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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.01.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960129015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896012901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896012901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-01
- Tag1896-01-29
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Größere Schriften laut nuferem Pre« verzrichutß. Tabellarischer nnd Ztssernia, »ach höherem Tarif. Extra »Beilagen lgesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Poftbsssrdrrun« 60.—, mit Postbesörderuag 7L—. Änaahmeschluß für Anzeigen: Sbend-An-gabe. Lormittog» 10 Uhr Morgen- Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Kür die Montag-Morgen.Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je »in, halbe Stunde früher. Anreisen find stets an d» Expedition zu richten. Druck nnd Verlag von E. Polz in Leipzig. .Vs 50. Mittwoch den 29. Januar 1896. 80. Jahrgang. Soll der Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuches sn dlvv angenommen werden? k». Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsch« Reich ist dem Reichstage zugegangen und die Stunde rückt immer näher, wo dieses neue Monument geistiger Eini gung DeuischlanvS nach langen Kämpfen doch noch herrlich aufgerichtet werden soll. Der Entwurf ist viel befehdet worden. Man bat an ihm sogar nichts Gutes finden wollen und e» lebten kleine SavignyS wieder auf, welche auch unsrer Zeit deo Beruf für Gesetzgebung bestreiten wollten. Die gegnerischen Stimmen sind nicht rubig geworden, aber sie werben allmählich von denen übertönt, die lieber einzelne Mängel an diesem Werke mit in Kauf nehmen, als daS ganze Werk einbüßen wollen. Was daS alte deutsche Kaiser reich römischer Herrlichkeit nicht zu Stande brachte, was Thrbaut vrrgebenSuach I8l3 erhoffte,LaS soll dem neuen Reiche beschirden sein, — ein einiges bürgerliches Recht. Wäbrend im alten Reich« Schwaben, Sachsen, Bayern, Brandenburger rc. ihre RechtSgrundsätzr sür sich hatten und ihre Landrechte so üppige Ranken trieben, daß man sich in Wetzlar schließlich in diesem Schlinggewächs gar nicht mehr zurecblfinden konnte, soll im neuen Reiche endlich auch neben dem einheitlichen Strafrecht, Proceßrecht, Handels- und Wechselrecht, ConcurS- recht rc. ein einheitliches bürgerliches Recht zu Stande kommen. Man sollte glauben, diese heroische Thal machte die Nörgler stumm. Aber eS ist nicht so. Sie erheben noch immer ihren Ruf im Streite. Dem Reichstage liegt eine schwere und ver antwortungsvoll« Aufgabe ob. Sehr tresfenv sagt der Leipziger Landrichter l)r. Adolf Lobe in seiner Schrift: „Was verlangen wirvon einem bürgerlichen Gesetzbuch?" (Leipzig, Fr. Wilh. Grunow): „Zur Bewältigung dieser Auf gabe bedarf es der Anspannung aller Kräfte. Hier ist kein Raum für den Hader und die Herrschsucht der Parteien, es gilt ein gemeinsames, nationales Werk zu schaffen, daS allen Parteien zu Gute kommt. Darum sind auch alle Parteien verpflichtet, mit Hinlenansetzunz ihrer Sonderinteressen ge wissenhaft zu prüfen und zu wägen und das Ihre dazu bei- nicht Ent wurfes, sei es auch nur durch eine vom Reichstag eingesetzte Commission, für wünsckenswerth. „Die Rechtsordnung", sagt er, „ist keine Rechenaufgabe, deren Lösung constructionsmäßig