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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.02.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960204023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896020402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896020402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-04
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Größere Schristrn laut unsereni Preis verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernian »ach höherem Tarif. Ktctra-Beila»rn (gesalzt), nur mit der Morgen' Ausgabe, ohne Poslbesbrderung 60—, mit Postbefbrderung 70.—. Ännalsmelchluß för Änzeigea; Abend-Ausgabe: Bormittag- 10 Ubr Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4IN». Für die Montag.Morgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine kalbe Stunde frnher. Anzeigen sind stet» an die Kxpeditiou zu richten. Truck und Verlag von E. Polz in Leivzi"- Dienstag den 4. Februar 1896. 80. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 4. Februar. Der Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches ist mit rem Beginn der ersten Lesung im Reichstage, der gestern statlsand, in da» letzte Stadium gesetzgeberischer Behandlung eingctrelen. Wie lange dieses Stadium dauern wird, ist leider nach den gestern von dem Redner des CentrumS abgegebenen Erklärungen nicht abzusehen. Herr Rintelen begann zwar mit der Erklärung, seine Partei sei bereit, erstens das Gesetzbuch anzunehmen, und zweitens dies in möglichst kurzer Zeit zu thun, aber er erweckte bald darauf die ernstesten Zweifel an der Aufrichtigkeit dieser Versicherungen. Wenn der Reichstag oder seine Commission sich dermaßen in Einzelheiten verliert, wie dieser, den Wald vor lauter Bäumen nicht sehende Redner es gestern that, dann wird die Sonne des zwanzigsten Jahrhunderts noch lange über die deutsche Rechtszcrsplitternng leuchten. Und das wird, wenn von dieser vielleicht mehr individuellen Art der Behandlung des Gegenstandes abgesehen werden darf,auch der Fall sein, wenn daS Ecntrum bei der Summe der gestern vorgebrachten Einwände beharrt. Herr Rintelen machte eine große Reihe von Ausstellungen, von denen die gegen das Eherecht erwartet worden war. Ganz unerwartet kam jedoch die Forderung, die Vorschrift der religiösen Er Ziehung der Kinder in daS Gesetzbuch ausznnehmcn, und die — der Bekräftigung halber verlesene — Erklärung, das Centrum würde gegen den ganzen Entwurf stimmen, wenn das Eherecht nicht in seinem Sinne (Abschaffung der bürgerlichen Eheschließung und Unauflöslichkeit der Ehe) geregelt würde. Diese Kundgebung steht in direktem Widerspruch mit einer Ausführung der „Germania", in der entschieden und mit dem Nachweis seiner Zulässigkeit für das ,.uo8 pas?urc>8^ in dieser Angelegenheit eingelreten war. Allem Anscheine nach hat sich seit jener Ausführung der „Germania" das Centrum zu einem „schneidigeren" Aus treten entschlossen. Ob das darauf zurückzufübren ist, daß die Spaltung, die wegen des Antrags Kanitz in den Reihen der Centrumswähler eingetreten ist, das Answerfen einer den ganzen ultramontanen Heerbann uni die alle Fahne sammelnden Frage aus taktischen Gründen wünschenswertb er scheinen läßt, oder darauf, daß im preußischen Abgeordneten- hause das Auftreten des Herrn CultusministerS vr. Bosse den Ultramontanen die Hoffnung erweckt bat, es werde ihnen auf die durch die Versagung eines preußischen Schulgesetzes geschlagene Wunde beim Bürgerlichen Gesetzbuche ein Pflaster gelegt werden — wer wollte es sagen ? Vielleicht wirkt Beides zusammen. Jedenfalls sehen sich Reichstag