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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.01.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960129026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896012902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896012902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-01
- Tag1896-01-29
- Monat1896-01
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VezugS.PreiS ß» der Hauptexpedition oder den im Stadt- bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau- >l b.öO. Durch die Post bezogen für Deutschland nnd Oesterreich: viertel,äbrlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbaiidieiidung In» Ausland: monatlich ?.bO. Die Morgen-Au-gabr erscheint um '/»? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Lr-artto« «ad Erpr-itton: L-tzanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Ott« Rlemm's Tortim. (Alfred Hahn)» Universitätsstraße 1, LoniS Lösche. Katharinenstr. 14, Part, und KönigSplatz 7. ^?5l. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Müsli lütt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nolizei-Nmles der Ltadt Leipzig. Mittwoch den 29. Januar 1896. Anzeigen.Prei» die 6gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen uiiter demRedactionssrrich (4gv- spalten) bO^Z, vor den Familieunachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zisserniatz nach höherem Tarif. öertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderung 60—, mit Postbeförderung -4t 70.—. Annahmeschluk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: BormittagS 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Für die Montag-Morgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. SV. Jahrgang. ^ Politische Tagesschau. * Leipzig, 29. Januar. Wie dem „Berk. Tagebl." „von sehr geschätzter Seite" »schrieben wird, bat sich der Kaiser kürzlich in sehr emerkenSwerther Weise über die politische Situation in Deutschland geäußert. Er hörte nach diesem Berichte freundlich und geduldig die etwas weitschweifigen Aus führungen eines alten gelebrten Herren an, der den Ueber- Hang zu einem rein parlamentarischen System als das beste Heilmittel gegen alle staatsverneinenden Bestrebungen empfabl, und entgegnete dann lebhaft: „Was wollen Sie? Soll ich etwas thun, was ich meiner innersten Ueberzeugung nach für verkehrt halte ? Und mehr noch. Soll ich etwas in Scene setzen, wozu mich die polilische Lage durch aus nicht ausfordert ? Das wäre eine sehr »«philosophische Politik! Unsere Parlamente haben Majoritäten, aber keine Majorität — mit wem soll mau da regieren ? Ich hoffe, daß ich wirklich kein unbescheidener Mensch bin; ich lasse mir ganz gern von einer Versammlung von tüchtigen Köpfen imponiren. Aber soll ich zum Imponiren ausfordern ? Mein Volk benutze seine ver- sassungsmäßigcn Rechte, es räume mit der unseligen Partei» zersplitteruug auf und scheide politisch die Ganzen von den Halben! Kommt dabei auch etwas heraus, was mir persönlich noch so sehr gegen den Strich geht, so werde ich doch der Erste sein, der die Achtung vor der Verfassung in Ehren hält. Ich werde häufig verkannt, obwohl ich meine Gedanken durchaus nicht verschleiere. Ich erfülle meine mir von Gott verliehene hohe Mission nach bestem Willen und Ermessen und denke nicht daran, meine Anschauungen irgend Jemand aufzunöthigen. Sofern die Gesetze nicht verletzt werden, mag Jeder seinen „Pantoffel" schwingen, wie er Lust hat! Wo meine Kräfte bei der Leitung unserer politischen Geschicke nicht ausreichen, bin ich Gott für das, was