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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.04.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930420021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893042002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893042002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-04
- Tag1893-04-20
- Monat1893-04
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Gesetz, gegen welche» eine einiger maßen bedeutende Minderheit vorhanden ist, könnte aus diesem Wege abaewcnbel werden. Denn bei der obnehin hohen BcschlutzfäbigkeitSzifser wird in den sel tensten Fällen die Majorität im Stande sein, allein ein be- slhlußsäbizc- HauS zu Hilden; sie kann schließlich doch auch nicht bi- auf den letzten Mann auf dem Platze sein. Unsere rirlamentarischen Geschäflsformen beruhen auf Loyalität und sind bei der Anwendung böswilliger Kniffe un haltbar. Wenn die Minorität mit loyalen und berech tigten Kampfmitteln nicht durchzudringen vermag, so muß sie sich eben fügen und da» Voliim der Mehr- heil anerkennen. Wir können unS nicht erinnern, daß früher eine solche absichtliche Herbeiführung der Beschlußunsähigkeit rorgetommen ist; selbst in den Zeilen deS bittersten kircken- politischen Kampfe» hat sich da» Zentrum solcher Waffen enthalten. ES ist dem gegenwärtigen Reichstag des „Anti- cartel«", der obnehin schon viel Schuld au dem Nieder gang des Ansehens des Reichstags trägt, Vorbehalten gewesen, diese böchst gefährliche und verwerfliche Neuerung ,n unsere parlamentarischen Sitten hineinzutragen. Aber abgesehen von der absichtlichen Herstellung der Beschluß- unfähigkeit läßt sich die Thalsache nicht ableugnen, daß zahlreiche Mitglieder der ersten parlamentarischen Körper schaft des deutschen Reichs fortgesetzt in der gröblichsten Weise die selbst übernommene Pflicht verletzen. Diese Pflicht verletzung, der sich nach dem Zugesrändniß der „Köln. VolkSztg." in der letzten Zeit besonder» die Mitglieder der CrnlrumS- sraction schuldig machen, ist. wie da» genannte klerikale Blatt sagt, ein Unrecht gegen die Wähler, welche ihnen da» Mandat in der Voraussicht übertragen haben, daß sie dasselbe ge wissenhaft auSüben würden, aber auch ein Unrecht gegen die fleißigen College», deren Thätigkeit Lurch den Absentismus der Anderen bebnidert und gelähmt wird. Entschuldigt wird das Verhalten der „ReichSboten", und zwar auf Kosten de- neuen CurseS, von der Münchener „Allg. Ztg", welche nicht ebne alle Berechtigung die Beschlußunsähigkeit folgender maßen erklärt: „Letztere hat vielmehr ihren Grund zweifello» in erster Linie in der allgemeinen politischen Lage, welche den Reichstag vor die Alternative einer Auslösung oder der Annahme einer von keiner Partei im Haufe beifällig aufgenommenen Militair- vorlage stellt, di« sich obenein im direkten Begriffst! zu den Begründungen der Vorlagen von 188? und 1890, sowie zu den von dem jetzigen Herrn Reich»kanzler in den letzten drei Jahren gehaltenen Reden befindet. Vielleicht zum ersten Male vermißt der Reichstag bi» weit in die Reihen der Opposition hinein die frühere geniale Leitung -er Rrichsgeschäfte, welche auch in ichwienasten Situationen einen AuSweg fand, und di», wenn sie zu inner Auflösung schritt, vorher di» stark» und zuverlässig» Phalanx zu bilden wußte, mit welcher sie erfolaetiicher in den Wahlkampf cmlreten konnte. Tie Schuld an dem MaraSmut- de» Reichstag» trägt somit in letzter Linie da» Fehlen der starken und geschäfls- gcwandten Hand am Steuerruder deS StaatSschisse», ein Cardinal- fidler unsere» staatlichen Dasein», welchen weder die