und Bundesrath, wenn das Centrum auf seinem Verlangen beharrt, vor die schwere Frage gestellt, ob das ganze große Werk scheitern oder den Stempel des CentrumS tragen soll. Die Trennung zwischen Herrn Stöcker und den Confer vativeu, über die heute die ganze deutsche Presse in Betrach tungen sich ergeht, wird von der „Kreuzztg." auf die leichte Achsel genommen. Trotz der Trennung werde man gut Freund bleiben und getrennt marschiren, aber vereint schlagen. Mit dieser Ansicht, die überdies vielleicht nicht ganz auf richtig ist, steht aber das von Herrn v. Hammerstein erlöste Blatt so ziemlich allein. Ganz in dem Sinne, in dem wir gestern das Ereigniß besprachen, führt die „Köln. Ztg." über den Kampf, den der frühere Hosprediger jetzt kämpfen wird, aus: „Es ist ein Kampf auf allen Fronten, denn er wird sich jetzt auch gegen die Conservativen wenden, denen er den Be schluß vom 1. Februar sicher nie verzeiht. Die Richtung, in der sich seine zukiiiistige Politik bewegen wird, ist im Wesentlichen durch die jetzt schon vom „Volke" angenommene Taktik vorgezeichnet, das er jetzt nicht mebr zu verleugnen braucht, weil es keinen Zweck mehr hat. Stöcker und „Volk" waren immer im Geheimen im besten Einvernehmen: jetzt können sie sich auch unter den Linden grüßen... Er ist ein guter Hasser, und die Conservativen werden daS jetzt auch an sich erfahren." Für zutreffend halten wir auch, was das rheinische Blatt über den Einfluß sagt, den der Fall Ha nun erst ein aus die Absprengung Stöcker s von der conservativen Partei gehabt bat: „Als der Scheiterhaufenbrief erschien, da wagten cs schon einige Conservative, gegen Stöcker aufzutreten, aber Stöcker eilte ans Bayern herbei, und vor seinem guos e^o zerstob die conservative Opposition in Nichts. Man bat ihn feierlich um Verzeihung, man feierte ihn als Parteihelden, und in bestellten Volksversammlungen aus allen Theilen des Reiches kamen Sympathiekundgebungen für Siöcker, vermischt mit Drohungen an die Adresse der Conservativen, die es gewagt hatten, an seinem Verhalten etwas ausznsetzen. In diesem Augenblick konnte Slöcker vielleicht glauben, daß er den endgiltigen Sieg davongetragen habe und daß er in Zukunft der leitende »nd herrschende Geist der conservative» Partei sein werde. Die Opposition schien geschlagen und Stöcker suhlte sich wohl schon als geistigen Nachfolger seines Freundes Hammersteiu. Nun, es kam anders, als er dachte, und wenn wir nicht übersehen, Laß dazu die schweren sachlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Con servativen und dem einen Flügel der Christlichsocialcn sehr viel bei getragen baben und die Trennung fast unvermeidlich machten, so glauben wir doch, daß sie nicht eingetreten wäre, wenn nicht der Mann gefehlt Hütte, der bisher die conservative Partei mit despo tischer Hand zusammengehalten und unter seinen Wille» gebeugt hatte. Cs ist ja wahr, daß Hammersteiu auch Herrn Stöcker be stohlen hatte, aber Las hätte ihn nicht gehindert, ihn politisch zu halten, ja, cs wäre das vielleicht und wahrscheinlich ein doppelter Grund für ihn gewesen. Hütte Hammerstein am 1. Februar noch an der Spitze der „Kreuzzeitunq gestanden, so Hütte sich am 1. Februar im Parteivorstande keine Mehrheit gegen Stöcker gefunden." Je logischer aber die Trennung Stöcker's von den Con- servativcn an den Sturz Hammerstein's sich schließt, um so tiefer wird auch der Riß zwischen Stöcker und seinen alten Freunden, die in demselben Maße von dem früheren Hof- Prediger abrücken, je mehr er mit den „Jungen" unter den Christlich-Socialen rechnen muß und je mehr die Conserva tiven von dem