geschieht, nicht niehr verantwortlich. Unser Volk hat den Beweis kriegerischer Mündigkeit so herrlich erbracht — mein Großvater hat da den unvergleichlichen Exercirmeistcr abgegeben. Der politische Exercirmeister hingegen ist die Verfassung, die commandirt immer zuletzt, nicht ein Einzelwille; und die politische Situation ist heutzutage stets das Werk des ganzen Volkes, nicht das eines einzigen Mannes. Wenn Sie wüßten, wie ich die Katzbucklrr jeder Art verabscheue! Männer erfordert die Zeit, rückgratseste, überzeugungstrcue Männer! Wo ist eine Majorität von solchen? Zeigen Sie sie mir, damit ich ihnen meinen kaiserlichen Gruß entbiete! Wollte Gott, daß das zweite Vierteljahrhundert eine Scheidung der politischen Geister heraufführe, eine Majorität» welche das Gesammtinteresje des Volkes über jedes Sondcrintercsse stellt. Nur in solcher Wandlung sehe ich die Bürgschaft für eine gesunde inner- politische Entwicklung, die uns auch nach außen stark erkält." Wir haben keinen Grund, die Richtigkeit dieser Angabe zu bezweifeln, denn das, was sie dem Kaiser in den Mund legt, entspricht vollkommen seinen Handlungen und den mancherlei Kundgebungen, die in der letzten Zeit von ihm bekannt geworden sind. Man kann nur wünschen, daß diese neueste kaiserliche Auslassung die weiteste Verbreitung nnd — die rechten Interpreten findet. Daß die falschen Interpreten sich schleunigst an die Arbeit machen, um die laiser liehen Worte für sich nnd ihre Sonderzwecke auszubeuten, ist vorauszusehen. Wir glauben sie bereits zu hören, die Apostel der Demokratie, die sich für die wahren „rückgratsesten, überzeugungstreuen Männer" ausgcben, welche „die Zeit er fordert"; die Anhänger des Antrags Kanitz, die auf den Kaiser sich berufen, indem sie die Landwirthe auffordern, scst- zuhalten an ihrer Ueberzeugung von der segensreichen Kraft dieses Antrags für das Gesammtinteresse des Volkes, nnd die Agitatoren des Centrums, die den katholischen Wählern cin- reden, sie würden nicht gute Deutsche im Sinne des Kaisers sein, wenn sie nicht rückgratfest auch ferner jene Grunvsätzc ver träten, die zu Grundsätzen der Regierung werden müßten, wenn es dem ganzen deutschen Volk wohlgehen solle. So lange das deutsche Volk in seiner Mehrheit von den ein seitigsten Vertretern von Sonderintercssen sich einreden läßt, die rücksichtslose Verfolgung solcher Interessen sei reckte Festig keit und Ueberzeugungstreue, diene dem Wohle des Ganzen und imponire dem Kaiser, so lange werden auch die besten Mahnungen des Monarchen ungebört verhallen und die Folgen der unseligen Parteizersplitterung fühlbar bleiben, die läbmend auf unserer inneren Ent wickelung und unserer Activnskraft nach außen liegen. Und die falschen Interpreten werden das Volt beherrschen, so lange im Parlamente die berufenen Interpreten der kaiserlichen Worte nicht mit consequenter Schärfe den Vertretern der Sonderintercssen entgegentreten und den bethörten Massen die Augen über die Folgen offnen, die sie durch ihre Zersplitterung über das Reich und sich selbst herausbeschwören. Ein verheißungsvoller Anfang zum Besseren ist jüngst mit der energischen Abweisung des Antrags Kanitz gemacht worden. Vielleicht bat die neueste kaiserliche Kundgebung wenigstens die Folge, daß es bei diesem Anfänge nicht bleibt. Herr v. Hammerstein, der den Weg nach Berlin dem nächst antreten wird, ja in diesem Augenblicke vielleicht schon angelreten hat, wirst seinen Schatten voraus. Und zwar ist cS nicht seine bevorstehende Ankunft, die die ver stärkte Aufmerksamkeit neuerdings so aus seine Angelegen heit gelenkt hat; wie