Annahme der M'.litairvorlag», noch eine Auslösung des ReichslagS beseitigen kann, der aber mehr und mehr all» patriotischen Herzen mit ernster Sorge für die Zukunft erfüllt. Seltsam nur, daß dies im Reichstage selbst nicht zum Ausdruck gelangt." Zur „Kennzeichnung der Situation" WikH dem „Hann. Kur." au» Berlin geschrieben, daß „die au» Schlesien hier eingetroffenen CentrumSabgeordneten in parlamentarischen Kreisen offen erzählen, der Cardiiial-Fürstbischof Kopp habe ibaen gesagt, der Reichstag werde nicht aufgelöst werden " Da- genannte Organ fügt hinzu: „Interessanter noch als die Kunde von dem Au»spruch de» CardinalS wäre eine Mittbcilung darüber, woraus er seine Wissenschaft ründrt; glaubt er an das Zustandekommen einer Ver- ändizung oder meint er, daß die verbündeten Regierungen auch ein Scheitern der Vorlage nicht mit der Auflösung beantworten würden?" Die „Hambg. Nachr." sehen Herrn Kopp für gut unterrichtet an und halten die Frage de- „Hann. Kur." „mit Rücksicht auf die sattsam bekannte Lage, in der sich da» Centrum befindet, für einigermaßen bo-hast." Bei der Organisation de« schweizerischen Land sturm» im Jahre 188k ist man von der Voraussetzung au»- gegangen, daß der Landsturm nur in Zeiten von Krieg und Kriegsgefahr aufgeboten werden, im Frieden dagegen von jeder Art de» Dienstes befreit sein solle. Allein schon bei der damaligen Berathung de» betreffenden Gesetzes in der Bundes versammlung kam d>e Meinung zum Ausdruck, daß mit der gesetzlichen Einführung de« Landsturm» dem Heere (AuSzug und Landwehr) ein weitere» dritte« Glied «»gefügt werde. Seitder ist in den Kreisen der BunteSbehörden, in der Presse und nickt zum wenigsten bei den Landsturmpstichtigrn selbst wiederholt der Wunsch ausgesprochen worden, es möchte auch der Landsturm in FriedenSzeiten zu regel mäßigen Hebungen und Inspektionen einberufen werten. Tie fortgesetzten Rüstungen in den Nachbarländern und die politische Situation in Europa überhaupt mußten diesen Gedanken mächtig fördern. Denn je mehr man sich mit dem Plane der eventuellen Verwendung de« Landstürme« im Kriegsfälle beschäftigte, um so mehr mußte man zu der Ueberzeugung ge langen, daß die administrativ» Organisation nicht auSreicheu würde, um neben der Mobilmachung größerer HrereStbeile auch noch den Landsturm zu formirrn und zu bewaffnen. Dem Gedanken, dem Landsturm schon in FriedenSzeiten die Waffen auSzusolaen, wurde noch durch den Umstand Vorschub geleistet, da« in Folge der Ende Mai d. I. zum Abschluß ge langenden Neubewaffnung de- AuSzug» und der Landwehr eine große Menge guterhaltcner, kriegSbrauchbarcr Repelir- gewehre disponibel wird. Aber die Abgabe der Waffen an den Landsturm hätte keinen Sinn obne gleichzeitige Ausrüstung mit Munition. Diese MuniuonSabgabe kann freilich ver schiedene Uebelstände im Gefolge Kadenz allein der BundeS- ratk» glaubt, daß denselben durch eine scharfe Controle und durch strenge Strafbestimmungen begegnet werden könne. Der Landsturm wird erst kann wirklich orzanisirt sein, d. h. einen Tbeil der eidgenössischen Wehrmacht bilden, aus den man im Kriege zuverlässig zählen kan», wenn er schon im Frieden für seine mannigfaltigen und wichtigen Aufgabe» vorgebildet wird. Zu diesem Zwecke unterbreitet der VundeSrath der Vundeöversammlung einen Gesetzentwurf, in welchem die Bestimmungen betreffend, die Bewaffnung, die Equipirung und die Ausbildung de» Land sturm». enthalten sind Tie Hebungen werden freilich nur von sehr kurzer Dauer sein und aus einen bi- zwei Tage in jedem Jahre sich beschränken: trotzdem hofft man, daß durch das neue Gesetz die eidgenössische