Banne sich befreien, in dem Herr v. Hammer stein sie gehalten. Die Ernennung des neuen Botschaste rS der Bereinigten Staaten in Berlin bürste "sich, wie die „Post" aus wohl unterrichteten amerikanischen Kreisen erfährt, noch einige Zeit binziehen, da die nötkigen Formalitäten bei der großen Ent fernung kaum in wenigen Tagen zu erledigen sein werden. Die Vereinigten Staaten unterballen bekanntlich erst seit etwas über 2 Jahren überbaupt Botschafter im Ausland, während sie früher ausschließlich durch Gesandte ver treten waren. Nun giebt es in den Vereinigten Staaten keine Diplomaten von Beruf, die Vertretung des Bundes im Ausland wird vielmehr in der Regel Männern übertragen, die sich Perdienste um die herrschende Partei erworben haben. So kommt es, daß gewöhnlich Leute zu Gesandten ernannt worden sind, die im Ausland über haupt wenig bekannt waren, und cs ist auch verständlich, daß die europäischen Regierungen unter diesen Umständen kein großes Gewicht daraus legten, daß erst angesragt würde, ob derGe- sandte xer80UL Zratasürsiesei odernicht. Die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten ging dahin, daß für die Regierung keine Verpflichtung dazu vorlicge. Es wird noch der Fall erinnerlich sein, der s. Z. viel Aufsehen machte, als der Präsident der Vereinigten Staaten sich weigerte, einen anderen Gesandten für Wien zu ernennen, nachdem die österreichische Negierung in Washington durch ihren Gesandten batte erklären lassen, der vom Präsidenten ernannte und vom Senat bestätigte Gesandte Keilay sei nicht pei8oua zn-ata >" der Hofburg. Mit der Erhöhung der Gesandtschaften zu Bot schaften hat sich natürlich die Lage geändert und es dürsten die zwischen den europäischen Höfen und Regierungen gelten den Bräuche bei der Beglaubigung eines neuen Botschafters taum für die Negierung der Vereinigten Staaten zu umgehen sein. Man nimmt daher in der amerikanischen Colonie in Berlin an, daß die Regierung in Washington dieses Mal — und das würde für sie officiell daS erste Mal sein — sich zunächst davon überzeugen wird, ob der in Aussicht ge nommene Nachfolger, res Generals Runyon in Berlin porroua FlAia ist oder nicht. Der Zusammentritt des englische» Parlaments erfolgt bekanntlich am Dienstag, den 1l. d. M. Vor einigen Tagen bat das Cabinetsmitglied Balsour den regierungs freundlichen Mitgliedern des Hauses der Gemeinen das üb liche Schreiben zugehen lassen, in dem diese ermahnt werden, am Eröffnungstage möglichst zahlreich am Platze zu sein, da wichtige Fragen unverzüglich in Angriff zu nehmen seien. Letzteres ist diesmal nicht eine bloße Redensart. Es stehen in der That wichtige Fragen auf der Tagesordnung, welche die auswärtigen und die Colonialangelegenheiten betreffen, und die bereits gewürdigte Banketrede, welche Lord Salisbury am Freitag bei den Nonconformisten hielt, und welche sich mit Honicrule, Transvaal und der Frage der armenischen Reformen beschäftigte, giebt einen Vorgeschmack von dem, was die herannahende Parlamentstagung bringen wird. Dazu kommt noch das innere Programm des Cabinets, das wesentlich folgende vier Puncte umfaßt: Landesvertei digung und Flottenvermehrung, Maßregeln zur Abhilfe des landwirtschaftlichen Notstandes, irische Gesetz gebung, freie Schulen. Da die Regierungsmehrheit diesmal die enorme Ziffer von 150 erreicht, erscheint jeder Echec des Ministeriums über Fragen seines engeren Programms im Vorhinein als ausgeschlossen, höchstens, daß der Opposition durch Ueberrumpelung auf dem Gebiete der auswärtigen Politik ein Schlag glücken könnte; allein auch das ist wenig wahrscheinlich, da gerade