und rein auf logischem Wege nur von Rechtsgelebrren ge funden werden könnte. Sie ist der Inbegriff von Normen, die daS praktische Leben regeln wollen, deren Wirkung auf daS Leben daher ins Auge gefaßt werden muß. Diese Er- kenntniß ist aber nicht allein den Juristen Vorbehalten. So hat z. B. die Regelung der Verjährung, des Zurückdaltungs- rechteS, der Ehescheidungsgrünbe, der Erbfolge lediglich nach Zweckmäßigkeilsrücksichlen zu geschehen. Die leitenden Grund sätze hierfür in Gemeinschaft mit der Negierung zu bestimmen, ist recht eigentlich die Aufgabe des Reichstages, und es wäre zu bedauern, wenn er das in der Meinung, daß eS sich nur um technisch - juristische Fragen handle, unerwogen ließe." Und an anderer Stelle fügt der Autor hinzu: „Wenn der Reichstag den Entwurf, ohne ihn zu prüfen, ab- lrhnte, würde wohl Jeverman ihn mit Recht einer schweren Pflichtversäumniß und Versündigung an der Wohlfahrt des deutschen Volkes beschuldigen. Wie kann man aber anderer seits verlangen, daß er ihn ebenso prüfungSloS annehme?" Lohe warnt davor, prüfung-los den Entwurf anzunebmrn, nur um di« Sehnsucht nach einheitlichem Reckt so schnell als möglich zu beseitigen. „Nicht die Gemeinsamkeit des Rechtes ist eS", sagt er in seiner Schrift, „die in erster Linie zu erstreben ist, sondern die Vollkommenheit, soweit sie überhaupt nach dem Stande der beutigen Cultur und Rechts Wissenschaft nöthig ist. Dies« allein vermag segensreich zu wirken. Und wie diese Wirkung bei einem vollkommenen Gesetz erhobt wird, wenn eS zugleich «in gemeinsames, alle Volks genossen umfassendes ist, so wird nothwendig auch di» schäd liche Wirkung eines manzelhaften Gesetzes durch die Gemeinsam keit gesteigert. Deshalb darf nur dann der Entwurf zum Gesetz erhoben werden, wenn beide GesrtzgebungSfactoren, die Re gierunaen und der Reichstag, darüber einig sind, daß darin daS Beste geschaffen worden sei, waS zur Zeit überhaupt möglich war. Man fühlt sich immer noch wohler in einem gutsitzenden, aber altmodischen Rocke, als in einem neu modischen, aber schlecht paffenden." Ein Verweisen auf die Möglichkeit künftiger Verbesserungen wird von Lobe mit aller Entschiedenheit bekämpft. Er spricht sich im Weiteren auch darüber auS, WaS ibm an dem neuen Entwurf noch bedenklich erscheint, obne denselben jedoch als Ganzes etwa zu bekämpfen. Er will nickt so Vieles nebenbei in Sonder gesetzen geregelt wissen, und verlangt eine sorgfältige Prüfung der Frage, ob man dem Bedürfniß de- heutigen WirtbschaftS- lebenS nach besonderer Regelung allenthalben gerecht ge worden ist. Die Forderung nach größerer Jndividualisirung wirb von ibm nicht zum ersten Male erhoben. Sie wurde dem ersten Entwurf gegenüber geltend gemacht und erscheint auch dem zweite» gegenüber nicht unberechtigt. Die Bestimmungen de- Entwürfe- müssen nach ihrer socialen Wirkung hin, nach Lobr'S Ansicht, einer genauen Prüfung unterzogen werden. Diese Forderung bat seiner Zeit auch der Wiener Professor l)r. Anton Menger nachdrücklichst begründet. Schließlich wird eS nach Lobe'S Darlegungen auch einer eingehenden Untersuchung bedürfen, ob der Entwurf in seiner Form und Sprache erreicht bat, was von ibm zu wünschen ist. 2m „Sächsischen Archiv für bürgerliche» Reckt und dessen Leitung für eine unveränderte Annahme deS twurseS eintritt, hat der Senatspräsident