Wehrmacht, der ja andere Aufgaben gestellt sind, al« den Herren der großen Militair- staaren, eine wesentliche Verstärkung erfahren werde. Durch die Annahme des Antrages Nyssen's über das Mehrstimnicnsystem hat dir belgische Deputirten- kammrr den entscheidenden Schritt zur Beendigung der Wirren getban, welche seit acht Tagen das ganze belgische Land durchtobten und zuletzt einen solchen Ckarakter ange nommen hatte», daß man jede Stunde die Nachricht vom AuSbruch der allgemeinen Revolution erwarten mußte. Der Deputirte Nyffen« brachte seinen Antrag am t2. April ein, nachdem alle früheren Anträge von der Mehrheit ab- aelebnt waren. Danach erhält zunächst jeder 25jährige Belgier das einfache Wahlrecht. DaS Recht der doppelten Stimmabgabe erhalten 1) alle 35jährigen Familienväter, die 5 Francs an dirccten Steuern entrichten, 2) alle 25jährigen Eigentbümrr einer Liegenschaft im Werthe von 2000 Franc« oder eine- Sparcassenbuche», da» 100 Franc- Rente cinbringt, 31 alle 25jäkrigen Besitzer de» Diplom« einer Hoch- oder Mittelschule. Wer alle die Bedingungen in seiner Person erfüllt, soll das Recht einer dreifachen Stimmabgabe erhalten. Die Annahme de» Antrages Nyssen's konnte unter den obwaltenden Verhältnissen den Anschein erwecken, die Kammer bade deni durch die revoltirenden Arbeiter ausgeübtcn Drucke nachgegeben. Dc-Halb wollten erfahrene Politiker, wie der liberale Parteiführer Frdrc-Orban, die Schlußfassung vertagt wissen, bi« di« Ruhestörungen der Socialisttn ihren Abschluß gefunden batten. Die Majornät der Kammer gelangte jedoch zu einer anderen Auffassung, aus die Gefabr bin. daß die Socialiste» da» „Mehrstinimensystom" für eine „Abschlagszahlung" erachten, der so bald wie mög lich das allgemeine gleiche Wahlrecht folgen müßte. In der Dienstag Abend in Brüssel abgebaltenen Versammlung der Führer der Arbeiterpartei ist ein Manifest, welches die Arbeiter zum Ei «stell cn dc^S Streiks aussordert, an genommen worden. Dieses Manifest enthält jedoch zugleich, wie zu erwarte» war, die Erklärung, daß das Volk noch nicht völlig zufriedcngestellt sei, vielmehr fort- fabren werde, das allgemeine Stimmrecht in seinem vollen Umfange zu fordern. Ein bedenklicher Präccdenz- sall ist allerdings durch die anscheinende Nachgiebigkeit der Repräsentantenkammer gegenüber wüsten Ausschreitungen unzweifelhaft geschaffen, obgleich da- jetzt angenommene Wahlsystem verhältnißmäßig gemäßigt und brauchbar erscheint. Für den Augenblick darf allerdings angenommen werden, daß wieder Rübe und Ordnung eintrelen wird. — Wir lassen nachstehende Meldungen hier folgen: Brüssel, 19. April. Tic gestrige Abstimmung der Kammer und der Einschluß der Ardencrpariei, die Arbeit wieder auszu- nebmcn. haben eine erhebliche Beruhigung herbeigesührt. In Brüssel, Antwerpen und mehreren anderen Orten ist die Arbeit fast vollständig wieder ausgenommen worden. KH. Brüssel, 19. April. Di»Bewohner von Brüssel sind heute mit dem Gefühl der Erleichterung erwacht, da di» gestrig« Ent scheidung der Kammer, die Annahme der Antrags Nvijeu's, die Geiiiüther sehr beruhigt hat. Der Generalrath der Socialiste» be schloß nach «instündiger Berathung in der „Maison du Peuple" dir ioforlige Wirderauinabme der Arbeit, bageacn den follaefitzteir Kamps zur Erlangung völliger politischer Gleichstellung der Belgier. Einige kleine Zusammenstöße abgerechnet, verlies hier der Abend ruhig; al» etn bedenkliche» Zeichen muß r« erscheinen, Laß eine ziemliche Anzahl einberusener Soldaten in Uniform Arm in Arm mit den Streitende» di« Strohe» durchzog und »in Bürgergardtst in Etterbeck verlwitrt werden mußte, weil er