die auswärtige Politik den schwächsten Punct der liberalen Parteien bildet und nicht zum Wenigsten die von Lord Rosebery (unterlassene Erbschaft des auswärtigen NessortS es ist, welche der Amtsführung seines Nachfolgers so viel zu schaffen gemacht hat und noch macht. Den rein parlamentarischen Gesichtspunkt anlangend, erscheint es nicht ohne Interesse, zu constatiren, daß die Popularität des Coloniaiministers Cbamb erlain aus den bekannten Zwischen fällen der jüngsten Vergangenheit einen außerordentlichen Zu wachs gewonnen bat. Ist es dock der Colonialminister beinahe ganz allein gewesen, der den politischen Redefeldzug während oer Parlamentsferien führte und sich seiner Aufgabe zur allgemeinen Zufriedenheit entledigte. Lord Salisburh meldete sich nur bei ganz vereinzelten Gelegenheiten znm V?ort, so daß sein beharrliches Schweigen schon zu dem Gerückt Anlaß gegeben batte, er beabsichtige, die Premierschaft niederzulezen. Davon ist nun im Ernste zwar keine Rede, immerbin bat Cbamberlain's Auftreten diesem ein ganz bedeutendes Prestige verlieben, und er gilt thatsäcklich als der „kommende Mann", wenn jemals Lord Salisbury von dem Posten als ,.loaäer'' der conservativen Partei zurücklreten sollte. Wilde Stürme toben im Busen Ferdinands des Un bestätigten von Bulgarien,und seine Seele pendelt zwischen Himmel und Hölle, zwischen Papst und Zar, zwischen seiner streng päpstlichen Ekezemahlin und seinem seligen Großvater und Ahn herrn seiner katbolischenLinie, dem großen August, der bekanntlich um des reichen Erbes der Kohary willen zuerst katholisch geworden ist. Als Fürst von Bulgarien hat Ferdinand die orthodoxe Taufe seines Thronerben gelten lassen, in seinen Ehepacten versprach er die katholische Kindcrerziebung. Stambulow hals chm an? der Verlegenheit, indem er die katholische Taufe Bori's des Tapferen ermöglichte. Stambulow fand schlechten Dank und seither ohne feste Stütze und ohne Sympathien in Europa, schwankt der Fürst wie ein Rohr im Winde. Denn nack den letzten Meldungen, nach welchen die Bekanntgabe der Umtauf-Proclamation wieder um einen Tag ver schoben wurde, scheint ein fester Entschluß noch nicht gefaßt zu sein. Bestätigte die Nachricht, daß der Zar aus die Bitte, die Pathenschaft beim Prinzen Boris zu übernehmen, geantwortet habe: „So soll es sein", sicher, dann allerdings brauchte der Fürst, wenigstens aus Rücksicht aus Rom, mckt mehr zu zögern; denn erfüllt Nicolaus II. seine,, Wunsch, so wird Leo XIII. ihn schwerlich wegen einer Hand lung excommuniciren, die unter dem Schutze deS Kaisers von Rußland vor sich geht. Aber Gras Forras, den Fürst Ferdinand nach Petersburg gesandt bat, um den Zaren um die Uebernahme der Pathenschast zu bitten, ist noch nicht zurückgekehrt und den Nachrichten über die Eni schcidnng des Zaren fehlt noch die Bestätigung. Wird er den, Fürsten willfahren? Zweifellos nur dann, wenn dieser sich zum Vasallen Rußlands degradiren läßt, und diese Birne ist de», Coburger doch zu berb. Daher die Verzögerungen: man ist noch nicht — handelseinig. Deutsches Reich. ^ Berlin, 3. Februar. D,e „Freisinnige Zeitung" be hauptet fälschlich, Herr Stöcker sei von Conservativen und Nationalliberalen in den Landtag gewählt worden. In Wahrheit haben die Nationalliberalen im Jahre 1803 die Wiederaufstellung Stöcker's in seinem damaligen Wahlkreise Bielefeld unmöglich gemacht und ihm in Minden, wo er nun candidirte. eine aussichlsvolle eigene Bewerbung entgegen gestellt. Ihr Candidat blieb nur um 35 Stimmen hinter Herrn Stöcker, der 206 Stimmen erhielt, zurück. Auch bei den Wahlen deS Jahres 1888 war Stöcker