de- Reichs gerichts Vr. Bingner „Bemerkungen zu dem defini tiven Entwürfe eine- bürgerlichen Gesetzbuches für daß deutsche Reich" erscheinen lasse», in denen er yrrvorhrbt, daß der zweite Entwurf wesentliche Verbesserungen »sch Fassung und Inhalt ausweise und daß eß patriotlickr Pflicht sei. an den Grundlagen de« Entwürfe» nickt mehr zu rütteln. Ader Binder hält e< trotzdem nicht für unangebracht, auch jetzt noch Mangel hrrvorzudebrn, deren unschwer zu be wirkende Verbessern!,., für sehr wünschen-ivertb zu krackten sei, insbesondere um M.ßstände zu vermeide», wclc», sich 'onst bei der Anwendung des Gesetze- ergeben dürften. Die Mängel, welche der geschätzte Verfasser bervorhebt, sollen hier nickt näber behandelt werden. Die Ausführungen sind in einem Sonderabdruck in der Noßberg'schen Hofbuckhandlung in Leipzig erschienen, also Jedermann zugänzlick. Aus der Schrift gebt aber soviel hervor, daß Bingner die Ansicht Lobe'S ihcilt und eine Enblocaniiabnie für nicht durchführbar erachtet. „Die Behandlung des Entwurfes im Reichstage", agt er, „wird nickt leicht sein. Einerseits wäre die Nieder- etzung einer Commission mit dem Auftrag, den ganzen Ent wurf im Einzelnen diirckzuberatben, wie das seiner Zeit bei den Reick-jiistizgesetzen geschah, und darüber einem späteren Reichstage Bericht zu erstatten, eine höchst bedenkliche Maßregel, welche da» Zustandekommen de- Gesetzbuches mindestens erheblich noch weiter vcrwgern, wenn nicht sogar in Frage stellen könnte. Auch wäre reckt zweifelhaft, ob auf diesem Wege eine Verbesserung de» Ent Wurfes zu erzielen wäre, da erfahrungsgemäß bei solchen Parlamentär!,chen Commissionen nickt selten auch zu dem g oßen Systeme nicht passende und in ihrer Tragweite nickt rnügend durchgedachte Anträge zur Annahme gelangen. lndererseikS wird der Reichstag sich doch wobl schwerlich entschließen, von jeder Erörterung des Entwurfes Umgang zu nehmen und denselben einfach unverändert als Ganzes an- zunehmen, wa< freilich gegenüber einer nochmaligen, völligen Umarbeitung als daS mindere Uebel anznsehen wäre. Viel leicht dürfte am zweckmäßigsten sein, zwar eine Commission zu bilden, derselben aber nur einzelne vom Plenum als erörterungSwerth anerkannte AenderungSvorschläge zu über weisen." Aus einem anderen Standpuncte als die bisher genannten I Autoren siebt der frühere Leipziger Laudgerichksratb, jetzige > OberlanteSgerichtSratb von Sommerlatt in Dresden in seiner Schrift: „Ist der Entwurf des deutschen bürgerlichen Gesetzbuches sn dloo annehmbar?", welche ebenfalls ursprünglich in dem erwäbnlen Archiv er schienen und von der Noßberg'schen Buchbantlung als esonderte Broschüre berausgegebcn worden ist. Der Ver- afser tritt für eine Enblocannabme ein, fordert aber, daß »gleich ein Gesetz erlassen werde, durch das nach lblauf eine» Zeiträume- von zehn Jahren, vom Inkrafttreten de- Gesetzes an gerechnet, eine Revision de- letzteren angeordnet wird. v. Sommer- latt vertheidigt den Entwurf mit Nachdruck gegen die ihm gemachten Vorwürfe, daß er zu viel römisches, u wenig deutsches Recht enthalte, daß er den socialen llnforderungea der Gegenwart nicht entspreche »nd daß er in keiner gemeinverständlichen Sprache abgefaßt sei. Nament lich den ersten Vorwurf weist er in eingebender Darstellung rurück, und auch wir sind der Meinung, daß dieser