im Sommer und Herbst das Verhalten seiner ehemaligen Parteigenossen die öffentliche Er örterung des Falles tbeils überhaupt erst veranlaßt, tbcils ibr die Richtung gegeben hat, so auch jetzt wieder. Ob die Er klärungen, die Herr v. Kröchcr im preußischen Abgeordneten- hause abgegeben hat, zweckmäßig waren, das zu unter suchen ist nicht unseres Amtes. Jedenfalls hat die Aus beutung der ob dieser Erklärung angeblich entstandenen „allgemeinen Befriedigung", wie die preußische conservaiivc Presse sic betrieben hat, das Gegcntheil von dem erreicht, was sie beabsichtigt hatte. Die beinahe unverschämt zu nennende Ausdehnung der Bedeutung der Ehrenerklärung des Abgeordneten v. Eyncrn, die nur Herrn v. Kröcher gegolten hatte, ist energisch zurückgewiesen worben, und die „Kreuzrtg.", die das „Leipz. Tageblatt" und andere nationalliberale Blätter, die das Monate hindurch andauernde politische unk gesell schaftliche Festhalten an einem als Verbrecher erkannten Parteigenossen nicht in der Ordnung gesunden hatten, noch am Sonntag anfallen zu dürfen geglaubt hat, befindet sich heute wieder in zaghafter Defensive. Einer Defensive übrigens, die herausfordernder wirkt, als die Angriffe. Was soll man dazu sagen, daß dieses Blatt der Erklärung eines — ungenannten Mitgliedes des „Kreuz- zeitungS"-Eomitös Raum giebt, in welcher glaubhaft zu machen versucht wird, das Conntv habe am 25. Juni vorigen Jahres noch gezweifelt, ob es „juristisch möglich sein würde, Hammcrstein zu suspendieen", „ob die gegenwärtigen (danialigen) Comilßmitgiieder die Ende 1891 erfolgte Kündigung würden durchführen und die Entfernung Hammerstein's von der Redaction gerichtlich (!) würden erzwingen können"! „Nachdem," so fährt die Er klärung fort, „es gelungen (!) war, die juristischen (!) Zweifel Lurch ein zwischen dem jetzigen Verleger der Zeitung und dem Freiberrn von Hammerstein getroffenes Uebereinkommen (!!) zu beseitigen, ward Tags daraus, d. h. am 1. Juli, demselben seine Suspendirung eröffnet." Mit anderen Worten: der Verfasser der Erklärung versucht der Welt einzuretcn, er babe gemeint, nach dem zu Berlin geltenden bürgerlichen Recht oder vielleicht auch nach dem deutschen Handelsgesetzbuch könne ein Vertrag exisliren, der es unmöglich mache, einen Angestellten, der seine Stellung, die durch den Vertrag begrüntet ist, zur Unterschlagung, Untreue benutzt und neben diesen Ver gehen noch Verbrecken verübt hat, von seinem Posten zu ent fernen! Diese Kunst, falsche Vorstellungen zu begen, geht auch über des Grafen Finck vo» Fmckenstein und über jedes normalen Menschen Vermögen hinaus! Wenn die Herren, vielleicht weil bei der theilweijen Neubesetzung des Comn4s die Rechlsform nicht voll gewahrt worben war, zum Vollzug de» von Anderen, zweifellos Berechtigteren, ausgesprochenen Kün digung sich nickt legilimirt glaubten, dann Halle die Staats anwaltschaft aus der Verlegenheit geholfen, wenn sie ihr gesagt ballen, warum sie Herrn v. Hammerstein aus der „Kreuzzeitung" haben wollten. Sie hätte es gleichzeitig „juristisch" und praktisch möglich gemacht, sintemalen man vom Untersuchiiiigsgefängiiiß in Moabit aus keine Zeitung redigiren kann. Das Tollste in jener Erklärung aber ist, daß sie juristische Zweifel durch ein Uedereulkommen mu Hammerstein beseitigt. Wenn ein Kaufmann von einem diebischen Cassirer auf Grund eines Uebereinkommens mit diesem sich trennt, so sind eS ganz gewiß nicht Zweifel am gemeinen Recht, den Dieb hiiiauszuwerfe», die ihn zu diesem Schritte bewegen, sondern prak tische Erwägungen. Es ist ein starkes Stück, die Oeffentlicheit