sich weigerte, scharf« Patronen anzuiudmen. In Gent hat es bei der Räumung der Straßen wieder Tvdi« und Berwundele gegeben. In Antwerpen vernichte» di« Streikenden in das Etablissement Deroubaip mit Gewalt einzudringen; nach drei maligem Anruf feuert» di» Gendarmerie und e» blieben 7 Personen, barunler «ine Frau und »in vierjährige» Kind, tobt auf dem Platze. Einen eigenthümlichen und kaum glaublichen Unfall gab e« >» der Eitadelle zu Lüttich. Ein Unteroifieier al« Führer einer Patrouille sah in der Dunkelheit eine Gestalt nmherschleichen und ließ ohne Anruf Feuer geben Ter mit zerichmettertem Schenkel Nieder- stürzende war ober die Schildwuäie des Forts! Verviers, 19. Avril. In fast allen Spinnereien. Kämme- reien und Webereien von Verviers, Pepuister und Hodimont, auch in anderen Orten habe» die Arbeiter die Arbeit eingestellt, nur die Spinnereien in Tolhain sind di« >etzt noch in Thätigkeit. Alle in Betracht kommenden Etablissement«, besonder« di« Streichgarn- spinnereien, haben für Deutschland noch starke LieserungS-Austräge zu erfüllen. Tie französische M ittelmcersl ott e ist zur Zeit auf einer Rundreise in den rgnpl>sck>en und levantinischcn Ge wässern begriffe», welche wohl nicht ausschließlich uuler dem Gesicht-Winkel de» reglement-mäßigen Dirnslbetriebe- wird angesehen werden dürfen. Für gewöhnlich wenigstens bringen eS dir Erfordernisse des TicnstbctriebeS kaum »i>t sich. Laß da- repräsentative Moment so in den Vordergrund gestellt wird, wie dies bei der gegenwärtigen französische» Flottenfahrt der Fall ist. Von Toulon auSgedenv, har da« Lrlmulrr vsris. I6j Erzählung von A. Brüning iitttdnxk >xr»otkn. «Fortsetzung) E« folgt rin kurzer, wilder Kampf mit den Kanonieren; sie werden nach tapferer Gegenwehr überwältigt, aber schon nabt im Sturmschritt eine feindliche Colonne. An eine Er oberung der Geschütze ist nicht mehr zu denken — er gilt jetzt mir, sie unbrauchbar zu machen. Eben ist die» geschehen als, unten die Trompeten zum Rückzug blasen. Hastig sammeln sick' die Soldaten, doch — wo ist der Führer? Ist er gefallen? Sie wissen c» nicht — aber es giebt kein Besinnen, schon ist der Feind ganz nahe, und er ist in dreifacher Uebermacht! Nur einer hat eS gesehen, wie Manfred Blanden lautlos zwischen den Reihen der feindlichen Kanoniere zu Boden ge glitten: Gert von Waldau, der von Weitem voll Todesangst jeter Bewegung gefolgt ist, und der jetzt, unbekümmert um das warnendeTronipetensignalderIreunde, unbekümmert umda« Nahen der Feinde, den Berg hinansprcngt, um den Gefallenen zu retten oder an seiner Seite den Tod zu finden. Rechts und link» von ihm schlagen die Kugeln ein, womit die Franzosen den einzelnen Reiter, der wie ein Rasender gegen ihre Linien anskürmt, überschütte» Er bat nicht- im Auge al- den einen P.inct, wo er Manfred hat sinken sehen. Dann ist er bei ibm und reißt mit übermenschlicher Kraft den Bewußtlosen zu sich empor. Schon bat er sein Pferd gewendet, da. eine neue Salve aus nächster Nähe und schlaff sinkt sein rechter Arm am Körper herab, während zugleich riu Säbelhieb de» feindlichen Führer» ans seine Stirn heriiierersaust. Schon glaubt er sich verloren — instinctiv nur umschlingt er mir dem linken Arm Manfred'- leblose Gestalt, doch sein treue» Roß, dessen Führung er sich überläßt, rettet ihn durch seine Schnelligkeit. Wir der Blitz trägt c» ibn den Berg hinab, zurück in die Reihe» der Freunde, die ibn mit jubelndem Zuruf begrüßen. — Nur wie au» weiter Ferne vernimmt ihn Gert — dann sinkt er bewußtlos mit dem Bewußtlosen, den er gerettet, vom Pferde. — Als er nach Stunden aus der Betäubung erwacht