Vorwurf wohl der am wenigsten stichhaltigste sein dürfte. Den beiden andern Vorwürfen will auch v. Sommerlatt „eine gewisse Berechtigung nicht absprechen." Aber er bält es für eine beinahe unlösbare Aufgabe, in einem Privatrecktsgesetze die socialen Fragen befriedigend zu lösen. WaS zu dieser Lösung geschehen konnte, ist nach seinem Dafürhalten geschehen. Auch die Sprache leidet nicht an solchen Mängeln, daß sie eine Enblocannahme unmöglich machte. Dieser Eubloc- annabme redet der Verfasser zum Schluß in längeren Ausführungen daS Wort. „DaS Recht der Volksvertretung, den Entwurf im Einzelnen einer Prüfung zu unter ziehen, wird Niemand ernstlich bestreiten wollen Au» höheren, nationalen Rücksichten mag aber der Reichstag auf die Ausübung dieses Rechtes einmal verzichten. Der Reichstag kann eS auch unbedenklich mit seiner Würde vereinbaren, zu einem zwar so wichtigen, in seinen Einzelbriten aber gerade im Parlament so schwer nachzuprüsenden Gesetzesvonchlage ein einfache» Ja zu sagen. Bisher sind beinabe alle größeren PrivatrechtScolificationrn durch den Machtspruch eines Herrscher» zu Stande gekommen. Justinian, Napoleon, Friedrich der Große sind hierfür Zeugniß. Zu den Zeiten dieser Herrscher kannte man keine Bolkovertretung. Heutzutage kann natürlich bei einem derartigen Gesetzgebung-Werke dir Mitwirkung der Volksvertretung nickt entbehrt werden. Wobl aber möchte sich in Bezug auf die Art und den Umfang dieser Mitwirkung im gegenwärtigen Falle jeder Volks Vertreter, der es mit seinem Amte ernst nimmt, bescheiden, daß seine individuellen Ansichten und Wünsche dem Woble te» Ganren unterzuordnrn sind. Eine solche Selbstbeschränkung ist für das Zustandekommen deS Gesetzes unbedingt erforderlich. Möchten doch die Volksvertreter sich an dem Beispiele der Fürsten ein Vorbild nehmen! Wir hätten kein deutsches Reich, wenn nicht alle deutschen Fürsten, der König von Preußen eingeschlossen, von ihren Souveraiuetätsrechtcn einen erheblichen Tbeil dem Reiche geopfert hätten. Es bat ans Seiten der Fürsten — die auch bei dem Inkrafttreten deS Gesetzbuches wieder auf ein Stück ihrer Macht zu Gunsten des Reiches verzichten — mehr Selbstverleugnung dazu gekört, derartige Opfer zu bringen, als wenn einem Reichsboten zugrmiitbrt wird, unter Aufgabe eine» in seinen Ergebnissen zwcifelbaftrn Prüfungsrechte- dem Entwürfe obne Weitere« zuzustimmen Kommt das bürgerliche Ge setzbuch jetzt nicht zu Stande, so erlebt wenigsten- die gegenwärtige Generation sein Inkrafttreten nicht mehr. Sehr mit Recht ist von berufener Seite schon auf die Dringlichkeit des Gesetzbuches bingewiesen worden, zu mal da bei seinem Nicktzustandekommeu Staaten wie Preußen, Bayern nothwendig an die Revision ihre« bürgerlichen Reckte- Herangehen müßten, wodurch di« Recht-cinheit wieder aus längere Zeit in Frage gestellt wäre. Jedes berechtigte Interesse de» Reichstage- wird endlich ge wahrt, wenn für die Zeit nach Ablauf eine- gewissen Zeit raume», etwa von lO Jabrcn, eine gesetzgeberische Revision de» Werke« beschlossen würde. Dann wird die während Vieser Zeit erprobt«, praktische Erfahrung, — und die Praxi» ist dock der beste Prüfstein eine- Gesetze- — die Beseitigung der zu Tage getretenen Mängel leichter ermöglichen als jetzt, wo vir praktische Tragweite der einzelnen Bestimmungen vielfac» noch nicht zu übersehen