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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.02.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960206025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896020602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896020602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-06
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dir D ^>>>>»zp>tzist»n itz« tz« im GfM. ' mck'd» V»r»r1»» «richtet»» >»«. Abend-Ausgabe. « AnGantzr nwnMUch ?chv. Dt» PkorgemAnsgab« «schefttt «« '/,? Ahr. dleAhmd^ln-gabeWochmtn^mnüvhr. Rekstttts» »»- Gr»Mis«: Lle Expedition tstWochentngs mennterbrnche» geössmt von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filittle»: vtt» ««m» » Eortt». (Alfreb UniverfltätAftraß« 1, L««t« Liffche, Katharlnenstr. 14, Part, «nd König-Platz V. WpMrrIlMblaü Anzeiger. Ämlsökatt -es ÄömgNchen La«-- und Amtsgerichtes LeWg, -es Nathes und Nolizei-Amtes -er Lta-t Leipzig. A«zeige«.Pret- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklame» unter dem RedactionSstrich («ge spalten) 50^, vor den AamUirnnachricht«» (6,»spalte«) 40-4. Größer« Schriften laut unserem P«ft. verzeichniß. Tabellarischer und Aisserniap nach höherem Tarif. Extra »vetlaie» (gefalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Poftbesördernng vo, mit Postbesvrderung ^l 70 — Atmah«eschl«ß ftr Änzeizen: Abend»«usgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morg»n.«»«gabe: Rachmittag« 4 Uhr. Mir die Montag.Moraen-Aa«gabe: Sonnabend Mmag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an d« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. ^66. Donnerstag den 6. Februar 1896. Sv. Jahrgang. Der Entwurf zmn neuen sächsische« Wahlgesetze. * Die im heutigen Moraenblatte nach der „Leipz. Ztg.- «itgetheilte Inhaltsangabe de« Entwurf« zum neuen säch- fischen Wahlgesetze wird wesentlich rrgäuzt durch eine im „Dresdener Iourn." vorliegende Inhaltsangabe, di«'folgender maßen lautet: Der Srei« d« Wahlberechtigten erfährt im Gesetzentwurs« ein« erhebliche Erweitern»« dadnrch, daß das Wahlrecht auf alle diejenige« ausgedehnt wird, welch« überhaupt staatlich« Grnnd- oder Einkommensteuer entrichte« und, vom Lage de« Abschlüsse« der sogenannte« Urwilhlerliste zurückgerechnet, seit mindesten« sech« Monaten ihren Wohnsitz oder Aufenthalt im Ort« haben. Die Abgeordneten »ur Zweiten Kammer wrrdeu auch künftig in Wahlkreise», deren Zahl und Abgrenzung keine Aendernng erfährt, gewählt, aber nicht mehr «»mittelbar von de« Wahl, berechtigten, sondern von Wahlmänneru. Auf je 500 Seele» der ortSanwesende« Livilbevölkernug ent. fällt ein Wahlmann. Unter Zugrundelegung der Volkszählung von 1890 würde die Zahl der in den einzelnen Wahlkreisen zu wählenden Wahlmänner demnach zwischen 55 «ad 177 schwanken. Rach den Ergebnissen der letzten Volkszählung wird sich letztere Ziffer voraussichtlich noch wesentlich erhöhen. Di« Wahlmänuer werden in Wahlbezirken durch di« Urwähler gewählt. Orte von weniger al« 1500 Seelen werden mit einem oder mit mehrere» benachbarten Orten zu einem Wahl, bezirke vereinigt. Orte von 1500 bi« 8499 Seelen bilde« eigene Wahlbezirke. Orte von 3S00 und mehr Seele» werde» in mehrere Wahlbezirke gethrilt. In einem Wahlbezirke können bi« zu 6, in de« Wahlbezirken der Städte mit 40000 und mehr Einwohner» bi- zu 12 Wahl, mäuurr gewählt werden. Die Urwähler werden »ach Maßgabe der von ihnen zu ent richtenden staatlichen Grund- und