mit einer derartigen Erklärung zu behelligen. Gleichzeitig mit ihr wird eine Thatsache bekannt, die, wenn nichts Anderes, den Eonservativen zeigen mußte, wie sie sich durch ihr Vertrauen zu Hammerstein politisch versündigt haben. Der Mann bat, wie wir nach der „Frks.Ztg." niitgctheitl haben, den Erzbischof v. Stablewski, den Führer der großpolnischen Bewegung, um ein Darlchn angegangen. Vergebens; aber wird man glauben wollen, daß der Redacteur der „Kreuz- zeitung", namdem er den Gedanken gefaßt hatte, von diesem polnischen Gegner seiner Partei — die Eonservativen thcilcn in der Polenpolitik den nationalen Standpunkt — einen solchen Dienst zu erbitten, davor zurückgeschreckk ist, dem er hofften künftigen Gläubiger politisch gefällig zu sein? Und ist es gewiß, daß Hammerstein bei anderen politischen Gegnern — wir denken dabei nicht an Parlamentarier, denn diese machen die Politik gewisser Parteien dekannliich nicht — mit dem Anerbieten, sich in ein persönliches Abhängigteils- vcrhältniß zu ihnen zu begeben, ebenfalls abgewiesen wor den ist? Wenn die neueste Note des deutschen Gesandten Grafen Rex in den Regierungskreisen von Venezuela „Un behaglichkeit" verursacht, wie den „Times" aus Caracas be richtet wird, weil man bei der fortgesetzten Weigerung, die der „Großen Benezucla-Eisenbahngesellschaft" garan- lirlen Zinserträge nun auch wirklich zu zahlen, ein kräftiges Vorgehen der Reichsregierung für möglich hält, so darf man wohl erwarten, daß man sich in Caracas besinnt und diese Reelamationcn der Rcichsregierung ebenso berücksichtigt wie die übrigen bereits erledigten. Bor der Hand wird officiös der Meldung des „Bureaus Dalzicl" widersprochen, daß zwei deutsche Kriegsschiffe den Auftrag hätten, zur Unterstützung des deutschen Gesandten in Caracas sich nach Puerto Cabello zu begeben. Man wird aber, wie der „Hamb. Corresp." anscheinend gleifalls officiös zu vcr stehen giebt. in Caracas durchaus nicht schließen dürfen, daß die Reichsregierung sich schließlich auch bei der Nichterfüllung ihrer im Interesse der deutschen Unter nehmer gestellten Forderung beruhigen werde. Keinesfalls kann Präsident Crespo daraus rechnen, daß, falls sein Verhalle» in dieser Sache ein Einschreiten der deul^ schon Regierung notbwendig machen sollte, die Vereinigten Staaten sich einmischen würden, um Venezuela die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen zu ersparen. Man mag sich berechtigt Hallen, die Monroe-Doctrin, wenn die Lage sonst dazu angetban ist, auf Grenzstreiligkeiten zwischen einem europäischen und einem amerikanischen Staate anzuwenden, insoweit es sich um Gebietsansprüche handelt. Aber selbst nach der neulich von dem Senats- Comitö für auswärtige Angelegenheiten in Washington an genommenen Resolution, die übrigens Präsident Cleveland für gefährlich und unbrauchbar erklärt bat und die im Senat selbst auf starken Widerspruch gestoßen ist, kann die Monroe- Doctrin nicht angerufen werden, u m bösw illi ge Schuldner gegen Reklamationen eines europäischen Staates zu schützen. Allerdings scheint der Antragsteller Davis seine Resolution so verstanden wissen zu wollen, daß auch im letzteren Falle eine unberechtigte Einmischung vorläge, aber er wird sicherlich mit diefer Interpretation allein bleiben. Schon einmal, im Jahre 1878, hat ein deutsches Geschwader die Regierung von Nicaragua gezwungen, einer Forderung ihres Consuls in Managua nachzukommen, sie wird auch vor einer zweiten Execulion nicht zurückschrecken. Die englischen Minister machen beinahe einen Sport daraus, in Banketreden BoxersleUung gegen