ist. Selbstverständlicher Weise schadet dann auch di« gründlichste, langauSgedchntr Commission», brrathung dem Werke nicht« mebr." Wir "erkennen keineswegs, daß eine Enblocannahme un» mancherlei Necht-beslimmiingc» octroyren wird, die sich als verfehlt erweisen werden. Wir wünschen daher mit Lobe und Bingner und anderen Autoren, die auf gleichem Standpuncte sieben, daß den vorhandenen Mängeln abgeholfen werde, — jedoch nur, wenn dies möglich ist, ohne da» Zustandekommen deS Gesetzbuches in Frage zu stellen, ohne die Erlangung der Rechtskraft desselben in zu weite Ferne zu verschieben. Denn wir wollen andrerseits mit von Sommerlatt lieber dieses Gesetzbuch mit seinen Mängeln besitzen, als eS bei der alten Zersplitterung belassen. Es wird Sacke de- Reichstags sein, eine Form zu finden, welche die Abänderung wesentlicher Mängel ermöglicht, ohne VaS Zustandekommen de« Gesetz buches zu gefährden. Wenn Lobe in Bezug auf den Ent wurf sagt, daß man sich in einem allen passenden Nocke wohler fühle als in einem neuen, der nicht paßt, so paßt vor Allem das Beispiel nickt recht. Denn die alten Röcke passen auch schon lange nicht mehr und sind in Preußen uud Bayer« bedenklich durchlöchert worben. Deutsches Reich. * Leipzig, 28. Januar. Zu dem vielbesprochenen, voraus sichtlich in der zweiten Hälfte des Monat» Februar vor dem vereinigten zwciien und dritten Strafsenat deS ReickSgerichis stattfinrenden LanbeSverratbSprocetz gegen Schoren und Genossen erfahren wir, daß sowohl die s. Zt. mit- verbaslete Frau Richter au« Magdeburg und ihre Tochter, als auch der ebenfalls verhaftete Kaufmann Apfelbaum aus der Haft entlassen worden sind. Gegen diese Personen ist die Anklage nicht aufrecht erhalten worden. (-) Berlin, 28. Januar. „Sinn und Verstand verlier' ich schier, wenn ich das Ausland caressir'l" so müßte, frei nach Goetbe, der „Vorwärts" ausrufen, wenn er eine einer beliebten Hymnen auf daS Ausland, selbst verständlich auf Koste» de» Deutschen Reichs, von sich gegeben >at Was gestern daS socialdeniokratische Centralorgan an peichelleckerei England gegenüber geleistet hat, wird selbst der bornirteste „Jingo" nickt ohne ein spöttisches Lächeln esen. Der „Vorwärts" schreibt: „Ja — England ist egoistisch. Aber dieses egoistische England hat mit all' seinem Egoismus der Welt, der Kultur, der Menschheit unvergängliche und unvergeßlich« Dienste geleistet. Wir wollen nur einen heroorheben: England hat die moderne Welt von der Herrschaft der Barbarei und de« Absolutismus befreit. England ist e« zu verdanken, daß der Navoleonische Absolu tismus überwunden ward. Während die deutschen Fürsten dem Korsischen Eroberer" demüthig ein „Parterre von Königen" stellten und ihre deutschen Landeskinder von ihm auf die Schlachtbank führen ließen, kämpfte England allein, und „in seiner Alleinheit am stärksten" — wie ein englisches Lied stolz und wahr sagt — gegen den Bezwinger sänimtlicher Fürsten Europas und brach nach fünf» zehnjährigem Ringen auch seine Macht. Und als nach der Niederwerfung Napoleons die russische Zarenbarbarei die -eilige Allianz gründete, um unter dem Teckmantel christlicher Phrasen das alte Pfaffen- und Despotenregiment wieder einzu ühren, da war es England allein — denn Frankreich in seiner Erschöpfung hatte sich den Schlingen der Heiligen Allianz nicht zu entziehen