Einkommensteuer in drei Ab. thetlunge» getheilt. I« di« erste Abthetlung gehören dt»> jenigen höchstbesteuerie» Urwähler, «eiche znsammen da« erste, oberst«, Drittel der Gesammtsnmme der Steuerbeträge de« Ortes bezw. de« Wahlbezirk« entrichten. In jedem Falle aber gehören in die erste Abtheilung alle diejenigen Urwähler, welch« an Grund« und Einkommensteuer zusammen den Bettag von wenigsten« 300 —- welcher Bettag einem Einkommen von 10000 entspricht — zu entrichten haben. Die zweite Abtheilung wird gebildet von den nächst niedriger besteuerten Urwählern, auf welche die Hälfte der nun noch verbliebenen Steuer- summ« entfällt. Jedenfalls aber gehören in die zweite Ab- theilung alle diejenigen Urwähler, welche an Grund- und Ein kommenstruer zusammen den Bettag von mindesten» 50 ^ll — der eine« Einkommen von 2800 ^l entspricht — entrichten. Alle übrige» Urwähler bilden di« dritte Abthetlung. Ist schon durch die Bestimmung, daß jedenfalls all« Urwähler mit 800 ^ Steuersatz in die erste, all« mit 60 ^4 Steuersatz in die zweite Abthetlung zu gehören habe», einem überwiegenden Einfluß der Besitzer großer Vermögen vorgrbeugt, so ist eine weitere Lautel gegen den plutokratifchen Charakter de« Wahlsystem« ferner »och durch die Bestimmung geschaffen worden, daß alle Steuer- betrüge, welche 2000 übersteigen, »ur mit diesem Be trag» bei der Berechn»,« der Gesammtsnmme der Steuerbeträge in Ansatz komme». Um de» unter der Herrschaft de« in Preußen geltenden Wahl system« nicht seltene« Fall »»«zuschließen, daß di« erste oder zweite Abthetlung anr au« einem oder nur au« zwei Urwählern besteh«, ist ferner die Bestimmung getroffen worden, daß in diesen Fällen die Abthetlung durch Rachrückrn au« der nächstfolgenden Abthetlung bi« auf mindesten« 3 Urwähler ergänzt wird. Ei« weiterer Vorwurf gegen da« Claffenwahlsystem pflegt dann erhoben zu werden, wenn di« Berechnung »nd «bgmnznng der Gesammtpenersumme in «in und derselben Gemeinde be zirksweise erfolgt, da solchenfalls oft «ine große Verschiedenheit in der Vertheilung der gleiche Steuerbettige entrichtenden Wähler auf dir einzelnen Abtheilnngen sich herau«stellt, eine Verschiedenheit, die, weil sie denselben Ort betrifft, von den Betheiligten besonder« unangenehm empfunden wird. Um derartige Verhältnisse auSzo- schließe«, wkd »ach dem sächsischen Entwurf« di« Gesammt- summ, der Etenerbeträg« für den einzelnen ganzen Ort berechnet. Abweichungen ergeben sich »ur für die beide» Fäll», daß mehrere Orte zu einem Wahlbezirk vereinigt find und daß — wie in Dresden, Leipzig, Chemnitz — ein Ort in mehrere Wahlkreis« zerfällt. Im erster«» Falle wird dt« Gesammtsnmme der Dtruerbettäge für den ganzen Wahlbezirk, im letztere» Falle für den ganzen Wahlkreis berechnet. Für jeden Ort sind Urwählerlisten aufzustelle», welch« als Grundlage für die AbtheilnngSlist« zu dienen habe». Unter Zugrundelegung der letzteren finden sodann dt« Wahlmänner wahlen statt. Jede «btheiluag wählt gesondert für sich in ge- heimer Abstimmung den dritten Thetl der Wahl- Männer. Die dritte Abthetlung wählt zuerst, die erste zuletzt. Bei der Wahl der Wahlmänner entscheidet die absolute Mehr heit der abgegebenen giltigeu Stimmen. Ergiebt sich für einen Wahlmann keine absolute Stimmenmehrheit, so findet eine ander- weite Wahl statt, bei welcher die relative Mehrheit der abgegebenen gilttgen Stimmen, bei Stimmengleichheit da« Loos entscheidet. Die gewählten Wahlmänner bleibe», außer im Falle einer Kammerauflösoug, auf