durch einen nationalliberalen Cankidaten bekämpft worden, und zwar, was die „Freis. Ztg." doch wissen sollte, vereint mit den Deutschfreisinnigen. * Berlin, 3. Februar. Der telezrapbisch schon ange kündigte Dankerlaß des Kaisers hat folgenden Wortlau'.: „Nur wenige Tage sind vergangen, seit Ich für zahlreiche Kund gebungen treuer Anhänglichkeit gelegentlich der Feier des Cr- innerungstages der Kaiserproclamation öffentlich zu danken Halle, und schon wieder bin Ich in der glücklichen Lage, in gleicher Wci'e Meinen Gefühlen der Freude und des Tankes Ausdruck zu geben. Der Tag, an welchem Ich durch Gottes Gnade ein neues Lebensjahr beginnen durfte, ist im Anschluß an die erhebenden vaterländischen Gedenkfeiern diesmal in besonders patriotischer Weise begangen worden. Ueberall, wo Deutsche weilen, selbst in den fernsten Well theilen, ist Meiner in treuer Liebe gedacht worden. Glückwunsch Telegramme, Adressen und Kundgebungen mannigfachster Art sind Mir in einer Anzahl zugegangen, Laß ihre Sichtung noch eine geraume Zeit in Anspruch nehmen wird. Mein landes- väterliches Herz ist dadurch aufs Innigste erfreut worden. Mil lebhafter Befriedigung erfüllt Mich die sich aus der Fülle Lei Beweise liebevollen Vertrauens Mir ausdrängeirde Wahrnehmung, 'daß Mein unausgesetztes Bemühen, für die Sicherheit und Feuilleton. H Verlassen und verkannt. Erzählung von Wladimir Korolenko. Uebers. v. Ad. Garbell. Nachdruck »erboten. D. L. G. LosinSki batte aufmerksam zngebört, aber die Erklärung gefiel ihm nicht. „Der Eine sagt, daß Freiheit einander die Gurgel abschneiden bedeute, der Ändere, daß damit die Statue gemeint sei. Es ist ja klar, daß sie beide nicht genau wissen, was Freiheit ist." Am siebenten Tage herrschte ein furchtbarer Nebel, ein solcher Nebel, daß der Schiffsschnabel wie durch eine weiße Wand zn dringen schien, und cs war kaum zu bemerken, wie sich das beruhigte Meer in der Dunkelheit bewegte. Einige Male bemerkte Matwei vor dem Schiffsschnabel Seegräser und meinte, daß Amerika schon da sein müsse, aber Düima erfuhr von seinem Tschechen, daß sie erst gerade in der Mitte deS Weges seien. Dock unweit gegen Süden sei eine seichte Stelle, von dorther komme eine «Strömung auf die Sandbank und wende sich nach Norden, wo sie einer kalten Luftströmung von den nördlichen Meeren begegnet, und daber bcrrsche auf dem Occan an dieser Stelle ein solcher Nebel. DaS Sckiss ging langsam, ein ungewöhnlich lautes Pfeifen ertönte dumpf und kläglich und die Nebelwand gab diesen Ton wieder, wie ein Echo im dichten Walde. Allen wurde nnbeimlich und beklommen zu Mulde. Zu Befürchtungen war aller Grund vorhanden. Einmal gelang eS kaum einem großen Segelschiff, vor ibrcm Schiffs schnabel auSzuweichen. Das war aber nicht Alles. Ein anderes Mal erging cS ihnen beinahe schlimmer. Mitten am Tage kam dem Capitain der Nebel verdächtig vor. Bald hielt er das Schiff an, man wich zurück, als ob in demselben etwas zu sehen sei, blieb stehen und wartete. Und plötzlich sah LosinSki, wie oben, gleichsam im Dunkeln, ein belle Wolke mit blitzenden Rändern Heraufstieg Ein scharfer Wind blicS daher und die Lust wurde viel kalter. DaS Schiff wandte sich und begann leise, gleichsam als ob eS sich davonschleiche, nach links tief in den Nebel einzudringcn. Rechts aber war keine Wolke, sondern ein Eisberg. Matwei traute seinen Augen nicht, wie er einen solch ungeheuren Berg von reinem Eise sah. Aber Alle bemerkten ihn ja. Auf dem Schiffe v«rd« e» still, und sogar die Schraube arbeitete langsamer und vorsichtiger. Der Berg schwamm daher, schaukelte sich leise und zerrann