war, hatte er sich hier neben Manfred in diesem Zelte gefunden; in der fest zusammen geballten Hand noch da- blutvcfttckte Spitzentuck ballend, das er, pährend er, umsaust von feindlichen Geschossen, den Berg hinabjagte, auf die strömende Wunde in Manfred'- Brust gepreßt. Mit müder Bewegung schob er das Tuck jetzt an seinen vorigen Platz zurück, voll Bitterkeit jene» Augenblicke» gedenkend, wo er al- Pfand LeS Vertrauens eS au- Gabrielen- Hand empfangen hatte; er batte dieses Vertrauen ja nickt gerecht fertigt! So wenigstens würde sie jetzt wohl denken, wenn sie in der Verlustliste de» Tage- von Gravelotte ibrrs Gatten Namen fand. Und doch — müßte sic ibn nicht sreisprechrn, wenn sie Augenzeugin jener blutigen Episode vor St. Privat gewesen wäre? To fragte er sich mit jäh aussteiaendem Trotze. Er hatte ja getban, wa» Menschcnkrafl vermochte — daß er daS ihm anverlraute Leben nicht hatte retten können, war sein Unglück, nickt seine Schuld! Unwillkürlich batte er r- laut bervorzestoße»: — erschrocken schaut« er jetzt zu dem Bewußtlosen hinüber. — Aber was war da»? War eS Wirklichkeit, war eS ein Trugbild, erzeugt durch die Fieber- gluth, die, gesteigert durch jene aufregenden Erinnerungen, wilder in seine» Adern kreist? Er blickte in Manfred - offenes, voll r» ibm autgkschlageneS Auge „Ge/t — Du?" kam es jetzt leise, aber mit unverkennbar freudigem Ausdruck von den farblosen Lippen. „Onkel Manfred! Tu lebst?" Mit einem Jubeln»? stürzte Gert neben dem Lager in die Knie und preßte seinen Mund aus dir bleiche Hand, die jener ihm entgegcnzu strecken versuchte „Ja, und hoffentlich noch lange genug, um Dir Deine Aufopferung zu vergelten —" flüsterte e» über seinem Haupte. Gert macht« eine abwebrcndr Bewegung, jedoch mit derselben leisen, wie gebrochen klingenden Stimme fuhr Man fred fort: „Nein, widersprich mir nicht; ich sab r», noch ehe e» Nacht wurde vor meinen Blicken, wie Du, Du ganz allein kamst, mich zu retten. Ich danke Dir — mein Sohn —" und noch leiser setzte er hinzu: „und mein Erbe! L, daß auck Gabriele bier " Weiter kam er nicht, dir Worte erstarbeu in einen, röchelnden Laut, während zugleich ein blutiger Streifen zwischen di« blassen Lippen trat. Entsetzt suhr Gerl empor und stürzte dem ÄuSgangc zu, um nach Hilfe zu rufen; aber noch ehr sein» Linke de» Vorhang erfaßte, wurde derselbe von außen emporgebobcn. Unter ibm erschien, gefolgt von dem Arzte, eine sckwarzrerschleierte Fraucngestalt, bei deren Anblick Gerl fassungslos znrücktaumelle. „Gabriele ?!" „Ja, ich bin cs, mein armer Freund. Aus die erste Kunde von dem Unglück bi» ich hierhergeeilt." So klang eü mit leise bebender Stimme von den Lippen ter jungen Frau. Zugleich schlug sie mit der linken Hand den Schleier von ihrem blassen, deutliche Tbränenspuren tragenden Antlitz zurück, während sie die Rechte ibm enlgegenstreckte Gert jedoch nahm sie nicht, den Blick zu Boden gesenkt — wir r«i Vrrurtbeilter vor seinem Richter — so stand er vor ihr. „Nickt diese himmlische Güte, gnädige Frau", wehrte er beinabe raub „Ich habe ja meine Aufgabe schlecht ersüllt — da, scbrn Sir!" Er machte eine Wendung zur Seite, so daß der Blick aus Manfred frei wurde, dessen Augen sich in neuer Ohnmacht geschlossen hatten. Gabriele zuckte zusammen beim Anblick deS fablen, todtgezeickneten Antlitzes. Der Arzt, der gleichfalls die seltsame Veränderung in Manfred'» Zügen gewahrte, nickte wie bestätigend vor sich bin „Ick sah e« voraus und habe die gnädige Frau bereits vorbereitet: Schuß durch die Lunge! Ta war kaum etwa» mehr zu hoffen, selbst wenn die Kopfwunde nickt wäre", sagte er zu Gert gewandt, während