die Dauer der Wahlperiode de« Ab geordnete» t» Knnetivn. Bet einer erforderlich werdenden Ersatzwahl eine« Abgeordneten find nur an Stelle der inzwischen durch Tod, Wegzug oder sonst «»«geschiedenen Wahlmänner neue zu wähle». Dir Wahlmänner endlich wählen unter der Leitung eine« Wahlcommisfar« in geheimer Abstimmung nach absoluter Majorität wahlkreisweise die Abgeordneten. Diese Angaben wiederlegrn auf da« Bündigste die Be hauptung der priucipiellen Gegner einer Reform unsere« Wahlgesetze«, daß der Entwurf eine Copie de« preußischen Wahlgesetze« sei oder wenigsten« wesentliche Mängel desselben thrile. Gerade diese Mängel find vermieden, und dadurch wird hoffentlich gerade in solchen Kreisen, dir von den Kritikern de- preußischen Wahlgesetze« ihre Gründe, gegen den sächsischen Reformentwurf entlehnen, der Widerstand gebrochen. Bor Allem erkennen diese Gegner, daß e« eine gröbliche Entstellung der Wahrheit ist, wenn die socialdemokratischrn Protestler behaupten, e« solle einem Theile der jetzt Wahlberechtigten da« Wahlrecht entzogen werden. Gerade da« Gegenrheil ist wahr: da« Wahlrecht wird weiter ausgedehnt, indem der Eensu« von 3 Mark fallen gelaffen und da« Wahlrecht auf alle Steuerzahler überhaupt erstreckt wird. Eirca 150 000 Männer mehr erhalten durch die Wahlreform da« Wahlrecht in unserem Baterlaade, nur der Einfluß der Stimmen der Mindeststruernden wird geringer und wird ihren Leistungen für den Staat richtiger angepaßt. Wer darin rin» „Entrechtung" fleht, vergißt, daß selbst in keiner socialdemokratischrn Familie ein« so tbörickte Wirthschaft herrscht, de« zur Familiencaffe in geringem Maße Beisteuernde» denselben Einfluß und dieselben Eingriffe in die Familien- eafsr zu gestatten, wie den die Lasse hauptsächlich füllenden Gliedern. Trotz dieser Beschränkung de« Einflüsse« der vermehrte« Gtimmen der Mindeststruernden hält sich der Entwurf fern von dem schweren Fehler de« preußischen Wahlgesetze«, dem „Geldsack" einen übermächtiaen Einfluß bei den Wahlen einzuräumen. Der in Preußen vorherrschende Einfluß einzelner reicher Leute bei den Wahlen ist in unserem Ent würfe ganz bedeutend beschnitten, so daß die Gefahr ver mieden wird, e« könnte ein einzelner reicher Mann in der ersten Wahlabtheilung dir Wahlmänner allein wählen. Dean e« kommen alle Steuern über 2000 Mark nur mit diesem Betraae bei der Berechnuna der Gesammt- summe der Gteuerbetrage in Ansatz, und überdies ist die Bestimmung getroffen, daß auch iu der ersten Elasse niemal« ein Einzelner wählen kaim. sondern eine Mehrheit von Personen wählen muß. Die Mindestzahlenden erhalten mithin im Berhältniß noch größere Rechte, al« die Höchst- zahlenden. Die Eintheilung der Wahlbezirke in Sbtheilungen ergiebt ebenfalls eine wesentliche Abweiguag von dem in Preußen üblichen Wahlsysteme. Au« der voraeschlagraen Eintheilung geht hervor, daß e« die Absicht der Verfasser de- Entwürfe« ist, gerade die Mittelklassen der Bevölkerung gleichmäßig vor der Bevormundung der reichen Leute und vor dem Ansturm« der Mächte de« Umstürze« ru sichern. Gerade die Mittelklassen haben daher Ursache, den Entwurf zu begrüßen. Dieaewerbmäßigea Agitatoren und jene Elemente, die bei jeder Wahl die Eaudidaten auf ganz bestimmte einseitige Forderungen festzunageln suchen, haben freilich nicht Ursache, mit dem Entwürfe sich zu befreunden, weil er indirekte Wahlen «»führen w,ll. Diese vollziehen sich ruhiger, weil die Entscheidung über den Eaudidaten den Wahlmännern