TeutschtanV und alle Welt einzunehmen: erst der erste Lord des Schatzes Balfour, dann der Sccretair des Kriegsamtk Lansoowne, jetzt der Colonienminister Chamberlain und eer Staatssecretair für Indien, Hamilton. Chamberlain's Birmingbamer Rede liegt nunmebr im Wortlaut vor, es ist dem selben aber nichts weiter zu entnehmen, als daß der Redner mit seinem geschwollenen hochnäsigen Tone seine Vorgänger noch übertroffen bat. Wir hatten nicht geglaubt, daß ei- möglich sei, diesen Bombast noch zu üderbielen. Aber Lord Hamilton hat es fertig gebracht, wie folgende Meldung zeigt: * London, 29. Januar. (Telegramm.) Lord Hamilton hielt gestern in Chiswick, einer Vorstadt Londons, eine Rede, in welcher er jagte, Dank der veriöhnlichen Haltung der Bereinigten Staaten habe er das Vertrauen, daß die Venezuela-Frage in befriedigender Weise werde gelöst werden. Im weitere» Verlaufe jeiner Rede er klärte Lord Hamilton: „Wir wollen die Monroe-Doctrin in unseren Colonien in Südafrika anwenden. Jede andere Nation soll klar er>ehen, daß ein jeder Verjuch, eine solche Doetrin, so weit unsere südasritanischen Colonien in Frage kommen, zu durch breche», ans den Widerstand der ganzen vereinigten Macht Englands und seiner Colonien in allen Welttheilcn stoßen würde". Lord Hamilton betonte schließlich die Nothwendig teil einer ununterbrochenen Politik der Ausrechlerhaltung der Armee- und Marine-Streitkräste. Konnte man im Beginn des Transvaal-Eonflictes nickt umhin, die Eorrectbeit der englischen Regierung, welche den Friedens brecherJameson auf dasEnlschiedenste desavouirle, anzuerkcnnen, so tritt es jetzt in den Reden der einzelnen Minister immer deutlicher zu Tage, daß das Cabinet Salisbury, wenn auch nickt officiell, sich mit Jameson und der Charterev-Compaznic vollständig identificirt. Wie wäre es sonst möglich. Feirillctsii. Annalise's Pflegemutter. 23j Roman von L. Haidheim. Nachdruck verboten. Die ganze Gegend widerhallte von de» neuesten Ereignissen. Was an den Ungeheuerlichkeiten sich die tollgeworbene Phantasie des sensationslüsternen Publicums ersinnen konnte, das sollten Georg von Linowitz, der Entflohene, und sein Sohn Joachim gethan haben. Das Gericht hielt sich nur an die Zeugenaussagen, und diese lieferten soviel gravirende Einzelheiten, daß der Beschluß, den Angeklagten gegen Hobe Caution auf freiem Fuße zu lasten, wieder aufgehoben werden mußte. Inzwischen sonderten sich aber von dem großen Haufen Derer, die das „Kreuzige" schrieen, mehr und mehr Anders denkende ab. Es fanden sich viele milde Herzen, welche das Unglück der Linowitz ausrichtig beklagte» und an eine Schuld nicht glauben konnten, so ernst die Herren vom Gericht auch blickten und so schlimm sich die Sache Joachim'S von Linowitz auch gestaltete. Denn, das war nicht wegzuleugnen und erregte die ge heime Aufmerksamkeit des Untersuchungsrichters im hohen Grade, die vielfachen belastenden Aeußerungen des älteren Linowitz, ob Joachim seine Zeit benutzt habe? u. s. w., die mehrfachen Scenrn heftigen Streites zwischen Vater und Sohn und die gleich darauf wieder stattfindende Versöhnung, die verhältnißmäßige Ruhe Beider bei dem Brande und ihre Mahnung, sich nicht in Gefahr zu wagen, eS sei Alles gut versichert. Diese sämmtlichen, an sich wenig bedeutenden, unter den vorliegenden Umständen aber sebr gravirenden Angaben der Zeugen hatten einen ausfallend festen Zusammen hang. Es bedurfte kaum der Combination des Richters. Die Thatsachen und Reden waren schon fest in einander ^ s fand sich bei derartigen Untersuchungen nicht leicht. Da gab eS allerlei Unklarheiten