du mich hier, eS Dir zu sagen. Ich batte es anders vor, wollte versuchen, Dich uns »ach und nach günstig zu stimmen; es ist Alles überstürzt, nnd ich sagte mir dann: Offnes Spiel! Gieb mir Dein Kleinod, Tante Avele! Ich will cs hüte» und hegen mit aller HerzenSliebe! Gieb mir Annalise, liebe Tante!" Es war schrecklich anzuseheu, welche Leidenschaften sich aus dem kranken, blassen Gesicht der Frau malten, ehe sie sprechen konnte. „Mama, sei barmherzig! Ich kau» Alfred nicht heiratheu, denn ich habe Joachim vom ersten Augenblicke an geliebt! Gieb uns ein gutes, liebes Wort, Mutter; gieb unS Deinen Segen l" „Meinen Segen ? Mit Vergnügen! Ter Tbcaterconp zieht bei mir nicht! Aber rechnet nicht auf mein Gele!" höhnte die Kranke. Und al- daS Liebespaar sie wortlos anstarrle über diese brutale Antwort, fuhr sie in zügelloser Erbitterung fort zu Annalise nnd bann zu iom: „Du wirst Dir hoffentlich nicht einbilden, daß Junker Joachim nicht an mein Geld gedacht hätte? Hahaya! Gieb Doch Tein Wort, Herr Neffe, daß Du es nie thatest! Aber Ihr irrt Euch in mir! Ihr irrt Euch! Ich habe Dich von der Straße genommen, Mädchen, eine Bettlerin; ich habe Dir tausend WodUbaten erwiesen. Schuldig bin ich Dir nichts mehr. Geh! Nimm »hu Dir! Mein vielgeliebt«! Neffe, nimm diese- Mädchen, ich trete Dir jede- Recht daran ab; aber sie. wie so da geht und steht, so bettelarm, wie sie einst zu mir kam!" E- war ihr furchtbarer Ernst mit ihren Worten, das sahen die Beiden, und ein eisiger Schrecken packte sie, nicht ui» das Geld dieser Frau, „rin, um der Kränkung willen, die sie sich zugefügt glaubte. In ihrem ganzen Wesen lag ja seit langer Zeit so viel Unverständliche-; durfte man sie in ihrem Zustande überhaupt ernst nehmen? Dar sie bei Sinnen? „Wa- kann Dir Alfred GlogowSky mebr sein, als ich?" rief Joachim. „Ich, der Sohn Deiner einzigen Schwester, Dein nächster Blutsverwandter?" I" Abele Jwanowna dagegen lebte nur «in Gedanke: „Nun muß ick, Alfred auszahlen!" Und dieser Gedanke nahm ihr jede vernünftige Urberlezunz und jedes richtige Gefühl. Vergebens flehten und betten die Liebenden. „Ich mache keinen Anspruch mehr an Dich", rief Joachim
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