zufällt, während die Urwähler lediglich Männer de« öffent lichen Vertrauen« auSwäblen. Be, diesen Urwablen fallen jene unnatürlichen Wahlbündnisse weg, die nicht selten bei direkten Wahlen zur Wahl von Männern führen, die beim Ableisten von Versprechungen da« weiteste Gewissen haben. Und bei den eigentlichen Abgeordnetenwahlen geben die Männer den Au-schlag, die vom öffentlichen Vertrauen getragen sind» nicht kleine Fraktionen, die oft genug bei direkten Wahlen au» einseitigen Parteirücksichtrn den Au-schlag nach einer Richtung geben, die dem Willen der wirklichen Majorität de« Wahl kreise« direct entgegengesetzt ist. Die in einem Fluablatte ausgestellt« Behauptung, die nach dem Entwürfe gewählten Abgeordneten würden und könnten keine „Männer deSVolke«- sein und kein Herz für da«Bolk haben, ist eine Phrase, die durch Thatsachen widerlegt wird. Da« nach dem schlechten preußischen Wahlgesetze gewählte Ab geordnetenhaus hat di« unteren Elaffen der Steuerzahler gänzlich von staatlichen Abgaben befreit und eine Steuer reform geschaffen, welche die Mittelklassen zu Un gunsten der Reichen wesentlich entlastet. Und Wa la Preußen möglich ist, wird auch in Sachsen möglich sein. Gerade hier ist die sicherste Aussicht vorhanden, daß die au- dem Mittelstände hrrvorgrgangeuen Abgeordneten tbatkräftig auch für da« Wohl der Minder- und Mindest- bemittelten rintreten. Ueber Einzelheiten de« Entwürfe« wird zu reden sein, wenn er im Wortlaute vorliegt. Er ist anscheinend trotz der vorhandenen Schwierigkeiten rasch entstanden und wird daher mancher Verbesserung bedürfen. Den Grundzügen entgegenzutreten, hat aber nach unserer Ueberrrugung kein Anhänger einer bürgerlichen Partei gegründeten Anlaß, am wenigsten ein Mitglied der mittleren Elasten. Im Gegentheil. Nicht« könne der Socialdemokratie willkommener sein, nicht« sie mehr mit Zuversicht und ActionSmuth erfüllen, al« die Ablehnung de« Entwurfes. Da« geht au« ihren Agitationen unwiderleglich hervor. Was der Entwurf Ungewohnte« und schon deshalb für Biele An stößige« bringt, wird leichter zu ertragen sein, al« ein social demokratischer Sieg, der mit Hilfe de« Büraerthum« erfochten ist und der Partei de« Umstürze« neue Schaarrn zuführt. Dessen möge man sich bei allen Debatten über den Entwurf bewußt bleiben zum Segen unsere« engeren Vaterland«« und de« Reiche«. Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. Februar. Auch gestern hat der Reichst«» die erste Lesnng de« Bürgerlichen Gesetzbuches noch nicht zu Ende geführt. Aber die gestrige Beralhung hat wenigstens die Hoffnung auf da« Zustandekommen de« großen Werke« neu belebt. Da« Hauptverdienst an dieser Neubelebung gebührt unserem gefrierten RechtSlrhrer Prof. vr. Sohm, dessen scharfe und schneidende Zurückweisung der socialdemokratischea Be mängelungen de« Entwurf- auf alle bürgerlichen Parteien einen tiefen Eindruck machte und sogar den EentrumSabgeorbneten vr Spahn veranlaßte, der Vorlage gegenüber einen wesent lich entgegenkommenderen Ton anzuschlagen, al« am ersten Tage der Beralhung sein FractionSgenosse Rintelen an geschlagen hatte. Besonder« hervorzudeben ist, daß vr. Spahn die Behauptung, Windthorst sei ein Gegner eine« gemein samen Bürgerlichen Gesetzbuches gewesen, wie einen Vor wurf zurückwie«. Die „Nat.-Lib.