aufzubellen, Widersprüche zu lösen, nicht dazu Gehörendes zu sondern und aus einem Wust von Spreu das Korn zu suchen. Wie ging eS zu, daß hier die Vorarbeit fast schon gethan erschien? Di« Schuld oder Unschuld de« Verklagten war es indcß viel weniger, die den Richter beschäftigte, als diese seltene Klarheit der Zeugenaussagen. Tag und Nacht mußte er darüber grübeln, bis ein Zufall ihn auf die Spur brachte. Er erfuhr, daß Knitter seine dem alten Linowitz geliehenen Gelder sofort eingezogen hatte, indem er auf die Versicherungs summe Beschlag legte. Herr Knitter, wie immer der Vielbeschäftigte, kam eben von einem, zum zweiten Male verfehlten Geschästsbesuche zurück. Kein Wunder! Denn Doetor Mohnreut galt für einen der gesuchtesten Aerzte der Residenz, und wenn er es nicht längst gewesen wäre, so hätte er es jetzt werden müssen, wo sich von dem Angeklagten ab, aus sein Haus und sein Thun alle Blicke richteten. Der ernste, oft sogar etwas bärbeißige, alte Doetor stand auf einmal im Mittelpunkte der Begebenheiten, und die ganze weibliche Jugend, sowie nicht weniger ein großer Theil der männlichen, mit Enthu siasmus auf seiner Seite. Konnte man denn auch etwas Interessanteres und Rührenderes scheu, als neben der vierschrötigen Gestalt Mohnreut's diese lilienschlanke, blonde, junge Dame im schlick ten, schwarzen Kleide, unendlich vornehm und dennoch ein Bild der Bescheidenheit? Auf dem feinen, äußerst zart gefärbten Gesichteben lag ein tiefer Ernst, und in den wundervollen blauen Augen ein solches Leid, daß man schon kein Herz in der Brust haben mußte, um sich nicht für diese Erscheinung zu erwärmen, die jeden Tag an Doetor Mohnreut's Arme nach dem Unter- suchungsgesängniß wanderte, den Angeklagten für wenige Minuten zu besuchen und zu trösten. Hätte man das Bibelwort malen wollen: Ich bin ge fangen gewesen und Ihr habt mich getröstet — man hätte kein schöneres Bild finden können. Herr Knitter, der immer die Stimmung ganz genau kannte, wußte sehr wohl, wie groß die allgemeine Theilnabme für Annalise Sonncgg war, und wie sich von Tag zu Tag die Stimmen mehrten, welche für die Schuldlosigkeit des Junkcrü von Linowitz laut und lauter plaidirten. „Und wenn tausend Verdachtsmomente gegen ihn sprächen, sein Charakter spricht für ihn", batte das Zeugniß seines RegimentScommandeurs gelautet, und es ging von Mund zu Munde. Herr Knitter schien ein gutes Tbeil seiner srübercn Be haglichkeit und Selbstzufriedenheit eingebüßt zu haben. Seine vollen Wangen und das Uoterkinn hingen in schlaffen Falte», seine Weste verrieth noch durch ibre Wölbung, die seit Kurzem bedenklich verringerte Fülle des Körpers und ein grämlicher Ausdruck machte sein Gesicht nickt schöner. „Man batte es nicht leicht!" pflegte er sonst in guter Laune zu sage». Jetzt wiederkolte er seinen Leibspruch weniger oft, dann aber in gereiztem, verbissenem Ton. Er war auch eine von den Persönlichkeiten, welche in den ersten Tagen der Untersuchung von Neugierigen geradezu belagert wurden. Er war ja dabei gewesen, und seine Art, mit bedauern dem Achselzucken zu erzählen, wie der Herr Rittmeister von Linowitz in abscheulicher Geldnotb gesessen und wie er doch durchaus habe Geld haben müssen, wie er dann mit seinem Sohne allerlei zu verbandet» balle und die Gobelins, an die kein Mensch gedacht, plötzlich aus dem Schlosse in die Sckeune geschafft wurden, wie der Alte dem Jungen zurief: Halt Du Deine Zeit benützt? Und der Junge gleich darauf auf dem Boden ertappt wurde, heimlich Licht anzündend, nachdem er im Dunkeln heraufgeschlichen war, uud wie dann in der Nackt