vermocht —, da war es England, das, der ganzen übrigen Welt die Spitze bietend, der abscheulichen Schlange das Haupt ab chlug, welche die Völker Europa« in schleimiger (I) Umarmung zu erdrücken gedroht hatte. Und dieses England, das nicht blos die politische Freiheit gerettet, sondern auch in dem geistigen und socialen Befreiung-Werk allezeit voran war — da un« Darwin gesctstnkt und Karl Marx für seinen Wissenschaft, lichen Alexanderzug ausgerüstet hat —, dieses England vre körpert in den Augen aller Reactioaärr der Welt das Princip der Freiheit, der Volkssonveratnität. der Demokratie — und ist ihnen voch verhaßler als selbst Frankreich, denn es ist niemals wie Frankreich leider sehr häufig, von der Reaktion überwältigt worden. Das ist Grund genug und übergenug für dir inter national» Reaction, England olS ihre» Hauptseind zu br betrachten. Selbstmörderischer Wahnwitz wäre es aber, wollten die Völker, wollte insbesondere unser deutsches Volk in diese» Gehetz und Gezeter einstimmen und sich in blöder Verblendung einfange» lasten von der wiedererwachten „Hydra" der Heiligen Allianz." Es gekörten Spalten dazu, wollte man diesen Rattenkönic von Geschichtsfälschungen und Erfindungen im Einzelnen zer gliedern. Die wesentlichsten Entstellungen sind auch so grob, daß eS genügt, sie durch den Druck als solche zu kennzeichne». Nur eine Bemerkung sei gemacht. England ve»körpert in den Augen deS „Vorwärts" da- Princip der Freiheit, der Volks- svuverainität, der Demokratie. Die Irländer und Ost- tndier wissen vavon zu erzählen! * Berlin, 28. Januar. Kein Kanitz, keine Kabne, hieß im Jahre 1884 die Losung der Agrarier, die zur Folge batte, daß die ErneuerungS- und SchiffSnrubaulen in unge wöhnlichem Umfange eingeschränkt wurden. Jetzt, wo der Antrag Kanitz endgiltig abgelban ist, wird dasselbe Lied von Neuem angestimmt. So schreibt der Lande-älteste Graf Recke-Neugutb der „D. TageSztg." dir trostlose Lage der Landwirthschaft und des Handwerk» finde im Reichstage auck von Seiten der Negierung eine Beurtheilung, die das tiefste Befremden erregen niüsie. Zu der Behauptung, daß Deutsch land ein reiches Land sei, dessen Credit zur Flotteu- vermehrung auf« Aeußerste auzespanut werden müsse, bemerkl Graf Recke: „Dieser Ansicht muß ich aus da» Entschiedenste widersprechen. Bei solchen Bewilligungen ist die Steurrkrafl deS Landes aus schlaggebend; ist diese aber so gesunken wir bei uns, so kann kein Patriot einer Vermehrung zustimmea, mag diese auch noch so wünschenswerih erscheinen, um so weniger, da unsere Rkgxrung nicht im Mindesten geneigt scheint, das jetzt benschende sre,händlrrisch.grobcav>talts«ische Wirthschoft-system zu verlosten, ein System, welches jede ehrliche Arbeit so schwer schädigt. Daher wird auch di» Steuerkros« immer mehr sinken, dt» Zustände tm Mittelstand von Stadt und Land werden sich immer unhaltbarer gestalten, Taulende und Abertausende brave strebsame Männer werden mit ihren Familien durch den Wahn zu Grunde gehen, daß Deutschland rin Industriestaat sei oder werden solle durch die jetzt herrschende Weltwirthschaft. bis Deutschland sich selbst zum Opfer fallen wird! Möchte die Zeit nahe sein, wo unsere Regierung aus ihre Fahne chreibt: Rückkehr zur christlich-germanischen Weltanschauung, Rückkehr zur nationalen Wlrthschaflspolitikl" In demselben Sinne