-Eorr." spricht sich daher heute wesentlich hoffnungsvoller über da« Schicksal de« Entwurfes au«, al« in den letzten Tagen. Sie führt au«: Die erste Lesung de« Bürgerlichen Gesetzbuch« ist zwar noch nicht beendet, die weitere Debatte kann jedoch an dem gewonnenen Bilde nichts mehr ändern. E« ist nicht vorausgesetzt worden, daß die dabei erfolgende Stellungnahme der Parteien rin sichere« Urtheil über da« Schicksal de« Entwurf» gestatten werde, und eine solche Klärung ist auch nicht erfolgt. E« ist ungewiß geblieben, in welchem ver- hältniß bei einigen Parteien di» Kraft de« bekundeten patriotischen Interesse« zu der Stärke der vorgettaaenen Bedenken schließlich stehen wird. Immerhin bedeutet diese erste Beralhung »inen Gewinn. Sie muß unzweifelhaft die Popularität eine« Werke« erhöhe», iu dessen Anerkennung die Wortführer der freisinnigen Parteien mit denen der konservativen grwetteifert haben und dem auch dos Centtum sein Compliment Lemacht hat. War diese parlamentarische Uebrretnstimmung zum Theil der Au«fluß de« entschiedenen Willen« der Bevölkerung, zu einem einheitlichen Recht» zu ge langen, so wird sie gewiß auch auf diese ihre Quelle ver- tiefend »nd erweiternd zurückwirke». Die« um so mehr, al« der sachliche Inhalt der ersten Berathung -ur wetteren Erschütterung der im Allgemeinen — nach der Richtung seine« nationalen Ur- sprang«, de« socialen Charakter« und der Sprache — gegen da« Recht de« Entwurf« vorgrbrachten Etnwände nicht wenig btigettagra hat. Namentlich die über jede Anerkennung erhabene Rede de» Geh. Rath Planck wird ihre Wirkung im Lande nicht vermisse» lassen. Dem Abgeordneten Rintelen gebührt da« Verdienst, durch das Zu- sammentragrn der bekanntesten Bemängelungen Grlegrnheit zu ihrer eindrucksvollen Zurückweisung gegeben zu haben. Jas- FareiHatsir. Verlassen un- verkannt. Erzählung von Wladimir Korolenko. Hebers, v. Ad. Garbell. Nachdruck verbot«». D. G. G. „Wa« werden wir jetzt thun?" fragte Matwei traurig. Düima sah ihu recht vorwurfsvoll an und klopfte mit dem Finger gegen seine Stirn. Matwei verstand, daß ihn Düima in Gegenwart Andrer nicht beschämen wollte und ihm nur durch eine Geberde zeige, wa« er von seinem Verstände halte. Ein andre« Mal hätte es sich Matwei nicht nehmen lassen, ihm gründlich Bescheid zu sage», aber er fühlte, daß sie alle drei durch seine Schuld zu Grunde gehen würden. „Ach Du", sagte Düima und kratzte sich den Kopf. Auch Matwei that daSielbe. Aber der Irländer, eia entschiedener Man», ergriff da« Eouvert und schrieb auf dasselbe: „Minnesota, dem Sandmann Joseph 8osta«ki au« Rußland", «ad dann sagte er: ^11 right." „Er sagt »U rigkt", rief freudig Düima, „folglich wird der Brief ankommen." „Gebe e« Sott! Da« würde ein Wunder de« Herrn sein", meinte Matwei. Und der Irrläuder erbot sich noch, den Brief zusammen mit Düima wegzubriugeu. Auf der Straß« lärmte und dröhnte e« »och. Matwei war allein. Er hatte sich schlafen gelegt, nachdem er ei. Gehet gesprochen, und verhüllte sein« Ohr«,, um da« Geränsch von der Straße nicht z» hören. Er bemühte sich ,» veraess«,, «,d »«ran zu denken, wie r« sein würde, wen» sie Joseph fände, „d sich ans de« Dorf« «»richtete» .. . In jene« Dorf«, da« ihm seine Phantasie «alt«, al« sie »mH in SofischR» waren «nd um desseutwillea ihnen da« ihrige armselig erschien«, war, um desseutwillea sie Meer« dnrchrristea »nd Länder durchfuhren und m da« Land kamen, da« ihnen '—»er al« dg« gelobte erschienen «nd da« ihnen eine zweit« »ath und eh«is» thener wie da« alt« Vaterland werde» e« sollt« ebenso wie da« alte, ab« nur bei Veite« besser sein . . . Sie hofften, ebenfalls Menschen zu finden, aber noch gütigere. Sie hatten gerechnet, daß