plötzlich, wie wenn er in dem Milchnebel aufgethaut wäre. Unsere beiden Losischzancr und der Czeche nahmen sofort die Mütze ab und bekreuzten sich. Die Deutschen und Engländer haben nicht die Gewohnheit, es zu thun, aber sie glauben auch an Gott und beten ebenfalls, so daß ein junger Herr in einem schwarzen Rock und weißer Halsbinde (ich hätte nie errathen, daß es ein Geistlicher war) sich auf den Schiffsschnabel vor die andern stellte und mit lauter Stimme zu beten begann. Und die Leute beteten mit ihm und sangen und der heilige Gesang vermischte sich mit den dumpfen unk kläglichen Lauten der Nothpfeife, die wiederum ihre Warnungen in die Weite schickte, und die Nebelwand antwortete nur noch kläglicher und dumpfer. Und das Meer wurde immer stiller und leckte an den Seiten des Schiffes, als ob cs sich anschmiegcn und die Menschen um Verzeihung bitten wolle. Die Frauen indessen weinten und konnten sich nicht beruhigen. Besonders bemitleidete Matwei ein junges Mädchen, daö zur Seite saß, und wie ein Kind weinte, wobei es das Gesicht mit dem Zipfel eines wollenen TucheS bedeckte. Er wußte selbst nicht, wie es geschah, aber er trat an sie heran, legte seine schwere Hand auf ihre Schulder und sagte zu ihr auf Russisch, ohne zu bedenken, daß sie ihn vielleicht gar nicht verstehen würde: „Laß oas Weinen, Kind, Gott ist gnädig. Du siehst selbst, daß nichts geschehen ist." DaS Mädchen schlug ihre blauen Augen auf, sah Losinski an und erwiderte auf Polnisch: „Wie sollte ich denn nicht weinen, wenn ich allein in ein fremdes Land ziehe. Vater und Mutter starben mir in der Heimatb, in Amerika aber habe ich Brüder, wenn ich auch nicht weiß, wo sie sind. Bedenken Sie selbst, welchem Loose ich entgegen gehe." Matwei stand einige Augenblicke still, sah sie an und sagte kein Wort. Er liebte cS nicht, in den Wind zu sprechen, und sein eigenes Schicksal stand ja selbst dunkel vor ibm. Er gestand mir später ein» daß er seit jener Zeit, wo er auch stand lind saß, und was er auch immer machte, stets nur an das Mädchen dachte, und ihm mit den Augen folgte. Aber wenn dieser Eisberg, der alle so erschreckte, nicht erschienen wäre, so würde es ihm wohl nie in den Sinn gekommen sein, daß es neben ihm noch eine menschliche Seele gäbe, deren Brust ein eben solche- Sehnen fülle, nnd deren Seele noch dazu die einer Landsmännin sei. — Damals schon sagte sich Losinski selbst: „Wenn ich in der unbekannten, weiten Welt ein Plätzchen finde, so sollst Du es mit mir theilen, mein Kind. Es drängt das menschliche Herz, seine Mitmenschen zu bedauern und zu lieben, besonders wenn wir in der Fremde find." VI. Am zwölften Tage versammelten sich die Reisenden auf dem Schiffsschnabel, wie Ameisen ans einem schwimmenden Späbnchen, das der Wind an das Ufer eines ausgetretenen Baches treibt. Daraus ersahen unsere Losischzancr, daß daS amerikanische Festland nicht mehr weit sein könne. Und wirklich bemerkte Matwei, der ein scharfes Auge hatte, daß über dem blauen Meere rechts etwas wie eine weiße Nadel znm Vorschein kam. Dann erhob sich diese höher und höher, und man sab deutlich, daß es ein weißer Leuchtthurm war. Auf den Wellen glitten Boote mit schrägen Segeln, Weiße Dampfschiffe mit solchen Fenstern, wie wir sie in den Häusern haben, kleinere Dampfschiffe mit BalancierS, welche die Losischzancr noch nie gesehen hatten. In dem blauen Dunkel begann etwas hervorzutreten, etwas blitzte auf, dann wurde es weiß, dcbntc fick anS, und schillerte in den verschiedensten Farben. Inseln mit Bäumen wurden sichtbar nnd eine lange Landzunge mit weißem Sand. Auf derselben klapperte nnd hämmerte es und schwarzer Rauch stieg auS hohen Schorn steinen ans. Düima stieß LosinSki mit dem Ellbogen an. „Siehst Du? Der Czeche hat die Wahrheit gesagt.