schreibt die „Landwirthschaft - iche Zeitung" in ihrem letzten Heft: „Der Antrag kehrt wieder; wie bald und mit welchtm Er- olge. wird freilich davon abhängen, ob seine 88 parlamentarischen Vertreter die Eonsequenz ihrer Ueberzrugung bis zu Ende ziehen »nd den bisher berüchligten Sau zu einem berühmten wandeln werden: diesem Ministerium keinen Groschen." Die Beratbung des Marine-Etat« wird erkennen lassen, in welchem Umfange der Herr Lanvesälteste und di« ,Zand wirtbsch. Ztg." di« conservatlv« Fraktion hinter sich haben. L. Berlin, 28. Januar. (Telegramm.) Der Kaiser arbeitete heute Vormittag von lO Uhr ab längere Zeit mit dem General von Hahuke und geleitete Mittags den König und die Königin von Württemberg nach dem Anbalter Bahnhvfe. ö. Berlin, 28. Januak. (Privattelegramm.) Für den verstorbenen amerikanischen Botschafter General Th. »untzon and heute Nachmittag in der Wobnung de- Verblichenen, Tbirrgartenslraße 37, eine Trauerfeier im engsten Kreise tatt. Die osficielle Trauerfeier, deren Arrangement das in Berlin beglaubigte diplomatische Corps unter Leitung des derzeitigen Doyen« Herrn Herbett« und da« Auswärtige Amt in die Hand genommen haben, wird am Donnerstag Mittag in der englischen Capelle in Schloß Monbijou statt >aben. Die Leiche des Botschafter- wird provisorisch in Berlin beigesetzt, um später, wenn di» Familie nach Amerika lbersiedeli, dorthin übergesührt zu werden » L. Berlin, 28. Januar. (Privattelegramm.) I» Hannover ist der OberverwaltungSgerichtSrath a. D. Alb recht im 70. Lebensjahre gestorben. Er war eine« derjenigen Mitglieder der naiional-liberalen Partei, welche dem Reichs tag, sowohl dem Norddeutschen als auch dem Deutschen, seil seiner Begründung angehört batten; an der Erinnerungsfeier am 18. d. M. Tbeil zu nehmen, hatte ihn die Krankheit, der er bald darauf erlegen ist, gehindert. Als Redner war er im Reichstag wenig kervvrgetreten; aber al» Mitglied und Vorsitzender voll Commissionen war er bei allen Parteien geschätzt. ö. Berlin, 28. Januar. (Priv alte legramm.) Dein GenerallandschaftStirector Albrccht auf Suren,in in West preußen, der am Montag seine 30 jährige Wirksamkeit als Direktor der westpi russischen Landschaft vollendete, ist der rothe Adlerorden 2. Classe mit Eichenlaub verliehen worden. — Uebcr die Opfer des Herrn v. Hammerstein wird der „Franks. Ztg." geschrieben: „Die längst beobachtete gedrückte Stimmung einzelner konser vativer Männer ist viel weniger aus di« Noih der Landwirthschaft, über die sie öffentlich sprechen, als aut schwere Schädigungen durch den einstige» Freund und Parteigenossen zurückzusüdrrn, die sie weise und schmerzlich schweigend tragen. Eines dieser Opfer hat Herr v. Kröcher in seiner Rede geschildert, ohne den Namen des Aermsten zu verrathen, den alle Vorsicht, daß noch ein bestimmter zahlungsfähiger Dritter auf dem Wechsel stehe, und daß dieser nun bei der ritterschastlichen Darlehenskasse discontirt werden solle, nicht vor der betrügerischen Verwerthung seiner einmal gegebenen Unterschrift geschützt hat. In parlamentarischen Kreisen erräih man den ln der Geschichte der conservativen Partei ost genannten Namen dieses Opfers und dir Hohr Summe, um die es sich handelt. AlS Ergebniß der niederen Jagd des edlen Frei Herrn sind neben dem Edelwild bekannte Restaurateure und Weindändler mit Summen