die Bauern in eben solchen Kitteln wie die Losischzaner gehen, ihre alten Rechte und Abstammung nicht vergessen und daß die Kittel jener nur reiuer und feiner sein würden, daß ihre Kinder dort gesünder wären und alle zu lesen und zu schreiben ver ständen, daß der Boden größer und fruchtbarer sei, die Pferde stärker und wohlgenährter und die Pflüge breiter und tiefer gehen und die Kühe bei jeder Melke einen Eimer Milch geben... Und eben solche Dörfer, nur noch größer, mit breiteren und schöneren Straßen, geräumigeren und schöneren Häuschen, die Schindeln und nicht Strohdächer besäßen, und wenn diese, so jedenfalls neuere und bessere . . . und bei jedem H8u«chen ein Garten und am Ende de« Dorfe- ein Krug mit einem freundlichen amerikanischen Wirth, wo Abend« eine Baßstimme bei der Begleitung der Geige singt und in warmen Frühlingsnächten bi« zur Morgendämmerung Lieder erschallen, wir e« einstmal« ,n Lostschza arwesen. In der Mitte de« Dorfe« eine Schule und bei derselben eine Kirche und die Mädchen würden ebenso wie Anna, nur noch besser gekleidet sein und ihre Gesichter würden keinen so schüchternen Ausdruck haben, sondern ihre Augen würden lachen und nicht weinen. Alle«, Alle« würde so und viel besser sein. Selbstver ständlich würden ebensolche Behörden wie in der Hrimath sei» und ein ebensolcher Gemeindeschreiber, der aber Gott mehr fürchtet und da« Gesetz besser beachtet . . . Ueber diesen Gedanken schlief Matwei eia, indem er sich noch bemühte, auf den unaufhörlichen dumpfen Lärm nicht zu achten . . . Wie ein Sturm durch den Wald, braust« d« irgendwo in der Ferne ein Nachtzug daher, »nd die Fenster klirrte» leise . . . Ihm aber schien e«, daß da« Meer wiederum um da« Schiff herumbrauste. Und al« er sich fester in die Kiffen drückte, so klopft« und hämmert« es ihm wiederum an die Ohr«,. Und in der Nacht träumt« Matwei, daß Jemand übe» ib« gebeugt ft,he, ohne Gesicht »nd einem Menschen un ähnlich . .. Dieser Jemand stehe da und schrei« mitaanz ebensolche. Stimm«, wie es »och «»längst aus de« Meer« geschehen: „Ihr arme», dummen, ungebildete» Menschen, e« giebt kem solche« Dorf ans de, Welt» e« giebt weder solch« Bauern» noch solch« Schreiber. Und da« Feld ist ander«» al« D» denkst, und die Menschen andere. Und Du, Matwai Ogloblja, bist nicht mehr und auch nickt Matwei und Anna . . . Der frühere Matwei ist todt wie auck Düima und Dein früherer Glaube ist geschwunden . . . Dein Herz wird ein andere« werden, und auch Deine Seele und das Gebet . . . Und wenn Deine Mutter au« dem vernachlässigten Grabe auf dem stillen Kirchhof bei dem Losischzaner Wald auferstehen würde, sie erkennte ihre Kinder und Enkel nicht mehr» denn sie ähneln weder dem Vater, noch Dir, noch den Vorvätern in d«r Kindheit . . . Da« werde» Amerikaner . . . Matwei erwachte, ganz in Schweiß gebadet, und setzte sick iu seinem Bette aufrecht. Er rieb sich die Augen und wollte nicht begreifen, wo er sei . . . XI. Im Zimmer war e« dunkel, aber Jemand ging herum, wie schnarchend mit der Nase, und bald stand dieser Jemand an seinem Bette. Dann erhellte sich plötzlich da« Zimmer, man batte da« Gaslicht mit einem Schwefelbolz entzündet. Aber Matwei konnte nicht zu sich kommen und rief: „Jede« Wesen lobe Gott den Herrn." „Nun, wa« fehlt Dir denn, we-halb hast Du Dich denn erschrocken?" frug eine bekannte Stimme. E« klang ganz so, al« ob Düima spreche, nur etwa« Fremde«, Sonderbare« war in der Stimme. Und auch der Mann, der an Matwei'« Bette