das Schloß brannte, „als ob es an mehreren Ecken zugleich angesteckt sei", und wie Keiner retten sollte, weilS Hut versichert wäre, — Vas Alles gab ja „sonnenklar einen Schuldbeweis" und man konnte nicht müde werden, ihn erzählen zu hören. Der Untersuchungsrichter batte sich Herrn Knitter natür lich auch verführen lassen und allerlei Nebenfragen nach dessen Geschäften in Ellern getban, auch sich mit Herrn Knitter s Antworten gar nicht recht zufrieden geben wollen, so daß der ganz nervös wurde und seitdem wirklich a» Nervenschwäche zu leiden schien. Das war auch der eine Grund, der Herrn Knitter zum Doetor Mohnreut führte, oder suchte er etwa nur einen Vorwand? Der andere galt Annalise, die jetzt in des Toctors Hause lebte und von der schlichten, gütigen Seele der Frau Doktorin zum ersten Mal im Leben erfuhr, was Mutterliebe bedeutet. Herr Knitter batte höslichst den Hut gezogen, als er dem Doetor und Annalise aus ihrem Rückwege vom Gcfäugniß begegnete. DaS Paar anzusprechen wagte er nicht, wie er es vor Monaten unfeblbar getban hätte; eS war unverkennbar, daß ihn die protzige Sicherheit mebr und mehr verließ. Er folgte ihnen und ließ sich dann beim Doetor melden, dessen Rath und Hilfe er in Anspruch zu nehmen wünsche. Doctor Mohnreut stellte die Untersuchung an, fragte, schrieb sein Recept, gab Berbaltungsbesehle und entließ den Paiienten dann, alles in der kühlsten Weise. DaS Blut stieg dem in seiner Eitelkeit verletzten Manne zu Kopse. „Ich weiß nickt, Herr Doctor, was ich getban haben soll, daß mich die Herren alle nicht mehr kennen", sagte er in trotziger Herausforderung, während seine Augen scheu seit wäns blickten. „Ick auch nicht, Herr Knitter! Aber nehmen Sie sich iu Acht, Sie haben sich seit dem Brande von Ellern ausfallend zu Ihrem Schadenverändert." „Was wollen Sie damit sagen? Ich verbitte mir Au züglichkciten, Herr Doctor." „Genau, was ich meine. Gefällt Ihnen meine Ansicht nicht, so gehen Sie zu einem meiner College», der Sie weniger genau kennt, als ich." Knitter schluckte seinen Aerger nieder und begann in einem anderen Tone von Neuem: „Die Frau Baronin von Platow auf Ellern haben gehört, daß Fräulein Annalise bei Ihnen lebt. Gnädige Frau schicken mich, ich soll den Herrn Doctor darauf aufmerksam macken, daß sie im Begriff steht, zu testiren. Der Herr Schwiegervater Excellenz bedrängen die Gnädige sehr. Noch kann sie Fräulein Annalise alles zu wenden". „Bestellen Sie der Frau Baronin nur, auf ihr Geld brauche Annalise nicht zu warten, sie erbt das ganze Ver mögen des alten Sonderlings bei dem sie krank gelegen bat, und die Familie Sonnegg, so schreibt mir der Professor beute, bat sich plötzlich erinnert, daß vor vielen Jabren eine kleine Erbschaft an Annalise's Vater oder dessen Erben ge fallen ist, kein Vermögen, weit entfernt; aber die Summe hat man, da niemand wußte, wo des Tobten Kind geblieben war, auf Zinsen aclegt und sic so mehr als verdoppelt. Also mag Ihre Gnädige das Geld bebalten, eS kommt für uns jetzt nur darauf an, alle nöthigen Papiere zur Stelle u schaffen. Der Professor wird das mit der Zeit schon ertig bringen". „Und Uebrigen«. die Baronin bat mich ja wobl abge schafft; wenigstens bin ick zwei Mal nicht bei ibr vorgelaffen. Sagen Sie ihr nur, Doctor Mohnreut wünsche ihr alles Gute, komme aber nicht eber wieder zu ihr, als bis sie il», recht freundlich darum bitten ließe. Und die Annalise stände unter seinem Schutz, hören Sir wobl? Uud wenn Frau Baronin in Zukuust von mir etwas wolle, so solle sie mir «inen Anderen
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