^ Matwei blickte vor sich bin. Dort erhob sich in der That über den höchsten Masten der größten Schiffe die ungeheure Figur eines Frauenzimmers, die in der Hand haltende Fackel denen entgegenstreckcnd, die durch den Meerbusen aus Europa nach dem großen amerikanischen Festlande kamen. Das Dampfschiff ging langsam inmitten von anderen Dampf schiffen, die wie Wasscrkäfer in der Meerenge umberschwirrten. Die Sonne senkte sich, und eine Stadt erschien aus der Bilk fläche, Häuser stiege» auf, Lichter geordnet »nd durcheinander wurden angeznndet und spiegelten fick im Wasser wider, bewegten und kreuzten sich unten »nd schienen ein andermal hoch am Himmel zu erglänzen. Dieser wurde nach und nach immer dunkler, aber am Horizonte war hock in der Luft daS Netz einer ungeheuren, bis dahin von den Losischzancr» nickt gesehenen Brücke. Niesenhäuser von seckS, sieben Stockwerken standen da unter der Brücke am User; Fabrikschornsteine ragten empor, tonnten aber nickt einmal mit ibrcm Rauch die Brücke erreichen, die von einem User zum andern über den, Wasser hing. Ungeheure Dampfschiffe gingen wie kleine Bootchen unter ibc hinweg. Das ist ja auch die größte Brücke der Well . . . Das war zur rechten Hand, und links, schon ganz nabe, erhob sich das Frauenbild, und auf deren Stirn leuchtete, wetteifernd mit den letzten Strahlen der am Himmel ver löschenden Abendsonne, ein goldiges Diadem, auf nnd ein Kranz von Lichtern beleuchtete die Fackel in der erhobene» Rechten . . . Matwei'S Herz bebte und es krampfte sich vor Entsetzen zusammen. Jetzt erst begriff er, was das Amerika sei, an dessen Ufern er seine Schwester finden wollte. Er batte erwartet, sie da irgendwo mit ihrem Bündel sitzend zu erblicken und wie ganz anders gestaltete sich die Wirklichkeit. „O Gott, mein Gott, da ist ja der Mensch wie eine Nadel im Grase, wie der Tropfen im Meer", sagte sich Matwei. Bereits zwei Stunden ging das Schiff, wobei man fort während neue Häuser und Landungsplätze erblickte, und immer mehr und mehr entrollte sich die Stadt. Vom Ufer her er scholl neben dem Geräusch der Maschine ein dunkles Rollen und Getöse. Und wieder schien es Losinsti, daß ein ungeheurer Jemand da atbme, sich beklage und ärgere, brumme nnd seufze. Und wiederum toste und rollte es. wie der Sturm in der Steppe, und verworrene, unverständliche Stimmen erschollen gleichsam. Matwei suchte Anna, das junge Mädchen, mit dem er vorder bekannt geworden war, auf und sagte: „Kind, halte Dich an mich und Düima. Du siebst, was in diesem Amerika loS ist. Daß Gott sich erbarm!" DaS Mädchen ergriff seine Hand, und ehe der verwirrte Matwei cs bindern konnte, hatte sie schon dieselbe geküßt Es war offenbar, daß Amerika auf sie einen noch schrecklicheren Eindruck als ans diesen Mann hervorgebracht batte. Das Dampfschiff warf ini Meerbusen Anker, aber Niemand wurde vor den, nächsten Morgen ans Land befördert. Tie Passagiere saßen noch lange auf dem Verdeck, dann zerstreute sich der größte Tbeil, um sich zur Ruhe zu begeben. Nur Diejenigen, die wie unsere Losischzaner einem unbekannten Sckicksale in dem fremden Lande entgegen gingen, konnten nicht schlafen. Düima schlummerte übrigens bald nachher aus einer Bank ein. Anna saß lange mit Matwei, nur bis weilen vernahm man ihre leise furchtsame Stimme. LosinSti schwieg beharrlich Bald lebnte auch Anna ihren Kops gegen ihr Bündel und schlief ermüdet rin.
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