stand, war ebenfalls Düima, aber er sah doch ganz ander« au« und war ihm ganz unähnlich . . . Matwei dachte, daß da- Alle« nur rin Traum sei und begann kräftig seine Augen zu reiben. Und al« er dieselben öffnete, war e« »m Zimmer nur noch Keller und darin bewegten sich Leute, die soeben in einem Haufen zurückgekebrt waren... E« waren ganz fremde, sonderbare Leute, die ihm unbekannt erschienen, Pente von unbekanntem Stande mit Gesichtern, nach denen sich nickt bestimmen ließ, ob sie gut oder böse seien, ob st« einem Menschen gefallen oder nicht... Der Haufe war in« Zimmer gekommen, sonderbare Traumgespenster, wir sie der Mensch oftmals im Schlaf« sieht, und batte still und aeränschlo« dir Platz« fiugenommen. Und Matwei konnte sich lange gar nicht klar Wache», wer sie seien und woher, wa« sie hier thäten und wa« er selbst unter ibnen mache... Dana aber erinnerte er sich, daß e« Amerikaner seien ... Leute, die in der Luft fliegen, di« in den Kirchen lachen und sich «ine« Glauben je nach Belieben wäble». Aber der an seinem Bette stand, war da« wirklich Düima? I«, r« war wirklich Düima, aber ganz so, wie ,, ib« i« Tramue erschienen. Dieser beeilt« sich, sich an-zukleide», aber immer mit abgewandtem Gesicht. Matwei jedoch bemerkte daß Düima ganz andere Kleider, als er sie bisher getragen, «»«ziehe. Weder hatte er den weißen Kittel, noch den rothen Gürtel, den er kurz vor der Abreise in der Heimath gekauft, noch die hohen mit Tbran geschmierten Stiefel, noch die weiten Hosen au« dem braunen, dünnen Stoff. Anstalt dessen bemühte er sich jetzt, au« der deutschen kurzen Jacke zu kommen, die nicht einmal da« bedeckte, wa« ein Kleidungsstück bedecken müsse. Am Halse steifte sich argen den Kopf der hohe Kragen eine« Oberhemde«, die Füße konnten sich nicht au« den engen Beinkleidern befreien . . . Und al« jener endlich entkleidet zu Matwei in« Bett kroch, mußte sich dieser ab wenden, so sehr hatte sich Düima verändert. Seine Haare waren kurz geschnitten und standen in Büscheln empor, der Schnurrbart über der Lippe war rugestutzt und vom übrigen Barte war nur ein länglicher Streifen am Kinn zurück geblieben. „So fürchte doch Gott, Düima", sagte Matwei, nachdem er ibn gehörig betrachtet, „wem siebst Du denn ähnlich und wa« hast Du denn mit Dir gemacht?" Düima hat» da« Gefühl eine- Menschen, der auf den Markt hinausgeht, ohne auch nur mit dem Nothwendigfttn bekleidet zu sein. Er blinzelte mit den Augen, hielt sich den Mund m,t der Hand zu und sagte mit schuldbewußter, süß licher Stimme: „Wie Du siebst... Ich ging mit dem verfluchten Irländer zu einem Barbier, damit er mir ein wenig da« Haar schneide . . . Glaube mir auf Ehre, Matwei, ich wollte e« nur ein ganz klein wenig scherren lassen, aber e« kam ganz ander«. Man packte mich, setzte mich i« einen Lehnstuhl. E« ist ein schöner Stuhl, weißt Du. aber wenn man sich hineinsetzt, ist man verloren. Die Füße zog man «in wenig nach oben, mein Kopf fiel plötzlich nach hinten; bei Gott, wie ein Lamm auf der Schlachtbank lag Ich da . . . Ich sehe, daß mir Schlimme« passtrt, aber ich konnte mich nicht rühren und al« ich mich dann im Spiegel besah, erkannt« ich mich selbst nicht: ich sah nur, daß ich e« nicht war. ,Wg« hast Du Hundeseele au« mir gemacht", frag« ich den Barbier, aber dieser und der Irrläader waren sehr zufrieden. Sie klopften mich auf die Schulter und riese»; v«U, NsU, r«7 Bwlll . . (Fortsetzung folgte
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