von einigen Tausenden angeschossen worden. Ein pommerscher Gutsbesitzer soll sehr erregt werden, wenn man ihm die harmlosen Worte citirt: „Oh, bitte, Jbr Wort genügt mir, Herr Baron." Mit dieser vertrauensvollen Wendung hat er nämlich als Tourist in Tirol dem Freiherr« v. Hammerstein ahnungslos einige Tausend Mark vorgestreckl, dir dieser nothwendig zu seiner Flucht brauchte. Jetzt hat er zum Schaden auch noch den Svott Da ist der Herr Erzbischof StablrwSki besser dran; der kann sich über manche- Ungemach, da« ihm die eifrigen Herren dom Hanse«Tiede-Kennemann-Verein bereiten, mit der angenehmen Erinnerung trösten, daß er den finanziellen Anzapfungen des ManneS glücklich entgangen ist, der an der Spitze des AntrageS jur Herbeiführung der Selbstständigkeit der evangelischen Kirche stand. Er hat wirktch den Primas von Polen in seiner Diöcese ausgesucht; wer will es diesem verdenken, wenn er zunächst eine politische Mission de- einflußreichen konservativen Pubticislrn und Parteisührrr- vrrmuthet hat? Als sich herau-ftellte, daß ein Pump von etwa 20000 der Zweck des Besuche» war, da ging dir Diplomatie der Kirche ohne Schaden au- diesem Inter- mezzo hervor. Der Primas von Polen ist jetzt rin viel beneideter Mann. . . . Eigenartig war der Herr Baron als Fälscher: er hat nämlich nnorthographisch gefälscht. Er schrieb mit großen steilen Buchslaben „Finkensltin , während sich der Vorsitzende des Comit-s der „Kreuzzritung" mit ck schreibt. Als mildernder Uni- stand dürfte dos nicht in- Gewicht fallen. In eiuer anderen Be ziehung hat Hammerstein Glück: Die Unterschlagung d«S Stöcker« fand« ist inzwischen verjährt. Da hat die furchtsame Duldung und Verschleppung und die Verschleierung eine- nahe Le- theiligten praktische Erfolg« auszuweisen. Um so mehr ober mußte dieser sür den Proceß gegen Hammerstein aus- scheidende Punct öffentlich aufgeklärt werden. Die Unterschlagung diese» Fond- war vor einem Jahre nicht nur bekannt, sondern auch bewiesen. Das hat Herr v. Kröcher trotz einer gewissen Leffentlichkeit doch schonend übergangen. Wenn nun da» Eomite- der „Kreuzzritung", wie man hört, sich gegen dir Kröcher'sche Darstellung rechtfertigen will, so empfehlen wir den Herren, daß sie den Einen preisgrben, der die Anzeige von der Unterschlagung des Stöckersonds unterdrückt hat. Thun sie da«, so ist für die Anderen viel gewonnen, und dann wird man nicht hart urtheilen, wenn sie sagen: Weshalb sollten wir armen Eomits- mitgliedrr denn mehr Louraa« vor der Pistole des „nervenstarken" Freunde- haben als Parteileitung und Fraktion, dle nach Kröcher's ausfallender Enthüllung wenigsteas durch ihreu Vorsitzenden unter richtet waren?" — Die BeschLst» der amerikanischen Botschaft an Stelle des verstorbenen Botschafter- Generat Runyon sühn bis auf Weiteres der Erste Botschastsrath Jackson. * Eltztni, 28. Januar. (Telegramm.) Im Aufträge de« Kaisers überbracht« heute der Flügeladjutan« Oberst liruienant Mackensen, Commandeur der l. Leibhusaren, eine prachtvoll« Kranzspende zu dem Vegräbniß des Gebeimraths Schick au. An dem unabsehbaren Trauergefolge nahmen Tbeil: Mackensen al« Vertreter de« Kaiser», der Oderprästdeni Staatsminister v. Goßlcr, RegierungSpräsidrrrt v. Holwrde, der Landesdirector Jäckel, Corvrttea-Eapitain Meuß als Der-
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