Gabriele unlcr heißem Schluchzen neben Manfred'- Laaer niederkniete. „Nun, wohl, so Witten sie genug, um dem Unseligen, der bier lebend vor Ihnen sttk», während der, den er schützen sollte, dem Tote verfallen ist, das Verdammung»- urtheil zu sprechen!" Die voll tiefer Bittnkeir gesprochenen Wort« galten Gabrielen, welche indeß verneinend da« Haupt bewegte. „Och weiß vielmehr genug, um dem Heltcnmütbigen au« tiefster Seele zu danken, denen Aufopferung mir da« schinerz- lichr Glück verschafft, meines Gatten letzten Seufzer vernehmen — ihm Lebewohl sagen zu können", klang <« überzeugung-voll zurück. „Still! er reg« sich!" ries sie dann sosort, „Manfred, o Manfred!" Es war. als ob der Ton der geliebten Stimme, die Nacht der Bewußtlosigkeit durchdringend, Manfred » Obr erreicht und seine Lebensgeister erweckt hätte. Er schlug die Augen aus und sah mit großem fremdem Blick umher, bi» EvvlutionSgeschwater seinen Cur« entlang der tunesischen und tripolitanischen Küste genommen, überall bestrebt, den Userbevölkerungen ein möglichst imposante« Bild der see- gewaltigen Republik vor Augen zu führen. In Alexandrien wurde die erste längere Station gemacht; die französischen Flotlenofsiciere spielten in der dortigen und noch mehr in der Gesellschaft von Kairo eineRolle,womit sich selbst der entwickeltste Ehrgeiz zufrieden gestellt erllärcn kann. Aus dem weiteren Wege, der das Geschwader bi» Konstantinopel führen wird, wo rem Lssicirrcorps feierlicher Empfang seitens des Sultan« in Aussicht gestellt ist, werden u. A. die in niehrsacher Hinsicht bedeutsamen Puncte Jaffa» an der palästinischen, und Bcvrut, au der snriscken Küste, berührt werden. Ma» braucht nur einen Blick auf dieses Fabrt- tableau zu werfen, um sich alsbald zu sagen, daß hier eine „Uebunges'abrt" von ganz besonders eigenartigem Charakter auogeführt wird. Es ist wobt schwerlich ein bloßer Zufall, daß Frankreichs Seekricgsflagge gerate in denjenigen Tbcilen des Miktclniccrbeckens zur Entfaltung gebracht wird, wo der Wettkampf der Interessen zwischen den ton angebenden Seemächten von jeher am hartnäckigsten und am nachdrücklichsten geführt wurde nnd wo gerade in neuester Zeit die Gegensätze wieder schärfer hcrvortrelen. Was Egvplen betrifft, so braucht blos an de» kürzlich von AbbaS Pascha versuchten, aber von der wachsame» englischen Politik im Keime erstickten Versuch, sich von dem englischen Einstuß zu euiancipiren, erinnert zu werden, ein Beginnen deS jungen VicclöuigS, für das ihm von de» Pariser Blättern, und zwar auch solchen, deren Beriebungen zum Ouai d'Orsay notorische sind, jubelnder Beifall gezollt wu»de. Frankreich bat seine egvptijche» Traditionen nicht nur nicht vergessen, sonder» pflegt sie um so augelegcutlicher, je rück haltloser von London aus erklärt wirk, die Position am Nit festhalten zu wollen. Wer möchte da bebauplen, daß die jetzt von den srauzösifcheil Flotten - Osfiettleii in Kairo errungenen gesellschaftliche» Lorbeeren die einzigen sein sollten, nach denen der srauzösische Ehrgeiz im Pharaoncn- tand künftig trachtet! Palästina und cyrien sind heute noch ziemlich uuhestriltenc Domänen sranzösischen Macktein s'lufses, der sich auf de» verschiedensten Gebieten, Eisenbahn- bauten, Mission, Schule, äußert und an ter Verdrängung aller eoncurrirenden Bestrebungen arbeitet. Die Italiener wtssen rin Lied davon zu singen. Frankreichs Ziele in Kon- stantinopel endlich bedürfen temer näheren Darlegung. Sie werten hinlänglich gelenuzeickuet durch den Charakter und die Entwickclungsiciikenz der europäischen Gesammtlagc und durch den bewußten Gegensatz, in welchen die Republik sich zu den Bestrebungen des Dreibundes sowie Englands stellt. Die jetzt von dem sranzösifchen Miltclmecrgeschwader »i der Levante bezweckte Aussrlschnng des politischen Ansehens der Republik erscheint nach allerem al- eine in ihrer Bedeutung keineswegs gering zu schätzende Episode ter zeitgeschichtlichen Entwickelung. Im englischen Unterbause wird die Generaldebatte über die Home-Rule-Vortagr mit trostloser Eintönig keit fortgesetzt und es fällt jedem Redner schwer, die Auf- merlsamkcit de« Hauses aus sich zu lenken, da alles das, wa» noch gesagt werden kan», bereits hundertfach früher gesagt Worten ist. Erst sür Freitag ist ter Schluß der Debatte festgesetzt und die Abstimmung wird jedenfalls in der Nackt zum Sonnabend erfolgen. AlSdann bat die Specialbcratbung zu beginnen, der Glatstone nickt obne Besorgnis« enlgegenfiedt, da eS dabei eine Fülle von Abänderungs-Anträgen geben wird. Nach der zweiten Lesung der Hviiie - Rute - Vor lage beginnt der Kamps mit dem Oberhaus», dessen entschiedenen Widerstand der Exprcmier Salisbury bereit« in schroffster Form angeküntigt bat Derselbe erklärte, das Oberbau« würde die Home-Rule-Bill so oft verwerfen, als ibi» diese unterbreitet werde. Im Uiiterbause wird nach ter zweiten Lesung ter Vorlage Sir William Harcourt sein Budget vorlegeu. Der englische Finanzminister braucht er zuletzt mit einem Au-druck zweifelnden Entzückens an Gabrielen- tbränenüberströmtein Antlitz basten blieb. „Gabriele? auch Dn? .. . o, nun ist Alles gut!" »lurinellen die bleichen Lippen. „Sei gesegnet — daß Du gekommen bist." „Wo wäre den» Deines Weibes Platz — wenn nicht bei Dir i» solcher Stunde?" — schluchzte die junge Frau. „O. Manfred, Manfred, geh' nicht von mir!" Ihr Kopf lag an seiner Brust; er strick mit den matten Fingern über ihre feuchte Wange, während über sie hinweg seine Augen Gert suchten, der abseits stand und die Zäbuc zusamiiienbift, um seinen Schmerz nicht laut werden zu lassen. Mit sichtlicher Aufregung rief Manfred ibn zu sich der. „Schone» Sie sich", malmte ter Arzt, in dessen Augen sich tiefe Erschütterung malte. „Obre Lunge ist verletzt unk erträgt da« Spreche» nickt." Manfred sab ibn au mit einem Lächeln, dessen Bedeutung der Arzt nur zu wobl verstand. „Wenn Sir. wie ich vcrmulhe, Arzt sind, mein Herr", entgrgnete er, „so wissen sie sicher ebenso gut wie ich, wie e« um n>ick steht. Ich bade den Beiden hier noch viel zu sagen und denke die kostbare Zeit, die mir noch zugemesscn, nicht ungenützt zu lassen." In Pausen ränge» sich die Worte aus seiner wunden Brust hervor. Der Arzt konnte ihm nicht widersprechen Stumm ergriff er Manfred'- Hand und drückte sie warm „So will ich Sie der Wohllbat einer letzten ungestörten Aussprache mit den Ihrigen durch meine Gegenwart nicht berauben," sagte er brrzliw .Fttben Sie wohl und gestatten Sie mir die Versicherung tiefgefühlter Hochachtung ror solchem Heltenthum!" Er ging hinan-. — Eine Weile herrschte tiefe Stille, die nur durch Gabriele»» Schluchzen und Gert'S aevreßle Albcm- züge unterbrochen wurde. Letzterer war aus Manfred - Ruf beranaetrrten und kniete nun auf ter andern Seite de- Lagers. Manfred war e», der endlich das Schweigen brach. „Ick sagte dem Arzte, baß ick noch Vieles sür Euch auf dem Herzen hätte", tönte seine Slimiiic in ihrer seltsamen Klanglvsiczkeit. „Ich muß mich damit beeilen, denn ick fürchte, meine Zeit ist knapp, Gert — mein Sobn —" er tastete nach dessen Hand und sab ibm mit einem Ausdruck tiefster Liebe in die «»gen, „Dir lasse ich Alles, hörst Du, Alle- ohne Lu»-
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